Volltext Seite (XML)
WWMMM NM Erscheint jeden Wochentag nachnuttags. — Fernspr. Nr. 11. Postscheckkonto Leipzig 23484. — Gemetndegirokont» 14. — Bankkonten: Commerz- nnd Privat-Bank Zweigstelle Hohen stein-Ernstthal — Darmstädter und Nationalbank Zweig niederlassung Hohenstein-Ernstthal. — Unverlangt «tngejandte Manuskript« werden nicht zurückgeschickt. — Einsendungen ohne Namensnennung finden keine Ausnahme. UNÜHlWM Bei Klagen, Konkursen, Vergleichen usw. wird der Brutto- betrag in Rechnung gestellt Im Falle höherer Gewalt — Krieg oder sonstiger irgend welcher Siörung deS Betriebes der Zeitung, der Lieseranlen oder der Besördernngsetnrich- tungen — hat der Bezieher keinen Anspruch aus Lieferung »der Nachlieserung der Zeitung oder aus Rückzahlung d«S Bezugspreises. Hohenstein-Ernstthaler Zeitung, Nachrichten und Neueste Nachrichten Generalanzeiger für Hohenstein-Ernstthal mit Hüttengrund, Oberlungwitz, Gersdorf, Herinsdorf, Bernsdorf, Rüsdorf, Langenberg, Meinsdorf, Fallen, Langenchursdorf, Reichen- bach, Callenberg, Grumbach, Tirschheim, Kuhschnappel, St. Egidien, Wüstenbrand, Trüna, Mittelbach, Ursprung, Kirchberg, Erlbach, Pleißa und Rußdorf. Dieses Blatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen des Amtsgerichts, des Finanzamts und des Stadtrats zu Hohenstein-Ernstthal, sowie der Behörden der umliegenden Ortschaften behördlicherseits bestimmte Blatt. Druck und Verlag von Dr. Alban Frisch. Nr. 159 ^«^»«^«^ Montag, den 11. Juli 1927 I 77. gahrg.^ Ak MAMS AMMOMk seit MWOM * Wir haben schon am Sonnabend durch Rundfunk, soweit es bis zum Schluß der Redak tion kurz nach Mittag möglich war, unseren Lesern Kenntnis von dem fürchterlichen Unheil gegeben, das in der Nacht vom Frei tag zum Sonnabend über das östlicheErzge- birge hereingebrochen ist. Wolkenbrüche, die auf dem böhmischen Kamm des Erzgebirges nie dergegangen sind, haben sowohl auf sächsischem wie auf böhmischen Gebiete Verwüstungen angerichtet und Todesopfer gefordert, die alles hinter sich lassen, was jemals sich bei einer ähnlichen Katastrophe in Mitteldeutschland er eignet hat. Die Zahl der Opfer, die das Unwet ter forderte, läßt sich noch nicht feststellcn, da immer noch unter den Trümmern der Häuser Tote vermutet werden, man befürchtet aber, daß LOS Todesopfer zu beklagen sein dürften. Statt allein lassen wir jetzt die Berichte sprechen, die uns von unseren Korrespondenten über den Umfang des Unwet ters zugegangen sind. gm Gebiet des Unheils Dresden, 10. Juli Allmählig läßt sich der Um sang des namenlosen Unheils, das in der Sonn abendnacht über einige Flußtäler des Ostaus ganges des sächsischen Erzgebirges hereingebro chen ist, einigermaßen übersehen. Eine Fahrt in das Ausgangsgebiet und in die Randgebiete er forderte einen ganzen Tag, weil in jedem Falle 10 Kilometer weite Umwege gemacht werden mußten, um an die zahllosen Unglücksstütten her anzukommen. Dicht an der sächsisch-böhmischen Grenze, ganz oben im weitabliegenden Oelsen- grund, der nur unter besonders schwierigen Umständen zu erreichen war, liegen die ersten Trümmer statten. Alle Mühlen, die in diesem Tale lagen, die Faust-Mühle, die Köhler- Mühle, die Clemens-Mühle, die Meisel-Mühle, das Forsthaus Haselfeld sind wie vom Erd boden verschwunden. Wie groß die Zahl der Todesopfer hier ist, war auch jetzt noch nicht festzustellen, da dieses Talgebiet fast vollkommen verödet dalag. Bestimmt zu ermitteln war nur, daß in der Meisel-Mühle die Frau und das Kind des Besitzers mit dem zusammenbrechenden Wohnhause