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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration- Preis 22^ Sgr. «i Thtc.l vierteljährlich, 3 Tblr. für das ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen ter Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumerirt auf diese- Beiblatt der -Ug. Pr. SlaatS- Zeitung in Berlin in der Expedition lMohren - Straße No. Z4>; in der Provinz so wie im Ausland« bei den Wohllöbl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. 30. Berlin, Mittwoch den 11. März 1833. Portugal. Die Portugiesische Literatur im 18ten und 19ten Jahrhundert. Al- Portugal schon Alle- verloren batte, au-zenommen die Erin- .n «einig an seine Glanz-Perioke i ka sprach Eamoens aus seinem Sierbc- tager noch ein paar Worte, die eine finstere Weissagung für sein Va terland enthielten. Einige Tage darauf wurde- er begrabe», nachdem die Hand der Barmherzigkeit für sein Leichentuch gesorgt hatte. Selbst da- Grab de- Säuger- der Lusiad« ging in Bcrgcffcnbeil, und dennoch leuchtete die Fackel, die er entzündet, noch lange in seiner Heimat. Auf Camocn- folgte ein zweites poetisches Zeitalter der Portugiesen, «in Zeitalter voll Energie, Glanz und Pracht. Eorte-Real, Que vedo, Sa de Menezes waren die schone Abendrölhe de- Porlugie- sischen Dichter-Himmels. Aber mit einem Male brach eine undurch dringliche Finsterniß herein, die länger als ein Jahrhundert über Por tugal verbreitet war. Im Ansang dieser traurigen Periode bemitleideten selbst Portu gal'? Feinde seinen Verfall, und Philipp II., der diesen Verfall vorbe reitet hatte, erschrak darüber, al- er den Genius einer Nation erlöschen sah. Am Tage seines Einzuges in Lissabon antwortete er denen Por tugiesisch, die ihn Kastiliauisch anredetcn; aber Niemand konnte ihm würdig entgegnen. EamoenS war todt; Lorte-Real batte sich in sein schöne- Tuscülannm nach Palma zurückgezogen; Qnebcdo widmete den Pflichten seines hohen Amtes vielleicht mehr Zeit, al- selbst der Pccsie. Portugal'- selbständige Literatur ging mit diesen Männern zu Grabe. Nicht ohne schmerzliches Bedauern gelangt man zu der Periode des schlechten Geschmacks, in welcher Biolantc do Eeo glänzte. Ein einziges und zwar weibliches Wese» schrieb damals aus tiefer Brust; es war Mariane d'Alrvforada. Allein sie lebte und starb — in Klostermauern, und Keiner ahneic die Gluthen ihrer echt poetischen Seele. Ucbcr den Briefen der Mariane d'Alcoforada hat ein unseliges Geschick gewaltet; sic gehören jetzt nur der Französischen Literatur an. Diese Briese, die einem Rousseau Thräuc» entlockten, sind obendrein in einer schlechte» Uebersetzung nach Frankreich gekommen. Ein einziger Mann hat das Glück gehabt, sie im Portugiesischen Original zu lesen, und gewiß war dieser Einzige ganz unfähig, ihren Werth zu erfasse», da er sie in solchen, Grade entstellt ans die Nachwelt übergehen ließ. Der Leser wird mir wohl die Aufzählung aller der mittelmäßigen Subjekte erlassen, die sich angestrengt haben, Portugal s Literatur wieder zu heben. Auch dürste wohl schön der bloße Titel gewisser Bücher aus dieser Periode alle Lust zu einer genaueren Kenntniß Niederschla gen. Man hat ost von dem poetischen Schwulste Biolantc do Ecos geredet; wie sollen wir aber seine Nachahmer charaklcristrcn? was von Büchern sagen, deren Titel also