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L» Januar I8SS Dmtschc Agemtim Zeitung «Wahrheit und Recht, Freiheit und Teschk» Nr. 8 Mittwoch. a.:u n<un' n Zu beziehen durch alle Postämter de« In- und Auslandes, sowie durch die Trpeditivn in Leidig (Querstraße Nr. 8). Änferrion«ge»'«hr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Akrel* für da« Viertel jahr l'/, THIr.; jedt ein zelne Nummer 2 Ngr. lzhM,Di»üeit«g 1 mrtAiMahmedf« a« täglich und wird mag« 4 Uhr au«- Ausländische Werber in Deutschland. — Leipzig, 9. Jan. Es scheint sich wirklich zu bestätigen, daß die eng lische Regierung bei ihrer FremdenwerbungSbill vorzugsweise die „flachshaa- rigen, blauäugigen, gutgeschulten" Deutschen (wie sich die Times ausdrückl) im Auge gehabt hat. Englische Werber sollen, wie mehrseitig berichtet wird, an verschiedenen Orte» Deutschlands ihren Sitz aufgeschlagen und ihr Ge- schäft im Geheimen begonnen haben. Und zwar, wie hinzugesetzt wird, zum Theil nicht ohne Erfolg. So soll also Deutschland wiederum, wie schon so »ft, das Material litfern für fremde Untcrnehmuügen, die Mittel für fremde Zwecke? Deutsch« Kraft und deutsche Geschicklichkeit sollen abermals der „Guano" sein, womit andere Völker die Saaten ihres Ehrgeizes und ihre- Machtstrebens düngten? Die Zeiten sollten sich erneuern, wo mit deutschem Blute fremde Kriege ausgefochten, fremde Lorbern errungen, fremde Erobe- rungen gesichert wurden? Zur Zeit des weiland Heilige« römischen Reichs deutscher Nation war eS bekanntlich eine herkömmliche und, trotz gegenlhei- liKtr Bestimmungen in der kaiserlichen Wahlcapitulation selten ernstlich be kämpfte Sitte, wonach män auswärtigen Mächten Werbungen im Reich anzustellen gestattete. Ja, um eS ihnen recht bequem zu machen, ließen sich nicht selten deutsche Ländesväter herbei, das Geschäft selbst zu besorgen und den fremden Regierungen eine Anzahl eincxercirter Soldaten gegen eine be stimmte Kaufsümme für den Kopf als Kanonenfutter zu verhandeln. Diese Mgrheu<rlichkeit ist hoffentlich für immer mit andern Ungeheuerlichkeiten des alten morschen Reichs zu Grabe gegangen. Das Ausland scheint indessen dieser Meinung nicht zu sein, vielmehr darauf zu zählen, daß deutsches Blut nach wie vor für fremdes Geld zu fremden Diensten seil sei. Um das Mäß der Schmach voll zu machen, erklären Mitglieder des englischen Parla- ments in öffentlicher Sihung, daß die Deutschen eigentlich doch unzuver lässige und minder tüchtige Soldaten seien im Vergleich mit den Engländer« und Franzosen, und selbst die Times, welche sich der Anwerbung Deutscher (nachdem einmal die Bill durchgcgangen) nicht abgeneigt zeigt, weiß an tzenselbtn eigentlich nür da- Eine als «in Anrecht auf solch« Auszeichnung zu rühmen: daß sie an strengen und unbedingten Gehorsam gewöhnt seien. Und alle- Dies geschieht in demselben Zeitpunkt, wo von den beiden deut schen Großmächten die «ine bereits als dritter Bundesgenosse in die englisch- foaüzöfische Allianz eingetreten ist, der Beitritt der andern aber, wie man ausdrücklich in dem Decembervertrage erklärt, „mit Befriedigung" gesehen werden würde! Doch dies beiseite! Anmaßungen des Auslandes gegen uns sind wir leid«r schon längst gewohnt, und nicht an das Ausland haben wir uns deshalb zu halten, sondern an uns selbst, die wir dazu durch unsere gutmüthige Schwachheit nur zu oft Veranlassung gegeben habe», Eben jetzt witder steht: «ine solche in Frag«. "Wenn Deutschland sich geduldig zum Werbeplah für fremde Regierungen hergibt , und das Blut seiner Söhne, statt damit