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Nr. 237 - Montag, äen 10. Oktober 1S21 1ö. Jahrgang /luer Tageblatt VMZ Mzeiger für das Erzgebirge I«rnfpr,ch. finschlusf Nr. SZ. Nnl>'i,ena»nnhw« l,«est«» L°legr°mm«> «ag.blatt Nue.rzg.dirg». Dieses Statt enthält -le amtlichen Sekanntmachungen -es Nates -er Sta-t /tue. postscheck.x»ntorFmtL«»p,'gNk.lees. Das Wichtigste vom Tage. " RetchÄVan^ler Dr. Wirth hat seinen Urlaub abgebrochen und fuhr Sonnhag abend nach Ber- Nn zurück. ' ' Ter Arzt und Voltswirt G. G. Schiele aus Naum burg a- S., einer der acht Kapppulichkührer, gegen die vom RetchSanwakt wiegen Hochverrates erneut Haftbefehl erlassen worden ist, wurde ge stern nachmittag in MÄst^h en «festge no mm en. Nach Untersuchung der verschiedenen Möglichkeiten, eine Regierung auf parlamentarischer Grundlage zustande zu bringen, hat der König von Schweden Bra n^ting .er such t, das Kabinett zu bilden. Branting hat den Auftrag angenom m e n. Amtliche türkische Kreise bestätiaen daß von Friedens unter Handlungen nicht die Rede sein könne, bevor die vo llst ä n d i a.e Räu mung Kleinasiens und Thraziens durch die Griechen erfolgt sei. Der gegenseitige Ruin. (Bon unserem Berliner Mitarbeiter s GS ist tröstlich, zu beobachten, das; der zwangsläu fige Gang der Realitäten ein sicherer und zuverlässigerer Faktor in der Entwicklung der Tinge ist, als die Un vernunft der Menschen. Jahrelang galt rS in England vor dem Kriege geradezu als ein Evangelium, daß. je der Engländer durch Deutschlands Niedergang um so reicher werden würde, und bei der Begründung der englischen Kriegserklärung sprach Sir Gr eh das Wort, daß England, wenn es neutral bleibe, nicht weniger zu leiden 'haben werde, als wenn es am Krieg teilnehme. Seitdem sind vier Iahte des fürchterlichsten Kriegs und drei Jahre-eines kaum weniger fürchterlichen Friedens dachingegangen. Tie gesamte Welt aber steet heuie vor dem wirtschaftlichen Ruin, die Siegerstaaien nicht minder als die Besiegten. Niemals iU der Welt geschichte ist eine falschere Rechnung aufgemacht worden als jene englische, niemals hat sich deutlicher erwiesen, Wie oberflächlich und leichtfertig, ja man möchte fast sagen, wie ahnungslos die Zusammenhänge der ge samten Weltwirtschaft in die politische Rechnung einge stellt wurden. Mit Ausnahme von Frankreich», in dem sich aber auch schon langsam die Einsicht durchzu ringen beginnt, hat sich seitdem in der ganzen Welt die Erkenntnis durchgesetzt, daß nicht nur der Krieg ein unrentables Geschäft war, sondern daß auch der Frie de, wie er von den Machthabern festgesetzt ist. es nicht minder ist. Zumal in England ist diese Einsicht nach- grade Allgemeingut geworden: Jeder englische Mini ster bestätigt dies in einer neuen Rede, jede englische Zeitung kündigt es in ihren Leitartikeln. In Belgien und in den Vereinigten Staaten ist diese Wieder geburt dtzr Vernunft nicht minder zu beobachten. Und so ertönt von Tag Au Tag lauter aus allen Ländern der Welt der Ruf nach einer wirtschaftlichen Welt verständigung. i Wenn man nach den Gründen dieser endlich' erwach ten Erkenntnis sucht, so stößt man allenthalben auf das selbe Problem, nämlich aus das der Arbeitslosig keit. Tie Ursachen dafür sind überall dieselben: Deutschland, das bisher kaufkräftigste Land, ist durch den Friedensvertrag von Versailles zur Zählung einer unerschwinglichen Kriegsentschädigung verurteilt. Ta eS keinen Goldvorrat mehr besitzt, ist eS gezwungen, aus ländisch« Zahlungsmittel aufzukaufen, deren Kurs da durch nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage im mer höher getrieben wird, umgekehrt sinkt dementspre chend der deutsche Markkurs. Tie eine Folge