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Dienstag LeiPßig. Dis Zeitung «rschclm mu AuSnahmc de« Montags täglich und wud Nachmittags 1 Uhr auS- gegeben. Preis für das Vierteljahr IThlr.; jede einzelne Nummer 2 Rgr. Rik 30. S. Februar 1856. DtilW Allgtmink Zeitung. Zu beziehen durch alle Postämter de« 3n- «nd Auslände«, sowie durch di« Grpedilion in Leipzig (Querstraße Nr. 8). «Wahrheit md Recht, Freiheit und GesetzI» JnsertionSgebühr ' für den Raum einer Zell« 2 Rgr. Deutschland. Preußen. ----Berlin, 3.Frbr. Wir haben seinerzeit wiederholt die Gründe dargelegt, warum Preußen und die übrigen deutschen Staa- ten, wie sehr sie auch im Sinne des Friedens zu Petersburg thätig ge wesen sind, sich dennoch vgr jeder Verpflichtung wahren zu muffen geglaubt haben, das westmächtlsche Friedensprogramm als solches in Peters burg zu unterstützen. Wir haben auch bereits Gelegenheit genommen zu bemerken, wie die öctreffenden Bedenken auch in Bezug auf die Frage der Theilnahme an den bevorstehenden Friedensconferenzen noch immer platz greifen dürften. Diese Frage tritt aber jetzt durch die sowol hier als in München, Dresden, Stuttgart und Hannover ergangene offizielle Anzeige, daß Oesterreich beabsichtige, das Friedensprogramm schon ganz demnächst an den Bund bringen und die Aneignung desselben beantragen zu wollen, in ein ganz neues Stadium, und cS ist darum etwas eingehender auf den betreffenden Punkt zurückzukommen. Für die Aneignung macht man auf der einen Seite zwei Punkte geltend, einmal den Werth der Theilnahme an der Ordnung einer allgemeinen europäischen Angelegenheit, und sodann daS Gewicht der abzugebendcn Stimme für den Fall, daß durch neue Fo- derungen oder durch sonstige Wendungen das Gelingen des Friedenswcrks wieder mehr oder weniger in Frage gestellt werden sollte. Von der andern Seite erkennt man den Werth der Theilnahme an den Conftrenzen in sei- nem vollen Maße an, sragt aber, ob die zu hegenden Bedenken nicht der art seien, daß sie diesen Werth nicht überwiegen müßten. Die Anerken nung des Friedens, wenn derselbe zustande komme, und seines ObjectS ver siehe sich von selbst, und man werde diese Anerkennung um so freudiger auSsprechrn, als man zur Herbeiführung deS Frieden- ja selbst so redlich mitgewirkt habe; ein Andere- sei aber die Anerkennung eines zwischen den Westmächten und Rutland zustande gekommenen knl, secompii als solchen, und ein Anderes die Aneignung Dessen, wa- den Frieden erst noch her beiführen soll. Einmal würde eine solche Aneignung eine totale Umwand lung der Stellung involviren, welche man zu der ganzen Frage bisjetzt ein genommen.. Zweitens seien Diejenigen, welche das Friedensprogramm aus gestellt haben, über die Tragweite desselben, in Betreff des fünften Punktes nämlich, ja selbst noch nicht einig, und cs würde sich demnach um die An eignung einer Sache handeln, deren Umfang und Bedeutung inan nicht kenne. Drittens sei auch zu erwägen, daß der Friede, wenn er zustande komme, möglicherweise ein solcher Friede sein könne, über dessen inncrn Bestand sich, nach der allgemeinen Lage der Dinge, mannichfache Zweifel erheben ließen. Die Aneignung, welche identisch sei mit einer beständigen Verpflichtung für das Angeeignete, könne daher möglicherweise über kurz oder lang zur Folge haben, daß man gezwungen sei, nach der einen oder andern Seite thatsäch- lich für etwas rinzustchen, was in solchem Umfange bisher nicht als ein di rektes Interesse de- Staats betrachtet warben sei, noch auch wol in Zukunft zu betrachten sein dürfte. Da- Gewicht einer Stimme im Sinne des Frie den- endlich bei Differenzen, die sich im Laufe der weitern Verhandlungen erheben könnten, habe allerdings seinen