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Kiedrich Heorg Wiecks ^ss. Deutsche Die Seide und der Seidenbau. (Fortsetzung.) völlig Nobert der Weise von Neapel und Sicilicn zögerte nicht, von seinen Siegen in Griechenland anck den Nutzen zu ziehen, daß er in der Seidenindnstric kundige Leute als Gefangene nach der Insel Sicilicn führte nnd mit ihrer Hilfe in Palermo und anderen Städten Seidenmanufacturen und Seidenzüchtcrcicn 'anlegte. Und während des vierzehnten Jahrhunderts kam auch Obcritalien in den Besitz der Kunst, rohe Seide zn erzeugen nnd dieselbe zu den mannig faltigsten Geweben zn verwenden. Es waren besonders die Städte Florenz, Modena, Bologna, Pisa, Genua und Venedig, welche sich auf diesem neuen Gebiete menschlicher Thätigkcit auszeichneten. Seit den 1850r Jahren wird die Scidenindnstrie in allen Küsten gegendcn Italiens betrieben, die größte Ausdehnung aber hat sic in der Lombardei nnd in Piemont genommen; die Production derselben gab allein eine Masse von 26,222,520 Kilogramm Eocons, eine Menge, die die aller übrigen Länder znsammcngcnommen übertrifft. Das frühere lombardisch -vcnctianiscbe Königreich lieferte mehr Cc- cons als Frankreich, die gesammtc Halbinsel mehr als das gcsammte übrige Europa. Die jährliche Erzeugung Italiens an Eocons ward auf 51,501,951 Kilogramm geschätzt. Die Spinnerei beschäftigt 259,712 Arbeiter. Nach einer officiellcn Uebcrficht produciren 51,999,051 Kilogr. Eocons 4,195,758 Kilogr. Grepeseidc (also etwa 8 Proc. ihres Gewichtes). In ganz Italien ist der Werth der gewonnenen Seide mehr denn zwei Millionen. Den Nettogewinn der Spinnerei schätzt man auf 10,759,457 Fr. Aus Norditalicn werden 585,000 Kilogr. Gre'geseide ansgeführt. In der Lombardei beträgt die ansgeführtc Gregeseide */, der ganzen Production. Im übrigen Italien, wo Wcbcfabriken selten sind, ist die Ausfuhrquote eine noch bedeutendere. In Frankreich geschahen die ersten Schritte zur Einführung des Seidenbaues und der Scidcnfabrikation von Ludwig XI.; er ließ im Jahre 1480 Arbeiter aus Venedig, Genua und Florenz nach Tonrü kommen. Bis zum Jahre 1645 aber blieben die Fortschritte ziemlich unerheblich. Erst da wandte Colbcrt, der Minister Lud wigs XIV., dem Gegenstände solche Begünstigungen und Vorthcile zu, daß sich die südlichen Provinzen des Landes gewissermaßen mit Maulbeerwäldern bedeckten. Auf diesen Grundlagen beruht die nn gemeine Entwickelung der Scidcncnltnr in Frankreich nnd der hohe Einfluß, den dieselbe auf den Nationalwohlstand ansübt. Schon in den fünfziger Jahren schätzte man das Erträgniß einer guten Ernte auf 27,000,000 Kilogr. Eocons und den Werth der in Frankreich gefertigten Seidenstoffe auf 126 Millionen Thlr. jährlich. Gegen wärtig werden 5 bis 6 Millionen Kilogr. Gregeseide alljährlich ver arbeitet, wovon 2 V2 bis 3 Millionen Kilogr. im Lande selbst ge wonnen nnd an Scidcnwaarcn im Wcrthe von 100 Millionen Thlr. ansgeführt werden. Man kann in der That an Seidenstoffen nichts prachtvolleres und schöneres sehen, als was die Franzosen hinter ihren großen, hohen Spiegelscheiben enthalten. In England suchte Jacob I. die Erzeugung und Verarbeitung der Seide heimisch zu machen. Besonders in den Colonien wünschte derselbe durch den Seidenbau den Tabak zu verdrängen. Gegen das Jahr 1620 entstanden in Georgien, Virginien nnd Carolina große Maulbcerbaumpflanznngen, die indes; bald wieder durch den scheinbar leichteren Baumwollcuba» in Vergessenheit gcriethcn. Ein sehr klägliches Ende nahmen die Seidenbau-Compagnien, die sich 1718 nnd 1825 in England bildeten. Die erste verschlang binnen wenigen Jahren ein Capital von 300,000 Pfd. St. nnd von ihren Werken sind im Chelsea Park nur noch geringe Trümmer vorhanden. Die zweite wollte hauptsächlich Irland mit einer neuen Nahrungs quelle beglücken; aber auch diese Hofsuung schlug gänzlich fehl. Bessere Erfolge hatten die Versuche und Bemühungen der Gesell schaft ans St. Helena, Mauritius nnd Madagaskar. Nach Deutschland übertrugen die rcformirtcn Flüchtlinge ans Frankreich die Kenntnisse des Scidcnbanes und der damit zusammen hängenden Beschäftigungen. Die Kurfürsten von Brandenburg er öffneten ihnen zuerst ein Feld der Thätigkcit. Darnach strebte der für Handel und Gewerbe in seinen Staaten unermüdlich besorgte Geist Friedrich des Großen mit allen Mitteln der Strenge nnd Be lohnung nach dem hohen Ziele, den Seidenbau zu neuer Industrie des Volkes zu machen. In den Jahren 1746 bis 1749 wurde im ganzen Königreich Preußen jährlich nur 100 Pfund Seide gewon nen, doch schon 1774 betrug die Ausbeute iu der Kur- und Neumark 6515 Pfd., so wie in den Herzogthünicru Magdeburg, Pommern und Halberstadt 6849Pfd., überhaupt 13,164Pfd. Im Jahre 1782 besaß das Land bereits über 3 Millionen Maulbeerbäume und der Gewinn an Seide stieg auf 14,000 Pfd. Indes; nach dem Tode des großen Königs geriet!; der Seidenbau leider in Preußen vielfach in Verfall, bis die armen VolkSlchrer dem Cnlturzweig ihre Aufmerksamkeit zuwaudtcn. Gestützt auf ihre Erfahrungen wurde der Gegenstand im Jahre 184.5 von Neuem in