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O WHerihAitms 51. Jahrgang Donnerstag, den 23. Juli 1885 Nr. 86. ' > !>! S sammenströmken, da hat es nie an patriotischer An regung, an Förderung des nationalen Gedankens ge fehlt und immer waren solche Feste eine Gelegenheit, die Liebe und Treue zu Kaiser und Reich zu betonen und dies als das gemeinsame Band Aller, den sonstigen politischen und religiösen Verschiedenheiten zum Trotz, zu bezeichnen. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde. Herr Professor Fr. Polle in Dresden, der bereits im Jahre 1883 einen „Führer durch das Weißeritzthal nach Schmiedeberg und seiner Umgebung" erscheinen ließ, hat soeben eine zweite Auflage desselben veröffentlicht, und wir muffen ge stehen, daß diese im wahren Sinnens Wortes eine „vermehrte und verbesserte" ist.. Für die Sommer frischler, und wohl nur diese können aus dem Führer größeren Nutzen ziehen, dürfte derselbe recht praktisch unv nutzbringend sein, so daß wir den Ankauf nur empfehlen können. — Eine besondere, ganz unverhoffte Freude wurde kürzlich dem Inspektor der hiesigen Bezirksanstalt, Herrn Trachbrodt, zu Theil. Am 14. Juli erschienen in der Anstalt Herr Amtshauptmann von Kessinger und die Herren Friedensrichter Wendler und Stadt gutsbesitzer Müller, als Direktor und beziehentlich De putate des Bezirks-Obstbau-Vereins. Im Auftrage des letzteren überreichte Herr Amtshauptmann von Kessinger dem genannten Anstaltsinspektor unter An erkennung der von demselben dem Obstbauvereine ge widmeten Thätigkeit ein höchst geschmackvolles Por- zellan-Kaffeservice. Neben reichen Goldverzierungen und einigen dekorativen Fruchtstücken ist dasselbe mit der Votivichrift „Der Bezirksobstbauverein Dippoldis walde Herrn Anstaltsinspektor Trachbrodt für treue Unterstützung. Gewidmet im Mai 1885", sowie mit einer Ansicht der Stadt Dippoldiswalde und der hiesigen Anstalt mit Baumschule und Garten rc. ver sehen. — Am Nachmittag des 19. Juli, gegen 3 Uhr, schlug der Blitz in das der Wilhelmine verw. Bierich in Altenberg gehörige Wohnhaus und beschädigte das Dach, sowie 2 Stuben, Kammern, Werkstatt und die Küche in ganz bedeutender Weise an Decken und Wänden; auch tödtete der Strahl eine im Stalle be findliche Ziege. — Auf die Infolge Beschlusses des Bezirksaus schusses in seiner Sitzung am 23. Mai von der kgl. Amtshauptmannschast an die kgl. Generaldirektion der Staalseisenbahnen gerichtete Petition um Beibehaltung des monatlichen Extrazuges hat letztere Behörde er widert, daß im Hinblick auf die geringe Benutzung, welche die zur Erleichterung des Theaterbesuches in Dresden für die Anwohner der Linie Haiusberg-Kips- dorf allmonatlich abgelassenen Extrazüge in den letzten Monaten gefunden haben, abgesehen werden müsse, solche Züge in den Monaten Juli und August ver kehren zu lassen; daß dagegen mit Einlegung eines solchen bereits im Monat September wieder ein Ver such gemacht werden solle. Dippoldiswalde, 22. Juli. Obgleich, wie wir dieses schrieben, das 6. deutsche Turnfest noch nicht offiziell geschloffen und ein endgiltiges Urtheil über dasselbe noch nicht abgegeben werden kann, so mag es uns doch vergönnt sein, aus eigenen und fremden Wahrnehmungen Einiges zusammenzustellen, von dem wir die endliche Bestätigung von dazu besonders be rufener Seiten hoffen und erwarten. Obschon sich die mit der Vorbereitung des Festes seit Monaten be schäftigten Ausschüsse mit dem rühmenswerthesten Eifer ihrer gern übernommenen Aufgabe gewidmet und unablässig bemüht haben, die Dresdner Bevölkerung in die geeignete Temperatur zu versetzen, so ist ihnen dies doch kauiü in gleichem Maße gelungen, als seiner zeit in Leipzig und Frankfurt. In Bezug auf Ge Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage deS Blattes eine sehr wirk same Verbreitung finden, werden mit 10 Pfg. die Spaltenzeil« oder deren Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirte Inserate mit entsprechen dem Aufschlag. — Einge sandt, im reoaltionellen DHeile, die Spaltenzeile 