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Staatsan?eiger für Erscheint Werktag» nachmittag» mit dem Datum de» ErscheinungStage». Bezugspreis: Monatlich 3 RM. Einzelne Nummern 15 Pf. Schriftleitg. u. Geschäftsstelle DreSden-A. 1. Gr. Zwingerstr. 18. Ruf 14574 u. 21295. Postscheck-Konto Dresden 2486 /Staatsbank-Konto 674. den Freistaat Sachsen Anzeigenpreise: 32 mm breite, 3 mm hohe Grundzeile oder deren Raum 35 Pf.. 66 mm breit im amtlichen Teile 70 Pf., ReNamezeile 1 RM. Ermäßigung aus GeschäftSanzeigen, Familiennachrichten und Stellengesuche. Schluß der Annahme vormittag- 10 Uhr. Zeitweise Nebenblätter: Landtags-Beilage, Ziehungsliste der Staatsschuldenverwaltung, Holzpflanzen - VerkaufSliste der StaatSsorstverwaltung. verantwortlich für die Schriftleitung: OberregierungSrat HanS Block tn Dresden. Dresden, Freitag, US. September Ar. 218 1931 Genfer Beratung über die Bekämpfung der irtschaftstrife. Genf, 18. September. Der Wirtschaftsausschuß der BölkerbundSver- sammlung trat gestern vormittag in die Erörterung seines eigentlichen Arbeitsgebietes, die Bekämp fung der Wirtschaftskrise, ein. Der tschechoslowakische Senator Stodola, der betonte,- die Grundlage der tschechoslowakischen Handelspolitik bleibe nach wie vor die Meist- begünstigung. Der französische Handels- Minister Rollin machte hierauf längere Aus führungen die sich vor allem aus die Präfe renzen und den im Mittelpunkt der im Mai veröffentlichten französischen Denkschrift stehenden Gedanken der internationalen Wirtschafts ententen bezogen Um den Ländern Mittel und Osteuropas den Absatz ihrer Getreidevorräte zu erleichtern habe man besondere Präferenz maßnahmen ergriffen. Deutschland, Frankreich und Jugoslawien hätten ein Interesse daran, daß diese Maßnahmen durchgesührt werden könnten, weil auch sie von dec Hebung der Kaufkraft der Agrarländer Gewinn haben würden. Das System der internationalen Wwlschaftsententen entspreche dem Ideal der internationalen Zusammenarbeit und trage der gebieterischen Not Rechnung. Die Stabilisierung der Produktion entspreche der Stabilisierung der Preise. AIS nächster Redner sprach Ministerialdirektor vr. Po fse. Er begann seine Ausführungen mit der Ankün digung, daß die besondere wirtschaftliche Lage Deutschlands ihn veranlasse, in diesem Ausschuß einen offeneren und rückhaltloseren Ton anznschlogen, als man es im allgemeinen gewohnt sei. In seinem Rückblick auf die Arbeiten des ver flossenen Jahres erklärte der deutsche Ver treter, es tue ihm leid, feststellen zu müssen, daß er hier nicht viel Zufriedenstellendes bemerken könne. Man habe sich zwar auf ver ¬ schiedenen Konferenzen bemüht, den Gründen für die wirtschaftliche Not nachzuspüren und mit dem einen oder anderen Mittel abzuhelfen; aber es' habe an der großen, leitenden Idee ge fehlt, die notwendig sei, um einen Ausgleich zu schaffen, vn Posse wiederholte in diesem Zu sammenhang die Bereitschaft Deutschlands im Rahmen der von England eingeleiteten direkten Verhandlungen mit verschiedenen europäischen Staaten den englischen Wünschen nach Zoll- herabsetzung entgegenzukommen. Man höre, daß sich auch solche Länder mit dem Gedanken von Zollerhöhungen trügen, die man bisher als die Festungen des Freihandels bezeichnet habe. Noch schlimmer sei es aber, wenn angeblich zum Schutze der nationalen Wirtschaft die Form von Einfuhrverboten, die man längst überlebt glaubte, gewählt würde. Das er öffne keine erfreulichen Ausblicke. Auf die Dauer werde durch solche Maßnahmen die eigene Wirt schaft in die größten Schwierigkeiten geraten. vr. Posse erklärte sein Einverständnis mit den Ausführungen der Vertreter Frankreichs und der Tschechoslowakei über die Zweckmäßigkeit und Un schädlichkeit des Präferenzsystems. Dem Gedanken internationaler Jndustrievereinbarun- gen stehe auch die deutsche Regierung sympathisch gegenüber. Aber dem weiteren Ausbau dieses Systems seien Grenzen gesetzt. Vor allem müsse ein allzu großer staatlicherDruck auf die Bildung solcher Vereinbarungen vermieden werden. Wünschenswert sei es aber auch im Sinne der Ausführungen vr. CurtiuS', zu einer besseren internationalen Organisation der landwirtschaftlichen Produktion und Absatzverhäll- nisse zu kommen. vr. Posse bezeichnete es als wünschenswert, daß neben die in Bildung begriffene Agrarkredit bank eine internationale Industriebau! im Sinne des sog. Francqut-Planes gestellt werde. Amtlicher Teil. Gehaltszahlung. 