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Montag Nr. l29. 7. August 1843. MM Deutsche Allgemeine Zeitung. IMU «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz! «--e-vtiS. Deutschland. * Leipzig. Anhänglichkeit an alte Institutionen. "Aus der.bairischen Pkals. Erneuerung der Gcmeinderäthc. Das pfälzische Eisenbahngesetz. Der Landrath. Die Lernte. Die Dampfschiffahrtsgescll- schast. Ludwigshafen, ss Hannover. Die Feier des Vertrags von Verdun. Obcrbaurath Hagemann, ss Braunschweig. Jürgens über aristokratische Umtriebe. -Frankfurt a. M. Die Großherzogin von Baden. Der Herzog von Nassau. Fürst Metternich. Waffeninspection. Firmung. Preußen, lH Berlin. Die Regierung und der Hegelianismus, s Po sen. Die „diplomatische Geschichte der polnischen Emigration". Spanien. Mögliche Nachwirkung der Revolution auf die Insel Cuba. "Paris. Der Uebergabe von Madrid soll eine Kapitulation vorher gegangen sein. Theilwcise Reaktion. Benehmen der Truppen. Espartero. Großbritannien. Unterhaus: Lord Palmerston über Spanien. — Ein geselliger Verein in London für Fremde. Prisengelder der englischen Truppen in China. Frankreich. Das Journal des Debats über die Vermählung des Prin zen von Joinville, s Paris. Neue Journale. Neue Beschränkungen des Journalwesens. "Nismes. Die Kapelle zu Drcux. Schweiz. * Von der nördlichen Schweftergrenje. Der Cantonsgeist. Der Bericht über den Communismus. Das Urtel in Betreff der Vor gänge im Bezirke Muri. Dänemark. Kopenhagen. Streit um eine Elbinsel. Schweden und Norwegen. " Ehristiania. Prinz Oskar. Die Union. Ein Dampfschiff. Türkei. "Konstantinopel. Neue Münzen. Falschmünzer. Türkisches Rechtsgefühl. Nifaat-Pascha. Reschid-Pascha. Die griechische Ge sandtschaft. Dfkindien und EHina. Nachrichten von Ostindien und China. Nordamerika. Neues Ministerium in den Vereinigten Staaten. Handel und Andußrie. Hannover. Vertrag, den Verkehr zwi schen dem hannoverschen und dem holsteinischen Elbufer betreffend. "Leipzig. Eisenbahnfrequenz. Berlin. Nnkündigungen. Deutschland. * §eivjlg, 6. Aug. Es wurde uns vor einiger Zeit von unbe kannter Hand Folgendes geschrieben: „Wohlthuend ist es, zu sehen, wenn ein Volk ober ein ÄölkSstamm mit Anhänglichkeit und Liebe an seinen vaterländischen Institutionen fest hält, sie höher schätzt als unbekannte, oft auf fremdem Boden entsprossene Neuerungen, bei de nen es immer zweifelhaft ist, ob sic jemals wahrhaft volkSthümlich werden können. Ein solch wohlthuendcs Gefühl steigt gewiß in eines Jeden Brust auf, wenn er gegenwärtig auf Rhcinpreutzen seine Blicke richtet und wahrnimmt, mit welchem ungethcilten Patriotismus die Rheinländer an ihrer nationalen Gesetzgebung hängen. Der Ausdruck der Gesinnung, wie sie sich bei der von dem Landtage zu Düsseldorf einstimmig erfolgten Ablehnung des neuen Strafgesetzentwurfs kund- aegeben hat, ist Zeuge davon. Je angenehmer und freudiger wir von solchen Erscheinungen berührt werden, desto lebhafter und schmerzhafter tritt aber auch die Betrachtung hervor, daß solche Anhänglichkeit an nationale Einrichtungen in Deutschland leider nicht allenthalben vor herrscht. Dem aufmerksamen Beobachter wird es nicht entgangen sein, mit welcher Leichtigkeit man ost in neuerer Zeit wenn auch nicht voll kommene, aber doch bewährte StaatSeinrichtungen abzustreifen bemüht ist, ost blos aus dem Grunde, weil man die Sache für veraltet hält oder weil es in andern Ländern anders ist, ohne dabei streng zu prü fen, ob auch da- gepriesene Neue sich mit dem Volkscharakter ver trägt und so zu sagen IN suvcum et «anAuinem pvpuli überzugehen geeignet ist. Daß wir Deutsche (die Rheinländer scheinen eine Aus nahme davon zu machen) durch diesen Jndifferentismus gegen unsere gewohnten und wahrhaft nationalen Institutionen, durch diese gewisser maßen feindselige Tendenz gegen uns selbst in den Augen des Aus landes nicht gewinnen können, dürste wol kaum zu bestreiten sein. Möchten daher alle übrige Deutsche durch das auS diesem Gesichts punkte betrachtete Beispiel der Rheinländer aufgemuntert werden und fester an Dem chänge», was wahrhaft deutsch und volkSthümlich ist, wenn cs auch Jahrhunderte schon bestanden haben sollte." Wir ehren und theilcn die Gesinnung, die sich in diesen Zeilen ausspricht, und wünschen gleichfalls, daß das deutsche Volk eine recht lebendige Anhänglichkeit an seine Institutionen empfinden und nament lich niemals in die Richtung verfallen möge, die mit Vorliebe än- tzert, die neuerungssüchtig ist. Selbst