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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumceations- PreiS 22; Sgr. (^ THIr.) vlertcliährtich, 3 THIr. sür das ganze Jähr, ohne Er höhung, in allen Theile» der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man «ränumerirt auf diese« Beiblatt der AUg. Pr. Staats- Zeitung in Berlin in der Expedition (Mohren - Straße Nr. 34); in der Provinz so wie im Auslände bei den Wohllöbl. Post - Aclnicrn. Literatur des Auslandes. 99. Berlin, Mittwoch den 17. August 1836. Island. Isländische Skizzen. L 0 n X. M armier. °) Eine ncunlägigc Hahn brachte uns nach Reykjavik. Den 2!stcn Mai saben wir die Küsten Frankreichs hinter uns verschwinden, und den 30stcn in der Frühe lenkic ein Isländischer Pilot, in einen Man tel ans Seehnntsscll gekleidet, unser Schiff der Hauptstadt zu. Es ist dies eine Hauptstadt von 70U Seelen — eine Reibe Dänischer Hauser am Strande und Isländische Hüllen an den Seilen. Beim ersten Anblick dieser hölzernen, längs der Rhede sich hinziehcnden Gebäude glaub! man eben so viele Fischerböke zu sehen, die auf dem stachen Ufer vor Anker liegen und die Wiederkehr der Fluch erwarten, um dann wieder flotl zu werden. Aber der Eindruck, den Repkiavik aus uns macht, wenn wir die Stadt betreten, ist weniger traurig, als man nach den Erzählungen verschiedener Reisenden sich vorstellcn sollte. Man passtrt noch einige Grade der CivilisaN'vn, ehe das Laud in seiner wah ren Gestalt sich zeigt. Die Luxus-Artikel, mit denen der Dänische Kauf mann so gern sich umgiebt, bedecken die Blöße der Isländischen Woh nungen, und das hölzerne Haus muß uns auf die Hütte vorbcreitcn, die sich "nur ein paar Fuß hoch vom Boden erhebt, mit ihren Mauern ans Tors und ihrem Dache ans Nasen. Wofür aber keine ausländische Ci- vilisalion den Reisenden schadlos halten kann, das ist der ekelhafte Ge ruch, den er cinathmct, sobald er ISlandS Boden betritt. Dieser Geruch verfolgt ihn allcuthalbcn und klebt an allen Gegenständen, dir er zur Hand nimmt; er entwickelt sich aus einer Unzahl von Fischen, welche die Isländer unter srcicm Himmel trocknen lassen; aber auch die Un- reinlichkeil des gemeinen Mannes und die verfaulten Nahrungsstoffe, die er nicht selten zu sich nimmt, haben Antheil an der Erzeugung desselben. Die Gründung von Repkiavik datirl ans keiner sehr alten Zeit. Noch vor sechzig Jahren war dieser Ort nur rin Fischerdorf- Seine Lage ist gut; die von mehreren kleinen Inseln geschützte Rbcte stebi im Ruse einer der bequemsten und sichersten Rhede», die es überhaupt gilbt, und nicht weit davon liegen Fischcrbänkei die mit Reckt berühmt sind. Nach und nach errichteten die Dänischen Kaufleute birr Fakto reien, und der Ort wurde mit jedem Jahre bedeutender. Jetzt ist Rey kjavik die Residenz des Gouverneurs, des Bischofs, des ersten Arztes der Insel und des Gerichts-Präsidenten. Man findet hier eine gute Schule und eine Bibliothek, die 8<X>t) Bände stark ist. Eine Meile davon entfernt liegt die Hochschule von Bcffcstad, und beinahe in glei cher Entfernung die alte Druckcrei von Hoolum, die man nach Bidoi! verlegt ha'. Unsrrcn ersten Besuch machten wir dem Gouverneur, Herrn von Krieger, und wie können die sreuntliche Ausnahme, die wir bei ibm ge sunden. nickt genug rühmen. Er hat Frankreich und Italien bereist, spricht das Französische geläufig und war uns