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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.08.1883
- Erscheinungsdatum
- 1883-08-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188308090
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18830809
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18830809
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1883
-
Monat
1883-08
- Tag 1883-08-09
-
Monat
1883-08
-
Jahr
1883
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.08.1883
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Erscheint täglich früh 6'/, Uhr. Krdarlion und Erptditiou Johannesgasje 33. Lprkchftnndkn -rr Urdartion: Bormittag« 10—13 Uhr. Nachmittag« b—L Uhr. k»r tu «iUSzabe ein,rla«»»kr M»n,tkr>»Ie «,-i ft- die «lrdocno» nicht »erbintUch, elpMtr «una-me »er für »te «SchstfolgenL« Nummer bestimmten Inserate an Wochentage» bi« 3 Uhr Ra enfrnf ,,, , .hachmiltago, an Sonn- und -esttagknfrnh bis'/,» Uhr. In -kn/ittaltn für Ins.-^nnahmn Otto Klemm, UnivcrsitStSstraße 21, Louis Lüsche» Katharinenstrabe 18, v. nnr bi« ',3 Uhr Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Auflage 18,100. Hbonnemtnlspreis viertelt. 4'/, Md- incl. Bringerloha ü Mk., durch die Post bezogen 6 Mk. Jede einzelne Nummer 20 Pf. Belegexemplar 10 Pf. Gebühren für Extrabeilage» ohne Postbesörderung 39 Mk. «tt Postbejürderung 48 Mk. Inserate 6gespaltene Petitzeile SO Pf. Erobere Schriften laut unfeiem Preis» Verzeichnis. Tabellarischer u.Zisfernfatz nach höher« Tarif. Lerlamen nntrr dem Kedartionsstrich die Spaltzeile SO Pf. Jaserate sind stet« an die Expedition zu senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung praemimoranäo oder durch Post- nachnadme. 221. Donnerstag den 9. August 1883. 77. Jahrgang. Amtlicher Theil. NckanntmachMS- Die Abpuh- und Rcparaturarbeiten am Thorhausc de« HoSpitalthoreS sind vergeben und werden die unberücksichtigt gebliebenen Bewerber deshalb hiermit ihrer Offerten entbunden. Leipzig, am S. August 1883. Der Rath der Stadt Leipzig. I)r. Tröndlin. CichoriuS. Bekanntmachung. Die Herstellung einer Schleuß- III. Classe, sowie mehrerer Thonrohrschleußen in der Zufahrtstraße nach dem neuen IohanniS-Friedhofe und im Hauptwege desselben soll an einen Unternehmer in Accord vergeben werden. Die Bedingungen und BlanketS für diese Arbeiten können von unserer Tiefbau-Verwaltung, RathhauS, II. Etage, Zimmer Nr. 14, bezogen werden, woselost auch die Offerten versiegelt und mit der Aufschrift: „Schleußeabaa vor de« HoSpltalthore" versehen bis zum 18. August er. Nachmittags 5 Uhr ein- zureichcn sind. Leipzig, am 7. August 1883. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Tröndlin. CichoriuS. Wohnnngs-Vermictljnng. Ju dem UniuersitätSgrnudstücke Ritterstratze Rr. 5 ist die 3. Etage dcS Vorderhauses, bestehend aus Vorsaal, 7 Zimmern, S Alkoven, 3 Kammern. Küche und übrigem Zubehör, vom 1. April 1884 an, nach Befinden auch schon vom 1. Oclobcr d. I. oder Neujahr 1884, aus b Jahre im Wege der Licitation, jedoch mit Vorbehalt der Auswahl unter den Bewerbern, anderweit zu vcrmiethen. Reflektanten werden ersucht, Freitag, den 17. August d. I.. vormittag« 11 Uhr im Universität--Rentamte, wo auch die LicitationSbedingungen zur Einsicht anSli-geu. zu.iLscheiiie» und ihre Gebote abzugeben. Leipzig, am 8. August 1883. Untversttät«-Rentamt. Graf. Der gegen den Dirnstknecht Anton Jacckkl, zuletzt tu Lursdors und Lciozig. unterm IS. August 188S