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und Tageblatt. Amtsblatt für die königlichen and städtischen Behörden zn Freiberg und Brand. Verantwortlicher Redakteur: In Vertretung Ernst Mauckisch in Freiberg. ö Erscheint jeden Wochentag Nachmitt. '/,6 Uhr für den JO H FHUH 8 andern Tag. Preis vierteljährlich 2 Mark 2b Pf., zweimonatlich IM. bOPs. und cinmonatlich 7dPs. io. 2-hra«« Sonnabend, den 13. August. Inserate werdm bis Vormittag 11 Uhr angmom- l men und beträgt der Preis sür die gespaltene Zeile S I FH OH S . oder deren Raum 16 Ps. Die Kenntniß der Hauswirthschaft. Soll die sozialpolitische Bestrebung, welche auf die Ein schränkung der Frauenarbeit gerichtet ist, den Arbeitern wirklich zum Segen gereichen und deren Familienleben heben, so muß auch dafür gesorgt werden, daß die Arbeiter frauen jene Kenntnisse erlangen, welche zur Führung eines geordneten Haushaltes unerläßlich sino. Der Mangel dieser Kenntnisse trägt ganz besonders die Schuld, daß viele unserer Arbeiter im Verhältnis zu ihren Wirthschaftsaus- gaben viel zu schlecht genährt sind, für eine kraftlose und unschmackhafte Kost viel zu viel aufwenden und weniger erwerben, als sie bei besserer Ernährung recht wohl zu verdienen im Stande wären. In dem Schmoller'schen ^Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und VolkSwlrth- schäft" bespricht vr. I. Mehner „die Lebenshaltung einer Leipziger Arbeiterfamilie" und kommt auf Grund genauester Forschungen und Berechnung zu dem Schlüsse, daß der Haushalt einer Arbeiterfamilie mit drei Kindern mit wöchentlich 16 Mark von einer tüchtigen Hausfrau sehr gut geführt werden kann, während derselbe selbst mit 13 Mark sehr mangelhaft bestellt ist, wenn die Frau den Tag über in der Fabrik arbeitet. Die bäusliche Thätigkeit der Frau bezeichnet vr. I. Mehner als einen wichtigen Vestandtheil der nationalen Produktion, indem sie daS körperliche und geistige Wohl der breitesten Schichten deS Volkes fördert, während die Arbeit verheiratheter Frauen in den Fabriken vielfach das Familienglück beeinträchtigt. Wenn aber die Töchter der Minderbemittelten nicht zu praktischen Hausfrauen herangebildet werden, wenn dieselben in die Ehe treten, ohne eine Ahnung von den häuslichen Fertigkeiten zu haben, die zur Führung eines Haushaltes nothwendig gehören — Kochen, Waschen, Plätten, Nähe«, Stopfen, besonders aber dm vortheilhaften Einkauf der Lebensmittel — dann wäre es besser, die Frauenarbeit in den Fabriken nicht einzuschränken, denn solche Frauen taugen eben nicht für das Hauswesen, sondern nur für die Fabrikbeschäftigung. Wer sich irgend mit dem Armenwesen beschäftigt hat, wird viele Fälle der Verarmung kennen gelernt haben in welchen die mangelnde Kenntniß der Frau in der Hauswirthschaft den Haushalt rasch bergab gleiten ließ, dem Mann das Haus verleidete und ihn zu uner schwinglichen Ausgaben außer demselbm verleitete. Glücklicherweise giebt es auch Arbeiterftauen, welche Aut wirthschaften, ihre Kinder brav erziehen und dadurch ihrem Gattm mehr einbringen, als wmn sie 6 bis 8 Mk. wöchentlich durch Fabrikarbeiten gewännm. Das sind aber fast ausnahmslos solche Frauen, die nicht als junge Mäd chen gleich ausschließlich dem Verdienst in den Fabriken nachgingen, sondern im Dienst einer tüchtigen Hausfrau zu allen häuslichen Geschäften angeleitet wurden. DaS häus- liche Wirthschaften ist gar nicht so leicht zu erlernen, als man im Allgemeinen annimmt, und fast noch schwerer ist es, diese häuslichen Fertigkeiten einem Mädchen beizubringen, das nicht schon aus einem geordneten Haushalt kommt und deshalb gewöhnlich nur geringe Neigung verspürt, sich einem fremden Willen unterzuordnen