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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.06.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-06-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960604025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896060402
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896060402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-06
- Tag 1896-06-04
-
Monat
1896-06
-
Jahr
1896
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Die Morgen-AuSgabe erscheint um '/,? Uhr. dir Abend-Ausgabe Wochentag« um 5 Uhr. Filialen: ktt« Klemm'« Sortim. lAlfrrd Hahn). Universitütsstraße 3 (PauUnum), Louis Lüsche, Kathannenstr. 14, pari, und Königsvlatz 7. Nedaction rmd Lrpeditiou: JotzanncS-affe 8. DieExpeoition ist Wochentags ununterbrochen grösfurt von früh 8 bi« Abends 7 Uhr. Bezug-'Prei- I» d«r Hauptexpedttion oder den im Stadt« bezirk und den Vororten errichteten Aus- aavrstrllen abgeholt: vierteljährlich^4^0, bei zweimaliger täglicher Zustellung in- Hau« 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Dtrecte tägliche Kreuzbandlenduug in« Ausland: monatlich 7.50. Abend-Ausgabe. WpMtr TagMM Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Volizei-Ämtes der Stadt Leipzig. UnzeigenPrei- die 6 gespaltene Petitzeile 20 Psg. Sirclameu unter dem Redactionsstrich (4ge» spalten) 50^, vor den Familiennachrichten (V gespalten) 40 >4. Kroßere Schriften laut unserem Preis verzeichnis. Tabellarischer und Zisferinatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur ont de, Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mrt Postbesörderung ^li 70—. Ännahmeschluß für Anzeigen: ?lbend-Ansaabe: Vormittags 10 Uhr. Margen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen find stets an die Expevitia» zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig ^2 M Donnerstag den 4. Juni 1896. 90. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 4. Juni. Wir bezeichneten es jüngst als einen Fehler, daß die Reichs tagscvm Mission, der mehrere Initiativanträge des Hauses, betreffend das Vereins- und Bersauimlungs recht, überwiesen worden waren, diese Anträge zu einem vollständigen Gesetzentwürfe verarbeitet hat, statt sich auf die dringende Forderung nach Beseitigung des Verbotes der Verbindungpolitischer Vereine untereinander, dieser am härtesten empfundenen vereinsgesetzlichen Bestimmung der größten Einzelstaaien, zu beschränken. Daß das in der Thal ein Fehler war, Hal die Mehrbeit des Reichstags augen scheinlich eingesehen; in der gestrigen Sitzung, in welcher jener Commissionsenlwurf eines Vereinsgesetzes zur ersten Be- ralbung kam, bemühten sich die meisten Redner, diesen Fehler insofern wieder gut zu machen, daß sie mit der gedachten Verbesserung fürlieb nehmen zu wollen erklärten. Die ver bündeten Regierungen können nun jedenfalls ans der mit großer Mehrheit erfolgten Annahme des Entwurfs nicht die Berech tigung für sich ableiten, deshalb, weil ihnen das Ganze un annehmbar erscheint, zu gar nichts die Hand zu bieten. Der Abg. v. Bennigsen erklärte ausdrücklich, daß feine national liberalen Freunde dem Entwurf zuslimmen würde:!, obwohl sie in demselben Mängel fänden und seine Zurückweisung durch die Regierungen befürchteten. Es handelt sich hier vor allen Dingen um eine energische Willenskundgebung in Bezug auf die Beseitigung des Verbots der Verbindung der Vereine untereinander, und die Regierungen können nach dem Ausgang des Protestes gegen die socialdemokratische Organisation kein praktisches Bedürfniß zu der Beibehaltung