Werth, in der Sache selbst düifte dasselbe aber doch wol nicht ganz als absolut nöthig erscheinen; da man nämlich auf der einen Seite in der Hauptsache Alles zugegeben habe, so werde cs, wenn man den Frieden welle, dieser Stimme nicht bedürfen, und wenn man, was jedoch nicht anzunehmen, gegen den Frieden neue principielle Schwierigkeiten erheben sollte, so werde sie nichts nützen. Im- merhin aber sei man bereit, zur thatsächlichen Wiederherstellung des Frie- dens auch weiter aufs thätigste mitzuwirkcn, und zwar auch auf den Con- ferenzen selbst, mit der Bedingung jedoch, daß weder vorher die Aneig- nung des FriedenSprogrammS, noch später die Mitgarantie für das Object de- Frieden» verlangt werde. t Berlin, 2. Kebr. In Betreff der Stellung Preußens zu der von Seiten Oesterreich- der deutschen Bunde-versammlung zu machenden Vorlage hört nian jetzt, daß allerdings noch keine volle Einigung zwischen den beiden deutschen Großmächten erzielt ist. Bevor die Friedcnsgrundiage zwischen den betreffenden Matten festgcstellt ist, scheint da- diesseitige Ca- binet eine bestimmte Erklärung von seinem Standpunkte aus nicht für an- gemessen zu erachten. Eine unbedingte Zustimmung zu der österreichischen Vorlage am Bunde möchte daher einstweilen nicht zu erwarten sein, weil man die freie Selbstbestimmung und Unabhängigkeit aufrechterhalten will. Würde Oesterreich mit der besagten Vorlage nach vollständig festgestellter FriedenSgrundlage zwischen allen betreffenden Theilen bei der Bundesver sammlung auftreten, so möchte sich die Stellung der letzter» anders ge stalten, die sich jetzt dagegen zu sträuben scheint, ohne weiteres den Strit ten Oesterreich- zu folgen und der willenlose Rückhalt desselben zu sein. Ml«m Anschein nach dürften sich der österreichischen Bunde-vorlage viele Schwierigkeiten «ntgegenstellen, wie sehr die deutschen Staaten auch sonst -«neigt sein sollen, die Wiederherstellung de- Frieden- nach allen Kräften zu befördern. Würde der Stand der Dinge ein solcher sein, so ginge dar aus von selbst hervor, daß eine Betheiligung Preußen- und Deutschland« an den Friedrn-berathungen erst dann erfolgen werde, wenn die feste Frie- dciisgrundlage, worauf der abzuschließcnde Friede beruhen soll, wirklich ge wonnen ist und die Tragweite der durch eine Zustimmung zu überneh menden Verpflichtungen von den deu schcn Mächten übersehen werde» kann. Was Preußen anbclangt, so soll dasselbe nicht willen- sein, auf Kosten seiner freien Selbstbestimmung die Theilnahme an den Frieden-- bcrathungen gegenwärtig zu erlange». Wie man hört, ist ron Seilen Rußlands der förmliche Antrag gestellt worben, daß Preußen an den spätem FciedcnsverhandlungeN thcilnehme. Das Preußische Wochenblatt hebt hervor, daß der Schritt, welchen Oesterreich am Bunde zu thun im Begriff stehe, das für den Kaiserstaal so vortheilhaste und mit so wenig Opfern erkaufte Resultat seiner Initiative sichern solle, indem dadurch, daß Deutschland für dasselbe sich bindend erklärt, dem österreichischen Cabinet als gleichzeitigem Vertreter Deutschlands in seiner Vermittlerrolle ein un gleich größerer Rückhalt und ein schwereres Gewicht bei den Verhandlun- gen nach beiden Seiten bin verliehen werte und Oesterreich hoffen könne, dadurch den Frieden wirklich zu erreichen, oder, wenn er auch gegenwärtig nicht zustande komme, noch immer eine ähnlich freie und dominirende Stellung, wie die bisjetzt bewahrte, zu behaurten, seine Interessen und seinen Vortheil für jede Eventualität zur entscheidenden Geltung zu brin gen. — Das preußische HandelSarchiv enthält den Jahresbericht deS dies seitigen Generalkonsuls in Hamburg für 1855, worin derselbe sich dahin ausspricht, daß bei