wegen "7^7» Diebstuhl« erlassene Lteckbrics wird hiermit erneuert. Halle a/S, den 3. August 1883. Ter KSuigl. Erste Staat»an»alt. von Moers. Nichtamtlicher Theil. Unsere Parteien. V. Tie Partei dcS CentrumS steht dem deutschen Reiche fremd und feindlich gegenüber. Dieser Vorwurf richlet sich nicht gegen die Kalholikcn, auch nicht gegen diejenigen unlcr ibnen, welche i» ultrainontane», Sinne zu stimmen vflegcn, seilst nicht gegen die einzelnen Mitglieder der parlamentarische» Partei, nicht gegen die einzelnen Führer und außerparlamen tarischen Parteihäiipler; alle diese Einzelnen mögen ihr poli tisches System mit den Interessen dcS Reichs für vereinbar halten; die Partei selbst als solche ist aber objectiv rcichsseindlicb, mag sie dagegen protestiren so viel sie will; die Thalsachcn sprechen gegen jie. Tie ullraniontanc Partei ist vor Allem ihrer Grundlage nach nicht eine staatlich-politische, sondern eine kirchliche Partei. Zwar hat sie auch die- gelegentlich in Abrede zu stellen gesucht, um freilich im Widerspruch damit bei andere» Gelege»bellen wieder mit Emphase zu versichern, die Partei werte, so lange sie nicht ihre Forderungen in dem Culturkampf diircbgesctzt habe, i» ihrer OppositionSstellung verharren. Beweisend ist schon die äußere Tbatsache. daß ultramontane Abgeordnete überhaupt nur in Wahlkreisen mit stark über wiegender katholischer Bevölkerung gewählt werden. Die Einsührung kirchlicher Parteien in da- StaatSleben ist, zumal in einem paritätischen Lande, bedenklich: sie wäre aber immerhin erträglich, wenn die kirchliche Partei sich wenigstens darauf beschränkte, ibre besonderen kirchlichen Inter essen zu vertreten und nur in den Dingen, die irgend einen vcnlüiistigcr Weise anzncrkennendcn Zusammenhang mit Kirche und Religion darbietcn, als Partei zu agircn. Da-Centrum thut das gerate Gegcntbal; eS ist die vielleicht am besten diSciplinirle Partei, eS stimmt stet- geschlossen auch in absolut weltlichen Fragen, bei welche» eine katholische Beziehung hcrausznsinde» auch für daS schärfste Auge schlechterdings un möglich ist, und forscht man nach dem Faden, welcher die einzelnen Acußerungcn und Abstimmungen de» CentruinS verbindet, so findet man, daß lediglich die unbedingte, so weit wie irgend möglich getriebene Opposition die Partei Zusammen halt. deren einzelne Mitglieder, rein politisch genommen, so ziemlich alle Cchattirungcn von der äußersten Rechten bi. zur äußersten Linken vertreten würden. DaS Alpha und Omega der Ultramontanen ist die absolute Souveränität der Kirche. D>. Diener der Kirche sollen von dem Staat bis zu dem G>»l, unabhängig sein, daß dieser durch seine Gesetze nicht einmal die Voraussetzung bestimmen dürfe, unter welchen er in seinem Gebiet Jemanden zu drin einflußreichen kssentlichcn Dienst eine» Geistlichen zulasten wolle; die DiScivlinargcwalt über die Geistlichen sollte so ausschließlich der Kirche gehören, da; dem Staat nicht einmal da» Recht verbliebe, einerseits die Recht- und Gesetzmäßigkeit der von der Kirche gegen ihre Diener verhängten Strafen zu prüfen, andererseits den von der Kirche geduldeten, vielleicht sogar gebilligten Mißbrauch de» geistlichen Amtes von sich au», und wäre eS auch nur durch Untersagung der ferneren Ausübung de- Amte» zu ahnden. Die Ehe soll nicht etwa nur in ihrer sittlich religiösen Beziehung, sondern auch soweit sie «in RechtSver bäliiiiß ist. der kirchlichen Jurisdiction und womöglich dem kanonischen Recht