hauszuhalten und es nur im Nothfalle, im Dienst des eigenen Vaterlandes, zu verwenden und zu verwcrthcn, in fremdem Solde für fremde .Interesse« verspritzen läßt, so Hot das Ausland ein Recht, uns geringzu- schä'tzen, uns auszübeuten, uns nicht wie eine Nation, sondern wie eine bloße Heerde Menschen zu behandeln, und wir haben Keiner uns darüber zu beklagen. Man sage nicht, daß die für den englischen Dienst Angeworbenen ge- wissermäßen für ein nationales Interesse kämpfen würden, weil Deutschland wesentlich bei dem Siege Englands und Frankreichs über Rußland bethei- liat sei^ Abgesehen davon, daß, einmal angeworben, sie ebenso gut nach Malta, den Ionischen Inseln oder sonst wohin geschickt werden können, um dort Polizeidienst für Altengland zu thun, so ist es auch noch ein großer , Unterschied, ob Jemand aus Hingebung für eine Sache, die ihm gut und gerecht scheint und der eö an tapfcrn Arme« fehlt, sich in den Kampf.stürzt, oder ob er sich für Geld in den Dienst einer Macht begibt, die zwar auch für eine gute und gerechte Sache kämpfen mag (wie in diesem Falle ganz g«wiß England thut), aber doch nur, weil diese gute und gerechte Sache gerade zufällig mit ihren Interessen übereinstimmt. Können England und Frankreich njcht durch ihre eigenen Kräfte allein mit Rußland fertig wer den, nun, so mag dies ein BestimmungSgrund mehr für sie sein, die Bun- desgenossenschaft Deutschlands zu suchen und dafür den Preis zu bieten, welchen sie werth ist! Und, erkennt das deutsche Volt in dem Kampfe des Westens gegen Rußland wirklich (wie es allerdings thut) einen für seine eigensten Interessen, ja für seine Selbsterhaltung geführten Kampf — nun, so möge es dieser Ansicht bei den Leitern seiner Geschicke Gehör und An klang zu verschaffen suchen, möge nicht ruhen und rasten, bis dieselben, den einmüthigen und lauten Foderungen der Nätion nachgebend, diese zum Kampf gegen Rußland führen! Aber nur unter deutschen Fahnen, vom deutschen Boden aus, im eigenen Namen, als wirkliche Nation, müßte das deutsche Volk an diesem Kampf theilnehmen — nicht al- ein« Schar Söld ner in fremdem Dienst und unter fremder Leitung. Auch das Beispiel der englisch-deutschen Legion aus dem letzten französischen Kriege paßt hi«r nicht, wie schon im englischen Parlament richtig auSeinandergesetzt worden ist. Damals stand Deutschland unmittelbar unter dem Joch einer fremden Herr- schäft, konnte nicht frei über sich verfügen und mußte daher jed« Gelegen- Helt ergreifen, um jene Herrschaft daheim oder auswärts zu untergraben. Deutschland glich damals dem heutigen Polen. Eine polnische Legion im Lager der Alliirten läßt sich wol denken ohne Benachtheiligung der Ehre und des Patriotismus dieses tapfern Volks. Aber ist denn Deutschlands gegenwärtige Lage dieselbe, wie die des unglücklichen Polen? Selbst der ärgste Schwarzseher wird dies nicht behaupten wollen. Deutschland, daran kann kein Zweifel sein, wird in nächster Zeit rüsten müssen für eine Kriegs bereitschaft, vielleicht für einen sofortigen Kampf von den ungeheucrstrn, unberechenbarsten Dimensionen. Hier gilt es, alle Kräfte des Volk- sorg sam zusammenzuhalten, um sie im gebotenen Moment verfügbar zu haben. England geht darauf au-, schon gediente und in den Waffen geübte Landes- kinder Deutschlands anzuwerben. Gerade diese aber sind es, deren man bei uns im Falle eines Kriegs, sei eS als Reserve, sei eS zur inner» Ver- theidigung, nothwendig bedürfen wird. In den meisten und, besonders den größern deutschen Staaten hat die eigene Militärgeseßgebung Fürsorge