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Die .Weißeritz-Zeitung" erscheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 Ak. L5 Pfg., zweimonatlich 84 Pfg-, einmonatlrch 42 Mg. Einzelne Numinern 40 Pfg. — Alle Postan kalten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be stellungen an. Wchmtz -MilU Anzeiger für Dippoldiswalde und Umgegend. Inserate, welche vet der bedeutenden Auflage des Blattes eine sehr wirk same Berbreitunä finden, werden mit 10 Pfg. die Spaltenzeile oder deren Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirt« Inserate mit entsprechen dem Aufschlag. — Eiiige- sandt, im redaktionellen Theile, die Spaltenzeil« 20 Pfg. Amtsökatt für die Königliche Amtshauptmannschast, das Königliche Amtsgericht und den Stadtrath zu Dippoldiswalde. Verantwortlicher Redacteur: Paul Ichne ül Dippoldiswalde. Mit achtseitigem ,Lll»»strirteir UnterhaltnngSblatt". Mit land« «nd han-mirthschastliche« Maxattzbeilagr. Nr. 26. Dienstag, den 1. März 1898. 64. Jahrgang. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde. Welch lebhaftes Interesse man dem Vortrage des Herrn vr. Oertel au« Berlin ent- gegenbrachte, bewies am Besten der schon vor drei Uhr gefüllte Saal der Reichskrone. Nach einem von Herrn Welde-Ooerhäslich auszebrachten Hoch auf Kaiser und Reich, König und Vaterland, begann der geschätzte und durch seine bedeutenden Arbeiten wohl bekannte Redner seinen ziemlich zweistündigen Vortrag Über „Nationale Wirthschastspolitik". Einleitend knüpfte er an das Jahr 1848, das von der einen Seite der Volkerfrühling, von anderer wieder das tolle Jahr genannt werde. Gewiß sei, daß das, was da mals in zwar verworrener Weise und mit falschen Mitteln erstrebt wurde, sich jetzt erfüllt habe, nicht durch Parlamentsreden, sondern erkämpft durch Blut und Eisen, vornehmlich auf Frankreichs Boden. Deutsch land hat sich seine Stellung in Europa erobert und das Spölt ln über unser Vaterland ist verstummt. Nun gelte eS aber, neben dieser großen äußern Politik auch nationale Wirthschastspolitik zu treiben, wie sie von Bismarck schon begonnen worden sei, welches Be streben aber nach dem leider zu früh erfolgten Rück tritte des großen Kanzlers auf Irrwegs, wie durch die Handelsverträge, gerieth. Mü rieser letzten An deutung kam Redner auf seinen ersten Leitsatz „Der heimischen Arbeit gebührt der heimische Makl!" Was wir selbst erzeugen, braucht nicht eingeführt zu werden, wie vornehmlich das Getreide. Die von einigen Parteien dagegen erhobenen Einwände, wie „nur so lange, als es eben so billig als das fremde Gut ist" oder „die deutsche Landwirtschaft ist nicht fähig den Bedarf zu decken" und „die Industriearbeiter müßen billiges Brod haben" wurden schlagend durch scharfe logische Beweisführung und statistische Angaben vom Redner widerlegt. Der zweite Hauptsatz lautete „Der Mittel stand muß unter allen Umständen gefördert und ge halten werden!" Energisch müsse man Denen gegen übertreten, die da behaupten, der Mittelstand sei über haupt nicht mehr zu retten. Nein, so lange wir Männer von deutschem Mark und Charakter sind, ist es mit Gottes Hilfe wohl möglich, diesen Stand, den Trag balken deutscher Kultur und des Königsthrones, zu halten. Den Feinden des Mittelstandes, wie das Zusammenballen des Mtlionenbesttzes dem Aufsaugen der mittleren Existenzen kann noch entgegengetrelen werden, besonders durch Steuerreformen. Die gerechte Einkommensteuer sei bei dem hohen Einkommen höher zu schrauben, und während die Vermögenssteuer als nicht gesund zu bezeichnen sei, ließe sich gegen die Versteuerung der großen Erbschaften nichts einwenden. Besonders thue auch eine staffelmäßige Betriebs- und Umsatzsteuer der großen Betriebe Noth und vor Allem sei die Börsensteuer zu erhöhen, sowie eine solche auf ausländische Anleihen einzuführen. Die Börse müsse strenger beaufsichtigt werden, dem Handwerke sei fester Halt durch Innungen zu gewähren. Man kaufe aber auch beim Handwerker und verschmähe die Ramsch- waaren, belastet mit dem Fluche der Billigkeit! Hier auf stellte der Vortragende seinen dritten Satz fest „Die Grundlage unseres Wirtschaftsleben ist der Ackerbau!" Im Ackerbau sprudeln