unterstellt werden. Die Kirche will sich der ganzen Erziehung und Bildung de« Heranwachsenden Ge scl lechlS bemächtigen, um dasselbe in ihrem, statt in, nationalen Sinne zu leiten. — Wie die innere Politik, so sollte auch die äußere den Zwecken der Ultramontanen dienstbar gemacht werden. Die erste Forderung, welche sie an da« kaum be« arnndcte Reich bei den Adrcßvcrhandlungen de» IahreS l87> stellten, lies in ihrer Consequenz aus nicht« Andere- hinaus, als da» Reich solle, ohne daß irgend ein deutsche« Intereste verletzt war, für Wiederherstellung deS Kirchenstaate- eventuell sch in einen Krieg stürzen, und eS fehlte nicht viel, daß während de» russisch-türkischen Krieges die Ultramontanen Deutschland zum Kampf für den Islam gegen da» schiSma- tische Rußland ausgcforvert hätten. Die Üllramontanen vci- theidigcn den Satz, daß der Papst der höchste Richter in allen Fragen de- Glauben» und der Sitte sei, in weitester Ausdehnung, und alle jüngsten Erfahrungen dcS Tage» wie alle ältesten der Geschichte zeigen übereinstimmend, daß eS chlechthin keine Frage de» inneren StaatSleben- oder de- äußercn VölkcrverkchrS giebt, in welcher die Kirche nicht je nach Umständen, mit oder ohne Anspruch auf dogmatische Unfehlbarkeit. Partei zu ergreifen für gut findet. Mit der katholischen Kirche al» Kirche wäre der Kampf ehr wohl zu vermeiden, wenn eS auch schwierig ist und viel >uten Willen von beiden Seilen erfordern mag, ihre Stellung im Staate, zumal im paritätischen, richtig und in einer beide Theile befriedigenden Weise zu bestimmen. Der Staat hat in seinem eigenen Intereste viel mehr Grund. daS reine Kirchcnthum in seiner Entfaltung und Wirksamkeit zu unler- lützen, alS zu hemmen. Jedenfalls ist unser ganze» deutsche- StaatSweseil und unser gesanimler Cullursiand der Art, daß von Gefahr für die Gewissensfreiheit, von Bedrohung oder Bedrückung de? rein kirchlich-religiösen Lebens ehrlicher Weise nicht die Liede sein kann, und der sicherste Weg für die katho lische Kirche, in dieser Beziehung zu »och freieren Ordnungen zu gelangen, wäre der, daß sie sich entschlösse, desiniliv und unter Bürgschaften für den Staat aus die Rolle alS „ecclosia militLns" zu verzichten. Die Gefahr der Eollision mit der katholischen Kirche liegt darin, daß in derselben daS reine Kirchenlhnm und die päpstliche Herrschaft ans daS Engste verwachsen sind, und wenn selbst nach einer Zeit so völligen Danicderliegen» der letzteren, daß ein Historiker wie Ranke ie als eine definitiv vorübergegangene Phase unserer Ge- chichte glaubte betrachten zu dürfen, die römische Hierarchie aufs Nene die Welt umspanncnde Kämpfe der letzte» Jahrzehnte hcrvorriiruscn vermochte, so kann man sich über ihre zähe Lebenskraft und ihre Gefährlichkeit für den Staat nicht täuschen. Die Collision dcS Staat» mit ihr in immer sich erneiiernden Kämpfen ist absolut under meidlich; eS trete» sich hier zwei sich grundsätzlich auSschließende W-ltanschauungcn. ja zwei Systeme gegenüber, der.