Volltext Seite (XML)
MMsche Wlkszeitimg Erscheint vorläufig Dienstags und Freitags abends mit dem Datum des folgenden Tages. Berugspreisr Vierteljährlich t Mark (ohne Bestellgeld). Post-Bestellnummer 6595a. bei außerdeutschen Postanstalten laut Zeitungs-Preisliste. Kirrzecrrrrrnrrrer 10 H'fg. Unabhängiges Organ für Wayrkeit, Ireiycit und Hiecht. I^eaaittisn SerchäMrielle, vrrrtk«. Zchiorrrtt-rrr Z2. Nr. S. Mittwoch, den 30. Juli 1902. Mur- 67 Mg. (ohne Postbestellgeld) kostet ein Abonnement auf die „Sächsische volkszeitung" für die Monate August und September. wir bitten unsere Leser, in Bekanntenkreisen für die weitere Verbreitung unsres jungen Unternehmens nachdrücklichst tätig zu sein. Für die bisherige Mitarbeit und Agitation sagen wir allen unfern Gesinnungsgenossen den herzlichsten Dank. Wedaktion und Geschäftsstelle der „Lächs. Volkszeitung". Geschäftsstelle der „Sächsischen Volkszeitung" und des „Prekvereins" S«rklos»»1nsssv 22, NI., wohin Geldsendungen. Inserate und geschäftliche An fragen zu richten sind. Auf zur Arbeiterorganisation! Die Sammlung der Katholiken in Sachsen ist eine dringende Notwendigkeit, insbesondere für die katholischen Arbeiter. Zahl reiche Gefahren bedrohen sie. Einerseits liegt die Sozialdemokratie auf der Lauer, um die katholischen Arbeiter, welche aus Böhmen. Schlesien, Provinz Posen, Bayern hierher kommen, in ihren Netzen zu fangen, anderseits entfalten evangelische Arbeitervereine eine rührige Agitation, um die katholischen Genossen von ihrer Religion abtrünnig zu machen. Wir würden ihren Bestand, als eine Sammlung christlicher Männer, als eine Schutzwehr gegen die rote Agitation begrüßen, wenn die meisten derartigen Vereine nicht im Dienste des Evangelischen Bundes als Kampfestruppe gegen Rom verwendet würden. In einer solchen Umgebung, teils roter, teils schwarzer Farbe, muß nun der einzelne katholische Arbeiter meist bei protestantischen Brotherren seiner Berufsarbeit nachgehen. Allerhand Flugschriften beiderlei Kouleur, das Reden und Politisieren in Werkstatt und Wirtshaus sollen ihn nach und nach in seinem Glauben wankend machen. Oft ist ihm nur selten Gelegenheit geboten, durch Predigt und Gottesdienst sich neu zu kräftigen und zu stärken, durch gute Zeitschriften seine aufsteigenden Zweifel, welche verleumderische Reden über die katholische Kirche nach und nach Hervorrufen, zu beseitigen und sich zur Gegenrede zu wappnen. Schließlich kommt noch das böse Beispiel der eigenen Glaubensgenossen hinzu, welche das begonnene Werk, wenn auch nicht gerade des äußeren, so doch des inneren Abfalles vollenden. Dabei wollen wir noch gar nicht der vielen Mischehen gedenken, die den Schiffbrnch im Glauben häufig herbeiführen. Der große Arbeiterpapst Leo XIII. hat in seinem herrlichen Rundschreiben »llsrum novarum" darauf hingewiesen, daß auf der katholischen Arbeiterbewegung in erster Linie die Zukunft der menschlichen Gesellschaft beruht. Allüberall organisiert sich bereits der katholische Arbeiter, man schreitet zur Gründung von Arbeitervereinen, um den Arbeiter in seinem geistigen Elend den letzten Trost — den Glauben an einen gerechten Gott und die von ihm gestiftete Kirche zu erhalten und in Kummer und Not. in der Vertretung seiner berechtigten Interessen einen organisierten Schutzverband zur Seite zu geben. Auch in Sachsen ist in mancher Beziehung mit einer Organisation vorgegangen worden. Besonders segens reich wirken die bestehenden Gesellcnvereine zu Dresden, Leipzig, Chemnitz. Bautzen, Plauen i. V., Schirgiswalde, Meißen. Ostritz, Frcibcrg, Neuleutersdors und Zittau an der Lösung der sozialen Frage durch die Organisation der Gehilfen. Auch besteht in Plagwitz-Lindenau ein 1888 gegründeter katholischer Arbeiterverein. In der letzten Zeit hat in vielen Orten der Volksverein für das katholische Deutschland festen Fuß gefaßt und beginnt zum Mittelpunkte der Organisation zu werden. Die