und in einem anderen qut bürgerlichen Hause sich den Verhältnissen anzupassen. An den Nutzen fiir die spätere eigene Häuslichkeit nach einer entsprechenden Verheirathung denken solche junge Mädchen selten; sie wissen es oft kaum zu schätzen, wenn sie eine tüchtige Lehrmeisterin gefundm haben, deren es gar nicht so viele giebt. Abgesehen von der großen Geduld, die das Anlernen eims Dienstmädchens voranSsetzt, gehören dazu auch eigene wirtschaftliche Kenntnisse, die auch in den bemittelten Klassen nicht allzuhäufig sind, weil in diesen bei der Erziehung der Töchter die für die Gesellschaft er forderliche Bildung die Zeit für die Erwerbung der haus- wirthschaftlichen Fertigkeiten erheblich schmälert. Der Mangel an Anhänglichkeit, der gerade in neuester Zeit bei den Dienstboten bedenklich zugenommen hat, verleidet es den tüchtigsten Frauen, ein Dienstmädchen mit allen Zweigen der' HauLwirthschaft vertraut zu machen, denn sobald dies geschehen ist und bekannt wird, vertauscht die Belehrte den Dienst regelmäßig rasch mit einem anderen, etwas besser bezahlten. Man benutzt die Dienstboten des halb in vielen Haushaltungen nur zu Handreichungen oder begnügt sich mit Aufwartungen. Auf diese Weise ist die Gelegenheit zur Erlernung des richtigen Wirtschaftens trotz des thatsächlichen Mangels an weiblichen Dienstboten in Wirklichkeit sehr knapp und man hat sich deshalb darauf angewiesen gesehen, besondere Haushaltungsschulen zu gründen, denen die Gemeinden einiger größerer Jndustrieorte und verschiedene human gesinnte Besitzer bedeutender Fabriken eine weitgehende Fördemng angedeihen lassen. In letzterer Beziehung find> zu erwähnen: die Arbeiterinnenschule zu Linden bei! Hannover, daS Arbeiterinnen-HoSpiz des Fabrikanten Brand in Gladbach, die Haushaltungsschulen der Fabri kanten David Neviger in Elberfeld, Gustav Werner in Reutlingen u. A. m. Von dem Gedanken ausgehend, daß nicht der Mangel an gutem Willen, sondern an Gelegen heit, sich für den hauswirthschastlichen Beruf zu bil den, die Schuld tragt, warum so viele Arbeiterinnen ungenügend vorbereitet in die Ehe treten, gründete man jene Haushaltungsschulen, in welchen besonders Fabrik- mädchen, ohne ihre Stellungen zu verlieren, sich die für den Haushalt unerläßlichen Kenntnisse anzueignen ver mögen. In Süddeutschland widmet man jetzt diesem Zweig der Volkserziehuna ganz besondere Aufmerksamkeit und Sorgfalt. Der Nürnberger Fabriken-Jnspektor sagt in seinem Jahresbericht: „Wer unter Arbeitem gelebt hat, hat genügend erfahren, daß eS mit dem Hauswesen und der Kindererziehung der verheiratheten Arbeiterinnen in sehr vielen Fällen nicht gut bestellt ist, weil dieselben meistens nichts von Haushaltungs-Geschäften gelernt haben; es fehlt deshalb auch die richtige Lust und Freude am häuslichen Schaffen. ES würde daher ein verdienstvoller Versuch unserer Großindustrie sein, Haushaltungsschulen für Arbeiterinnen in« Leben zu rufen." Eine Vorlage des Oberbürgermeisters der Fabrikstadt Pforzheim befürwortete bei den dortigen beiden städtischen Kollegien, die für eine Haushaltungsschule erforderlichen Räumlichkeiten dm sich mit dem Unterricht beschäftigenden Frauenvereinen unentgeltlich mr Verfügung zu stellen. Dieser von Erfolg begleiteten Vorlage hatte der erwähnte Oberbürgermeister eine ausführliche Begründung beigegeben, in der es u. A. heißt: „Die Kraft der Frauen liegt nicht im Gewinnen, sondem im Ordnen und richtigen Vertheilen des Gewonnenen, wodurch auch die bescheidenste Wohnung und der dürftigste Haushalt fähig wird, Harmonie zu er zeugen und das Gemüth zu befriedigen. Wenn sich die Menschen aber in ihrem Gemüthe beglückt fühlen, so