1. Tas letzte Tritte! der in der Verordnung vom 26. 8. 1931 (Sächsische StaatSzeilung Nr. 198) unter Ziff. 1a und Zisf. 3 Satz 1 genannten Dienstbezüge ist am 21. September 1SS1 auszuzahlen. 2. Die Gemeinden, die Bezirks- und die Zweckverbände haben eine entsprechende Regelung zu treffen. «38 73610 Dresden, am 18. September 1931. Ministerium des Innern. Oie Beratungen im Reichskabinett. Berlin 17. Sepiember. Die Beratungen über die bevorstehenden Maßnahmen sind heute einmal in der Be sprechung mit dem Neunerausschuß der Sachverständigen, zum anderen inRessort- besprechungen fortgesetzt worden. Auf Grund der allgemeinen Aussprache in der gestrigen Nacht sitzung werden die Ministerien nun ihre end gültigen Entwürfe vorlegen, so daß das Kabinett sich morgen weiter damit befassen kann. In unterrichteten Kreisen rechnet man weiter mit der Möglichkeit, daß die Notverordnung über die Bankenaufsicht und die Teilreform des Aktienrecht» bereits Ende der Woche erscheinen kann. Kleine Vorlagen im Reichsrat. Berlin, 17. September. Die erste Sitzung des Reichsrates nach der Sommerpause eröffnete Reichsinnenminister vr. Wirth am Donnerstagabend mit einem Nachruf für den verstorbenen badischen Staatspräsidenten Wittemann. Auch dem aus dem Dienst scheidenden sächsischen Ministerialrat vr. Schulz widmete er herzliche Abschiedsworte. Unter den kleinen Vorlagen, die der Reichsrat erledigte, befand sich auch eine Änderung der Arzneimitteltaxe im Sinne der in Verletzten Notverordnung vorgesehenen Preissen kung. Herabgesetzt werden der Speziali tätenzuschlag und der Krankenkassen- rabatt. Ter Reichsrat empfahl dazu eine Einbeziehung der Arzneimittelindu strie und deS Großhandels in die Preis senkung. Eine andere vom Reichsrat verabschiedete Ver ordnung sieht den Fortfall der Bezugs scheinpflicht für Betäubungsmittel vor. Erhebliche Kosten sollen eingespart werden durch neue Grundsätze für die Krankenanstalts statistik, die eine Vereinfachung bringen. Eine vom Reichsrat angenommene Verordnung über das Reichsaufsichtsamt für Privat versicherung zieht die verwaltungstechnischen Konsequenzen aus den inzwischen eintretenden Änderungen des Aufsichtsgesetzes, namentlich aus der Einbeziehung der privaten Bau sparkassen in die Beaufsichtigung. Die Raturalunterstühung für Vie Erwerbslosen. Berlin, 17. September. Reichsernährungsminister Schiele hat mit den Vertretern des Zentralverbandes Deut scher Bäckerinnungen „Germania" und der Brotfabrikanten dieNajuralbeliese- rung der Erwerbslosen und die Frage der LebenSmittelverbilligungfürdieHilsS- aktiv» erörtert. Die Vertreter deS Bäcker- gewerbes haben sich grundsätzlich bereit erklärt, das Brot für die Erwerbslosen unabhängig vomMehlpreiS zuverbilli gen. Um den Preisnachlaß aber noch zu vergrößern, -haben die Vertreter des Bäcker gewerbes vorgeschlagen, den Bäckern verbillig tes Mehl zu liefern und unter anderem den Kohlenpreis zu senken. Sie forderten weiter, daß die Naturalbelieferung sich auf die notwendigsten Leben-mittel beschränke. Mit der Spitzeporganisation deS Fleischergewerbe-, dem Deutschen Fleischer verband, werden ähnliche Verhandlungen geführt Verhandlungen mit der preußischen Lehrerschaft. Berlin, 17. September. Wie der Amtliche Preußische Pressedienst mit teilt, verhandelte der preußische Unterrichts- Minister Grimme heute zunächst milden Ver tretern der