« praktisch« Consrguenzen nicht neveneinander bestehen können. Diese- theokratische System hat sich in Deutschland wie allerwärtS die Partei der Ullramontanen als Werkzeug ge schassen und bedient sich derselben als streitbarer Maiiiiscliasl gegen den Staat. Die Parkei dcS CentruinS ist nach ihrer Grundlage und ihrem Ziel nicht dem Staat hingegcben. mit dem Bestreben, denselben auf eine möglichst hohe Stufe der Vollkommenheit zu erheben, sondern derPartei ist die Stärkung der kirchlichen Gewalt die Hauptsache. Tic Verhandlungen dcS Reichstage» liefern aus jeder Seite die Belege dafür, daß die Ultra- montanen bisher wirklich Krieg gegen daS Reich geführt haben, und dabei in der Wahl der Waffe» sehr wenig bedenklich waren. Unsere Ullramontanen haben von der Bcrathung der Nord deulschcn Bundesverfassung a» bi» zur Stunde so ziemlich AllcS ncgirt, waS überhaupt »egirt werden konnte, mit einziger AnSnahme der Zolltarisreform, die ihnen offenbar eine andere als eine Zollbruckc bauen sollte; sie baden im Ncgiren sogar die Fortschrittspartei übcrtrossen. Sie haben die größten Anstrengungen gemacht, die Iustizgesctze z» Fall zu bringen, sie haben sogar gegen daS politisch gewiß unvirsänglichcGesetz über den Landsturm gestimmt. Sie haben sich wiederholt mit der clsässischcn Proleslpartei und den Polen zusammcngesunden, sie haben immer den äußersten ParticulariSmuS vertreten bis zu dem Franckenstein'schen Antrag, der, wenn auch nicht den Erfolg durch die Tendenz halte, den Gedanken der Einheit dcS Reichs und seiner Hoheit über den Einzelstaatcn empfind lich abzuschwächen. Die Ullramontanen yaben Jahre lang allem Volk den Ungehorsam gegen die Gesetze dcS Staates — besonders in der kleinen Presse der Hetzcapläne — als Tugend gepredigt, der erhitzten Phantasie der Mafien alle bestehenden Zustände grau in grau auSgemalt. Und wenn im deulsche» Vaterlande weite Kreise der Bevölkerung einer gewissen Verwilderung verfielen, so trifft rin ebenso großer Theil der Schuld wie die Socialdemokraten die ultramontanen Wähler. Die schweren Nachtheile deS CulturkampfeS wird kein Verständiger leugnen; aber er ist u»S aus- genöthigt worden, wir mußten ihn ausnchmen, uni un- gegen drohende- Verderben zu schütze» und für unsere Nachkommen die Bedingungen einer gesunden Fortentwickelung zu erhalten. Achnliche Kämpfe, wie sie unS auferlegt worden, durchziehen die halbe Welt. Schon i»> Jahre 1871 enthüllte daS Een» trum alS geschlossene Partei seine außerbcutschen ullramon- tancn Zwecke, obgleich daS Reich nach seiner Verfassung mit den kirchlichen Beziehungen nicht- zu th»n hat, und ob gleich die führende Macht im Reich, Preußen, an seiner für die Kirche mehr als günstigen Stellung nicht daS Mindeste geändert hatte. ES ist unbegreiflich, wie gerade kühl ver ständige Naturen auS Schrecken über die Häßlichkeiten, welche der Culturkamps an die Oberfläche getrieben hat, die abso lute Unvermeidlichkeit dieses KampseS verkennen konnten. Er mußte kommen; feige» Zurückweichen konnte dem Staat nichts Kelsen; mit längerem Zögern hätte er nur noch mehr ver loren, um schließlich doch, nur unter ungünstigeren Bedin- u»gen, den Kamps mit dem unerbittlich nachdrängendcn "cgncr aufnehmen zu müssen. In dem Kampf können Pansen eintreten, wie soeben in Preußen solche durch die .Novellen" herbeizusühren ver sucht werden. Aber wie auch immer der gegenwärtige Cultur kamps in Preußen und solgeweise woyl für da- ganze Reich beigelegt werde» mag. jedenfalls darf man keine zu weit gehenden Hoffnungen äa eine solche Wendung knüpfen. Der große und unzweiselbaste Gewinn läge in der Wieder herstellung der regelmäßigen Tbätigkeit der Kirche, politisch bliebe Alle» so ziemlich beim Alten. Möglicherweise sähe die ullramontane Partei sich veranlaßt, zeitweise in etwa» müderen Formen aufzutreten, in ihrem Wesen wäre sie aber un verändert. Die ultramontane Partei muß alS eine gegebene That fache hingenoinmcn