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MMufferTageblatt Das Wilsdruffer Tageblatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmaunschast Meißen, des Amtsgerichts und Stadtrats zu Wilsdruff, Forstrentamts Tharandt, Finanzamts Nossen. Nr. 245 — 83 Jahrgang WilsÄruff-Dres-en Sonnabend 18. Oktober 1924 Telegr.-Adr.: »Amtsblatt* Postscheck: Dresden 2640 Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, "schriM tS,NA »ach», i Uhr gk den f»Ige»I« k»,. »rM,«prri,: «ri Abholun, t» ^*»fch«t,ftrll« -»!> »rv «»gadrst-llr» 2 M». im M-m-t, bU z»ft«L-», »«rch »ir B»tr» 2,» ML., bei Poftbeftellmrz Wochenblatt für Wilsdruff ».Umgegend NM»«»»» »e<chS-r^llea nehmen ,u jeder Zeit L« D«»»«» errlsr^rr. Am Fall« HSHerer Dewall, «rie« oder soafti,er Lctried-ftSrsng-a besteh« bei» Anspruch aus Lieferung »« Arttu», ober Kürzung d« B-jUg-pr-is». — Rücksendung eiugcsaudter Schriftstücke erfolg« nur. wenn Por«o beilieg«. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die »gespaltene ««nnrxrUe MGoldpfennig, die 2gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 4V Gold pfennig, die Z gefpalteueReklam^eü« tm textlichen Teile 100 Goldpfennig. Nachweisungsgebühr 20 Goldpfennige. Dor- LÄ^n^SL Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 ULM'ÄS annahmedisvorm.10Uhr Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Rabattanspruch erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden muß oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. gefahren für knglanü. Es brodelt und kocht wieder einmal allüberall kn Vorderasien. Vor allem sind es drei Gefahrenzonen, wo jetzt, im Zeitalter der „Völkerversöhnung", die Gewehre krachen, ja sogar Kampfflieger und Bombengeschwader in Tätigkeit treten. Der alte, tiefwurzelnde Haß des Türken gegen England hat es zu einer merkwürdig aufgenommenen Erscheinung gemacht, daß zwischen beiden Staaten eine Zeitlang verhältnismäßige Ruhe bestand. Noch jetzt werden jedem Türken aus Haß die Augen dunkel, wenn er nur das Wort „England" ausspricht. Nun ist, seitdem dis Lausanner Konferenz die Mossulfrage ungelöst ließ, es dort oben am oberen Tigris, wo die gewaltigen Petroleumvorräte einen Staat wie England zum Zugreifen geradezu reizen müssen, seit Monaten wieder zu erbittertsten Kämpfen gekommen, und das hat eine der artige diplomatische Spannung zwischen der Türkei und England hervorgerufen, daß man schon zu offenen Kriegs drohungen schreitet. Dabei hat England selbst offiziell natürlich mit der ganzen Geschichte gar nichts zu tun, höchstens insofern, als die Anglo-Persian-Company, die die Ausbeutung des weiter südlich gelegenen Pettoleumbeckens betreibt und sich nun nach Norden hin ausdehnen will, eine englische Gesell schaft ist. Staatsrechtlich kommt hier ein arabischer Staat, der Irak, in Frage, der aber bekanntlich von den Eng ländern nach der Eroberung des Zweistromlandes be gründet wurde und wo einer der Söhne des jetzt ge flohenen Großscherifen von Mekka, Huffein, „regiert". Denn der wahre Regent ist natürlich der Engländer. Der Kampf gegen die türkischen „Banden" erfolgt denn auch mit allen Mitteln moderner Kampftechnik, aber auch in der von England meisterhaft ausgebildeten Intrige, indem man es versteht, dort die einzelnen aufs erbittertste mit einander verfeindeten Völkerschaften gegeneinander auszu spielen. So ließ der Engländer beispielsweise seinen ge fährlichsten und energischsten türkischen Gegner, den Wali von Hakkiara, auf einer Reise von den Nestorianern gefangennehmen und entführen, was wieder Kemal Pascha, den Präsidenten der Türkei, „zur sofortigen Ein- Derufung des Parlaments nach Angora, zum Protest gegen Englands Vorgehen, inoffiziell sogar zu offener