in den Fluten verschwanden, wäh rend der Besitzer sich auf einen Baum retten konnte. Die Trümmer der hier oben vernichte ten zahlreichen Häuser, Scheunen und Schuppen, unter die sich zahllose entwurzelte Bäume und Unmengen von Steingeröll mischten, kamen mit der ersten riesigen Flutwelle in Gottleuba an, wo ihrer unheimlichen Wucht in kürzester Zeit eine Anzahl massiver Gebäude und Schuppen zum Opfer fielen. Hier ging auch eine ziemlich umfangreiche Brauerei, in der die zahlreich aufgestapelten Sauerstofflaschen eine gewaltige Explosion auslösten, vollkommen in Trümmer. Alles, was hier noch von den Fluten zusammen getrieben wurde, ergoß sich nun mit gigantischer Wucht auf Berggießhübel, das, wie schon gemeldet, am furchtbarsten gelitten hat und des sen Stadtinneres einen einzigen grauen erregenden Trümmerhaufen bildet. Die flußabwärts gelegenen Ortschaften Zwie sel, Rottwerndorf rind Neundorf vor Pirna wurden dann kurz darauf in der gleichen Weise heimgesucht, bis sich die Fluten durch Pirna hindurch in die Elbe ergossen. Das östlich vom Eottleubatale etwa parallel verlausende jöah rat al hatte nur die Ausläufer des Un- I wetters zu ertragen, doch sind auch hier in den Orten Hellendorf und Markersbach schwere Schäden an Gebäuden, Straßen und Brücken entstanden. Nach Westen hin bildete das Müglitztal, das in 30 Kilometer Länge von Lauenstein über Glashütte, Schlott witz, Weesenstein, Dohna bis zur Ein mündung in die Elbe furchtbare Verwüstungen erfuhr, die Grenze. In der Mitte zwischen Eott- leubatal und Müglichtal bettet sich das Seide- witztal, das wesentlich weniger gelitten hat, weil die Seidewitz etwas tiefer entspringt als die Gottleuba und die Müglitz, in deren Quell gebiet das Unwetter niederging. Das kleine Städtchen Liebstadt, das am Oberlauf der Ceidewitz liegt, hat aber trotzdem auch schwer ge litten. Zwei Wohnhäuser sind teilweise wegge- risscn. Bei ihnen droht Einsturzgefahr. Men schenleben sind hier glücklicherweise nicht zu be klagen. Im Unterlaufe der Seidewitz sind zahl reiche Scheunen und Schuppen weggerissen wor den. Die beiden Eisenbahnlinien, die durch die Täler der Gottleuba und Müglitz führten, und die Staatsstraßen sind auf je 30 Kilometer Länge derartig zerstört, daß di« Straßen wohl erst nach vielen Monaten wieder voll ständig hergestellt werden können. DieBahn- linien müssen vollkommen neu an gelegt werden, so daß hier bis zur Wieder herstellung wohl Jahr und Tag vergehen wird. Die dritte zerstörte Bahnlinie Pirn a—G roß- cotta dürfte in kürzerer Zeit wieder herzustel len sein. Die Städte Gottleuba und Berggieß hübel müssen für den Wiederaufbau vollkommen neu projektiert werden, ebenso auch die ganzen Bahnanlagen auf den Linien Pirna—Lauenstein und Pirna—Gottleuba. Der Umfang der KMftwphe Pirna, 10. Juli Auf dem östlichen Ausgange des sächsischen Erzgebirges liegen die Quellgebiete der Gott leuba und der Miigli tz. In diesem Gebiete ging am Freitagabend ein Unwetter von noch nie beobachtendem Ausmaße nieder, das so unge heuere Wassermassen entlud, daß über die Täler das furchtbarste Unglück hereinbrach, dessen man sich näher erinnern kann. Am entsetzlichsten hat das Unwetter in dem Eottleubatale gehaust. Das 1300 Einwohner zählende Badestädtchen Berggießhübel bietet den Anblick furchtbarsten Grauens. Die Zugangsstraße ist mit meterhohen Barrikaden verstaut, die aus den angeschwemmten Häuser- gebülk, Möbelresten und aus den Leichensteinen vom Friedhof zusammengeschwemmt sind. Durch die Hauptstraße, auf der sich