20Pfg. Nationale Feste. Das in Dresden vor sich gegangene 6. allgemeine deutsche Turnfest, zu welchem nicht nur Turner aus allen deutschen Gauen, sondern auch aus den Nach barländern Deutschlands, ja sogar von jenseits des Ozeans zahlreich erschienen waren, legt wieder einmal die schon öfters aufgetauchte Frage nahe, ob alle der artigen Feste jetzt noch einen besonderen Zweck, über haupt eine Berechtigung, ob sie sich nicht mehr oder weniger überlebt haben. Da muß nun zugestanden werden, daß alle diese in gewissen Zwischenräumen wiederkehrenden geselligen Vereinigungen in großem Style, mögen sie Schützen-, Turner-, Sängerfeste oder sonstwie heißen, ihrer hervorragenden politischen Be deutung, die sie früher besaßen, verlustig gegangen sind. Vor zwanzig und noch mehr Jahren, als noch der deutsche Bundestag in der Eichenheimer Gaffe zu Frankfurl a. M. seine traurige Nolle spielte, als Deutschland dem Auslande gegenüber kaum mehr denn ein geographischer Begriff, während es im Innern ein zerstücktes Staatesgebilde war, als der Traum von der deutschen Einheit noch tief in den Herzen schlummerte, da waren es jene allgemeinen Schützen-, Turner- und Sängerfeste, welche den Deutschen aus Nord und Süd, aus Ost und West zu einem Sammelpunkte wurden. Da fühlte man sich nicht mehr als Schwabe oder Preuße, als Sachse oder Hesse, sondern nur als Deutscher, als Angehöriger einer großen Nation und da erhielt auch der Gedanke eines einigen Deutsch land, die Sehnsucht nach einem alle deutschen Stämme auch in politischer Beziehung umschließenden Bande immer wieder neue Nahrung und das war es, was den großen nationalen Festen vergangener Jahre ihre besondere politische Bedeutung verlieh. Diese ver schwand aber naturgemäß, als durch Blut und Eisen das Werk der nationalen Einigung Deutschlands auf den Schlachtfeldern Schleswigs begonnen und auf denen Frankreichs beendigt wurde und in der Gegenwart tragen alle die Festlichkeiten der gedachten Art in der Hauptsache nur mehr den Charakter großer Volksfeste. Dennoch hieße es über das Ziel hinausschießen, wollte man über dieselben nunmehr das Verdammungsurtheil sprechen, sie als überflüssig und zwecklos erklären. Der ihnen zu Grunde liegend^ Gedanke ist doch zu nächst der eines edlen Wettstreites, mag man nun bei demselben mit „dem Lied, das aus der Kehle dringt", mit der Büchse oder am Barren und Reck um den Preis ringen und gewiß werden hierdurch Gesang-, Schützen- und Turnvereine eine Förderung und will kommene Anregung ihrer Bestrebungen erfahren. Dann aber tragen gerade solche Feste nicht wenig dazu bei, die Zusammengehörigkeit der in der Ferne, vielleicht jenseits der Gestade des Weltmeeres wohnen den Deutschen mit der Heimath zu betonen, alte Bande zwischen „hüben und drüben" zu erneuern und neue zu schlingen und überhaupt den Gedanken der Zugehörigkeit zum Mutterlands, zur großen deut schen Nation, wieder einmal zum bewußten Ausdruck zu bringen. Endlich sind diese allgemeinen Turner-, Sänger- und Schützenfeste für die Theilnehmer, welche innerhalb der Grenzen des Vaterlandes selbst wohnen, oft eine Gelegenheit, ihre Gedanken über die großen Zeit- und Streitfragen persönlich auszutauschen, hier durch sich über mancherlei abweichende Ansichten zu einigen und so zu einem Ausgleich die Gemüther trennender politischer und sonstiger Gegensätze beizu tragen. Man kann demnach diesen Festen auch für die Jetztzeit eine gewisse politische Bedeutung und Berechtigung nicht absprechen, wenn dieselbe auch auf einem ganz anderen Boden wurzelt, als in den nunmehr zum Glück schon längst entschwundenen Zeiten des „seligen" deutschen Bundestages. Und zum Schluß noch Eins: Immer auch, wo die Turner Schützen, Sänger rc. aus allen Theilen des weiten deutschen Vaterlandes zu geselliger Vereinigung zu- währung von Gastfreundschaft, Ausschmückung der Straßen, persönliche Betheiligung, stehen die obenge nannten Städte entschieden obenan, besonders auch darin, daß dort die Einheitlichkeit der Dekorationen, die zum Theil