Volltext Seite (XML)
Me „Wclßerih-Zeitung" «scheint wöchentlich drei mal: DienStag. Donners tag und Sonnabend. — Preis Vierteljährlich I M. 26 Pfg-, zweimonatlich 84 Pfg., eininonatlich 42 Pfg. Einzelne 4!ummern 10 Pfg. — All- Postan- stalten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be stellungen an. Mchmtz-MiW. Amtsblatt Anserate, welche bet der bedeutenden Auslage deS Blattes eine sehr wirk same Verbreitung finden, werden mit 10 Pfg. die Spaltenzeile oder deren Räum berechnet. — Ta bellarische und complicirte Inserate mit entsprechen dem Aufschlag. — Einge sandt, im redaktionellen Theile, die Spaltenzeile 20 Pfg. für die Königliche Amtshauptmannschaft Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein Verantwortlicher Redacteur: Lari Ahne in Dippoldiswalde. Nr. 144. Sonnabend, den 5. Dezember 1885. 51. Jahrgang. Politische Wochenschau. Deutsches Reich. Seit dem Rededuell zwischen dem Fürsten Bismarck und dem Abgeordneten vr. Windthorst in der Sitzung des Reichstags vom vorigen Sonnabend ist die parlamentarische Atmosphäre offen bar ziemlich schwül geworden. Auch die Dienstags sitzung legte hiervon Zeugnis, ab. In derselben stand zunächst die vom Abg. Jazdzewski eingebrachte In terpellation wegen der Ausweisungen österreichischer und russischer Staatsangehöriger polnischer Nationalität aus dem östlichen Preußen auf der Tagesordnung. Schon die Einleitung der Sitzung erregte Spannung; der Reichskanzler verlas nämlich eine allerhöchste Bot schaft, in welcher die Interpellation als mit den Be stimmungen der Reichsverfaffung nicht im Einklang stehend bezeichnet und erklärt wird, daß die Reichs regierung daher ihre Mitwirkung hierbei versagen müsse. Persönlich fügte dann Fürst Bismarck hinzu, daß auch er in seiner Eigenschaft als Bevollmächtigter Preußens zum Bundesrathe darauf halten müsse, daß den Bestrebungen Preußens zur Verhütung der weiteren Ausbreitung der Polonisirung von Reichs wegen nicht entgegengetreten werde, es handle sich hier nur ein Hoheitsrecht des Königs von Preußen, daß ihm nicht von den auswärtigen Staaten, wohl aber von einigen Parteien des Reichstages — und zwar vom Centrum und der deutschfreisinnigen Partei — bestritten werde und er müsse daher die Besprechung der Interpellation im Namen der verbündeten Ne gierungen ablehnen. Es entspann sich hierauf eine kurze, aber lebendige Geschäftsordnungsdebatte, die mit der Annahme des Windthorst'schen Antrages, die Interpellation von der Tagesordnung abzusetzen, endete; während der Ausführungen vr. Windthorst's verließ Fürst Bismarck mit den Bundesrathsmitgliedern den Saal. Das Haus schritt nun zur Spezialberathung des Neichsbudgets, aber schon beim Etat des Reichs kanzlers kam Abg. Windthorst auf die Poleninter pellation und auf die Erklärungen des Fürsten Bis marck zurück, indem er zunächst eine kurze Bemerkung über die Hoheitsrechte der Bundesfürsten machte und dann bestritt, daß der Reichstag zu einer Anfrage über die Ausweisungen nicht kompetent sein sollte. Schließ lich behauptete der Redner, daß die ausgewiesenen Polen fast sämmtlich Katholiken seien. Fürst Bismarck, welcher inzwischen mit den Bundesrathsmitgliedern wieder im Saale erschienen war, nahm nun das Wort und führte aus, wie er wohl nicht erst zu versichern brauche, daß er bemüht sei, die Verfassung und die Rechte der Einzelstaaten zu schützen, die Neichsver- faffung würde dann wohl nicht so fest gewachsen sein. Er erklärte dann, daß er die Ausweisungsmaßregel im preußischen Landtage vertreten werde und wies, auf die Interpellation Jazdzewski speziell übergehend, darauf hin, wie diese von einer höchst eigenthümlichen nationalen Koalition — außer dem Centrum und den Polen aus einem Theile der freisinnigen Partei, El sässern, Welfen, Volksparteilern und Sozialdemokraten bestehend — unterzeichnet sei. Mit einer solchen nationalen Koaliton wolle sich vr. Windthorst den Stiftern des Reiches entgegenstellen, wenn es sich darum handele, die nationalen Elemente vor den Fort schritten der Polonisirung zu schützen! Als eine Ver leumdung bezeichnete es Fürst Bismarck, zu