die Gottleuba ein neues Bett gewühlt hat, stürzen trübe Wasser fluten in wilden Kaskaden über die Reste der zerstörten Häuser. Etwa 20 Wohngebäude sind, vollständig weggeschwemmt. Mit ihnen stürzten die Bewohner, die sich bis auf die Dächer flüchten mußten, in die reißenden Fluten. Bis Sonn abendmittag wurden im Stadtgemeindeamt zu Berggießhübel die Zahl der Toten allein aus diesem Ort auf etwa 80 angegeben. Entsetzlich ist die Schilderung der Szenen, die uns hier gegeben wurden. Ganze Familien, deren Mitglieder hilfcrufend auf den Dächern sich zusammenklammerten, haben gemeinsam den Tod gefunden.' Unter den Todesopfern befin den sich auch eine bis jetzt noch nicht sestgestellte Zahl von Kurgästen. Die Katastrophe entwickelte sich mit unheim ¬ licher Schnelligkeit. Kurz nach 9 Uhr ging der erste Regen nieder. Eine Stunde später setzte schon Hochwasser ein, das Gebälk und Tierleichen mit sich führte. V-12 Uhr brauste die erste furcht bare Flutwelle heran, die innerhalb zweier Minuten bis auf 4 Meter hoch anwuchs. „Und dann verschwand Haus um Haus mit den vielen auf die Dächer geflüchteten Menschen", so berichtete uns ein Magistratsbeamter von Berggießhübel, der sich aus das Dach des Gast hofes „Zum Sächsischen Haus" geflüchtet hatte, das auch zur Hälfte von den Fluten weggespült wurde. Die Toten von Berggießhübel konnten bisher nur zum Teil geborgen werden. Sie sind mit den Balken, an die sie sich geklammert hatten, weit ins Tal hinabgetrieben worden, wo sich an allen Flußbiegungen hohe Dämme aus Geröll und Gebälk gebildet haben. Berggießhübel, das in diesem Jahre schon zwei Hochwasser über sich ergehen lassen mußte, ist auch wirtschaftlich zugrunde gerichtet. Die obdachlos gewordenen Einwohner kampieren teilweise im Freien und auf den höher gelegenen Ortsteilen, soweit sie nicht in den Trümmern mit Hilfe von Soldaten, Polizeibeamten, Feuerwehr- und Note Kreuz-Leuten, die aus Dresden in starken Kom mandos herbeigezogen wurden, nach ihren ver schwundenen Angehörigen suchen. Es herrscht ein Elend unter den Leuten, das einen ans Herz greift. In Gottleuba, das talaufvärts über Berggießhübel liegt, hat das Unwetter auch furchtbar gewütet. Von dort werden 10 Todes opfer gemeldet Aus dem Müglitztale liegen gleiche Schreckensmeldungen vor. In der Nähe der H a r t m a n n s m ü h l e bei Lauenstein ging ein Wolkenbruch nieder, dem auch 12 Personen zum Opfer gefallen sein sollen. In Glashütte kamen nach 11 Uhr so ungeheure Wassermengen an, daß der Ortsteil am Bahnhof in kurzer Zeit bis drei Meter hoch unter Wasser stand. Die Passagiere eines auf dem Bahnhof angehaltenen talwärts fahrenden Personenzuges befanden sich sämtlich stundenlang in höchster Lebensgefahr, so weit sie sich nicht noch in höher gelegene Grund stücke flüchten konnten. Die meisten Eisenbahn wagen liegen umgestürzt. Güterwagen sind vom Bahnhofsgelände bis zu 300 Meter weggespült worden. Vis Mittag waren in Glashütte 10 Tote geborgen worden. Man nimmt jedoch an, daß auch hier die Zahl Ler Todesopfer noch erheblich größer ist, da eine ganze Anzahl von Personen noch vermißt werden. Bis Sonntagnachmittag hatten sich zwar die Wassermassen noch nicht ganz verlaufen. Trotzdem aber waren Aufräumungsarbeiten in überraschend großem Maße schon geleistet wor den. Militär- und L a n d e s po l i z e i, die Feuerwehren und Sanität skolon- nen aus weitem Umkreise, Stahlhelm, Jungdo und Rote Frontkämpfer in treuer Kameradschaft haben unter Einsatz ihres Besten von Sonnabendnachmittag an in heroi