der chicanösen, aber gerade gegen die Socialdemokratie untauglichen Vor schrift empfinden. Gestern verhielt sich der StaatSsecretair Di. v. Boettich er allerdings auch in diesem Puncte sehr reservirt. Hoffentlich erfolgt aber bei der dritten Lesung eine befriedigende Zusage. In der zweiten Lesung der Gewerbeordnungs novelle hat der Reichstag das in der Regierungsvorlage enthaltene Verbot öes Tetailrciscns zwar gemildert, aber doch noch so weit gefaßt, daß es eine sehr erhebliche Schädi gung legitimen Erwerb« mit sich zu bringen droht. Dieser Umstand hat jedoch das Centrum und die konservative Partei nicht abgehalten, zur dritten Beratbung weitere Verschärfungen nicht nur der Reichstagsfastung, sondern auch der Regierungsvorlage zu beantragen. Die Regierungsvorlage verbietet das Aufsuchen von Waaren- bcstellungen im Allgemeinen,ertheilt aber dem Bundesrath unbe schränkte Vollmacht, nach seinem Ermessen Waarcngattunaen von dem Verbot auszunehmen. Diese Bestimmung ist vom Reichs tag in zweifacher Hinsicht abgeschwächl worden. Einmal wird das Aufsuchen von Bestellungen auf Druckschriften und Bildwerke, sowie auf Gegenstände der Leinen- und Wäsche fabrikation gesetzlich erlaubt, sodann ist zugelassen, daß der Bundesrath Ausnahmen nicht nur zu Gunsten von Maaren, sonden auch von Gegenden und Gruppen von Gewerbe treibenden trifft. Der klerikal - conservative Antrag be seitigt zunächst alle diese Milderungen außer der ge setzlichen Ausnahme der Druckschriften, dann aber auch die allgemeine Befugniß des Bundesrathes, Maaren zu bezeichnen, die der Privattundschaft angeboten werden dürfen. Danach wären alle Maaren mit Aus nahme der Druckschriften endgültig von dem Vertrieb im Wege de« Detailreisens ausgeschlossen. Damit noch nicht genug, erschwert der klerikal-conservative Antrag, der nach dem Centrumsökonomiker Hitze benannt ist, auch daS Auf suchen von Bestellungen auf Waaren bei solchen Personen, die die betreffenden Waaren in ihrem Geschäftsbetrieb ver wenden. Er schreibt nämlich vor, daß bei Kaufleuten Ver kaufsangebote nur „in deren Geschäftsräumen" gemacht werden dürfen. Damit wird der Gewerbebetrieb der nur Wiecerverkäufer besuchenden Geschäftsreisenden, die in dieser Gewerbenvvelle ungeschoren bleiben sollten, beeinträchtigt. Die ausnehmende gesetzgeberische Umsicht, von der dieser An trag Zeugniß ablegt, sei an einem Beispiel dargethan. Der Inhaber eines Mvdewaarengeschäsls in einem kleineren Orte muß infolge eines Beinbruchs, der ihn aber nicht am Denken und Sprechen hindert, Wochen lang das Zimmer hüten. Er wird in seinen Geschäftsräumen durch Verkäufer vertreten, die aber nicht befugt oder befähigt sind, Bestellungen aufzu- geben. Der Reisende seines vertrauenswürdigsten Lieferanten erscheint um diese Zeit in dem Orte, ist aber nicht in der Lage, wegen veS einen Kunden, den er nach dem Antrag Hitze nicht besuchen darf, seinen Aufenthalt zu verlängern oder die Reise ein zweites Mal zu unternehmen. Der Geschäfts mann wird also verhindert, sich in der gewohnten Weise über die Existenz und die Beschaffenheit von Neuheiten zu insormiren, die er möglicherweise in seinem Geschäfte führen muß, um concurrenzsähig zu bleiben. Den größeren oder gar den größten Modcwaarenhäudler trifft die Vor schrift nicht. Der hat sachkundige Leute, die die Reisenden empfangen oder an den Productionsorten die Bestellungen macken. Sie benachtheiligt nur die kleinen Gewerbetreibenden, in deren Interesse Centrum und Conservative dieses Gesetz zu machen vorgeben. Trotz aller dieser Erschwerungen des Verkehrs hat sich