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^126 4. August 1848. Freitag, Dresdner Journal Herold für sächsische und deutsche Interessen Redigirt von Karl Biedermann. Anzeigen aller Art für daS Abends erscheinende Blatt werden bis 12 Uhr Mittag- angenommen. Vrett Nir d«, »ierletl^hr 1^ TAr Znserlisnsgrbüb- re» <i«rr grspalrrne» Zeile » Vf. Diese« »l«tt erschnut ttgüch Abeud« »» tR durch alle Post, anllalteu de« I«. »»M»«landr«z» dqiehen. Inhalt. Die sächsischen Abgeordneten zur Rationalorrsammlung. — TageSgeschicht«: Dresden: Sitzung der ersten uud zweiten Kammer; Eröffnung der sächsisch böhmischen Eisenbahn. Berlin. Schweidnitz. Schleswig-Holstein. Anhalt-Dessau. Frankfurt. Wien. Prsth. Mailand. Genua. Rom. Zürich. Paris. —Wissenschaft und Kunst: Hoftheater: „Der Pfarrherr." — Feuilleton. — Erwiderung. — Geschäfkstalrnder. — Orlskalender. — Angekommene Reisen de. Die sächsischen Abgeordneten zur National versammlung. Ran hört jetzt häufig über unsere Abgeordneten in Frank» futt klagen. Vielfache Stimmen werden laut, dieselben verträ ten durchaus nicht die Gesinnung des Landes, und ungenannte Gegner sparen da- Geld nicht, abfällige Urtheile über sie au- allen möglichen Zeitungen in die in Sachsen am meisten ver breiteten Blätter inseriren zu lassen. Wir können ihnen diese- Bergnügen gönnen, da- von wenig Erfolg sein wird, wollen un- aber doch einige Bemerkungen erlauben. * Hat man sich über die Sinne-art der Gewählten zur Zeit der Wahl täuschen können? Wir denken nein. Von den Land tagen und vom Vorparlamente her, durch frühere- schriftliche- und persönliches Wirken waren fast alle unter ihren Wählern so bekannt, daß eine Täuschung über ihre Gesinnungen kaum ob walten konnte. Dazu kam dann die offene Bewerbung der Kandidaten um die Wahl, die politischen Glaubensbekenntnisse, u. s. w. Wer noch irgend einen Zweifel hatte, hätte ihn leicht burch Interpellationen an die ^u Wählenden beseitigen können, lieber die Richtung der vom VaterlandSvereine empfohlenen Kan- -bidaten konnte man schon nach diesen Vorschlägen nicht im Unklaren sein, denn die Bestrebungen cker Vaterlandsvereine lagen damals schon ebenso klar vor, wie jetzt, und man konnte sich wohl zu ihnen versehen, daß sie Niemanden in Vorschlag dringen würden, von dem sie nicht sicher waren, daß er diese Tendenzen ohne Rückhalt verfolgen würde. Auch Da- wird sich nicht behaupten lassen, daß die Abgeordneten seit ihrer Wahl ihre Gesinnung geändert hätten oder überhaupt in Frankfurt ander- sprächen und stimmten, al- Die- nach den Aeußerungen zur Zeit ihrer Wahl, nach ihren Glaubensbekenntnissen zu er warten gewesen wäre. Wenn daher von vielen Seiten behauptet wird, die Abgeordneten verträten die Gesinnungen ihrer Wähler nicht, so sind nur folgende drei Fälle denkbar. Entweder die Wahl ist nicht von der Majorität der Wahlberechtigten gemacht worden, oder der Wahlbezirk hat seine Ansichten verändert, oder endlich Die, welche obige Behauptung mittheilten, sind im Jrrthum. Der erste Fall mag wohl für manche Bezirke eintreten. Wir er innern unS sehr wohl, daß zur Zeit der Wahl sich Manche von der Theilnahm« daran ausschlossen, theil- aus albernem Hochmuth,, in dem e- ihnen widerstrebte, die Thatsacken anzuerkennen, in Folge deren eine konstituirende deutsche Nationalversammlung zusammentreten sollte, theil- indem sie die Bedeutung