werden sie sich auch sittlich heben, sie werden, wie Beaconsfield sagt, stolz sein auf die Gemeinde, in der sie wohnen und das Glück erlangt haben, und ihre Gedanken werden nicht leicht auf Abwege gerathen. So hängt also auch von der Tüchtigkeit unserer Frauen die Wohlfahrt des ganzen Volkes ab, well die Gemüther der Männer und Knaben bestimmt und gebildet werden von den Frauen, Müttem und Schwestern. Dann ist die Erziehung und Ausbildung der Frauen ein Hauptpunkt in den sozialpolitischen Aufgaben der Zeit, namentlich in der Arbeiterfrage, der noch immer nicht allgemein genug Würdigung gefunden hat. Wenn man nun auch in neuerer Zeit nicht mit Unrecht großes Gewicht auf die Berufsbildung und gewerbliche Erziehung der Töchter gelegt hat, so wird doch die hauswirthschaftliche Erziehung die Hauptsache bleiben, weil der natürlichste und wichtigste Beruf, auf den ein Mädchen sich vorbereiten soll, in der Thätigkeit als Hausfrau oder doch in der Mitarbeit an einem Familienhaushalt besteht. Gerade den Arbeiterinnen in Fabriken ist das Erlernen der häuslichen Arbeiten ganz besonders nothwendig. Wohl soll zugegeben werden, daß die Frauenarbeit im Großen und Ganzen nicht wird ent behrt werden können, aber man darf doch die Hoffnung hegen, daß wenigstens die verheiratheten Frauen mit der Zett immer mehr dem häuslichen Herd und der Pflege ihrer Kinder zurückgegeben werden können. Eine Arbeiter frau, welche gut zu wirthschaften und ihre Kinder ordent lich zu erziehen versteht, kann den Ihren und dadurch den Gemeinden und dem Staate viel mehr nützen und ersparen, als was sie an Lohn in der Fabrik verdienen kann." Die Richtigkeit dieser Betrachtungen wird allgemein aner kannt werden, swenn man auch nicht überall im Stande sein wird, mit der Gründung von Haushaltungsschulen so fort vorzugehen. Wo solche Schulen noch nicht be stehen, sollte man den Eltern und Vormündern so lange ins Gewissen reden, bis sie die Pflicht erkennen, die Mäd chen zur Erfüllung ihres eigentlichen Berufes fähig zu machen und dieselben eine Zeit hindurch in Dienst gehen zu lassen. Tritt ein solches Mädchen in ein Dienstbotcnver- hältniß, wo es als alleinige Dienstperson von einer tüchtigen Hausfrau zu allen häuslichen Geschäften angeleitet wird, so erhält es dadurch etwas, was ihm für sein ganzes Leben Nutzen schafft. Immer und überall aber werde das Wort Goethes beherzigt: „Dienen lerne bei Zeiten das Weib nach ihrer Bestimmung, Denn durch Dienen allein gelangt sie endlich zum Herrschen, Zu der verdienten Gewalt, die doch ihr im Hause gehöret!" Tagesschatt. Freiberg, den 12. August. Kurz vor seiner Abreise von Gastein ist der deutsche Kaiser von einem kleinen Unfall betroffen worden. Dem hohen Herrn entfiel nämlich am 9. August Nachmittag- während de» Lesens von Korrespondenzen ein Brief. Der Kaiser bückte sich rasch, «m das Schriftstück aufzuhrben, stieß aber an die Kante des Schreibtisches so heftig an, daß er sich eine leicht« Quetschung in der Hüftengegend zuzog und dadurch mehrere Minuten Schmerz verspürte. Abends war der hohe Herr wieder ganz wohl und konnte der letzten Theater-Vorstellung in der Villa „Solitude" bis 10V» Uhr beiwohnen. Während der Vorstellung war der Kaiser in bester Laune. Beim Abschied sagte er zu den Mitwirkenden: „Vergessen Sie mich nicht." — Der deutsche Kronprinz ist Mittwoch in Edinburg eingetroffeu und hat dort am Nachmittag das Alterthums museum und dir Nationalgalerie besucht. — Bei dem Frstkommer», der anläßlich deS Universitäts-Jubiläum» in Göttingen abgehalten wurde, brachte der Prinz-Regent von Braunschweig, Albrecht von Preußen, einen Triukspruch auf den Kaiser auS, der etwa also