von namhaften Künstlern entworfen und angegeben, von den Anwohnern ganzer Straße« und Plätze acceptirt und ausgeführt wurden, was in Dresden nur annähernd bei der Wilsdruffcrstraße der Fall war. Denn daß Hauptstraße und Brücke eine einheitlich durchgeführte Dekoration zeigten, liegt daran, daß dieselbe nicht von Privaten, sondern von der Stadt hergestellt war. Doch zeigt bei alledem daS 6. deutsche Turnfest gegen alle seine Vorgänger einen entschiedenen Fortschritt. Zunächst in rein turnerischer Hinsicht. Die Zahl der Theilnehmer, man spricht von 23 000 Turnern, zeigt schon, in wie erfreulicher Weise es der Turnerei gelungen ist, sich Bahn zu brechen; aber auch die Qualität der Turnenden ist entschieden eine noch gewichtigere geworden. Daß Männer von 60—70 Jahren in so bedeutender Anzahl geordnete Leibesübungen pflegen und beim Schauturnen in ge schloffenen Reihen Zeugniß von ihrer Thätigkeit ab legen, ist neu und kam dem Dresdner Feste entschieden zu gut; daß die Zahl der thätigen Turner eine so überwiegende war und die Zahl der bloßen „Fest bummler" in der Minorität blieb, ist gleichfalls ein Fortschritt, der das 6. deutsche Turnfest auszeichnete, ganz abgesehen von der Güte der Leistungen, bei welchen (nach dem Urtheile Sachverständiger) ein eminenter Fortschritt nicht zu verkennen war. Noch nie sind die Freiübungen in gleicher Vollendung aus geführt worden, noch nie aber auch ist in allen Uebungen eine so streng logische Folge zur Durch führung gekommen. Die Frucht dieses Fortschritts erntete die Feststadt Dresden. — Was aber das 6. deutsche Turnfest besonders auszeichnet, das ist die Anwesenheit und entschiedene Anerkennung Sr. Maj. des Königs. Durch die obligatorische Einführung des Turnens in den sächs. Volksschulen ist ja bereits die hohe Bedeutung desselben offiziell anerkannt, aber erst seit vorigem Sonntag, wo König Albert selbst seinen Beifall zu erkennen gab, hat jeder Turner mit eignen Augen sehen können, daß man den Bestrebungen der Turnvereine von höchster Stelle aus geneigt ist unv das wird für gar Viele ein Antrieb sein, den viel leicht noch nicht völlig entfernten Verdacht, als ver stecke sich hinter der Turnerei etwas Ungehöriges, fahren zu lassen. Daß es dem Turnfeste nicht an einer Gelegenheit zur Kundgebung patriotischer Ge sinnung und brüderlicher Liebe zu den österreichischen Stammesbrüdern fehlte, gab ihm einen wärmeren, geistigeren Ton und Inhalt. 1863 in Leipzig, am Jubelfeste der Völkerschlacht, wurden die kommenden Ereignisse in sehnsüchtiger Erwartung vorausgefühlt und das gab dem Turnfeste einen höheren geistigen Gehalt; diesmal wurde dieses durch die Theilnahme an dem Geschicke der durch das Czechenthum in ihrer Nationalität bedrohten Stammgenoffen in Oesterreich erzeugt. — Rechnen wir Alles in Allem, so steht das 6. deutsche Turnfest höchstens in weniger Aeußerlich- keit etwas zurück, überragt aber in gewisser Hinsicht die früheren, und so muß es sein — denn Stillstand ist Rückgang. Pvtschappel, 20. Juli. Heute Morgen in der 2. Stunde ist ein Mädchen von 18 Jahren, Namens Drechsel, von hier, in der Dresdner Straße mittelst eines Taschenmessers erstochen worden und hat alsbald daraus seinen Geist ausgegeben. Als muthmaßlichen Mörder bezeichnet man einen gewissen Naumann aus Deuben, welcher sich nach der Mordlhat in den Stall des Fuhrwerksbesitzers Fischer geflüchtet hat, um sich dort das Leben durch Erstechen oder Erhängen zu nehmen. Dieses ist ihm wahrscheinlich nicht gelungen, hat aber bei seiner Entfernung die Pferdestränge mit genommen, was darauf schließen läßt, daß er noch- D1« „Weißeritz. Zeitung" «-scheint wöchentlich drei ¬ mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. 25 Psg., zweimonatlich 84 Pfg., einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummer» 10 Pfg. — Alle Postan- stalten, Postboten, sowie di« Agenten nehmen Be- , . s ö l ä t LMjalichen Amtsgerichte und die Atadträth« fir die Miglich- Amtsh««-tm-nn^ " _ 1 B-r<mtw°rllich-r Mdmt-ur- «ml Jehnk m DipP-M-w-lde.