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M 70. WUMM - .>» iMlDM- ü^Uvj^L Welßcr,1;-Zc,tnng. -E 3. Septbr. 1852. ,^.'>^ Inserat« werden mit 8 Pf. für die Zeil« berechnet 1 und in allen xs'- iHpedittonen — - ' angenommen. Freitag. Erscheint ^r Dienstags und Freitag«. Zu ' beziehe« durch allePostanstal- ten. Preis pro Quart.lMgr. - . Ein unterhaltendes Wochenblatt für den Bürger und Landmann. Redaction, Druck und Verlag von Carl Jehne in Dippoldiswalde. I, Ueber die Erziehung der Jugend. Die vor Kurzem geschlossene, allgemeine deutsche Lehrerversammlung zu Gotha lenkte den Blick aus eine der brennendsten Fragen der Gegenwart, auf die Erziehung der Heranwachsenden Ju- gend zu tüchtigen Menschen und Bürgern; sie ver dient die eifrigste Beachtung aller Derer, welche es mit ihrem Vaterlande wohl meinen, und die über den engen Horizont des einen Tages hinausschauen. Daö Wort Napoleons gilt noch immer: „Gebt mir ein dummes Thier, ich mache ein reißendes daraus"; und nur durch eine tüchtige Volkscrziehung läßt sich die Prophezeiung des auf Helena verstorbenen Casars zu schänden machen: „in fünfzig Jahren werde Europa entweder republikanisch oder kosakisch sein". Zwischen dieser schrecklichen Alternative: „Kosakisches oder socialistisches Barbarenthum" führt der Weg der gesunden Bildung des Verstandes und Herzens sicher mitten hindurch. Deshalb haben die Vorkämpfer der Barbarei von jeher mit richtigem Takte sich der Er ziehung der Jugend zu bemächtigen gesucht. Bekannt ist, welche großen, wenn auch für den Menschenfreund betrübenden Erfolge in dieser Hinsicht die Jesuiten erzielten. Der Militärdespotismus der ältern wie der neuern Zeit ließ es seine erste Sorge sein, das Nnterrichtswesen in die Zwangsjacke seines streng soldatischen Regiments zu spannen. Die Regierungen diesseits des Rheins begnügten sich mit strengen Schulgesetzen, um die ohnehin hartgepsrüften Schul lehrer nach Belieben lenken zu können; die extremste Reactionspartei ließ in jüngrerZeit gar häufig fromme Wünsche hören nach Wiederkehr jener überaus glück lichen Zeit, wo man in den Schulen nichts that, als den Katechismus auswendig lernen, schreiben und mechanisch rechnen und wo noch ausgediente Unter, offiziere die Stelle der Jugenderzieher vertraten. Die demokratische Partei suchte ebenfalls Einfluß auf das Schulwesen zu gewinnen. DaS, was man aber bezweckte und ost auch er reichte, war nicht eigentliche Erziehung, sondern bloße Dressur. Das heilige Werk der Jugend erziehung sollte in den speciellen Dienst einer poli tischen Partei treten, und die Jugendbildung wurde zum Mittel für herrschsüchtige Zwecke herabgewür digt. Wahre Erziehung kann weder zum Glauben an die allein selig machende Kraft der Reaction noch der Freiheit, weder zur Servilität nach oben, noch zur Servilität nach unten anleiten wollen: ihr Ziel ist die Entwickelung der Persönlichkeit des Menschen, der Selbstständigkeit deS Denkens und der Selbst beherrschung, die Bildung zu wahrer Religiosität, Eine Bildung des nachwachsenden Geschlechts, welche dieses zur Selbstständigkeit des Denkens und Nrthei- lens und zu jener Sittlichkeit führt, die die Beweg gründe des Thuns aus echter Gottesfurcht hernintmt, müßte für die kommende Zeit sich als höchst segens reich erweisen. Ist unsre bisherige Schulbildung seither eine solche gewesen? Von gewissen Seiten wird hier ein entschiedenes Nein eingehalten werden. Man ist dort nur zu geneigt, alle traurigen Erfahrungen det letzten Jahre der Schule zur Last zu legen. Darin liegt aber eine sehr unbedachte Ungerechtigkeit. Mit dem selben Rechte könnte man die Schuld auf die Kirche und auf die Regierungen schieben, die unbestritten einen viel größer» Einfluß auf die Erwachsenen äu ßern konnten, als die Schule, deren Aufgabe mit dem 14. Jahre ihres Zöglings geschlossen ist. Die Schule ist seither mehr Unterrichts- als Erziehungsanstalt gewesen, und die Lehrer haben allen Hände voll zu thun gehabt, um das Unterrichtsziel, welches in neurer Zeit eben so erweitert als hinauSgerückt worden ist, auch bei der großen Menge mittelmäßiger und schwa cher Köpfe zu erstreben und zu erreichen, um bei den gesteigerten Revisionen zu bestehen. Gelernt hat die jetzt lebende Generation un- serS Volks unstreitig mehr, als irgend eine frühere; aber daß sie wirklich gebildeter dadurch geworden sei an Geist und Herz, befähigter zur Erfüllung menschlicher und bürgerlicher Pflichten, gekräftigter in der Achtung vor Gesetz und Recht, bas möchten wir nicht durchgehends behaupten. Selbst anerkannte Schulmänner, wie Curtmann, haben auf eine „Reform der Volksschule" gedrungen, damit letztere mehr äls bislang eine Vorbereitung für's Leben, eine wirk liche BildungS- nicht bloße Lehranstalt für das nachwachsende Geschlecht werde. ES wäre wohl an der Zeit, daß auch außerhalb der Kreise der eigent lichen Fachmänner, daß namentlich von den Männern des öffentlichen Lebens, dm Politikern, dieser wich tigen Frage eine tiefer eingehende Aufmerksamkeit ge widmet würde, der Frage nämlich: wie kann durch die Schule wahre Menschen- und Bürgerbildung, insbesondere jene Selbstständigkeit und Tüchtigkeit des Charakters erzeugt werden, deren wir zum segcnS- vollen Gedeihen unserö Volks- und Nationallebens so dringend bedürfen. Auch die politische Presse darf sich dieser Pflicht nicht entzieken, und so sei eö uns vergönnt, hier auf ein so eben erschienenes Schriftchen aufmerksam zu machen, welches eine Lösung der gestellten Aufgabe jn dem angedeuteten Sinne versucht hat. Das Schrift chen heißt: ^,Dne Erziehung zur Arbeit; eine