werden, welche zur Zeit schwerlich irgend wie beseitigt werden kann. Sie ist und bleibt, so lange sie bestebt, ein leider sehr starker, wesentlich negativ und hindernd wirkender Factor im deutsche» Reich, für welches au« keinem anderen Vcrhällniß, weder im Innern noch nach außen hin größere leben de Schwierigkeiten erwachsen al» auS dem Wiederauf eben de» MtramontaniSmuS. Leipzig, S. August 1883. * Don derjenigen halbossiciöse» Seite, von welcher von vornherein ein mit der Reichöversassung nickt im Ein klang stehende- Vorgehen der Negierung in der Angelegenheit de» spanischen Handelsvertrages befürwortet bezw. in Aussicht gestellt worden ist, wird eine Reibe von Gründen angeführt, welche eine Einberufung dcS Reichstag- alö praktisch unausführbar hinstellen sollen. Wir können dieselben nicht im Mindesten als stichhaltig aiierkennen. Die Schluß folgerung beruht im Wesentlichen daraus, baß eine Beschluß fassung de» Reichstags vor Ende dcS Monat- nicht zu er möglichen sein würde. Diese Annahme ist ganz willkürlich und findet in den Verhältnissen keinerlei Begründung. Wenn man, stall die Zeit mit langen publicistischen Erörterungen über die Ueberflüssigkeit und Unzweckmäßigkeit einer ReicbS- taqSbcrusuiig hinzubringen, sofort den richtigen, von der Ver fassung vorgeschriebenen Weg eingcschlaacn hätte, dann könnten wir jetzt schon so weit sei», daß die definitive Ratification dcS Vertrages i» der kürzesten Zeit erfolgen könnte, und wie jetzt die Dinge liegen, sehen wir nicht ein, warum e« nicht möglich sein sollle, den Reichslag schnell genug zu berufen» um aus Grund seiner Zustimmung den Vertrag noch innerhalb der nächsten Wochen ralisicircu zu könne». Wenn weiter Be denken hcrgcdolt werden auS einer etwaigen Beschlußunfähig« keit dcS Reichstags und der Möglichkeit, baß seine Verhand lungen eine längere Ausdehnung gewinnen könnten, so ist eS ja natürlich nicht möglich, in dieser Beziehung eine Gewähr zu übernehme». Aber wohin kommen wir denn mit unserer ganzen Verfassung, wenn man den Reichstag, weil seine Be- schlußsähigkeit von vornherein nicht immer verbürgt ist, lieber gleich gar nicht einberufen'will, wo es die Verfassung ver schreibt? Einen besonderen Grund, die eventuelle Bejchluß- sähigkeit zu bezweifeln, vermögen wir übrigen» in der ge gebenen Situation nicht anzucrkciincn. Die Wirkung, welche vielleicht die unbequeme IahrcSzeu in dieser Richtung üben mag, wird reiflich ausgewogen durch das Gewicht der in Frag« stehenden wirthscbastlicheu Interessen. WaS sodann diy Möglichkeit einer längeren Ausdehnung der Verhand- cungen anlangt, so wird man dieselbe doch gewiß nickt au» einem Mangel an Interesse sür die möglichst unverzügliche Einführung der von dem Vertrage gebotenen Begünstigungen de« deutschen Exports herleitcn wollen. Wie denkt man jick kenn eine Mcbrhcil deS Reichstag» zusammcngesetzt, welche bloS auS bösem Willen oder auS Unverstand die Beschluß fassung in einer so dringende» Angelegenheit verzögern würde? Und sollten eS sachliche Momente fein, welche längere Be- rathungen erfordern könnten, nun, so würbe da» nickt gegen, sondern sehr entscheidend gerade für die Berufung de» Reichs tags ins Gewicht fallen. Es würde sich kaum lohne», bei diese» ossiciösen Sophismen zu verweilen, wenn sie nicht be zeichnend wäre» für eine sich stärker herausbildende Neigung, in den Parlamenten weniger einen sachlich wirkenden Factor, als vielmehr ein mehr oder weniger unbequemes Hinderniß zu erblicken. Wenn durch die bezügliche ofsiciöse MiNheilung auf Grund derartiger Scheiilargumeiitationen die alsbaldige Inkraftsetzung dcS Vertrage- in Aussicht gestellt wird, fo können wir kaum glauben, daß damit die wirklichen Absichten der Negierung zum Ausdruck gebracht werben. Nach den jüngsten Angaben der .Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" würde fick allerdings die Hoffnung aus ein völlig verfassungs mäßiges Vorgeben in dieser Angelegenheit lediglich noch aus einen etwaigen Einspruch der spanischen Negierung gegen eine provisorische Inkraslsctzuna deS Vertrages stützen können. Wie wohl die Zeit aus da» Äeußerste drängt, scheint auch heute ein definitiver Beschluß der Regierung noch nicht gefaßt zu sein. Wieviel Zeit nian etwa noch mit dein Versuche ver lieren könnte, die Zustimmung der spanischen Regierung für eine .sactische und provisorische Herstellung der gegenseitigen Zolldchanvlung ans dem Fuße der Vertragsbestimmungen" zu gewinnen, vermögen wir nicht zu beurteilen, aber wenn dieser Versuch auch gelingen sollte, so würde der klaren Be stimmung der Reich-Verfassung doch nicht Genüge geschehen fein. Ist man der Meinung, daß sür ein vcrsassuiigSinäßigeS Vorgehen schon allzu viel Zeit verloren ist. so sollte man zu dem Schlüsse kommen, baß nunmehr ohne jeden weiteren Ver zug der Reichstag einbcrnfen werden muß. Verzögert man diesen Entschluß noch länger, so wird lediglich die Regierung selbst die Verantwortlichkeit zu tragen haben, wenn man vor der Wahl steht, entweder die Verfassung zu verletzen, oder wichtige wirthfchastliche Interessen Schaden nehmen zu lasten * Die „Ncrdd. Allgem. Ztg." schreibt: ..Am 26. October d. I. kehrt zuni fünsundzwanzigsten Male der Tag wieder, an welchem Se. Majestät der Kaiser und König in Veranlassung der schweren Erkrankung Sr. Majestät König Friedrich Wilhelm'» IV die Regentschaft über den preußischen Staat übernahm. Bon einer festlichen Begehung diese- in der Geschichte Preußens und Deutschlands epoche machenden Tage» wird aus Befehl Seiner Majestät Abstand genommen werden. Unfern, Kaiser bedeutet der Tag seines Regierungsantritts zunächst die schmerzliche Erinnerung an daS jahrelange Siechlbum seine- königlichen BrnderS und an eine Zeit schwerer Hcinisuchiing de» königliche» Hause», deren Gedäcbtiiiß festliche Veranstaltungen auSschließt. DaS preußische Volk, da» die Freude» und Leiden seines Königs hauses siel» alS die eigenen angesehen hat, wird den durch die pietät-volle Auffassung unseres Kaiser» bestimmten Beschluß daß von einer össcnllichen Feier de» 26. October 1883 ab gesehen werden soll, mit antheil-vollem Berständniß aus nehmen. Die hohe Bedeutung diese» Tage» ist durch eine so große Zahl weltgeschichtlicher Ereignisse bezeugt worden, da; eS nicht erst einer äußeren festlichen Ausgestaltung desselben bedürfe» wird." * Der Hauplmann v. Pfuel vom Generalstabe ist zum Militär-AttackS bei der Gesandtschaft in Madrid er nannt ivorden. Diese Ernennung beweist von Neuem, welche Aufmerksamkeit unsere Armee-Verwaltung dem Kriegswesen der übrigen Staaten widmet. Der Gesandtschaft in Madrid war bisher ein Militär-AttacbS nickt bcigegeben; man hielt e» aber jetzt auch sür erforderlich, dorthin einen Referenten über die Fortschritte, welche da» spanische Kriegswesen macht, zu entsenden. Ta« Reich besitzt jetzt in acht europäischen Hauptstädten Mititär-Bevoltmächtigt« oder Militär-Attache-, nämlich in