lautete: „Indem ich Sie, Kommili tonen der Osorgi» ^.uFrmta, hier von ganzem Herzen will kommen heiße, drängt eS mich, Ihnen allen meinen Dank auS« zusprrchm au» vollem Herzen, daß, nachdem Sie heute Morgen auf Se. Majestät ein Hoch au»gebracht, Sie auch sür mich rin Hoch übrig hatten. Die Art und Weise, wie diese Klänge an mein Ohr gedrungen find, ist so, daß dieselben unauslöschlich in meiner Erinnerung etngrprägt find. Die hier so zahlreich versammelten Kommilitonen sind ein beredtes Zeugniß, daß di« Anhänglichkeit an die H.imu mutsr Osor^ia ^.uZusta lebendig ist, daß weder Zeit noch Raum die schönen Bande lösen und Ihnen die Spannkraft nehmen kann, die in gemeinsamer Arbeit zwischen Lehrflirper und Studtrenden und unter dm Studiren« den selber bestehen muß. Sie Alle sind hier gewesm oder sind noch hier, um sich vorzubereiten zu einem Berufe, sei e» zu einem ererbten, sei e» zu einem selbsterwählten, nachdem Sie am Born der Wissenschaft geschöpft haben, um sie wieder zum Wohle und Besten der Wissenschaften zu verwenden, oder um der Kirche und dem Staate zu dienen. Zum Berufe aber gehört die Pflichttreue und nun, meine Herren, wir haben, Gott sei gedankt, ein Beispiel von höchster Pflichttreue, es ist da» de» Kaisers Majestät. Wir sind erfüllt von Danke»- gefühlcn grgm Gott im Hinblick auf unseren mehr als SOjährigm Herrn; erheben wir unsere Gläser in dem Gefühlt, daß, wa» auch kommen möge, in uns und Gott gebe es, in vielen Ge schlechtern, die »och kommen mögen, dieses unerreichbare Bei spiel fort und fort lebe. Lassen Sie uns rufm, Se. Majestät der Kaiser, unser allergnädigstcr König und Herr, der Schirm herr der Ovorgia ^.u§u8tu, er lebe hoch!" Dieser Trtnkspruch wurde mit begeisterten Hochrufen ausgenommen. An denselben schloß sich rin Toast de» Seniors des präfidirenden KörpS „Hannover«" auf Se. Königliche Hoheit den ttoator mugniL- LLutissimug, ein Toast des Professors Dove auf das deutsche Reich, des Kultusminister- von Goßler auf die Provinz Han- novor, des Landesdirektors von Bennigsen auf die Universität Göttingen. Einem Trinkspruch auf die alten Herren folgte ein von Professor Weiland ausgebrachter und mit begeisterten Hochrufen aufgenommener Toast auf den Fürsten v. Bismarck und ein solcher auf die Stadt Göttingen. Oberbürgermeister Merkel brachte ein Hoch au- auf die ganze deutsche studirende Jugend. Die Universität--Jubelfeier fand mit einer Mittwoch Nachmittag in Mariaspring und mit einer Mittwoch Abend im Bursenneschcn Garten veranstalteten Festlichkeit ihren Ab schluß. — Wie der „Staatsanzeiger für Württemberg" meldet, gebrauchte der König von Württemberg in Friedrichshafen seit einiger Zeit zur Bekämpfung von neuralgischen Schmerzen und einer Schwäche in der Bewegung des linken Beins die Knetkur des Ür. Röchling. Der Erfolg ist ein günstiger, die Schmerzen haben abgenommen und die Bewegung deS Beine» hat sich gebessert. Mit großem Eiser suchen die Organe der österreichischen Regierung von der letzteren jede Verantwortlichkeit für den abenteuerlichen Schritt des Prinzen Ferdinand von Koburg abzuwälzen. So schreibt die offiziöse „Wien. Presse": „Der Prinz wagt diesen Schritt, ohne die Zustimmung irgend einer Großmacht. Nichts wäre irriger, als die Annahme, er lasse sich auf sein Abmtcuer mit der Zustimmung Oesterreichs ein, daraus folgern zu wollen, daß seine Abreise von Wien nicht verhindert wurde. Nachdem Prinz Ferdinand aus dem Ver bände der österreichisch-ungarischen Armee ausgeschieden, war er als Agnat eines souveränen europäischen Fürstenhauses vollständig Herr seiner Handlungen und hat nun auch auf -igene Gefahr und Verantwortung einen Schritt gemacht, den