wo der endliche Vortheil einer Acnderung entschieden ist, da bleibt doch das Aendcrn an sich, die Operation des Acnderns und die nächste Folge nicht ohne Uebel. DaS Alte hatte sich in die Verhältnisse eingelcbt und diese sich in Jenes ge fügt; das Neue muß sich diese Milderung seiner Schattenseiten — ohne die doch nichts Irdisches ist — erst erwerben. An dem Alten hatte die Weisheit der Geschichte und des Lebens mitgearbeitct; daS Neue ist nur ein Product des erfindenden, des auch irrenden Mcnschen- geistcs. Das Alte kennt man, seine Vorzüge und Gebrechen; von dem Neuen kennt man nur die Idee, die man sich davon macht; ist diese ansprechend, so ist man auch für die Lobreden Derer, die aus Er fahrung ihre Anhänger geworden sind, empfänglicher, als für die Kla gen Derer, die gleichfalls aus Erfahrung Tadler wurden, und so lernt man die Sache oft in eigner Erfahrung von ganz andern Seiten ken nen, als von denen sie anfangs dargcstcllt wurde; jedenfalls weiß man, was man an dem Alten hat, und bei dem Neuen weiß man das nicht. Hauptsächlich hängen die Institutionen eines StaatS sehr innig zusam men, und der Wegfall eines Gliedes, die Einfügung eines neuen äu ßert oft aufSeiten eine Nachwirkung, an die Niemand vorher gedacht hat. Außerdem ist der Staat nicht dazu da, um immer neue Insti tute zu schaffen, sondern die Institute sind da, um benutzt zu werden, und über der ewigen Sucht nach Neuerungen in der Form kommt man nicht dazu, das Wesen des Gewonnenen zu erfassen und das Beste hende dadurch zu heben, daß man es mit neuem, cdlerm Geiste durch dringt. Jedenfalls ist alle Aenderung wichtiger Institute, namentlich eine gänzliche Vertauschung der Principe, eine Sache, die sehr reiflich überlegt sein will und die man nicht zu leicht nehmen darf. Dagegen können wir das von dem Einsender gewählte Beispiel nicht recht zutreffend finden und möchten auch sonst seinen Bemerkun gen einiges bedingende beifügen. Das Beispiel scheint uns nicht zutref fend, da die Rheinländer doch wol mehr im liberalen als im nationa len Sinne gehandelt haben, welcher letztere überhaupt nicht ihre stärkste Seite zu sein scheint. Wir haben nicht gefunden, daß sie die gleiche Anhänglichkeit an ihre Communalordnung bewiesen hätten, die bei ih nen so alt ist wie ihr Gerichtsverfahren, das ja selbst noch nicht hoch in die Jahre gekommen. Das aber führt auf einen weitern Punkt. Sie haben wol auch deshalb für die Beibehaltung dieser und wider die Beibehaltung jener Institution gewirkt, weil ihnen die eine zusagte und die andere nicht. Für Gebrechen, für sehr mangelhafte Einrich tungen wird das Volk keine Anhänglichkeit fühlen, wenigstens nicht, sobald sie irgend drücken, die Gebrechen irgend klarer zum Bewußtsein kommen. Das Volk empfindet vielleicht die Gebrechen einer altge wohnten Einrichtung weniger, cs würde die Mängel des bessern Neuen vielleicht eine Zeit lang stärker fühlen, aber Begeisterung darfman für ein als in seinem Grundwissen mangelhaft erkanntes Institut nicht er warten, und wir müssen gestehen, daß das auch in der Ordnung ist. Ein Institut, was an sich mangelhaft erscheint, über in seiner innigen Verschmelzung mit dem Volksthume dem Volke werth geworden ist, daß ist eben deshalb nicht mangelhaft, sondern das beste unter den gegebenen Umständen. Allein wie sollte sich das Staatswesen heben und auch seine Formen seinem höher» Geist — der allerdings mäch tiger ist als die Form — entsprechend gestalten können, wenn man sich an alle alten Mängel und Schäden anklammcrn wollte, blos weil sie alt sind? Aber auch außerdem gibt es manche Institute im Staate, von denen sich nie erwarten läßt, daß sie eine große Begeisterung für sich gewinnen sollten, wie nützlich, wie unentbehrlich sie auch sein mö gen; Manches, was niemals entbehrt werden kann, was auch nach. Revolutionen immer wieder, im Wesentlichen unverändert, auflebt, und wo doch die Mehrzahl des Volks immer lieber bereit sein wird, gegen als für dasselbe zu streiten. Millionen verdanken Instituten viel Segen und Schuh, gegen die sie doch in einem beständigen kleinen Kriegszustände leben. Auch kommt der Zusammenhang mit allen an dern Instituten, es kommen große politische Maximen und Rücksichten, eß kommen auswärtige Verhältnisse in Betracht, und es ist nicht zu erwarten, daß jemals die Mehrzahl des Volks das Alles in seiner ganzen Bedeutung werde erfassen lernen. Es gibt große Wahrheiten, die immer esoterische bleiben, niemals Gemeingut werden, segensreiche