der Antrag Hitze als MilderungSantrag eingeführt, weil er das Aufsuchen von Bestellungen bei der Privattundschaft in Len Fällen ge stattet, wo eine „ausdrückliche Aufforderung" zum Besuche vorhergegangen ist. Diese Bestimmung besagt entweder gar nickt«, oder sie ist gleichfalls zweckwidrig. Tie Mehrheit des Reichstags hat sie abgclehnt, in der auch von der Negierung getheilten und unzweifelhaft richtigen Auffassung, daß der einer Aufforderung entsprechende Besuch eines Verkäufers oder dessen Stellvertreters ohnehin gestattet ist. tz 44 der Gewerbeordnung spricht in der Fassung zweiter Lesung wie nach dem Antrag Hitze selbst vom „Aussuchen", nicht aber von der Entgegennahme von Bestellungen, die der Besteller einem bestimmten Geschäftsmann oder seinem Reisenden zugedachl bat. Der Antrag Hitze erlaubt also, was nicht verboten ist. Wäre dem aber anders, so würde der Antrag auch hierin die größeren Geschäfte gegenüber den kleinen begünstigen. Die ersteren würden durch die unausgesetzte Versendung von gedruckten und frankirten Briefen oder Postkarten, unter die die Kunden nur den Namen zu setzen hätten, sich Besuchsaufsorderungen in Massen zuwenden — ein Weg, der dem mit geringem Capital arbeitenden Gewerbetreibenden verschlossen ist. Die fortgesetzten Hetzereien der enslischen Presse gegen Teittfchland haben nun auch in Südafrika, wo man die deutschen Colonisten sonst sebr gern sieht, — er ist in der That der beste — schon ihre Früchte getragen. An Un gezogenheiten der englischen südafrikanischen Presse gegen Deutschland war mau schon lange gewohnt, da sie die Fest setzung Deutschlands in Südafrika noch immer nicht über winden kann, aber neu ist, baß jetzt auch hohe Beamte der Capcolonie bei allen möglichen Gelegenheiten gegen die Deutschen zu Hetzen suchen. Sv bat der „Post" zufolge Sir Thomas Uvington, der Attorney General, also einer der höchsten richterlichen Beamten der Capcolonie, sich jüngst auf einer landwirthschastlichen Versammlung in Port Elizabeth in einer mindestens sehr unpassenden Weise ausgedrückt. Nach einigen allgemeinen Bemerkungen über die Deutschen, welche er als gute Colonisten und loyale Bürger bezeichnete, fuhr er in seiner Rede fort: „Wenn Sie mich aber fragen, ob ich gesonnen bin, meine Nationalität, meine Untertbanenschaft der Königin gegenüber aufzuzebcn und mich zum Untertban deS Deutschen Kaiser« zu machen, so gestehe ich offen, daß ich der Königin den Vorzug gebe." Diese wegen einer Seiteubemerkung auf den Kaiser mit höhnischem Gelächter und Halloh begleiteten Aus führungen sind einmal unverständlich, denn Deutschland denkt nicht daran, das Capland zu erobern, dann aber vor Allem hetzerisch und die öffentliche Meinung des CaplandeS irre führend. Diese Aeußerung stehl ungefähr auf derselben Stufe wie eine von Sir Jacobus de Wet, dem englischen Com- missar in Pretoria, der sich neuerdings angeblich aus Gesund heitsrücksichten zurückziehen mußte, nnv die als hübsche Blüte aus dem letzten englischen Blaubuche über Südwestafrika ge pflückt ist. Am 1. Januar telegrapbirte dieser Herr an den Obercommissar Sir Hercules Robinson nach Capstadt verschiedene Mittheilungen über die Lage in Johannis burg und vergaß dabei nickt, zu erwäbuen, daß „Brigaden von sogenannter deutscher Polizei durch die Stadt mit der ganzen Unverschämtheit von Briganten paradirten!" Der Ausdruck „Briganten" für die Deutschen, welche doch nur Ruhe und Ordnung aufrecht erhalten wollten, ist gut, wenn man ihm die „Hetdenlhaten" der Polizeitruppe der Chartered Company, welche eine Republik im tiefsten