noch die Quellen unserer Volkskraft und Wehrkraft, die wir über kurz oder lang recht nothwendig brauchen werden. Die Landwirlhschast aber wird kräftig erhalten, wenn Körnerbau und Viehzucht wieder lohnend werden, durch die Mittel, wie sie genug schon angegeben worden sind, durch die Sperrung der Grenzen, um den Vieh stand vor Seuchen zu schützen, durch Schutzmaßregeln «egen die Surrogate (Margarine) u. s. w. Mit Be geisterung forderte Redner zum Schluß nochmals auf zum Kampfe für die nationale Wtrlhschastspolilik be sonder« bei den nächsten Wahlen. Es müsse gekämpft werden gegen die rothe und goldne Internationale. Hoffnungslosigkeit sei halbe Erfolglosigkeit. Mit Gott sür König und Vaterland! und Gott wirds auch zum Besten führen. — Wärmster Dank ward Herrn Oertel für diesen seinen Vortrag, der so wahr und so klar durch die formvollendete bilderreiche Ausführung der angegebenen Kernsätze ein Hochgenuß sür den Zu hörer war. Sein volles Einverständniß mit dem geschätzten Redner bewies man auch dadurch, daß Niemand das Wort zu einer Entgegnung verlangte, so daß Herr vr. Oertel durch ein Hoch auf den alten, den ersten und einzigen Reichskanzler, den Gesinnungs genoffen, dem Allen im Sachsenwalds die weihevolle Versammlung zum schönsten Abschluß brachte. — Die Feuerwehrkonzerte bewahren ihre alte Zugkraft, denn auch zu dem am Sonntage abgehaltenen strömten an die 500 Personen dem Schützenhause zu. Da das Arrangement wieder in den bewährten Händen der Herren E. Heinrich und Mende lag,so war auch schon von vornherein Erfolg und Gelingen deS Ganzen gewähr leistet. Das wacker eingespielte Signalistenchor zu nächst eröffnete den Abend mit einem exakten Marsche, dem das humoristische Gesammtspiel „Unsere Vater- landsvertheidiger von dunnemals" solgte, worin ein jeder der fünf Bürgergardisten seine Rolle so drastisch als möglich durchzuführen suchte. Herr Uhlig ersreule mit einem Baritonsolo, dem er ein zweites Lied als Zugabe folgen lassen mußte. Die drei lebenden Bilder führten in den Ernst des Feuerwehrberuss ein und wurden gut und eindrucksvoll gestellt. Reichen Beifall ernteten die Vortragenden des Violinduetts „Traum einer Sennerin", ein reizendes Tongsmälde, dem ebenfalls eine Einlage folgen mußte. Ihr an erkanntes Talent in Komik und Mienenspiel brachten die Herren Gebrüder H. im Duett „Im Frack und Vbaxoau clo olagno" aufs Wirksamste wieder zur Geltung, sowie auch die Poffe „Bomben und Granaten"; flott gespielt, herzlichen Lacherfolg erzielte. — Zu besetzen: Die Stelle des Kirchschullehrers in Nassau. Kollator: Das Königliche Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts. Einkommen außer den gesetzlichen Alterszulagen 1060 Mk. vom Schuldienste, 715 Mk. 67 Pfg. vom Kirchendienste, 36 Mk. für Fortbildungsunterricht, sowie freie Wohnung mit Gartengenuß. Auch würde der Frau des Lehrers voraussichtlich der Unterricht in weiblichen Handarbeiten übertragen werden. Bewerber mit guter Musikzcnsur wollen ihre Gesuche nebst allen erforder lichen Beilagen bis zum 15. März bei dem Königlichen Bezirksschulinspeklor vr. Lange in Dippoldiswalde einzureichen. Kreischa. In dem zum hiesigen Rittergut ge hörigen Schilsteiche wurde von dem Holzbildhauer Böhrisch und dem Handelsmann Wiesner aus Kautzsch ein aus Gröbel bei Bunzlau in Schlesien gebürtiger und zur Kur im hiesigen Bade weilender Gutsbesitzer — verheirathet und Vater von 10 Kindern — ertränkt aufgesunden. Ohne Zweifel hat derselbe in einem An falle von Schwermuth den Tod gesucht. Lauenstein. Wir haben mitgetheilt, daß die aus Anlaß eines erforderlichen Amtsgerichtsneubaues in Lauenstein von seilen Glashüttes gewünschte Ver legung des Amtsgerichts von hier nach Glas hütte in unserem Orte sehr unangenehm empfunden worden ist. Am 24. Januar und am 8. Februar hat die Stadtgemeinde Glashütte Gesuche an die Re gierung bez. Ständeversammlung erlassen, welche die erwähnte Verlegung des köntgl. Amtsgerichts bezwecken. Jetzt hat die Sladtgemeinde Lauenstein an die Stände versammlung (l. und 2. Kammer) eine Entgegnung gesandt, in der der Beweis geführt ist, daß Lauenstein mit den dazu gehörigen Ortschaften (5531 Seelen gegen 2353 in