lautete: „Eklipse der Schönheit, beobachtet im Spiegel der Erinnerung, durch da- Gefühl, welche- ein bcklagcnswcrthcr Todesfall erweckt." Oder: „Buch vom heiligen Gärt- lein, dessen Blumen allzumal Wunder sind, gewässert von dcn Bächlein, die einem mystischen Felsen entströmen." Bei allen diesen Berirrungcn de- Geschmacks gab es doch noch chrcnwerche Männer in Portugal, deren dogmatischer Unwille unter solchen Umständen wohl Theilnähme erregen konnte; allein wir suchen geniale Schriftsteller, und solche sind gegen Ende des I7ten und am Anfang des 18ten Jahrhunderts in Portugal nicht zu finden. Die beiden Grafen d'Ercepra verdienen wegen ihrer gründlichen Gelehrsam keit und ihres verständigen Strebens unsere Hochachtung; allein, was können wir sonst an ihnen rühmen? Ein einziger Portugiese jener Zeit balle echt poetischen Geist; er redete die Sprache des EamoenS mit einer christlichen Energie, die in eincm solchen Jahrbnndcrt über rascht; aber seine begeisterten Lieder wurden ihm dort eingeflößt, wo der Marano» seine Fluchen durch endlose Einöden wälzt. Lassen wir An tonio Biepra, diesen Baker der Wüste, in Brasiliens Wäldern her. umirrcn! Seine Stimme gehört dieser Erde nicht an. Wie Hiob, seufzt er in der Ocdc; er spricht nur zu den Jahrhunderten und zur Gottheit. Wie schon bemerkt, gab cs währcnd dcr crstcn Hälste des I8tcn Jahrhunderts zwar keine große Poeten in Portugal, wohl aber tbätige und fleißige Manner, welche die literarische Bewegung Frankreichs Ge griffen, aber zu ihrem Unglück bloß Nachahmer dcr Franzosen wur den. Diese gcwisscnbafttn Männer riesen die indolenten Geister zu ernsten Swdicn zurück; sie stifteten eine Akademie der Geschichte; sic fühlten, daß cs notbwendig scv, wieder an die vergessenen Quellen zu gehen. Allein das Ergebnis; ihrer Bemühungen waren ungeheure kom- Pilatcrischc Bucher, in dcncn man höchstens einige nützliche Dokumente findet. Der historische Geist war mit dcr hohen dichterischen Begeiste rung, welche die ältesten Historiker dieser Nation charakterisirt, ünlcr- gegängen. Da kam plötzlich jenes grauenvolle Erdbeben von 1755, gleichsam der letzte Ruf des Anathema s, das über Portugal gcrubt hatte. Der Enkel Racine's, welcher unter den Trümmern des zerstörten Lissabons sein Grab fand, stieß einen Angstruf zum Himmel aus, dcr dcn har monischen Genius seine- Großvaters in diese Ruinen zu beschwören schien. Einige höher begabte Geister erwachten, und eine neue litera rische Periode begann für Portugal. Die Poesie regte sich wieder. Die Zerstörung Lissabon- durch jenes Erdbeben muß bei allen Ueberlcbcnden eine Erinnerung zurückgelasscn haben, die sie immer mit neuem Entsetzen sülltc. Noch sunfzig Jahre später sträubte sich das gebleichte Haar eines Greise-, während er uns die gräßliche Katastrophe erzählte. Sein Dichterblick wurde im Verlaufe der Schilderung immer feuriger, und wir Kinder bebten vor Entsetzen, als sähen wir Verderben drohende Blitze, als hörten wir das dumpfe Dröhnen, welches dem Todcskamps einer großen Stadt voranging. Dieser Greis, es war Francisco Manoel, derselbe, von dem Lamartinc gesagt hat: „Du bist ein Dichter und Du weinst!" Francisco Manoel do Nascimento war 1758 noch ein zarter Knabe; er gehört fast eben so gut dem litten als dem I8ten Jahrhundert an. Dieser Mann hat den literarischen