davon ist, daß die valutaschwachen Länder nicht mehr in der Lage sind, von den valutastarkken zu kaufen. Dadurch entsteht ein« Verstopfung jener Märkte, die Ware bleibt liegen und es entstehen infolgedessen Produkttonshemmungen, die tn der Form von Arbeitslosigkeit in Erscheinung treten. Zu dieser Verstopfung, der Märkte durch eigene War« tritt nun noch eine Ueberschwemmung mit deutscher. Ta Deutschland zahlen must, aber kein Gold hät, so ist es zu einer gewaltigen Produkttonssteigerung geztmln- gen. Infolge der Entwertung der deutschen Mark pro duziert e» ober für den ausländtschen Käufer erheblich billiger, .und so ergießt sich geradezu eine Sintflut dem- scher War« über die Auslandsmärkte. Die Stegerstaa- ten, vornehmlich Amerika, gleichen so jenem König Mi das, der im Gold« fast erstickte und dabet verhungerte. E» liegt auf der Hand, daß infolge dieser Doppeler- scheinung di« Arbeitslosigkeit «inen immer gewaltiger« Umfang annimmt. Sie ist denn auch nachgerade zu «tnem Weli Problem -Morden, da» sich auch in den neu«tralen Ländern A seiner ganzen Härte äußert. In Schweden z. B. sind 28 Prozent aller Arbeiter arbeitslos, die Lebenshaltung ist selbst unter Umrechnung der Valuta drei- bis viermal so teuer wie tn Deutschland, die Zahl der Konkurse hat sich gegen 1919 fast verfünffacht, und wezin man nach ven Grün den fragt, so wird auch hier auf die deutsche Schleuder konkurrenz hingewtesen, die die eigene Produktion weit unterbietet. Es gehört zu den zwar logischen, aber volkswirtschaftlich hochinteressanten Erscheinunaxn. daß Produktionsrückgang und Arbeitslosigkeit in den valuta starken Ländern viel heftiger tn Erscheinung treten als tn den valutaschwachen. Ter Zwang zur Zahlung in ausländischer Währung hat die Zahlungsfähigkeit des Schuldners vermindert, aber seine industrielle Leistungs fähigkeit zum Schaden der Gläubigerstaaten erhöht. So ruiniert man stch gestensettig, seitdem man den Versuch .gemacht hat, Deutschland, diesen großen Teilhaber an der Weltwirtschaft, Zu erdrosseln. Tie Weltgefahr der Arbeitslosigkeit zwingt alle Ka binette. nach Abhilfe zu suchen und gegen sie und ihre Trabanten, Hunger, Bolschewismus. Staats bankerott, Schutzmaßregcln zu ergreifen. AuS dieser Besorgnis heraus berät in London Lloyd Gorg.e> in Washington Hard ing mit den Arbeiterführern. Wenn jetzt Amerika geneigt scheint, seinen Schuldnern, England und Frankreich, Zahlungserleichterungen zu ge währen. so ist auch das nur ein Ausfluß der allgemei nen Erkenntnis, daß es so nicht weitergehen kann, aber nur ein ungenügendes Ablftlfemittel solange die Be reitwilligkeit nicht soweit geht, die Schulden ganz zu streichen, um jene beiden Staaten dadurch instand zu setzen, auch von der deutschen Reparation erhebliche Ab striche zu machen. Eine wirklich« Besserung der Ver hältnisse ist aber nur durch internationale Neg'L- l u nst der V alut «frage möglich, wenn nicht das ganze deutsche Zahlungsshstem, und damit das Shstem überhaupt, zusammenbrechen soll. Und da der Kern punkt des PuvblcmS weniger in der Höhe der auslän dischen Valuta als tn dem Tiefstand der Valuta Mit teleuropas, insbesondere der deutschen Mark, .zu suchen ist, so wird der Hebel hier, nämlich in einer an deren Lösung der Krtegsentschädigungsfrage, anzusetzen sein, indem anstelle der jetzigen Raubpolitik der En tente eine Politik der vernünftigen, wirtschaftlichen Ge sichtspunkte tritt. Sonst gerät die Technik der kapitali stischen Wirtschaft völlig aus den Fugen. Ter gähnende Abgrund der Arbeitslosigkeit kann nur dann überbrückt die Anarchie auf dem internationalen Geldmarkt nur dann beseitigt, die drohende Verarmung der Welt nur dann