Kriegsdrohung veranlaßte. England erläßt Gegenproteste, beruft sich, ebenso wie die Türkei, auf sein aus dem Lau sanner Vertrag hervorgehendes „gutes Recht", und nun soll wieder einmal der Völkerbund helfen. In einer Lebens frage der Türkei, die gar nicht Mitglied ist! Irgendwelche theoretisch-rechtlichen Unterlagen für eine Entscheidung gibt es aber nicht, da die Türkei ausdrücklich die an und für sich schon reichlich unbestimmten Sätze des Lausanner Ver trages über die Mossulfrage nicht ratifiziert hat, vielmehr die Einsetzung einer Kommission erreichte, die zwar drei viertel Jahre beriet, aber zu keinem Entschluß kam. Das entscheidende Wort sprechen vielmehr dort die Gewehre. An der syrisch-türkischen Grenze, an der die Franzosen mit Flugzeugen und Granaten gegen türkische Dörfer wirkten, ist es etwas ruhiger geworden, aber in dem „großarabischen Reich" geht es desto turbu lenter zu. Die Wahabiten, jener fanatisch-mohamme danische Stamm Mittelarabiens, haben nicht bloß der eng lisch unterbauten Herrlichkeit des Scherifen Hussein in Mekka duch Eroberung der „Heiligen Stadt" ein Ende gemacht, sondern auch das ostpalästinensische Reich seines anderen Sohnes stark bedroht. Bis zu seiner im Nord osten des Toten Meeres liegenden Hauptstadt Amman sind sie vorgestoßen. Vater und Sohn werden jetzt wohl schon wohlgeborgen auf einem englischen Kriegsschiff sitzen. Es bekommt diesen vorderasiatischen Fürsten nicht allzu gut, das Brot Englands gegessen zu haben. Vielmehr be deutet jetzt jener arabische Emir Ibn Saud in Arabien wieder alles, der bis zum Ende des Krieges fest auf der Seite der Türkei stehen geblieben war. Mit der Herrschaft Englands über die heiligen Stätten des Islam ist es fürs erste vorbei. Und noch ein weiteres, mit alldem eng verknüpftes Gefahrenventil ist zugeschraubt worden: Zaglul, der ägyptische Ministerpräsident, ist tief erbittert von seiner Londoner Reise zurückgekehrt. „England hat von uns ver langt, daß wir uns selbst umbringen", hat er als Quint essenz seiner Besprechungen mit der englischen Regierung bezeichnet. England bleibt in Ägypten „zum Schutz des Suezkanals", England bleibt im Sudan und unterdrückt dort mit eiserner Hand jede Selbständigkeitsregung — aber es kann nicht verhindern, daß diese Erregung unter der Decke brodelt und trotz blutiger Unterdrückung hier und da emporlodert. Und darum — das ist der Schlüssel zum Moffulkonflikt — ist es erbittertster, unversöhnlicher Gegner der Türkei, weil dieses Land für alle Erregung und alle Wünsche der vorderasiatischen Welt Vorbild und Fübrer ist Russische Schreckenherrschaft in Georgie«. Paris, 17. Otkober. Die georgische Gesandtschaft ver öffentlicht eine Mitteilung, wonach die Kämpfe an verschiedenen Stellen in Georgien wieder entbrannt sind. Die Sowjetregierung schreitet zu grausamen Reprassalien und fährt weiter fort, die friedliche Bevölkerung zu erschießen. Appell an das Volk? Reichsiagsanflösong wahrscheinlich. Berlin, 16. Oktober. In den Mittagsstunden empfing heute der Reichs kanzler die Führer der Koalitionspartrien, des Zentrums, der Deutschen Vvlkspartei und der Demokraten. Nach Be kanntgabe eines Beschlusses der Zentrumsfraktion stellte der Reichskanzler in Übereinstimmung mit den Partei führern fest, daß er weitere Verhandlungen mit den Frak tionen über die Erweiterung der Regierung für aus sichtslos halte; die Reichsregierung behalte sich ihre Entschließungen vor. Der an der Beratung teilnehmende ZentrumsaSge- ordnete Stegerwald hatte ausgeführt, die Zentrums- sraktiou berate augenblicklich noch, werde aber in einer Entschließung ihr Bedauern ausdrücken, daß die Versuche des Kanzlers zur Bildung eines erweiterten Kabinetts gescheitert seien. Das