Glashütte und zugehörigen Ortschaften) bei weitem berufener ist, Amtsgerichtssitz zu sein. Die Petition, der sich 15 Orte angeschloffen haben, erbittet: „die von Glashütte ausgegangenen Petitionen auf sich beruhen zu lassen und die Mittel sür den Neubau des Amtsgerichts in Lauenstein zu bewilligen." Dresden. In der Sitzung der Ersten Kamme am 26. Februar berichtete Hr. Kammerherr Frecher v. Finck für dis zweite Deputation über Ti'.el 25, 34 46, 39, 47, 64, 83, 78 und 68 des außerordentlichen Staatshaushaltselats für 1898/99, Vermehrung von Reparaturständen, Umbau und Erweiterung der Bahn höfe Mittweida, Bautzen, Gaschwitz, Zeitz, sowie des Dresdner und des Bayerischen Bahnhofes in Leipzig, Arealerwerb für ein drittes und viertes Gleis zwischen Strehlen und Niedersedlitz und Herstellung des zweiten Gleises der Strecke Noflen-Triebischthal betreffend. Nachdem zu Titel 46 Hr. Bürgermeister vr. Käubler, zu Titel 64 Hr. geh. Kommerzienrath Gruner und zu Titel 68 Hr. Sekretär Bürgermeister Thiele ge sprochen hatten, denen der Hr. Staatsminister er widerte, bewilligte die Kammer einstimmig die zur Berathung stehenden Titel und beschloß zugleich, die Petition des Gewerbevereins zu Bautzen, welche die Errichtung eines besseren Zugangs vom Stations gebäude daselbst nach der Güterexpedition betrifft, der Negierung zur Kenntnißnahme zu überweisen. Die Zweite Kammer bewilligte nach der Vor lage die Titel 73 und 76 des außerordentlichen Staats haushaltsetats sür 1898/99, Erweiterung des Halte punktes Weißig zu einer Güterhaltestelle, sowie Areal erwerb sür den viergletsigen Ausbau der Strecke Niedersedlitz-Pirna, sür die Anlage einer Güterverkehrs stelle in Reick und sür die Verlegung der Güter verkehrsanlagen in Niedersedlitz betreffend. Die Be richte erstattete Hr. Abg. Behrens. Auf Antrag der Beschwerde- und Petitionsdeputation (Berichterstatter Hr. Abq. Bachmann) ließ die Kammer die Petition des Eisenbahninvaliden Friedrich Hermann Sändig in Chemnitz wegen Entschädigung rc. auf sich beruhen. — Die konservative Fraktion der Zweiten Kammer hat die Steuervorlagen berathen. Dabei ist man dazu gelangt, zunächst anzuerkennen, daß die Erhöhung bez. Vermehrung der direkten Staatssteuern unbedingt erforderlich sei, um das gegenwärtig gestörte Gleich gewicht im Staatshaushalt wieder herzustellen und um die Alterszulagen für die Volksschullehrer auf die Staatskaffe übernehmen zu können. Bezüglich der Erbschaftssteuer lehnt die Fraktion die Erhebung einer Steuer bei Erbanfällen an Eltern und Abkömmlinge wie Ehegatten ab, wird aber im übrigen die Re gierungsvorlage in ihren wesentlichen Theilen an nehmen. Den von der Regierung vorgelegten Ent wurf über Besteuerung des Vermögens wird die Fraktion ablehnen. Man wies dabei darauf hin, daß die Fraktion als solche sich durch die Darlegungen bei früheren Landtagen sür eine Vermögensbesteuerung, wie sie die Regierungsvorlage in Vorschlag bringe, durchaus nicht festgelegt habe, daß man im Gegentheil immer prinzipiell zunäü st für eins gerechtere Ver anlagung der Steuer und ein Auflegen derselben auf die ttagfähigeren Schultern zur Entlastung unserer schwächeren Mitbürger sich ausgesprochen habe. Dabei habe man auch darauf hingewiesen, daß das fundirte Einkommen in der Hauptsache zu Steuerzweäen mehr herangezogen werden müsse als das nichtfundirte. Gegen eine Vermögenssteuer hätten sich namentlich bereits früher die Abgg. v. Oehlschlägel und Opitz ausgesprochen. Das fundirte Einkommen könne man auch auf anderem Wege zu Steuerzwecken heranziehen und werde der Referent für die Steuervorlagen, Abg. vr. Mehnert, hierfür der Deputation besondere, ein. gehend ausgearbeitete Vorschläge unterbreiten, die insbesondere auf eine Steigerung der Progression bei der Einkommensteuer hinauSlausen. Gegen die Ver mögenssteuer sei insbesondere geltend zu machen, daß sie den kleinen Rentner, der bei der allgemeinen Rückwärtsbewegung des Zinsfußes, bei den vielfach stattgehabten Konversionen seine Existenz mit den ge« ringen Mitteln seiner Erträgnisse kaum führen könne, noch weiter bedrängen müsse, daß man außerdem z« einer gerechten Einschätzung des in der Landwirlhschast