soziale Arbeit steht ja auch bei ihm an der ersten Stelle des Programms. In seiner Mitte finden alle katholischen Männer, ohne Unterschied des Standes. Aufklärung und Belehrung; sic werden dort mit dem Rüstzeug versehen, das nötig ist. um selbst in der Überzeugung fest zu bleiben und die Angriffe anderer mit Erfolg zurückweisen zu können. Der Volksverein vollbringt viel Gutes, und es ist Sache eines jeden Katholiken, ihm beizutrctcn und für ihn zu agitieren. Überall dort, wo die katholischen Arbeiter vereinzelt und zerstreut leben, ist er ein Ersatz für die katholischen Arbeitervereine. Es ist trotzdem der Erwägung wert, ob in den großen Industriezentren nicht spezifische Arbeitervereine durch führbar wären. Man muß die lokalen Verhältnisse in bezug auf die vorhandenen Agilatioiiskrästc gewissenhaft prüfen. Auf der katholischen Geistlichkeit Sachsens ruht die meiste Last bei der Leitung der bereits bestehenden Vereine. Ob der Einzelne seine Schultern für gewachsen fühlt, eine neue Last darauf zu legen? Das ist eine Gewissenssrage, welche vorher reiflich überlegt werden muß, bevor zur Ausführung geschritten wird. Wo aber tüchtige und begeisterte Laien den Seelsorgspriestern die Last abnehmeu und die katholischen Arbeiter in großer Zahl vertreten sind, da sollte mit Gott vertrauen an die unverzügliche Arbeit geschritten werden, ohne jedoch den schon bestehenden Vereinen eine überflüssige Konkurrenz zu bieten. In diesem Falle prosperiert keiner, weil die führenden Kräfte und das Material, woraus sich die Vereine rekrutinen, zu sehr zersplittert werden. Das eine aber darf man nie aus dem Auge lassen, daß der Arbeiter Inserate werden die 6 gespaltene Pelitzeile oder deren Ran», »nt 1« Pf«, berechnet, bei mindestens 3maliger Wiederholung Rabatt. Bestellungen hierfür nehmen an: Buchdruckerei von Kwi« Aache. Ziegelstraße 1«, Fernsprecher Nr. 3702, sowie die Geschäftsstelle Schlotzstratze 32. 1. Jahrgang. in dem Vereine, dem er beitritt, auch seine speziellen Interessen vertreten haben möchte und er sich daher m einem Arbeiterverein heimischer fühlt, daher eifriger dafür eintritt, als in einem Vereine, der allen Ständen gerecht werden soll. , In manchen Gemeinden ist eine Neugrundung gar nicht notwendig, da bereits Männcrvereine. wie z. B. der Volks verein, bestehen, und deren Charakter wohl ohne weiteres der eines Arbeitervereines sein dürfte. . Der „Arbeiter" macht in seiner letzten Nummer aus die Wohltaten" des Untcrstützungswesens aufmerksam, welche der Verband der katholischen Arbeitervereine Nord- und Ost deutschlands seinen 26000 Mitgliedern bietet. Wie die soziale Auskunftstelle in München-Gladbach (siehe Nr. 2 der ^.Sächs. Volksztg.") den Mitgliedern aller katholischen Vereine über alle Fragen bezüglich de?Aiters- und Invalidenrente, Ver fallrente, des Krankengeldes :c. Auskunft erteilt, so steht den Mit gliedern des Verbandes der kath. Arbeitervereine im Volks bureau zu Berlin unentgeltlich Rechtsschutz zur Ver fügung. Außerdem hat der Verband eine Männer- und Frauensterbekasse eingerichtet. Der Monatsbeitrag für beide Kassen bctiägt nur 15 Pf., für die Männer 10 Pf., für die Frauen 5 Pf. Hierfür wird den Hinterbliebenen im Todesfälle im 1. Jahre 20. im 2. Jahre 40 und von da an 60 Mk. sowohl für den Man», als auch für die Frau, also insgesamt 120 Mk. ausgezahlt. Es ist dies zweifellos eine Wohlsahrtseinrichtung. die nirgends ihresgleichen hat. Dazu kommt, daß sich innerhalb der Vereine Einkaufsgenossen schaften bilden, daß der Verband die Arbeitslosenver sicherung in Angriff nimmt und, was wohl das wichtigste ist, daß er seinen Mitgliedern eine katholische Gewerk- schaftsorganisation bietet. Solche Vorteile wird jeder Arbeiter hochschätzen, da sie ihm Schutz in seinen Interessen gewähren, und sie würden die Sammlung der einzelnen Ar beiter in den Industriezentren trotz aller Schmierigkeiten er leichtern. Die