Frieden überfiel, gegenüberstellt. Der Gnadenact der Transvaal-Regierung gegen die Johannesburger Verschwörer, vie bi« auf die vier zum Tode verurtheilten Hauptverschwörer Oberst Rhodes, Ferrar, Phillips und Hammond unter Aufrechterhaltung der Geldstrafen, sowie der Landesverweisungen (letztere werben jedoch nicht vollstreckt, wenn die Perurtheilten sich verpflichten, von jeder ferneren Einmischung in die politischen Verhältnisse der Republik sich fern zu halten) allesammt in Freiheit gesetzt worden sind, zeigt wieder die meisterhafte poli tische Mäßigung der maßgebenden Factoren der Süd afrikanischen Republik, namentlich ihre« Präsidenten Krüger, sowie die Ueberlegenheit ihres Handelns gegenüber den kleinlichen Machenschaften der englischen Diplomatie, die jetzt, statt Transvaal in den großen englischen Colonial sack zu stecken, sich zur Rolle des demüthigen Dank- sagers für die Begnadigung Derer verurthcilt sieht, welchen dieses kühne Unternehmen so gründlich mißglückt ist. Daß in Folge dessen die Stimmung in England eine höchst ärger liche ist, läßt sich denken, und eS war vorauszusehen, daß man sich in London den Anschein geben würde, al« nehme man die Begnadigungsnachricht als etwas Selbstverständ liches mit kühler Genugthuung hin. Wenn dabei behauptet wird, daß nicht Sympathie für England den Executivrath und den Präsidenten der Republik so gnädig gestimmt haben, so dürfte das allerdings stimmen. Bei Krüger waren sicherlich nur Weitblickende politische Erwägungen maßgebend. Er ist zu sehr Staatsmann und hat ein zu klares Verftändniß für reale Interessen und politische Verhältnisse, um sich in eine Sackgasse zu begeben. Wenn er dem Drange der schroffen Partei seiner Landsleute gefolgt wäre, kam der Verkehr mit der englischen Regierung voraussichtlick zu einer Art Stillstand, es konnte aber auch das Geschäft in Johannes burg schlimme Stöße erleioen, ehe sich Vie Dinge dort wieder leidlich einrenkten. Die Entfernung von emigen fünfzig der namhaftesten Persönlichkeiten aus dem großen Grubengeschäst mußte eine großartige Besitzverschiebung nach sich ziehen, die nickt nur in Transvaal und am Cap emsindliche Störungen verursacht, sondern wahrscheinlich sich bis nach Europa fübl bar gemacht hätte. Vor einigen Tagen hielt die rumänische Culturliga in Bukarest ihren diesjährigen Congreß ab. Er endete mit dem Sturze der bisherigen Leitung der Liga sammt ibrem Präsidenten Senator Urechia. Der Congreß lehnte nickt nur die Wiederwahl des bisherigen Vorstandes ab, sondern votirte ihm auch offen daS Mißtrauen, eine Kund gebung, die durch die nachträgliche Ernennung Ureckia's zum Ehrenpräsidenten der Liga nicht mehr abgeschwächt werden konnte. Diese« Ereigniß verdient einige Beachtung, weil die Mißtrauenskundgebung sick eigentlich gegen den derzeitigen Ministerpräsidenten Sturdza richtet, dieser aber bisher in der Liga ein gefügiges und werlhvolles Werkzeug besaß. Der Ursprung der Differenzen liegt in der ungarländiscken Rumänenfrage. Die Liga be hauptet nämlich, daß Sturdza, seit er Ministerpräsident geworden sei, die ungarländstche Rumänenfrage nicht nur weit gemäßigter behandle, waS man seiner Stellung zu Gute hallen müsse, sondern daß er geradezu bestrebt gewesen sei, auf Grund von Unterhandlungen mit der ungarischen Regierung die ungarländischen Rumänen in eine opportu nistische Richtung zu treiben, ähnlich wie sie von den regierungsfreundlichen liberalen Sachsen eingehalten werde. Zu diesem Zwecke habe er mit den in Ungarn processirten Rumänen Popovici, Brote und Albini unterhandelt, jedoch nur Brote, den