der Wahl nicht begriffen. Aber sind sie nun nicht selbst daran Schuld, wenn da« Resultat ihren Wün schen nicht entspricht? Sie erleiden die gereckte Strafe für ihren Hochmuth oder ihre Kurzsichtigkeit. Wem das Reckt eröffnet ist, sich am politischen Leben zu betheiligen, und wer von diesem Rechte kei nen Gebrauch macht, der darf sich auch nicht wundern, wenn eine thätige Minorität den Sieg davon trägt. Man spricht wohl von den Wühlereien und schlechten Mitteln der Radiesen, aber theitS täuscht man sich hierüber wirklich, theil- geht man dabei von einer falschen Ansicht au«. Entschieden schlechte Mittel, d. h. solche, mit denen man die Wähler zum Stimmen gegen ihre bessere Ueberzeu- gung zu verleiten sucht, sind wohl sehr wenig oder gar nicht ange wandt worden. Dagegen ist man allerdings in der Art und Weift, auf diese Ueberzeugung einzuwirken, nicht immer ganz skrupulös zu Werke gegangen. Indessen Da- ist menschlich und bei einem leb haften politischen Treiben durchaus nicht zu vermeiden. Man muß sich eben darauf verlassen, daß die Wähler ihr eigenes selbstständige- Urthett Hatzen und wahre und Scheingründe schon zu unterscheiden wissen werden. Wie viel übrigens bei angemessener Thätigkeit und Energie die gemäßigte Partei den radikalen Bestrebungen gegenüber noch auszurichten vermochte, dafür haben wir in Sachsen wenigsten- ein schlagendes Beispiel gehabt. Da- ist die Wahl Biedermann's in Zwickau. Der dortige Wahlbezirk ist gewiß einer der radikalsten des Landes, die Leiter der radikalen Partei waren vielfach bei dec Wahl thätig gewesen, als ihr Kandidat war daS entschieden erste Haupt der Partei aufgestellt, und trotz alledem, trotzdem daß Bie dermann nur wenig in dem Bezirke gekannt war, unterlagen die Ra dikalen. An dieser Tkatsache können sich alle Diejenigen eine Lehre nehmen, welche bisher geglaubt haben, eS fti unnütz uud unwürdig, sich an den Wahlen thätig zu betheiligen. Eine Aenderüng ihrer politischen Ansicht mag ferner wohl auch bei vielen Wählern eingetreten sein. Unter dem alten Regime ge hörte mehr oder minder Alle« zur Opposition, waS Anspruch auf Vaterlandsliebe machte. Zur Zeit der Wahlen nach Frankfurt wa ren in der großen Masse Derer, welche die neue Zeit mit Freuden begrüßten, noch die verschiedensten Elemente durch einander gemischt und al- Gesinnungsgenosse galt ein Jeder, der gegen da- Alte war. Seitdem haben sich die Parteien geklärt nnd gesondert und Mancher, mit dem man früher Hand in Hand ging, erscheint heute al« Gegner. Dazu kommt, daß sich bei Bielen ein innerer Rückschlag geltend macht. Die radikalen Vorschläge erscheinen jetzt, da sie zur Aus* führung kommen sollen, doch ganz anders, al- damals, wo man von ihnen als von unerreichbaren Dingen sprach und schwärmte; auch sind die Radikalenrücksicht-loser, schärfer und kühner geworden, so daß Manche sich de-wegen von ihnen getrennt haben; endlich ist hin ter dem politischen Radikalismus die drohende Forderung der gesell schaftlichen Reform, der SocialiSmuS und Kommunismus aufge taucht ; darüber sind die Meisten ängstlich geworden, sich nicht zu überstürzen. Eß ist daher kaum abzuleugnen, daß in der politischen Ueberzeugung unserer Wähler eine gewisse Aenderüng stattgefuadea hat, wozu manche aus übertriebenem Parteieifer hervorgegangene nicht sehr löbliche Handlungen, sowie einzelne in keiner großen Ach-