ein liebenswürdiger Ci cerone. Des anderen Morgens besuchten wir in seiner Gesellschast den Bi schof', der ein hübsches HauS am Meere bewohnt. Er ist ein bejahrter und sehr unterrichteter Mann. Vormals war er Professor dec Theo logie an der Universität Bcffcstad, auch Hal er in seinem neuen Wir kungskreise den alten wiffenschasllichcn Sinn bewahrt. Ich fand bei ibm eine schöne Bibliothek ausländischer Werke, eine reiche Sammlung Isländischer Sagas, seltener Ausgaben und Manuskripte, die sich aus die Landesgcschichlc bczichcn. Der Bischof empfing uns mit wahrhaft nordischer Herzlichkeit. Während er der Gesellschaft seine Büchcr und Manuskripte voll hcitercn Eifers zeigte und abwechselnd mit einem von uns Lateinisch, mit dem andere» Dänisch und mit dem dritten Englisch sprach, servirlc seine Galli» Kaffee, Portwein und die edle Sorte Bier, welche eine Isläu- oischc Hausfrau gewöhnlich sür Fremde in Reserve hält. Diese Zusam menkunft hatte außerdem sür den Bischof und sür «ns »och ei» beson deres Interesse. Herr Gavmard hatte ihm Tages vorher im Namen des Königs und des Marine-Ministers verschiedene Geschenke Über macht, und wir waren zugegen, als man diese Gegenstände in den bi- »r Bekanntlich ist vor kurzem von der Franjöstschen Negierung abermals ein Schiss, die „Ncchcrche", zur Aunuckimg der vor zwei Jahren in der Gc qcnd von Island fourlos verloren gcganacncn, vom Cav BlosscRUe kom mandieren, .Dilloise" abqcsandt worden. Die Gelegenheit benutzend, hat man mit diesevMeise eine wincnschastliche Expedition verbunden, Und Herr Mar- micr ist derselben von der Akademie Tranpaise als Sprach und Literatur- forscher beigegeben worden. Das gegenwärtige Schreiben ist von Herrn Mar, Mier an den Secretair der Akademie, Herrn ViilkMain, gerichtet, schöslichen Saale ausstcllte. Ich kann Ihne» nicht aukdrückcn, mit welcher naiven Freude der würdige Greis den sammclncn Stuhl und die Porzcllan-Taffen von SLvxcs betrachtete. Als aber einer vo» un sere» Rciscgcsährtcn die Schnur einer Wanduhr anzog, die wir cbcn- salls mitzcbrachl hatten, und als das unsichtbare Instrumcnt die Ouver türe aus „Zampa" und einen unserer beliebtesten Walzer spielte, da rics er mit kindischer Freude sein Weib herbei. Diese kam und brachte eine junge Freundin mit. Einige Dienstmädchen, die nicht cinzuiretc» wagten, blitbc» in^dcr Thür stehen, und hinter ihnen stellte sich ein Stalljunge auf die Fußspitzen, um das magische Instrument zu scheu. Das Ganze bildete ci» gar anmulhigcs häusliches Gemälde: die De tails desselben hätte Wilkie malen sollen, und Grcuze die gute» ehrli chen Gesichter. Zwei Stunden lang besahen wir uns kic literarische» Schatze drs Bischoss, plaudcrtcn mit ihm über Island, das er so genau kcmtt, und über die Geschichte Islands, mit der er »och besser vertraut ist, und bcurlaubtcn uns dann hocherfreut über seine Gastfreundschaft. Diese Gastsrcundschast haben wir übrigens aus der ganze» Insel gesunden, obwohl mit weniger äußerem Luxus gepaart. Ucbcrall, wo wir einkchrten, im Hause des reichen Bürgers wie in dcm des Handar beiters, hieß uns der Besitzer herzlich willkommen, und sein Weib trug eilig herbei, was sic uns Bestes aubictc» konnte. Lor wenigen Tagen besuchten wir ein paar Meilen von hier das kleine Erhösic eines Bauer». Neben dem Zimmcr, das er bewohnte, zeigte man uns rin anderes Zimmer, mit vier Belten