Paris, London, Brüssel, Nom. Bern. Petersburg und Madrid. Außerdem ist der Gesandtschaft in München noch ein Militär-Bevollmächtigter beigeqeben, dessen Ausgabe natürlich weniger darin besteht, die Fortschritte im bayerischen Heerwesen zu verfolge», alS darin, alS Vertreter der Reicks- ricgSverwallung bei der bayerischen Militärverwaltung zu nngiren. Endlich sind in London und Washington noch Marine-AttachöS slationirt. ' Die national-polnischen Agitatoren, welche eit Jahr und Tag in den Provinze» Posen und West- Preußen ihr Unwesen treiben und »amcnNich da« Landvolk gegen die bestehende öffentliche Rechtsordnung auszmviegeln trachten, haben eS an Eifer sowohl als auch an Geschick wahrlich nicht fehlen lassen und AllcS ausgebvlen, um ihrer hetzerischen Thätigkcit entsprechende Ncsultale zu zeiligen. Stellenweise mag die von ihnen gestreute Saat ja auch wohl ans fruchtbaren Booe» gefallen sei», andererseits hinwiederum dürfen alle staatstreuen Gciilüthcr mit einer gewissen Befrie digung consiatiren, wie sehr auch unter dem polnisch redenden Theile der Bevölkerung deS platten Landes in den oben ge eichten Provinzen der gesunde Menschenverstand Wurzel gc- 'chlagen hat und den einfachen Lankmanil sür die an ihn herantretenden Lockungen und Aufstachelungen unempfänglich macht. Man weiß, und eS ist an dieser Stelle mehrfach hcrvorgehoben worden, daß nicht einmal die Schule von den national-politischen Agitatoren respcclirt, vielmehr gerade hier der Hauplhebcl angesctzt wurde, daS Dcutschthum in Posen und Westprcußen auS dem Sattel zu heben. Um so bcdeut- amer für die Würdigung der dadurch geschaffenen Situation erscheint daS neuesten« auS Posen signallsirle Factum, daß bei den dieser Tage in Ober-Wilde vorgenommenen Sckul- vorstandSwaklcn sämmlliche deulsche Candidalen, aber kein einziger polnischer den Sieg davon getragen haben. Für die Zerren Agitatoren bedeutet dieses Resultat eine sehr herbe nktäiischung. und an dem Gebühren der von ihnen inspirirtcn Presse merkt man eS nur zu deutlich, wie unsanft daS jähe Erwachen auS so lange und zärtlich gepflegten Illusionen ge wesen ist. „Dziennik Poznanski" und „Oredownik" geberdcn ich vollständig constcrnirt. ES dämmert ihnen eine erschreckende Ahnung von den zwischen den national-polnischen Bestrebungen ihrer Clique und dem Bewußtsein der breiten Masse gäh nenden Abgrund auf. „Nationalen IndifsercntiSmuS" nennen sc die Abneigung der polnischen Landbevölkerung, sich als willenlose Objecte für zweideutige politische Experimente mißbrauchen zu lasten, und rufen den gesammten Heerbann, der im Dienste der polnischen Ioee wirkt, zum Kampfe wider diesen Erzfeind auf. Man wird sich, nach diesen Welterzeichen zu urtheilcn, darauf gefaßt machen dürfen, die Verhetzung«» Praxis mit doppelter und dreifacher Intensivität funqiren zn sehen. Sehr zu statten kommt den Agitatoren, daß die Wirk samkeit ihrer Gesinnungsgenossen im preußischen Landtage und im deutschen Reichstage Erfolge ausweisen kann, die mit dem „nationalen IndifferentiSmuS" de« polnischen Landvolkes ehr effcctvoll contrastircn. An- diesen „Erfolgen" wird denn auch gewissenhaft politische- Capital geschlagen. Mit enormem Auswande von Pathos wird dem Leserkreise der agitatorischen Preßorgane vorerzählt, welchen Eifer man im Kampfe für die Bewahrung und Ausdehnung der „polnischen National- rechte" entwickelt, welche Erfolge man aus dem Gebiete dcS UnlerrichtSwcsenS errungcn habe, und wie conscquenterweise