behaupten, die Neichsregierung weise die Polen aus, weil sie Katholiken seien, die polnische Propaganda sei die Ursache dieser Maßregel. Es handele sich hier ledig lich um Zurückweisung der polnischen Tendenzen; glücklicherweise sei jetzt die Polenschwärmerei früherer Jahre in Deutschland verschwunden. Zum Schluffe versicherte der Kanzler nochmals seine Bereitwilligkeit, im preußischen Landtage auf die vorliegende Frage näher einzugehen. Von freisinniger Seite versicherte hierauf Abg. Hänel, seine Fraktionsgenoffen hätten die Interpellation nur deshalb unterschrieben, weil es sich bei den polnischen Ausweisungen um Dinge handele, die zu diplomatischen Anfragen geführt hätten und auswärtigen Verwickelungen gegenüber sei es das Recht des Reichstages, sich an die Deutschland nach Außen vertretende Reichsregierung zu wenden. Schließ lich machte vr. Hänel dem Fürsten Bismarck den Vor wurf, daß gerade er den partikularistisch zerstörenden Geist in die Reichsverfaffung hineingetragen habe. Abg. vr. Windthorst nahm hierauf nochmals das Wort, um in der Hauptsache zu erklären, daß das Centrum gemeinsam mit den Polen ginge, da es mit ihnen gemeinsam im Kulturkampf stünde. Namens der Nationalliberalen erklärte Abg. Marquardsen, es sei durchaus richtig, daß die Ausweisungsangelegenheit im Reichstage zur Sprache gebracht worden sei, denn das Reich habe die Wicht, für die Beziehungen der Einzelstaaten zum Auslande aufzukommen. Namens der polniischen Partei wies Abg. von Koscielski den Vorwurf, die Polen seien reichsfeindlich, zurück und führte dann aus, daß die Ausweisungen der Humanität widersprächen. Endlich erklärte noch von den Sozial demokraten Abg. Bebel sich mit der Interpellation vollkommen einverstanden. Die Sitzung endete mit Bewilligung verschiedener Etatspositionen. Obwohl die Interpellation Jazdzewski am Dienstag nach allen Seiten hin erschöpfend behandelt worden ist, so erscheint eine nochmalige Besprechung derselben nicht unmöglich, zumal da am Mittwoch ein Antrag desselben polnischen Abgeordneten auf Gleichberechtigung der polnischen Sprache vor den Gerichten auf der Tagesordnung stand. — Während es scheint, daß Deutschland die von ihm besetzten Karolinen-Inseln doch nicht behalten, sondern dieselben gegen Zusicherung von Handels privilegien rc. an Spanien überlassen wird, hat Deutschland auf anderen Inselgruppen des Stillen Ozeans festen Fuß gefaßt, deren Besitz wir wohl als einen genügenden Ersatz für die Karolinen-Inseln be trachten können. Der Kreuzer „Nautilus" hat am 15. Oktober auf der zu den Marschalls-Inseln ge hörenden Insel Jaluit die deutsche Flagge gehißt. Mit allen bedeutenden Häuptlingen der genannten Inselgruppe wurden Verträge abgeschlossen und auf allen wichtigen Plätzen hißte der „Nautilus" die deutsche Flagge. Die Marschallinseln bilden zusammen mitdenGilbertinseln einender ausgedehntesten Archipele des Stillen Ozeans, der östlich von der Karolinen gruppe liegt und dessen nördlicher Tbeil eben die Marschallinseln umfaßt. Die hierzu gehörigen Inseln sind mit wenigen Ausnahmen ganz flach, zum Theil von üppiger Vegetation bedeckt und zerfallen in zwei parallele Hauptkelten, die Ratak- und die Ratlikinseln. Zusammen gehören zur Marschallsgruppe etwa 30 Inseln, deren Bewohnerzahl man auf etwa 10,000 schätzt. Auf den meisten dieser kleinen Eilande befinden sich deutsche Handelsstationen, die sich mit der Aus fuhr des Hauptproduktes der Marschall-Inseln, des Kokosöles, befassen. Balkanhalbinsel. Durch ein Machtwort Oester reichs ist zwischen Serbien nnd Bulgarien Waffenruhe eingetreten. Man wird wohl annehmen können, daß Oesterreich, als es den Grafen Khevenhueller, seinen Gesandten in Belgrad, in das bulgarische Haupt quartier nach Pirol gesandt, um den Fürsten Alexan der zur Annahme der Waffenruhe zu bestimmen, in Uebereinstimmung mit den übrigen Mächten, zum mindesten mit Deutschland und Rußland, handelte. Nur ist noch die Frage, ob sich die Bulgaren, ohne irgend eine Entschädigung zu erhalten, aus Serbien wieder nach Bulgarien zurückziehen sollen. In der Umgebung des