darin, welche sür die Reisenden be stimmt sind, die ost während des Winters kommen und um ein Asyl bitten. An die Küche stößt eine Schmiede, in der er schon häufig das Pscrd des Wanderers uncntgclltich beschlagen Hal. Der Bauer ließ uns Milch und Kaffee Vorsitzen, bestieg dann sein Pserd und führlc uns quer über tie felsigen Einöden, die wir besuchen wolllcn; er ritt uns voran durch die hochgcschwollciicn Bergwasscr und faßte dann un sere Pferde am Zügel, um sic im Wasser aufrecht zu hallen. Als er stach vierstündigem Marsche von uns schied, bülclen wir uns, ihm Geld anzubiclcn; trn» während wir in seinem Hause waren, hatte er mir eine Isländische Bibel von Hoolum und cinc alle Ausgabe des Landnama- bok, die ich unter seinen Büchern sand, nur unter der Bedingung ab- lapc» wollen, baß ich diese Büchcr nicht bezahlte. In Ncykiavik ist uns dicsclbc Ausnahme geworden. Die Isländer lieben die Fremden; es schmeichelt ihnen, daß mau sic aus weiter Ferne besucht, und außer dem hatten sic Herrn Eaimard und seinen Ncisegcsährteii, die schon inr vorigen Jahre hier gewesen, in gutem Andenken. Endlich brachten wir ihnen auch viclc nützliche Dinge mit, deren Gebrauch ihnen bis dahin unbekannt war. Was aber anderwärts nur ein löblicher Charakterzug wäre, das ge staltet sich hier zu einem schwierigen Werke, einer wahren Tugend. Wenn diese armen Leute uns cincu Tops Milch, eine Taffe Kaffee brin gen, so berauben sic sich oft des Nolhwcndigstcn. Sie opfern dcm Augenblick, was sic mit vieler Blühe erworben; sic geben dem Fremden, was sür eine feierliche Gelegenheit, sür ihre Familiknscste aufgcsparl war. Die Arnutth der Isländer ist leider nicht übcrlriebc» geschildert worden, und selbst in Ncykiavik, wo der Handcl blüht und viclc Aus länder sich cinfindcn, schimmert dieses Elend überall durch. Es giebt hier, wie ich oben schon bemerkt, zweierlei Klasse» von Bewohner«: die Dänischen Kansleutc und die Fischer und Bauern. Die Kausleuic kom men alljährlich, und ihre Schiffe sind mit Lebensmitteln befrachtet. Im Monat Mai erscheinen sic an der Küstc,- und im August gehen sie zu meist wieder unter Segel. Nur Wenige blcibcn den Winter über hier. Slr haben elegante Wohnungen und leben ganz behaglich. Hinter diesen Dänischen Häusern, die mit großen Kosten aus Bretter» und Balken, die von Norwegen kommen, erbaut sind, bemerkt man eine Art Rauer aus Tors und Moos, mit einem Dache von Nasen darüber, das gleich einem Zille spitz zuläust. Es sind dies die Isländischen Hütten. Lon Kunst und Eleganz kann hier nicht mehr die Rede scyu; diese groben und massiven Wohnungen sollen vornehmlich ein Obdach gegen die Kälte gewähren. Die Mauer ist vier bis sünf Fuß dick, mit Erde übcrklcidel und von allen Seiten hermetisch verschlossen. Eine enge Tbnr ist in der Mitte, ein Fenster an der Seile und eine Ocffnnng oben am Dache. Das Innere hat vier Ablhcjlungrn, der Fußboden ist die bloße Erde und der Raum so eng, daß man sich nur mit Mühe in demselben bewegen kann. Hier verfertigt der Fischer seine Netze und Angeln; dort stehe» ein paar schlechte, durch Feuchtigkeit verdor bene Fässer, die seinen Proviant enthalten. In der Küche hänge» seine langc» Beinkleider aus ScchundSscll und sei» Mantel aus dickem Leder. Zwei über einander liegende Steine bilden den Feuerhcerd; Wallfisch- Knochen und Pscrdeschädcl dicnm als Stühle. Man kann nur mit