verhindert werden, wenn die Ententestaaten end lich vor den wirtschaftlichen Tatsachen und Notwendig keit«» kapitulieren und mit tzl'lfe eines internationalen Ausgleichs, zus'örderst einer Stabilisierung der Valuta, die «wirtschaftliche Götterdämmerung aufhalten. Phantasien über Oberschlesien. NV. Die Gerüchtemacher in Genf sind weiterhin am Werks. AuS allen Plänen und Lösungsvorschlägen, die in Genf kolportiert werden, wird aber am nachdrücklich sten ein Vorschlag verfochten, der sich als refo r m ierte Sforza! inie bezeichnet und über den ein polnisches Blatt Mitteilungen macht, die aus polnischer Quelle stammen und so bestimmte Tetatlangaben enthalten, daß man sich einen Augenblick mit ihnen beschäftigen muß. Nach diesem Plan soll nicht nur Plcst und Rhbntk, son dern auch Kattowitz, Beutheu ^KönigÄKttc und Larno- witz ganz abgetreten werden, außerdem Lublinttz bis zur Hälfte und Teile von Hindenburg und Gletwitz. Inter essant aber sind die Bedingungen, unter denen diese Abtretung an Polen vor sich gehen soll. Diese Gebiete sollen nämlich mit dem Teschen-Bielttzer Gebiet zu einer Art wirtschaftlichem Freistaat znschn- mengekoppelt werden, der unter interalliierter Kontrolle stehen soll. Die deutschen Eisenbahnen sollen weiterhin verkehren, d. h. Deutschland soll Personal und Wagen stellen, auch soll die deutsche Währung in den abgetre tenen Gebieten erhalten bleiben. Tas wären, also Zu geständnisse, die Deutschland zu machen hätte, und diese Zugeständnisse sollen dadurch erlauft werden, daß die abgetretenen Oberschlesier von der polnischen Militär pflicht befreit bleiben, und daß das deutsche Eigentum in diesen Gebieten nicht liquidiert wird.- Dieser schlaue. Plan ist z u schlau, als daß er wahir sein könnte. ES würde ein staatsrechtliches Gebilde entstehen, da» Wir «tn zweite» Mal aus dieser Erde noch nicht erlebt ha- den: «in Freistaat, der kein Freistaat ist wolnischeS Land, da» kein polnisches Land ist, und ein Gebiet mit deutschen Souveränitätsrcchten, aber ein Gebiet tn dem die Deutschen nichts zu sagen haben. Derartige Kon struktionen mag man gefälligst auf dem Monde versu chen, aber man soll Oberschlesiest freundlichst damit ver schonen. Wenn der VölkerbundsSrat sich von der Un teilbarkeit Oberschlesiens überzeugt hat, und davon mutz er sich überzeugt haben, wenn er die Verhältnisse nur einigermaßen studiert hat, so muß er die Konsequenzen dieser Erkenntnis ziehen und Oberschlesien unge teilt lassen. Tas Gebiet teilen und wiederum Maß regeln Vorschlägen, die die dann eisttretende Katastrophe verhindern sollen, so etwas gibt es njchjt. Einstweilen wollen wir getrost auch dieses Gerücht, trotz der sehch bestimmt klingenden Angaben, zu den übrigen legen, denn es hieße den Völkerbundsrat und das Verantwor tungsgefühl seiner Mitglieder beleidigen, wenn man sich- noch länger mit diesem Plan ernsthaft beschäftigen wollte, O der schon aus dem Grunde völlig undiskutabel ist, weil?' er gegen die klaren Bestimmungen des FriedenSvertra-D ges verstößt und eine ausdrückliche Zustimmung der deut- ftft scheu Regierung, die niemals gegeben werden kann, ft notwendig macht. i ft:, Die Vechtsgefahr in Oesterreich. D Es scheint tatsächlich, als ob das unglückliche Oester--ft reich nun auch noch der Schauplatz eines RechtSput-iH scheS werden sollte. In Tirol hat sich eine Bewe-ftft gung gebildet, die unter dem'Schlagwort: Los vonft Wien! Selbständigkeitsbestrebungen verfolgt. Dieses gehen zum Teil in der Richtung auf einen jelbständig«n!f:, Anschluß an Deutschland oder Bayern. ES ist lelbstpevft stündlich, daß Deutschland sich nicht mit diesen Bestve-ft ft bungen irgendwie identifizieren darf, zumal sie