nun aus dem so vielversprechenden Wege fortgeschritten zu werden brauche, um. wenn auch in einstweilen noch unbestimm barer Zukunft die Krönung dcS nationalen Gebäude», daS heißt die Wiederherstellung des PolenrcichcS, durckrusehen. Also fort um jeden Preis mit dem nationalen JndisferentiS- muS! ES giebt ja keinen ärgeren Feind sür die Bestrebungen der im polnischen Interesse wirkenden Stände und BcrusS- arten, d. h. namentlich dcS grundbesitzenden Adel-, der römi schen Geistlichkeit, der AgilationSpresse re. als die Gleich giltigkeit de« niederen Volkes, welche in Wahrheit nichts Andere- ist, al- die Zufriedenheit mit den ihr durch daS preußische StaatSwesen gewährleisteten moralischen und ma teriellen Existenzbedingungen. Man ist in Deutschland viel fach geneigt, die Tragweile und Bedenklichkeit ter national polnische» Agitation in unseren östlichen Grenzbczirken zu unterschätzen; eS scheint daher um so dringcnder geboten, zuweilen sestzustcllen, nzie zäh und beharrlich die Führer de- PolenthumS ihrer unterminirendcn Thäligkeit obliegen. * Mit einer ausfallenden Zähigkeit setzen die conscr- vativcn Blätter ihre Versuche fort, einen Faden zu spinnen, an welchen sich die Verhandlungen mit dem Vatikan wieder anknüpsen lassen könnten. E- will ibnen schlechterdings nicht einlellchten, daß die preußische Ne gierung mit der letzten kirchenpolilischen Novelle nun end lich einmal ein Ultimatum gestellt haben könnte. Da eS mit der weiter getheilten Anzeigepflicht nichts war, so sind sie jetzt aus den außerordenllichcn Gesandten der Curie verfallen, welcher in Berlin die Verhandlungen über einen weiteren Rückzug dcö Slaatcö führen soll, nachdem der Staat eS einstweilen ansgegeben zu haben scheint, zu solchem Zwecke seinerseits einen Gesandte» in Nom zu unterhalten. Von ullrainontaiier Seite ist diese Erfindung längst als solche ge kennzeichnet; trotzdem kommt die „ttrenzztg." beharrlich darauf zurück. Tie Herren brauchen allerdings dar Bünduiß »nt dem Centrum so nöthig zu ibrem Lebe», daß man sich nicht wundern kann, wenn sie sich so ängstlich an einen solchen Strohhalm klammern. * Die „Krenzzeitung" constatirte vorgestern mit einer ge wissen Befriedigung, daß bei der Stichwahl im Kreise Kiel-Re»vSburg die Conservalive» sich in Passivität ver- ballcn hätten. Heute muß sie aiierkennen, daß »ach den Stlminzissern eine nicht nnbcderileiidc Anzahl cvnscrvativcr Wähler sür den sorlschrilllichen Candidalen gestimmt habe». Hoffentlich erkennt sie zu ihrer Beschämung, daß im Volke daS politische Gewissen doch noch stärker ist, alS eine in ParteisanatlSiiiuS verblendete Presse sich einbildet. » * * * Die Wiener ossiciösen Blätter veröffentlichen fol gende, ihnen seiten- der „k. k. Preßleitung" zugeaangene Mit- lheilung: „Die Audienz unser» Minister» deS Acußercn bei dem deutschen Kaiser bat pbantasiercicben Corrclpondenten in- und ausländischer Blätter Anlaß gegeben, Vermulhungen über die Gegenstände anzustellen, welche angeblich bei dieser Audienz zur Sprache gekommen sein sollen. Diese Der« mukhungen sind n»n in einer Berliner Corresponkenz ter „Bovemia" u n eine neue vermehrt worden, welcher wir allerdings ebenso wenig wie ihrer Voraängerinnen Erwähnung getban hätten, wenn nicht mehrere Blätter soweit gegangen wären, dieser Berliner Correspondenz einen osssriö?cn Cbarakter beizulegen. Ter Berliner Gewährsmann dcS genannten Prager
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