Eigentbümer der Hermannstädter „Tribuna", gewonnen, und nur durch rasches Eingreifen Popovici's sei es möglich gewesen, die „Tribuna" Herrn Brote zu entreißen. Als in Folge dessen die „Tribuna" die alte oppositionelle Politik fortsetzte, habe die Leitung der Culturliga auf Veranlassung Sturdza's dem Blatte 300 Abonnements gekündigt. Außerdem soll sick Sturdza der ungarischen Negierung gegenüber verbindlich gemacht haben, für die Millenniumsausstellnng einige Extrazüge aus Rumänien zu besorgen. Wie viel an alledem wahr ist, läßt sich nicht feststellen. Thatsache ist nur, daß im vorige» Sommer in Ischl zwischen Rumänien und dem Grafen Goluchowski die Rumänenfrage zur Sprache gekommen ist. Die Liga beschuldigte nun die bisherige Leitung mit dem Präsidenten Urechia an per Spitze, sich zum Werkzeuge Sturpza's hergegeben zu haben, und wählte ein neues Präsidium. Bei der Verbreitung der Liga in Rumänien und ihrem Einflüsse auf die Bevölkerung des Landes ist es nicht unmöglich, daß durch die erzählten Vorgänge in der Liga auch die ministerielle Position Sturdza's einen Stoß erhält. Er ist überdies kürzlich im „Pester Lloyd" gelobt worden, und da« ist so ziemlich das Gefährlichste, was in Rumänien einem Manne in öffentlicher Stellung zuftoßen kann. Deutsche- Reich. Berlin, 3. Juni. Da« Organ des Bunde- der Land- wirthe genießt die Auszeichnung, von der „Freis. Ztg." als Zeuge für die Unzulässigkeit der Verabschiedung des Bürgerlichen Gesetzbuches in diesem Sommer ausgeführt zu werden. Wahrscheinlich ist es die Sprache deS agrarischen Blattes, wa« das freisinnige an- muthet, denn jenes bedient sich zur Kennzeichnung einer etwaigen Beendigung der Berathung vor dem Feuilleton. Die Tochter des Millionärs. 28j Roman aus dem Englischen von L. Bernfrld. (Nachdruck Verbotes.) Erschrocken prallte Victor vor Jane zurück, abwehrend beide Hände gegen sie auSstreckend. „Ich diese Briefe nehmen! Ick diese Briefe lesen!" rief er aus. „Nicht um die Welt möchte ich so etwas thun! Wie können Sie glauben, daß ich sie lesen werde!" „Aber Sie müssen sie lesen, Sir Victor", wiederholte Jane mit ruhiger Entschiedenheit, „es ist durchaus noth- wendia, daß Sie da« tbun. Niemand in der Welt hat mehr das Recht dazu, al« Sie!^ „Ich habe durchaus kein Recht, die Briefe zu lesen", ant wortete er, eS nicht beachtend, daß sie ihm nock immer mit auSgestreckter Hand dieselben entgegen hielt. „Händigen Sie die Briefe ihrem Gatten ein!" sagte er bitter. „Ihrem Gatten? O gewiß^nicht, Sir Victor! Wollen Sie daS Glück ihrer Ehe aufs Spiel setzen, indem Sie ihrem Gatten Einblick in diese Briese gewähren?" Victor starrte schweigend vor sich nieder, er mißverstand sie noch immer. „Besonder« der letztere Brief", fubr Jane fort, „ist von der größten Wichtigkeit und ick muß gestehen, daß er die Veranlassung war, Sie zu bitten, hierher zu kommen, der andere würde gar nicht in Betracht gekommen sein. Doch hier ist ein großes Unrecht wieder gut zu machen!" Er blickte sie fragend an. „Erinnern Sie sich noch an Alles, wa« sich während unserer Anwesenheit in Highmoor zutimg? An daS geheim- nißvolle Verschwinden der Brillanten Miß Hopley'S?" Ob er sich erinnerte! Welche Frage Bei dem Gedanken pochte sein Herz zum Zerspringen. „Nun also — dieser Brief giebt Aufklärung über die ver schwundenen Brillanten!" Er taumelte bestürzt zurück. „Wie? In diesem Briefe? So war sie dennoch seine Mitschuldige und der Detectiv batte Recht?" „Nein, nein, Sie verstehen mich nickt, Sir Victor! Hören Sie mich an, ich wiederhole eS Ihnen noch einmal, daß es Ihre Pflicht