Zentrum wünsche nunmehr, dem Kanzler die volle Handlungsfreiheit zurückzugeben. Den direkten Anlaß zu dieser neuen Szenenänderung im wechselvollen Spiel um die Regierungsbildung bot der gestrige Beschluß der D e m o k r a t e n. Diese Fraktion sagte darin, sie halte daran fest, daß die gegenwärtige Krise ohne Not heraufbeschworen worden sei, und daß schwer wiegende Gründe der Außenpolitik ein Beibehalten der jetzigen Regierung erfordern. Die Negierung habe die Pflicht, sich vom Reichstag die Zustimmung für die Fort führung der bisherigen Außen- und Innenpolitik geben zu lassen, und dürfe erst abtreten, falls wider Erwarten oer Reichstag sie dazu zwinge. Entsprechend ihren bis herigen Beschlüssen, vermöge die Fraktion eine einseitige Erweiterung der Regierung nach rechts nicht mit ihrer Verantwortung zu decken. Inzwischen ist auch Reichswehr minister Geßler den Gerüchten entgegengetreten, er werde in der Regierung verbleiben, auch wenn feine Partei aus dem Kabinett ausscheide. Geßler erklärte bestimmt, er werde selbstverständlich mit seiner Fraktion aus der Regierung ausscheiden. Die Demokraten geben noch be kannt, sie würden einer neuen Regierung keine „Opposition auf jeden Fall" ansagen, sondern erst ihre Zusammen- setzung und ihr Programm abwarten, und dann von Fall zu Fall entscheiden. Sie seien aber nicht dafür, den Reichs tag ohne Anhörung des Plenums aufzulösen. Das Zentrum für Neuwahlen. Nach Beendigung der Kanzlerbesprechung mit den Koalittonsfübrern wurde die einstimmig gefaßte Ent- i^tlenung oes Zentrums bekannt. Sie stellt zunächst fest, daß die Bemühungen gescheitert sind, eine nach den parla mentarischen Kräfteverhältnissen bestands- und arbeits fähige Regierung auf Grundlage der Volksgemeinschaft zu bilden. Auch die daraufhin aus Gründen der Außen politik und im Interesse der besetzten Gebiete von der Fraktion erstrebte Beibehaltungderbisherigen Regierung sei nicht durchzusetzen gewesen. Ebenso scheiterte der weitere Versuch, die Regierung in tragfähiger Form nachrechts zu erweitern. Dann heißt es weiter: Die Zentrumsfraktion ersucht daher den Reichskanzler, dem sie ihr volles Vertrauen ausspricht, kein Mittel un versucht zu kaffen und im äußersten Notfall an das poli tische Urteil des Volkes zu appellieren, um eine tragfähige Negierung zu schaffen, die imstande und gewillt ist: 1. die bewährte Linie der durch den Reichs kanzler getragenen deutschen Außenpolitik zu sichern, 2. die Aufgaben der sozialen Versöhnung und des wirt schaftlichen Friedens weiter durchzuführen, 3. die christ lichen Kulturgüter zu schützen und zur Entfaltung zu bringen. Für den Abend wurde eine Kabinettssitzung einbe- rufen, die nach den klärenden Vorgängen des Tages die Entscheidung treffen soll. Man erwartet auf allen Seiten nunmehr die Auflösung des Reichstages, über die der Reichskanzler schon heute mit dem Reichspräsiden ten verhandelt haben soll, und zwar wahrscheinlich Aus- lösungohne vorherige Einberufung. * Regierungsrücktritt nur bei Miß-) trauensvotum. Im Geschäftsordnungsausschuß des Reichstages wurde die Frage der Auslegung des Artikels 54 der Reichsverfassung aus Anlaß eines Antrages der National sozialistischen Freiheitspartei grundsätzlich behandelt. Der Antrag stellte sich auf den Standpunkt, daß die Reichs regierung zu ihrer Amtsführung der Annahme eines aus drücklichen Vertrauensvotums durch den Reichstag bedarf. Der Vorsitzende des Ausschusses, Abg. Dr. Kahl, führte dagegen aus, daß das Vertrauen des Reichstages in die Amtsführung der Regierung solange vorauszusetzen sei, bis ein vom Reichstag angenommenes ausdrück liches Mißtrauensvotum die Regierung oder einen Minister zum Rücktritt veranlasse. Die Mehrheit de? Ausschusses stimmte dieser Ansicht zu und lehnte die Auslegung des Antrages ab. Der SM m die WWmisi in MWWn. kin Schwrsterlchitt «les 2. g. 3 Mr Frankreich? Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". > Paris, 17. Oktober. Das Journal beschäftigt sich in seinem heutigen Leitartikel wiederum mit der Frage der Zer störung der Luftschiffanlagen von Friedrichshafen und bemerkt unter anderem, daß es selbstverständlich sei, wenn Deutschland mit Stolz auf die Leistungen des Z. R. 3 zurückblicke. Aber ein Teil der deutschen Presse versuche aus diesem Erfolge der deut schen Industrie einen politischen Feldzug zu konstruieren, um gegen einen Teil des Versailler Vertrages zu protestieren. Das Blatt verweist auf Artikel 202 des Versailler Vertrages und zwar im einzelnen auf Absatz 3 Teil 5, wonach alles militärische Mate rial für Lustschiffahrt und Schiffahrt an die alliierten und asso ziierten Mächte zu übergeben ist, mit Ausnahme von 100 Wasser flugzeugen, die zum Aussuchen von Minen bestimmt sind. Das Blatt meint, daß nunmehr die interalliierte Kontrollkommission unter General Walches, dem Nachfolger des jetzigen Kriegs ministers Nollet unter Bezugnahme auf Artikel 204 von Deutsch land die Durchführung des Artikels 202 verlangen werde. Sollte Deutschland sich weigern, nach den Bestimmungen dieses Artikels zu handeln, dann würden die Alliierten den Obersten Rat ein- berusen. Frankreich ist in diesem Rat durch Marschall Foch und General Destickers vertreten. Die Vertreter Englands, so fügt das Blatt hinzu, werden sich des Krieges erinnern, und die Re gierung wird sich an die Meinung des Obersten Rates halten. Jedenfalls sei aber noch nicht in der nächsten Zeit mit diesen Maßnahmen zu rechnen, da man erst abwarten werde, wie die Verhandlungen zwischen Frankreich und Deutschland wegen der Lieferung eines ähnlichen Luftschiffes wie Z. R. 3 ausgehen wer den. Sollte die Reparativnskommiffion sich einverstanden er klären, so würden die Anlagen in Friedrichshafen noch eine Reihe von Jahren erhalten bleiben. Schließlich, so meint das Journal, könne ein Zeppelinkreuzer von dem Ausmaß des Z. R. 3 keine Kriegswafse darstellen. Sollte sich der Oberste Rat der Alliierten wirklich mit dieser Angelegenheit beschäftigen, so würden die Argumente beider Seiten vollkommen berücksichtigt werden. Dr. Eckener bei Coolidge. Neuyork, 17. Oktober. Der amerikanische Staats präsident Coolidge empfing heute den Führer des Z. R. 3, Dr. Eckener. Statt Zeppelin — Los Angeles. Berlin, 17. Oktober. Nach einer Neuyorkere Meldung des Lokalanzeigers wird das Luftschiff Z. R. 3 den Namen Los Angeles erhalten. Neue ^uhranleifte Essen, 17. Oktober. Der Ruhrbergbau hat, nachdem er vor kurzem eine Anleihe von 5 Millionen Dollar erhalten hatte, nunmehr einen weiteren Kredit von 2,5 Millionen Dollar durch Vermittlung des Neuyorker Bankhauses Gochmann-Saß und Co. ausgenommen. Der Zinssatz ist 7 v. H. Wie die Deutsche Berg werkszeitung erfährt, sind diese Darlehen von insgesamt 7,5 Mil lionen Dollar von der Ruhrkohlen-A.-G. ausgenommen worden. Heinrich Schulz stellt sich. Berlin, 17. Oktober. Aus Budapest wird der Vossischeu Zeitung gemeldet: Heute hat sich Heinrich Schulz, der Mörder Erzbergers, bei der Budapester Polizei gestellt. Meuterei in -er Roten Armee. Berlin, 17. Oktober. Der Lokalanzeiger meldet aus Moskau: In den letzten Tagen ist es an verschiedenen Orten Rußlands zu Meutereien in der Roten Armee gekommen. So befindet sich in Sibirien die 2. Infanteriedivision im Aufstand. In Südrußland befindet sich das 74. Infanterieregiment im Auf ruhr. Im Kaukasus sind bei verschiedenen nach den Ausstands- gebieten entsandten Truppen in großem Umfangt Desertionen vorgekommen.