Volksschullehrerschaft, dann mit den Philologen über die Hilfsmaß nahmen für den vom Abbau bedrohten Lehrernachwuchs. Im Mittelpunkt der Er örterung stand die Fürsorge für diejenigen, die durch die Einschränkungsmoßnahmen der Notver ordnung ihre Beschäftigung verlieren. Es handelt sich schätzungsweise um 6000 Junglehrer und 1600 Studienassessoren. Für die Junglehrer läßt sich durch staatliche Mittel eine minimale Existenzsicherung schaffen. Von den Philologen erhalten rund 1100 als Anwärter vier Fünftel ihrer Bezüge weiter. Die Ver treter der Verbände erklärten sich trotz aller Verärgerung über die von ihnen al» Unrecht empfundenen Besoldungsänderungen der Notver ordnung bereit, die von Minister Grimme ge planten Maßnahmen der Arbeitsbeschaffung zu unterstützen. Sie werden sich bemühen, durch eine Hilfsaktion in ihren eigenen Reihen zur Milderung der Notlage beizutragen. Vie Polizeibeamten gegen Verschlechterung per Unfailsürsorge. Berlin, 17. September. Der Vorstand der Reichsgewerkschaft Deutscher Polizeibeamten hat einstimmig eine Entschließung angenommen, in der u. a. darauf hingewiesen wird, daß viele verhetzte Volks genossen ihre aus der Wirtschaftskrise entstandene Unzufriedenheit gegen die sichtbarste Macht zur Erhaltung deS deutschen VolkSstaateS, gegen die Polizei, zum AuStrag bringen. Die alliäglichen Angriffe auf PoNzeibeamte hätten bereit- zahlreiche Opfer gefordert. Eine verantwortungslose Presse radikaler Parteien schüre die Angriffslust, ja sogar die Mordhetze gegen Polizeibeamte. Die bisher betriebene Notverordnung-Politik habe mit einer einseitigen Tendenz zu Recht-Verschlechterungen gegenüber dem Beamtentum auch die Wirtschaft- liche Sicherstellung der Polizeibeamtenschaft er heblich erschüttert. Durch die Übertragung des Notverordnungsrechts auf die Länder und Heraus- gäbe der preußnchen Notverordnung vom 12. Sep tember sei ein besonders weitgehender Eingriff in die Rechtsstellung der Beamten erfolgt. Die Entschließung wendet sich dann insbe sondere gegen die wesentliche Verschlechte rung, die in einer Zeit stärkster Berufs gefahren die für die Polizeibeamtenschaft durch das Polizeibeamtengesetz geschaffene Un- fallfürsorge erleide. Die preußische Notver ordnung sei ohne Fühlungnahme mit den Be amtenvertretern erlassen. Da zur Erhaltung des Staates eine dienstfreudige, in ihrer Existenz ge sicherte Polizeibeamtenschaft dringend notwendig sei, müßten die durch die Notverordnung ge schaffenen Härten im Benehmen mit den Ver tretern der Beamtenschaft unbedingt beseitigt werden. Spanien keine „Arbeiterrepublik". Paris, 18. September. Havas meldet aus Madrid, die vorgestern auf sozialistischen Antrag von der Kammer angenom mene Formel, Spanien al« eine demokratisch- liberale Arbeiterrepublik zu bezeichnen, sei wieder sallengelassen worden; die radikale Partei habe in der Kammer erklärt, daß man zugunsten der Sozialisten für eine Arbeiterrepublik gestimmt habe; die angenommene Fassung könnte aber im «u-lande in gefährlicher Weise auSgelegt werden. Sie hätten deshalb mit anderen Abgeordneten gegen Artikel 1 in der neuen Verfassung Stellung genommen. Ministerpräsident Zamora habe gestern in einer Rede vergeschlagen, Artikel 1 aufS neue an den Berfas,ung-auSschuß zu verweisen, wobei er großen Beifall erhalten habe. Die vorgestrige Ab stimmung könne al- noch nicht endgültig angesehen werden. Höchstwahrscheinlich werde man sich aus folgende neue Formel für den Ar- tike! 1 einigen: Spanien ist eine liberale und demokratische Republik, deren Grundlage die Arbeit bildet. Sie Änderungen de- SächMen Wohlsahrt-pflegegesetzeS. Von Ministerialrat vr. Hans Maler, Dresden. Die Verordnung des Gesamtministeriums vom 14. August 1931 (GBl. S. 147), die in Ausführung der Zweiten Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen er gangen ist, hat wesentliche Änderungen des Sächsin schen Wohlsahrtspflegegesetzes vom 