ist, diesen Brief zu lesen. Doch ehe ich Ihnen denselben übergebe, bitte ich Sse zuvor noch um Eines! Geben Sie mir Ihr Ehrenwort, daß Sie, trotzdem mein unglücklicher Gatte schuldig ist, nichts unternehmen wollen, wodurch er öffentlich zur Verantwortung gezogen werden könnte. Nie würde ick Ruhe finden, wenn ich mir vorstellen müßte, daß mein armer Philipp durch meine Sckuld unglück lich geworden ist. Es genügt, wenn Miß Hopley allein den Sachverhalt erfährt — sie muß die Wahrheit kennen — und ick bin überzeugt, sie wird nichts thun, um meinen Gatten ins Unglück zu stürzen!" „Miß Hopley!" wiederholte Victor erstaunt, „Sie meinen ich verstehe nicht —" „Sw weiß natürlich nichts, Diejenige, die Alles weiß, was in jener Nackt vorgefallen ist, die Alles mit angesehen hat, ist Ähre Schwester Helene; und nur ans Rücksicht auf die Beziehungen, in welchen sie vor einigen Jahren zu meinem Gatten gestanden, hat sie geschwiegen und nichts gethan, um die arme Beatrix von dem Verdacht, der auf ihr ruht, zu be freien. Aber lesen Sie selbst Helene'S Brief!" „Helene — meine Schwester — so sind die Briefe von Helene!" „Ja natürlich! Habe ich das nicht gesagt? Ich glaube nicht, daß es gut wäre, ihrem Gatten etwas davon zu sagen. Doch lesen Sie — Sie werden dann am besten varüber urtheilen können." Victor nahm jetzt die Briefe, deren Handschrift er sofort als diejenige seiner Schwester erkannte. Es war also nur seine Eifersucht, welche ihn irregeführt hatte, und sogar einen Augenblick lang annchmen ließ, daß eine so treuherzige Natur wie diejenige Beatrix' in einem geheimen Bries- wechsel mit einem so schlechten Menschen wie Seudamore gestanden habe. „Ich werde bier ein wenig auf- und niedergeben, während Sie die Briefe lesen", sagte Iqn«, ,Famit Sie die- in Ruh« thun und überlegen können, welche Schritte Sie einzuschlagen gedenken!" Vjctpr setzte sich auf eine niedrig«, zerbröckelte Stein mauer und öffnete die Briefe, zuerst den, der, nach seinem Aeußeren zu urtheilen, schon vor mehreren Jahren geschrieben sein mußt«. E< war «in Brief von seiner Schwester Helene, qu« einer Zeit, wo sie sich tief unglücklich gesüblt hatte. Derselbe war in London geschrieben worden, bald nach ihrer Rückkehr au- Schottland, wo Philipp sie durch du rücksichtslose Art und Weise, in welcher er ihre Verlobung aufhob, bloß gestellt hatte. Helene hielt in dem Briefe Philipp vor, wie schwer er sie in den Augen der Welt durch sein« Handlungsweise compromittirt habe; sie sagte ihm, daß kein Mann von Ehr« so gegen ein Mädchen handeln könne. Der Brief war voller Vorwürfe gegen Philipp, und doch las man aus jeder Zeile, daß nur zärtlichste Liebe diese Worte dictirt hatte. Sie erinnerte ihn an die glücklichen Stunden, die sie miteinander verlebt hatten, und wenn sie ihn auch nicht gerade auf forderte, zu ihr zurückzukebren, so war doch nicht zu ver kennen, daß der Brief nur geschrieben worden war, um ihn dazu zu veranlassen. Beim Lesen dieses Briefes mußte man da« tiefste Mitleid mit dem armen Mädchen empfinden, dem so schnöd« begegnet worden war, und andererseits rief derselbe die tiefste Ent rüstung gegen den Mann hervor, der in so rücksichtsloser Weise handeln konnte. Victor war empört über den Schurken und verhehlte sich nicht, daß dieser Bri«f in den Händen eines schlechten und gewissenlosen Menschen, wie Seudamore e« war, leicht ver derblich für Helene werden könnt«. Sollte Pbilipp jemals auf den Gedanken kommen, sick an Helene zu rächen, so würde dieser Brief, an Ralph Vyner gesandt, im Stande sein, das eheliche Glück der jungen Gatten