der glücklich behaupteten Neutralität Deutschlands der Rückblick auf das Jahr 1855 in kommerzieller Beziehung befriedigender sei, als irgend mit Grund erwartet war. Dem Hamburger Handel habe diese Entwickelung der Verhältnisse zu besonderm Vortheil gereicht und den selben sogar über den Umfang gewöhnlicher Zeiten hinaus einen nicht un bedeutenden Zuwachs der Geschäfte gebracht. /V Berlin, 3. Febr. Das wieder einmal verbreitete Gerücht, Hr. v. Bismark-Schönhausen sei, zur Berathung der am Bunde zu be obachtenden Haltung gegenüber den, erwarteten neuen Anträge Oesterreich«, hierhcrberusen worben, ist durchaus unbcgrünbet. Allseitig wird eS, und zwar bc onderö in den maßgebenden Kreisen anerkannt, baß der königlich sächsische Minister v. Beust sich veranlaßt gesehen bat, bezüglich tes an- gekündiglen österreichischen Antrags mit unserm Minister de- AnSwärligrn in Beziehung zu treten und deshalb hierher nach Berlin zu reisen. Man hegt hier die feste Zuversicht, daß die bisher von Preußen und seinen Bun- deögenossen inncgchaltene deutsche Politik auch ferner von Allen gemeinsam befolgt werde» wird. — In der gestrigen Sitzung des Hauses ter Abgeordneten wild die Spe- cialdiScussion über Art. 1 und 2 deS Gesetzentwurfs betreffs Aufhebung der Art.-12 und 11-1 der Verfassungsurkunde vom 3i.Jan. 1850 begon nen und beendet. Die beiden Artikel der Verfassung lauteten: Art. »2. Das Recht der freien Verfügung über das Grundeigenthum unterliegt keinen andern Beschränkungen als denen der allgemeinen Gesetzgebung. Die Thrilbar- kcit des Grnndeigenthnms und die Ablösbarkeit der Grundlagen wird gewährleistet. Für die todte Hand sind Beschränkungen des Rechtes, Liegenschaften zu erwerben und über sie zu verfügen, zulässig. Aufgehoben ohne iäntschädigung find: 1) Die Gerichts- Herrlichkeit, die gursherrliche Polizei - und obrigkeitliche Gewalt fowie die gewissen Grund stücken zustehenden Hohcitsrechte und Privilegien; 2) die aus diesen Befugnissen, aus der Schutzberrlichkeit, der früberu Erbunterlhänigkcit, der srühern Steuer- und Gcwcrbeverfaf- sung hcrstammendcn Bcrvftichtungcu. Mit den aufgehobenen Rechten fallen auch die Gegei - leistungen und Lasten weg, welche den bisherigen Berechtigten dafür oblagen. Bei erb licher lleberlassung eines Grundstücks ist nur die Uebertraguug des vollen EigenthumS zulässig; jedoch kann auch hier ein fester ablösbarer Zins Vorbehalten werden. Di« weitere Ausführung dieser Bestimmungen bleibt besonder» Gesetzen Vorbehalten. Art. II«. Bis zur vmanlrung der neuen Gemeindeordnung bleibt eS bei den bisherigen Bestim mungtu hinsichtlich der Polizeiverwaltung. Art. 1 deS neuen Entwurfs lautet: „Die Art. -12 und 11ä derDer- fassungsurkunde vom Jahre 1850 sind aufgehoben." Abg. Schwerin er klärt sich für Beibehaltung dcs Art. 12 und gegen die Quacksalberei mit Gesetzen, die doch zu keinem Resultat führen. Es sei in der Neuen Preu ßischen Zeitung gejagt worden, er und seine Freunde sprächen gegen den Adel. Er gehöre zum Adel, er sei Gutsbesitzer und sein« Vorfahrrn sei«« seit alter Zeil auf denselben Besitzungen ansässig. „Sie bleiben eS", schließt der Redner, „weil sie die Zeichen der Zeit zu deuten verstanden. Meine Herren, achten Sie ebenfalls auf die Zeichen der Zeit, entsagen Sie Privi legien, die nicht mehr haltbar sind, vor allem werfen Sie das Junker- thum über Bord. Die Gebrüder v. Humboldt sind ebenso von Abel wie die Gebrüder v. Gerlach, und wenn ich gegen Letztere und gegen den Fleisch gewordenen Geist deS Abg. Wagener spreche, so spreche ich nicht gegen den Adel." (Bravo auf der Linken.) ES wird der Schluß angenommen und Art. 1 in sein« oben gegebs- ncn Fassung von der Versammlung genehmigt.