28. März 192k gebracht. Nach der Notverordnung vom 3. Juni 1930 handelt es sich um die 2. Abänderung de» WohlfahrtSpflegegesetzes. Im folgenden seien di« Neuregelungen nach ihrem Inhalt und ihrer grund sätzlichen Bedeutung besprochen, unter denen die Neuordnung des Beschwerdeverfahrens und der Geltendmachung der Erstattungsansprüche die wich tigsten sind. 1 Nach 8 11 Abs. 3 entschieden bisher die ört lichen Beschwerdeausschüsse endgültig über Be schwerden in Einzelfällen. In dem neugefaßten § 3a der Fürsorgepsiichtverordnung ist nunmehr ein Einspruchsverfahren vorgeschrieben, gegen dessen Entscheidungen Beschwerde zugelaffen ist. Über Einsprüche in Einzelsällen entscheiden nach dem neuen 8 11» des Wohlfahrtspflegegesetze- die örtlichen Einspruchsausschüsse. Diese sind nicht nur für Einsprüche in Unterstützungsangelegen heiten der Fürsorgepflicht zuständig sondern auch für die übrigen Aufgaben des Wohlfahrtspflege gesetzes (z. B. Versagung der Annahme eine- Pflegekindes, Ablehnung einer Heilstättenkur für Lungenkranke), soweit nicht das Vormundschafts gericht wie bei Beschwerden über die Amtsfüh rung des Jugendamtes als Amtsvormund und für die Aushebung eines Fürsorgeerziehungsbeschlusse- berufen oder ein gesondertes Verfahren gesetzlich angeordnet ist, wie dies bei Beschwerden über die Durchführung der Fürsorgeerziehung der Fall ist. Der Einspruchsausschuß hat in einer Zusammen setzung von drei oder fünf Mitgliedern zu ent scheiden. Diese Vorschrift wird in den meiste« Fällen zu einer Verkleinerung der bisherigen Be schwerdeausschüsse führen, was zugleich eine Hebung ihres Einflusses bedeutet. Denn mit dieser Verkleine rung werdendieseAusschüsse eine verwaltungsgerichts ähnliche Zusammensetzung aufweisen, die Spruch praxis der Ausschüsse kann für die Fortgestaltung deS Fürsorgerechts von erheblicher Bedeutung werden. Bei jeder Entscheidung hat mindestens ein Ver treter der Hilfsbedürftigen oder ihrer Verbände miizuwirken. Die Beschränkung der Ausschüsse auf drei oder fünf entscheidende Mitglieder hat naiürsich nicht die Bedeutung, daß diesen Aus schüssen nicht mehr Mitglieder angehören dürfen. Im Gegenteil, es wird dort die gleiche Praxi» wie bei den Arbeitsgerichten und den SpruchauS- schüssen der Sozialversicherung anzuwenden sein. Den Ausschüssen wird ein größerer Kreis von Mitgliedern angehören, unter denen sich Vertreter der wichtigeren Verbände der verschiedenen Gruppen der Hilfsbedürftigen (Kriegsbeschädigte Und -Hinter bliebene, Sozial- und Kleinrentner) befinden, au» denen für die jeweiligen Sitzungen ein oder zwei Beisitzer berufen werden. Es wird sich dabei emp fehlen, in den einzelnen Sitzungen Beschwerden einer Gruppe von Hilfsbedürftigen zu behandeln und zu dieser Sitzung gerade den Vertreter au» dieser Gruppe heranzuziehen. In Gemeinden, denen dre Ausübung der Wohlfahrtspflege ganz oder teilweise nach 8 7 zur selbständigen Erledigung übertragen ist, können im Einvernehmen mit dem Bezirksfürsorgv- verband besondere örtliche Einspruchsausschüsse ge bildet werden. Die Bescheide der EinspruchsauS- schüsse sind schriftlich zu erteilen, d. h. mit Gründe« niederzuschreiben, und dem Einsprechenden münd lich zu eröffnen (mit Gründen) oder zuzustellen. Für Sachsen bedeutet die Zulassung einer Be schwerde auch in Einzelfällen eine Neuerung. Die im allgemeinen günstigen Erfahrungen mit den ört lichen BeschwerdeauSschüssen hat da» Ministerium veranlaßt, die Beschwerden in der Regel nicht a« übergeordnete außerhalb deS BezirkSfürsorgever- bande- gelegene Stellen gehen zu lassen, zumal die Schaffung eines solchen JnstanzenzugeS zu zahl reichen Akienversendungen und zu zeitraubenden Kosten und Arbeit beanspruchenden Berichten An laß gegeben hätte. Die Entscheidung über die Be schwerde kann in den weitaus meisten Fälle« innerhalb deS BezirkSfürsorgeverbande» gefällt werden. Den Beschwerdeführern ist Recht-sicher-