zu zerstören. Mrs. Seudamore blieb, als Victor den Brief zusammen faltete, vor ihm stehen und sagte: „Nicht wahr, das Beste wird sein, diesen Brief zu ver nichten! Der Inhalt könnt« leicht mißdeutet werden!" „Gewiß, Sie haben vollkommen Recht, Mr«. Seudamore, und ich fühl« mich Ihnen lief verpflichtet, daß Sie mich in den Besitz diese« Briefe« gesetzt haken." „Zerreißen Sie ihn!" sagte Jane kurz. Victor folgte ibrem Rath, und schon in einer Minute führte der Wind die kleinen Papierstückckin nach allen Richtungen davon. „Und nun lesen Sie den ander«» Brief, Sir Victor!" Jane nahm ihren unterbrochenen Spaziergang wieder auf und überließ Victor abermals sich selbst. XXIV. Victor Greville öffnete in leicht begreiflicher Erregung jetzt den zweiten Brief. Derselbe war neueren Datums und Victor nahm sofort wabr, daß Helene ihn s«hr bald nach Empfang seine« eigenen Schreiben«, ,n welchem «r sein Zu sammentreffen mit Seudamor« in Mont« Carlo schilderte, geschrieben batte. Der Bries trug keine Ueberschrift und war ebensowenig unterzeichnet. Er lautete: „Mein Bruder schreibt mir, daß er mit Ihnen zusammen getroffen sei, und Sie ihm die Geschichte unserer Verlobung erzählt hätten- Ick darf mich über den Mangel an Edel- mutb, den dies Betragen Ihrerseits verräth, nicht wundern; wie hätte ich auch, nach dem, WaS vorhergegangen ist, etwa« Anderes von Ihnen erwarten können! — Und trotz Allem, was Sie gethan baden, will ick dennoch eine letzte Bitte an Sie richten! Vielleicht vermag ich Sie zu veranlassen, einen Theil deö Unrechts, das Sie gethan haben, wieder gut zu machen! E« handelt sich nicht um meine Angelegenheiten, ich hjtte nur für das arme Mädchen, das Sie um seines Reichthums wegen heiratben wollten, und das Sie jetzt in eine so traurige Lage versetzt haben. Da Sie England nun doch einmal den Rücken gekebrt und Ihnen jetzt, nachdem Sie den Dienst quittirt baben, nicht mehr viel daran liegen kann, hierher zurückzukebren, ist, wa« ich von Ihnen verlange, nicht einmal ein großes Opfer zu nennen. Thun Sie einmal in Ihrem Leben ein gutes Werk, Philipp Seudamore; lassen Sie das arme Mädcken und Diejenigen, die e« lieben, die Wabrbeit wissen. Legen Sie Bcalrix Hopley ein offene« Oeständniß ab über den Dicbstakl des Brillanthalsbandes nnd erklären Sie ihr in einigen Zeilen den wadren Sachverhalt. Sagen Sir ibr, daß Sie das Halsband au« ihrem Schlafzimmer entwendet hätten, um mit dem Gelbe, welche« Sie in Inverneß für die Steine lösten, Ihre Spielschulden bezahlen zu können. Sie wissen, daß ich die Tbatsachen genau kenne, denn ich sah Sie an dem unseligen Abend da« Zimmer Beatrix' verlassen; ick las die Schuld auf Ihrem bleichen Antlitz, ich habe da« Glitzern der Steine, welche Sie in Ihrer geschloffenen Hand dielten, geseben und bemerkt, wie Sie dieselben bei meinem Anblick hastig in die Tasche Ibre« Rocke« gleiten ließen! Ich bin auch überzrugt, daß Sie sich dessen bewußt sind! Geben Sie dem unschuldigen Mädcken, welchem Sie so schwere« Unrecht gethan haben, den Frieden seiner Seele wieder. Erst dann wird Beatrix darein willigen, meinem theuren Bruder an- zugehüren, welchen sie nur um des sckniäblichen Verdachte« willen, der durck Ibre Schuld auf ihr ruht, zurückgcwiesen bat. Machen Sie zwei Menschen glücklich, Pbilipp, e« kostet Sie so wenig nnd Sie laufen keine Gefahr dabei. Ich flehe Sie nochmal« an, begeben Sie einmal in Ihrem Leben eine gute Handlung, Sie werden dieselbe gewiß niemals bereuen!" Mit geröldetem Antlitz und klopfendem Herzen starrt«
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