Verbandsleitung Berlin XO. 18, Kaiser straße 37, ist gern bereit, weitere Auskunft zu erteilen, event. die Gründung von Arbeitervereinen durch seinen Verbands sekretär. Herrn vr. Fleischer, in die Wege zu leiten. Ein braches Feld ist an vielen Orten Sachsens noch in Angriff zu nehmen. Unser Blatt hört oft und oft den Wunsch ausgesprochen, daß in einzelnen Orten an die Gründung von Vereinen geschritten werden möchte. Wir »vollen mit den vorangehenden Ausführungen eine Anregung gegeben haben. Dem Seelsorger würde durch die Arbeiterorganisation eine wertvolle Hilfe in seiner Tätigkeit geschaffen; der Arbeiter wird zum werbenden Apostel, und der Verein, das lehrt überall die Erfahrung, in kurzer Zeit zum Mittelpunkt des katholischen Lebens. Der Katholik weiß, wo er Aufklärung und Aufmunterung findet, wenn die Verführung der roten oder schwarzen Fanatiker ihm seinen Glauben ans dem Herzen Sennorita Dolores. Roman von H. Schreibershosen. (8. Fsrlsepung.) (Nachdruck verbaten.) „Ich verstehe deine Meinung, Onkel! Du weist aber, ich bin anderer Ansicht. Gib auch den Versuch auf, den Vater anfzuhetzen, es gelingt dir diesmal nicht." Sie richtete sich auf und wandte sich znm Gehen. „Ich glaube, man wartet mit der Probe auf dich, und ich möchte fort." „Du hast dir wohl jemand herbestellt? Ich störe dich wohl in deinen Arrangements. Oder kommt Ludwig vielleicht?" höhnte er und stellte sich ihr in den Weg. „Jedenfalls würde Ludwig dafür sorgen, daß ich deine Vorschläge nicht länger anzuhören brauchte." Ihre Augen blitzten, sie sah ihn stolz und verächtlich an. „Er wenigstens weiß, daß ich .. ." „Daß du hochmütig wie der Teufel selbst bist!" schrie er sie an und ließ die Gerte wieder durch die Lust sausen. „Du hast dem Grafen wieder einmal alles zurückgeschickt und weißt doch, daß seine Protektion für uns sehr wichtig ist! Warum hast du die Sachen nicht behalten? Das hätte dir nichts geschadet!" »Ich lasse mich nicht beleidigen; es gibt genug Tänzerinnen, denen er Geschenke machen kann," versetzte sie kalt. „Ich erinnere dich nochmals an die Probe, es ist allerhöchste Zeit, deine Artisten möchten ungeduldig werden und davongehen." Er stampfte mit dem Fuße auf und ein häßliches Licht flammte in seinem Blick. „Ich werde dich noch gefügig machen, verlaß dich darauf!" Er drohte ihr mit der Hand und verschwand durch die nächste Türe in das Innere des Gebäudes, wo seine rauhe, heisere Stimme sofort befehlende Rufe ertönen ließ. Die Tänzerin legte einen Augenblick die Hand über die Augen. „Der Kampf ist also noch immer nicht zu Ende, und ich bin so müde... so müde," sprach sie halblaut vor sich hin. Mit einem tiefen Seufzer schritt sie langsam dem Ausgange zu. Aus dem Dunkel tauchte eine Männergestalt auf und näherte sich ihr. „Bist du da, Ludwig? O, das ist gut!" Ihr Ton verriet noch mehr als die Worte die große Erleichterung, die sie empfand. „Nein," antwortete eine wohlklingende, weiche Stimme, „es ist nicht Ludwig und also nicht gut, aber... Erinnern sie sich des Namens noch: Alfred, Alfred Kersvck?" Sie blieb stehen und sah den Redenden mit weit geöffneten Augen an. Das Licht des schmalen, schrägen Treppenfensters fiel ans ihn und ließ einen eleganten jungen Mann erkennen, der den Hut abgenommen hatte und ein stahlblaues Augcnpaar aus sie heftete, das ihr nicht fremd war. Dunkelblonde Haare fielen auf eine hohe, schöne Stirne, unter der geraden Nase lief ein brauner Schnurrbart über den lächelnden Mund — das Lächeln war so bekannt, so vertrant.. . „Herr von Kersock!" Es war zweifelhaft, ob ihr Ton Freude oder Schrecken bedeute. „Ich erkannte sie sofort gestern Abend," sprach er und versuchte vergebens den Ausdruck ihres Gesichtes zu entziffern, doch sie stand im Schatten und ihre Antwort klang nicht erfreut: „So waren sie hier, besuchten die Vorstellung?" „Ja, ohne zu ahnen, wer Sennorita Dolores sei, bis ich sic sah, dann freilich..." Eine