Bulgarenfürsten scheint man hierzu nicht Willens zu sein, während man auf serbischer Seite, durch die moralische Unterstützung Oesterreichs wieder muthig gemacht, nach der Fortsetzung des Kampfes brennt. Die serbischen Rüstungen dauern fort, in allen Kreisstädten sind Werbebureaux einge richtet, in Belgrad traten an einem Tage 300 Frei willige ein, außerdem wird das erste Aufgebot der Ersatzreserve einberufen. Auch hat die serbische Armee in der Person des Generals Hvrvatovik, des serbischen Gesandten in Petersburg, einen neuen Oberbefehls haber erhalten. Da werden die Mächte nach beiden Seiten hin wahrscheinlich noch manches energische Wort sprechen müssen, ehe die wirklichen Friedensverhand- lnngen werden beginnen können. Zudem streiten sich die bulgarische und die serbische Regierung herum, «er schuld daran sei, daß sich am 28. November, nach dem die Waffenruhe schon verkündigt war, noch ein blutiger Kampf vor Widdin entspinnen konnte. Jedes schiebt natürlich die Schuld auf den andern und die gegenseitige Stimmung wird hierdurch gerade nicht eine versöhnlichere. — Ein Schreiben des serbischen Generalstabes zeigt dem bulgarischen Hauptquartier in Pirol an, daß König Milan als Bevollmächtigten für die Waffenstillstandsverhandlungen Milanowitzsch er nannt habe. Die erste der bulgarischen Bedingungen dürfte die Räumung des Bezirks von Widdin durch die Serben sein. Serbien soll indessen durch seinen Vertreter in London erklärt haben, daß es entschlossen sei, den Krieg wieder zu beginnen, falls Fürst Alexan der auf Geldentschädigung bestehe. Die Feststellung der Grenzlinie zwischen dem serbischen und dem bul garischen Heere ist am Montag beendigt worden. Aus Belgrad meldet man noch vom Dienstag Abend, daß auf der ganzen Linie Waffenruhe herrsche, daß aber fortgesetzt große Truppen- und Munirionstransporte nach dem Kriegsschauplätze abgingen. Spanien. Jenseits der Pyrenäen ist das neue liberale Kabinet Sagasta bemüht, sich möglichst fest in den Sattel zu setzen. Dasselbe hat seinen festen Ent schluß zu erkennen gegeben, energisch jede Ordnungs störung zu unterdrücken und nach außen gute Be ziehungen, namentlich zu Frankreich und zu Portugal, zu unterhalten. Letztere Erklärung wird selbstver ständlich in Paris mit großer Genugthuung ausge nommen werden und der französische Chauvinismus wird nicht verfehlen, sein altes Lieblingsprojekt von einem französisch-spanischen Bündnisse wieder hervor zukramen. Nun, man kann den Revanchepolitikern an der Seine dieses unschuldige Vergnügen ja gönnen! England. Die asiatische Ausbreitungspolitik Eng lands hat mit dem erfolgreichen und kurzen Feldzug gegen Birma einen nicht zu unterschätzenden Triumph gefeiert, der in erster Linie dem Kabinet Salisbury zu Gute kommen wird. Nachdem König Thibo seine Unterwerfung erklärt, sind die englischen Truppen ohne Kampf in die Hauptstadt Mandalaye eingerückt, wo sie die europäische Kolonie in Sicherheit fanden. Vielleicht wird die bedingungslose Unterwerfung des birmanischen Herrschers die englischen Sieger etwas gnädiger stimmen, aber selbst wenn sie ihm den Thron lassen, wird König Thibo nur eine Scheinexistenz auf demselben führen, nur eine Puppe in den Händen Englands sein. Der englische Kommissar in Ober- Birma ist vom Vizekönig von Indien beauftragt worden, das eroberte Land einstweilen im Namen der Königin zu verwalten. Rußland. In Rußland betrachtet man die bul garischen Siege kühnlich als russische Siege. Der Tages befehl des Czaren, in welchem derselbe den russischen Offizieren, die in der bulgarischen Armee gedient haben, seinen Dank ausspricht, ist hierfür ein hinlängliches Zeugniß. Charakteristisch ist, daß die „Neue Zeit" in diesem kaiserlichen Befehl eine Bestätigung der sitt lichen Bande zwischen Rußland und Bulgarien erblickt und diese Bande müßten die beiderseitigen Mißhellig keiten beseitigen. Lokales und Sächstfches Dippoldiswalde. Der hiesige landwirthschaft- liche Verein beging an vergangener Mittwoch sein diesjähriges Stiftungsfest und prämirte, wie alljährlich, treuverdiente Dienstboten. Herr Kreissekretär Münzner