tzumD guten Teil von kapptstischen Flüchtlingen, wie dem Ma-ftft jor Pabst, geleitet werden.. Die liefere, Schuld für di« ft ganze verzweifelte Stimmung, in der allein ja solcheftft Bestrebungen eine Gefahr werden, trägt die Entent».i-ft Sie hat das arme Oesterreich verstümmelt und das na türliche Vereinigungsbestreben mit Deutschland unters ein striktes Verbot gestellt. Weder die finanziell« noch' die Ernährungslage des Landes vermag die Entente zu ft: rühren. Daß in einer solchen Atmosphäre allerleiftft Abenteurer leichtes Spiel haben, ist nur allzu vsrständ- l> lich. Trotzdem leistet man der Tiroler Bevölkerung den'ft besten Tienst, wenn man sie ersucht, sich! von fälschens politischen Propheten sernzuhalten und bet Teutsch-ft Oesterreich zu bleiben. Ter Zeitpunkt, an dem das ganM'l Oesterreich zum deutschen Mutterland« stütz:, kann nicht ft mehr fern sein. Ter Ententewahüsinn geht überall lnpÄ sich selber zugrunde. M Die Burgenland'Konferenz. Oesterreich hat nunmehr dem Gedanken der von- der Bolschafierkonferenz vorgeschlagenen Burgenlands konf-erenz z u g e st l m m t und sich bereit erklär:, der Eiwftft lndung Folge zn leisten. Ter Bundeskanzler Schöpft ber wird persönlich sein Land vertreten, und nurn darfH nur von Herzen hoffen, daß in Venedig oder wo sonstft die Konferenz tagt, ein Einvernehmen erzielt wird, daSftft Oesterreichs gutes Recht wahrt. A, Nleiire-pslitif Mel-ttnseir. Neue Erpressungen an Stelle der Militär i> ft sch en Sanktionen. Der vom Inüanstgeamt nach Wt«»<ft bnden e!i>stnMe Sonderberichterstatter will missen, di» miltftft ti» rischen Sanktionen wurden tatsächlich aufgehobmft werden, sobald Deutschland die in der Note des General, Nolleft - gestellte» Forderungen erfüllt hat. Es sei wahrscheinlich, dM Frankreich in der nächsten Sitzung des Obersten Rate», der no<W im Oktober zusammeütreten werde, um die Entscheidung üdE Oberschlesien zu siilwn, gewisse Gegenforderung«» f»r>H mutieren und den Alliierten einen Vorschlag unterbreiten Berufung in den Reichoernährungorat. Der bekannte frü^ Here Alvorhiwte der NattonalversawmlMg Schneiders Sachsen ist tu oeuNeichswirtschaftsrat berufen worden. Dcft Schneider in der Nationalversammlung als Mitglied VM demokratischen Fraktion sich der Interessen der Angestellten step warm angenommen hat, werden diese tn ihm auch Im Reich», wirtschaftvrat eine erwünschte Stütze stndo». Die Geiieralversammiung ide» Bunde» deutscher Frauen vereine In Köln beschäftigte sich mit der Umgestaltung dos Fa miltenrechteo. Die von thr gefaßte Entschlkchw'« Uber dl elterliche Gewalt der Mutter Md die Verbesserung der Eh« Weihung bewegt sich auf praktisch möglichem Boden und dürst Widerspruch nicht findteir. . Austritt Italiens aus der Entente? Die dem früher« italienischen Außenminister Nittt nahestehenden Blätter verla: nen den Austritt Italiens aus der Entente. Die starke ant srnnzössch« Stlm m n n g Im Italien, die hier «rnent »ü Durchbruch kommt, ist darauf zurllckzusllhren, daß «»sich bet all' wichtigen Entscheidungen von, Frankreich tn dis Eck« gedüst Ernst« Lag« In der irisch«« Frage. Dis irländische Mos nung, die entgegen dem alten Brauch die Gastfreundschaft d« englischen Regierung für die Dauer ihre» Aufenthalt» in Lor don abchelehnt hat, will van ihren Forderungen nickt» avlassei Wie ernst die Lage ist, ergibt sich daraus, daß Lloyd « « arge die Nachricht verbreiten läßt, daß er wegen der irisch« Fra«« voraussichtlich der Washingtoner Konferen werd« fernblietben müssen. Wilson dringt nicht mehr durch. Wilson wnrd» »m w» terrrden in einer Versammlung verhindert, al» «r zum Poywi der deutschen Waren auffordert«. Wenngleich dieser Umschrom»