Zurückhaltung, die ihn befremdete, prägte sich auf ihren Zügen aus, auf die jetzt das Licht des Fensters siel, da sie nähergetreten war. Schweigend stand sie vor ihm und wartete. Hätte sie diese Begegnung am Ende lieber vermieden? „Ich wünschte sehr, sie wiederzusehen und zu sprechen. Es gibt doch allerlei in der Vergangenheit, worüber eine Aussprache erwünscht ist." Er sprach steif und kühl und gelobte sich, die Sennorita nicht so bald wieder zu belästigen. „Sie meinen vermutlich unsere Kinderbekanntschaft, die durch mein Weggehen ohne langen Abschied einen so schnellen Riß bekam!" Sie drückte ihren Hut fester in die Stirne und näherte sich dem Ausgangstore. „Verzeihen sic, aber ich muß nach Hause." „Gestatten sie meine Begleitung?" fragte er sehr förmlich, und sic gab durch ein Kopfneigen ihre Erlaubnis. Ihr kühler Ton verdroß und reizte ihn. Eine Sennorita Dolores konnte eine Teilnahme, wie er sie ihr entgegcnbrachte, wohl dankbar anerkennen. Aber dann regte sich zugleich etwas wie Bedauern in ihm über das Los des so reich beanlagten Mädchens, das er früher gekannt. Sie hatten die Straße betreten. Ihr einfaches, durchaus nicht auffälliges Außere berührte den jungen Mann sehr angenehm; sic war nicht übermodern hcrausgeputzt, ihr Anzug zeigte keine grellen Farben, keine ungewöhnliche Zusammenstellung. Nur hätte man sie für weit jünger halten können, als sie war. wenn ihr Gesichts ausdruck nicht so entschieden und tatkräftig gewesen; Kersock fand darin eine Ähnlichkeit mit früher, wenngleich der Mund viel strenger in den Linien geworden war und sich merkwürdig herbe schloß, sobald sie schwieg. Ihr Lächeln dagegen hatte den alten unaussprechlichen Liebreiz bewahrt, und Kerfock fühlte sich immer versucht, es hervorzurusen. Trotzdem sie nur Gleichgiltiges zusammen sprachen, wurde ihr Ton nnmerklich wärmer. Da blieb sie vor einem Gartenhause stehen. „Hier bin ich zu Hause. Es hat mich gefreut, sie nach so langer Zeit einmal wieder gesehen zu haben." Er musterte mit raschem Blick die Umgebung. Eine stille Vorstadtstraße, kleine, alte Häuser, neue, große daneben: dazwischen Gärten und noch unbenutzte Baustellen, Trockenplätze, aus denen Wäsche im Winde flatterte — eine Gegend mit billigen Wohnungen, wo arme Leute hausten. „Sie haben mir noch nichts von alledem gesagt, was ich wissen möchte und sie mir auch schuldig sind. Ich darf sic wohl einmal hier aufsuchcn?" fragte er und reichte ihr die Hand. Sie legte die ihre hinein. „Sie sollen mir willkommen sein, auch erzählen will ich, nur..." Nur? Ihr Blick ging an ihm vorüber mir einem Ausdruck, den er nicht verstand. Kersock war nicht eitel genug, das Sehnen darin auf sich zu beziehen, er fühlte in diesem Augenblick, daß sie einander doch fremd gegenüberstanden. Da sah sic ihn an, ganz wie die kleine Eva es wohl getan. „Nur?" wiederholte er nochmals, und die frühere kindliche Hinneigung zu der Spielgefährtin regte sich in ihm. „Ich konnte niemals Rätsel raten, wie sie wohl noch wissen. Wann darf ich kommen, um mir alles erklären zu lassen?" Sie ^las auf seinem ausdrucksvollen Gesichte eine unausge sprochene Frage und antwortete unbefangen: „Um die Mittagszeit bin ich stets hier bei meinem Vater. Ich habe ihn nicht mehr verlassen." ^ Er hatte sich in der Tat eben gefragt, ob sie vielleicht verheiratet sei und lächelte nun mit innerer Genugtuung über ihr rasches Verständnis seines Gedankens, das ihn wie nichts sonst in die gemeinsame Kindcrzeit zurückversetzte. „Treten sie schon llmge öffentlich auf?» forschte er weiter, nun wie ein alter, znm prägen berechtigter Freund. „Nein, und cs ist mir schwer genug geworden. Doch das ngnet flch nicht für ein Ltraßengcspräch. Also auf später einmal!" -Sie ivmktc mit der Hand, machte die Gartentür schnell ans und zu und eilte mit raschem, elastischem Schritt auf das Haus zu — em nochmaliges Winken, und sie verschwand. (Forlsexmng folgt.)