Ruhm de- neueren Portugal gewissermaßen begründet; wir wollen ihm besondere Aufmerk samkeit schenken. Als Pombal mit seinem gewaltigen Gcistesblick und scmer unbeug samen Willenskraft die Stadt Lissabon aus ihren Trümmern wieder ins Dascpn gerufen hatte, da entstand ein Berein wackerer Männer, die es mit der Literatur eben so machen wollten. Antonio Garxao, Di nis da Cruz und Silva Domingo dos Reisquita arbeiteten gemeinschaftlich an diesem Zwecke. In Verbindung mit Esteves Ne- grao und Theotimo Gomez de Carvalho stifteten sie die So- cictät dcr Arkadi er. Freilich können solche Stiftungen nur durch große Geister eingeweiht werden; dennoch bleibt diese» Männern dcr Ruhm, daß sie wenigstens der Sprache ihre ursprüngliche Harmonie und elegante Rcinhcit Wiedergaben. Garxao veredelte sogar durch eine herr lich geschriebene Komödie das Theater, welches dem allzu burlesken Hu mor Antonio Josö's ganz prei-gegeben war. Gleich den Zeitgenossen Ferreiras und Sä e Miranda's stu- dirte er die gelehrten Versmaße des Alterthums, und seine Oden eri». ncrtcn so lebhaft an die de- Horaz, daß man ihn den Horaz der Por tugiesen nannte. Dem glühenderen in seinen Formen mehr wechselnde» Diniz erwarb seine poetische Kühnheit den Name» Pindar. Pcde- gache begnügte sich damit, dcr Würde und dem harmonischen Versbau Racine's nachzustrcben. Die echte literarische Kritik dcr Portugiesen begründete Francisco DiaS: sie entstand gerade in dem Zeitalter, das ihrer am meisten bedurfte. Auch d>e ehrenwerthen Arkadier mußten viele Drangsale erleiden, wie ihre große» Lehrer in früherer Zeit. EamoenS war vielleicht darum gestorben, weil er nicht so viel an Almosen bekam, wie ein gewöhnlicher Bettler; der große Pacheco war Krankenwärter in einem Hospital ge wesen; Albuquerque klagte, als er schon am Rande des Grabe- stand, über die Länge des Leben-, und Joäo de Castro halte auf seinem Sterbebette nicht Geld genug, um sich einen letzten Trank bereiten zu lassen. Jai l8ten Jahrhundert wurde Antonio Jczö verbrannt, weil er das Publikum von Lissabon einen Augenblick zum Lachen gereizt hatte; Gar^ao mußte sür sein Talent in einem Kerker büßen, worin er sein Leben endete; Tonseca soll vor Elend gestorben sepn; Francisco Ma noel rettete sich vielleicht durch seine Seclenstärke vom Scheiterhaufen; allein er litt während seines langen Leben- alle Leiden der Verbannung. „Da- Unglück gicbt dem Genie seine Weihe." Dieses Sprüchwort müssen die Portugiescn ost im Munde führen; denn es mischt sich iu alle ihre Erinnerungen. Es liegt etwas Romantisches ^»d Erbebendes in dcr Laufbahn eines jungen Dichter-, der seiner Seclenstärke die Fristung seines Dascpns verdankt. Muß er aber fern von seiner Hei mat schmachten, so ist es ein Wunder, wenn die ihm inwobnendc Kraft nicht unlcrgeht. Oft besuchte ich Francisco Manoel in seiner kleine» Wohnung zu bboisp, als noch wackere Freunde für ibn sorgten; ich fand ihn weniger glücklich, als ich spater in Paris mit ihm zu- sannuentraf; denn damals waren seine allen Freunde thcils gestorben, theils abwesend. Immer erkannic ich in ihm den Mann, der sich über zeitliche Noch und schmerzliche Erinnerungen erhaben fühlt, weil er eine» Berus zu erfüllen hat. Er blieb im Exilc Dichter und Reformator dcr Literatur, Die vou de» Arkadier» begonnene Arbeit nahm er wieder