ge- troffen, baß ein noch im diensttüchiigen und dienstpflichtigen Alter stehender Landesangehöriger da« Land nicht verlassen und sich in fremde Dienst« be geben dürfe. In den kleinern möchte es vielleicht hier und da an ähnlichen Bestimmungen fehlen. Darum, und weil die Würde Deutschlands eS «r- heischt, daß selbst der Versuch einer ausländische« Werbung auf deutschem Boden nicht geduldet werde, erwarten wir mit Zuversicht vom Bundestage ernste und mit Entschiedenheit durchgeführte Maßregeln gegen jedes solches Beginnen. Sehr richtig gaben die ehemaligen deutschen Wählcapitulatiönen als Grund des Verbots fremder Werbungen im Reiche an: „Damit das Reich der dienstfähigen Mannschaft nicht entblößt werde." Der Deutsche Bund, in dem Augenblick, wo er sich ernstlich gewillt zeigt, als europäische Macht im Kriegs- und FriedenSrathc Europas ein entscheidendes Wort mit zuspreche«, wird nicht weniger thun können, als Dem Nachdruck zu gebt«, was schon daS Reich, als im nationalen Interesse geboten, anerkannte, was aber auszuführen es freilich zu schwach war. Der Bundestag wirb, so hoffen wir, nicht säumen, ein Verbot aller und jeder fremden Werbungen für den ganzen Umfang des Bundesgebiets auszuspteche« und nachdrücklich zu handhaben. ? Deutschland. Frankfurt, 8. Jan. Unter den in der letzte» Sitzung des Bun destags angenommene» Bestimmungen des Entwurfs der revidirten Bun- deskriegsverfassung befinden sich auch die auf die Präsenthaltung bezüglichen, sodaß nunmehr dir Vermehrung der Conti ngente des Bundesheers um ein Sechstel (um 50,000 Mann) zu bewerkstelligen sein wird. (Frkf. Bl.) Preußen. »Berlin, 8. Jan. Die preußische Nole auf die gestern in ihren Hauptzügen analysirle österreichische Depesche vom 24. Dec. ist nach Wien abgegangen, wie es scheint, schon am 6. Jan., obgleich sich der Tag der Expedition in sicherer Weise nicht angebcn läßt. Sie ist mit Rücksicht auf den Moment und Preußens Verpflichtung in demselben ab lehnend. Die Diskussion, namentlich über den Art. 3 des Aprilvertrags, welcher den Moment und ModuS der Jnactivitätsetzung der Streitkräfte und der Aufstellung der Truppen der beiderseitigen Verständigung Vorbehalt, ist nun eröffnet, ebenso über den Punkt, ob Vie in der Militärconvention als Bedingung angenommene Gefahr, die Oesterreich an der polnisch«» Grenze drohe, vorhanden ist oder nicht. Die Sache wird wahrscheinlich nicht sogleich vor den Bund kommen, sondern die Debatte eine zeitlang fortgc- führt werden. In Wien sah man ohnehin Unterhandlungen entgegen, wo mit die Meldung der Neuen Preußischen Zeitung über die Wiener Confe- renz vom 7. Dec., über die sonst nichts verlautet hat, übereinzustimm«» scheint. An den Friede« aber wird doch wenig geglaubt, und die Lord Cowley in Paris zugeschriebcne Acußerung, der Friede sei nicht unmöglich, da die Zerstörung Sewastopols und die Beschränkung der russischen Streit- kräfte im Schwarzen Meere nicht in den Garantien vorhanden wären, st«ht noch sehr vereinzelt da. Man sieht übrigens nicht als richtig an, daß die Garantien zu schwach und unbefriedigend ausgefallen wären, um producirt werden zu können. Was die hiesige Mobilmachung angeht, so haben wir schwerlich rin Interesse, dieselbe zu wünschen, solange Preuß«» dem Decem- btrverlrage nicht beigetreten ist. Man würde sonst nicht verfehlen, sie als eine unter den gegenwärtigen Umständen unzweifelhaft gefährliche „bewaff- nete Neutralität" aufzufaffen und zu erklären. Außer der auf die Mobil- machung bezüglichen österreichischen Depesche vom 24. Dec- existirt eine an-