scher Aufopferung Wunderbares geleistet. Ihre Arbeit war ebenso gefahrdrohend wie entsetzlich. Sie bargen einen verstümmelten Toten um den anderen, sie halfen den trostlosen Kalimitosen bedenkenlos bei der Bergung der letzten Reste ihrer dürftigen Habe aus den Häuserresten; die joden Augenblick nachzustürzen drohten, sie bauten Notbrücken über die reißenden Fluten und Zu gänge zu den abgeschnittencn Häusern und sie schleppten Lie furchtbar aufgedunsenen zahllosen Tierleichcn ans Land, die schon einen entsetzlichen Verwesungsgestank verbreiteten, so daß sie so fort mit Chlor überschüttet werden mußten. In Gottleuba ist nunmehr die Zahl der Toten auf neun festgestellt, in Berg- gießhiebel waren bis Sonntagnachmittag 82 Ortseinwohner als ertrunken oder von den Trümmern erschlagen ermittelt. Drei Kurgäste werden noch vermißt, ebenso acht fremde Arbeiter, Lie an dem Legen des Kabels Berlin Wien beschäftigt waren und in Berggieß hübel wohnten. Sieben oder acht in Berggieß hübel ansässige Familien sind vollständig aus gerottet. Unter Len hier Ertrunkenen befindet sich ein üOjähriger Mann, der sechs Frauen aus zusammenstürzcnLen Häusern rettete, bis er sel ber seinen Opfermut mit dem Tode bezahlen mußte. Die Amtshauptmannschaft Pirna hat bis Sonntag Abend aus den Ortschaften ihres Be zirkes — in der Hauptsache die Ortschaften des Gottleuba- und Seidewitztales — 113 Tote festgestellt. Darunter befinden sich auch etwa 10 Tote aus Ortschaften des Müglitztales. In Glashütte sind bis Sonntag abend 18 Tote festgestellt worden, die zu der Pirnaer Zahl noch hinzugerechnet werden müssen. Die sächlisch« Regierung wird am Montag zu einer Kabinettsitzung zusam mentreten, um die erforderlichen Notmaßnahmen zu treffen. Voraussichtlich wird auch der Fe rienausschuß des Landtages zusammentreten. Der Wehrkreiskommandeur General Wöll warth hat zugesagt, die Magdeburger Pioniere unverzüglich in das Unglücksgebiet abzukommandieren. Berggießhübel, die zerstörte Ltudt Lachender Sonnenschein lag über den noch stillen Straßen, als wir in Len frühen Morgen stunden des Sonntags die Fahrt in das Unwet tergebiet antraten. Rasch waren wir außerhalb der Stadt. Die Natur prangte in ihrem som merlichen Festkleid, und weit und froh hätte Herz und Blick darob werden müssen. Llber unser Weg ließ nichts von alledem aufkommen. Er wies schon alle Anzeichen einer Heerstraße des Unglücks. Nadfahrerkolonnen, Motor räder und sonstige Gefährte säumten in unauf hörlichem Zuge die Pirnaische Landstraße. In Niedersedlitz überholten wir einen Reichswehr transport. Breit wälzten sich die schmutziggelben Fluten der Müglitz der Elbe zu. An der ge- sperrten Müglitztalstraße staute sich die Men schenmenge. In Pirna trafen wir auf die ersten ernsten Spuren der Verwüstung. Kirche und Amtshauptmannschast hatten halbmast ge flaggt. Trauer überall. Die Straße nach Rott werndorf im Eottleubatal aufwärts war gleichfalls gesperrt, so daß sich der ganze Zug der Schaulustigen auf der Straße nach Zehista ins Gebirge aufwärts wälzte. Sonnenumflutet grüßte hier der Vergkranz der Schweiz. Aberdis rauhe Wirklichkeit hatte uns sofort wieder, als wir Feldküchen der Reichswehr über holten. So näherten wir uns dem wohl am chiversten betroffenen freundlichen Städtchen Berggießhübel Groß war hier die Zahl der sich hier an der strena und gut durchgeführten Absperrung stauendek Menschenmenge, Lie namentlich auch durch di« verkehrenden Autoomnibusse starken Zuwachs er- -,ielt. , Wir passierte» die Absperrung, und bei den«/