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Voigtländischer Anzeiger» Siebenundsechszigster Jahrgang. Verantwortliche Redaction, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. u » GMNI> " jährlicher Abonnement-preiS für dieses Blatt, auch bei Beziehung durch die Poft, 1 Thlr. 6 Ngr. — Die Insenion-gebühren "erdcn mit t Ngr. für die gespaltene CorpuS-Zeile berechnet, größere Schrift nach Verhältniß deS Raumes. — Dienstag. AO. 11 März 1856 Gin Wort über die MLHstimmung gegen die Deutschen in Nordamerika. Daß sich neuerdings in den Nordamerikanischen Frei staaten eine Mißstimmung gegen die Deutschen kund giebt, ist bereit- eben so bekannt, al- e- zu beklagen ist, zumal sich die Folgen dieser Abneigung noch gar nicht übersehen lassen. Denn wenn jetzt schon viele Deutsche den Wanderstab ergreifen, um daS gesegnete Tera- zu verlassen, da- sie erst mit großen Hoffnungen betraten, so kann eine solche traurige Nothwenrigkeit, weiter zu ziehen, die deutschen Ansiedler bald auch in anderen nordamerika- nischen Freistaaten erreichen und somit die schwere Arbeit der ersten Zahre wenigstens ihnen zu Nichte machen und Mancher dabei Alles verlieren, was er im Lande der Freiheit gesucht und gewonnen halte. Fragen wir aber nach den Ursachen dieser entmuthigenden Er scheinung, so heißt eS hie und da, daran sei Niemand anderes als die Partei der „Nichtswisser^'*) schuld. Allein so gewiß diese Richtung gegen die Deutschen besteht, so gewiß ist eS doch auch, daß sie nicht eine Ursache, sondern die Folge, man möchte sagen der concentrirte Ausdruck einer schon längst vorhanden gewesenen, dermalen nur gesteigerten Verstimmung ist und daß die Ursachen tiefer gesucht und in verschuldete wie unverschuldete getheilt wer den müssen. Zu den unverschuldeten rechnen wir den Brodneid namentlich der eingewanderten Irländer, die, wo sie nur einen Deutschen aus- beißen können, dieß nicht mehr wie gern thun, ja oft zu den schlechtesten Mitteln greifen, um den Bau, die Canalarbeit, die Eisenbahnlinie allein auszuführen und ihren brvdlosen Landsleuten auf Kosten der Deutschen mit zuzuwenden. Eben so unschuldig sind die Deutschen da, wo ihre Gemüth- lichkett, Ehrlichkeit, Biederkeit dem schlauen Amerikaner bei irgend einem beabsichtigten Humbug (Betrug) hindernd in den Weg tritt, oder wo der deutsche Fleiß etwas vor sich gebracht hat und den amerikanischen Nachbar reizt, durch Jntrigue das an sich zu brin gen, waS jener erarbeitet hat. Und so mag es noch manchen Um stand geben, der den Deutschen im neuen Land ohne seine Schuld zum Gegenstand deS Neides, des heimlichen oder offenen Hasses und jener Mißstimmung macht, die jetzt recht geflissentlich in Nord amerika gegen uns genährt wird. Allein damit soll nicht gesagt sein, daß sich der Deutsche da *) Die kaorv notkiox» find eine Partei, welche von vielen krank- haftenj Zuständen in den nordamerikanischen Freistaaten, insbesondere von der Einwanderung armer und roher Irländer wie der Deutschen nicht- wissen wollen, und entschlossen -u sein scheinen, diese Partei anficht mit Feuer und Schwerdt zu vertheidigen. drüben nicht oft auch selbst arg schade und geschadet habe. Man glaube nur ja nicht, daß unsere deutschen Schwächen dem tief dringenden Blick des schlauen Amerikaners lange verborgen bleiben. O, er bemerkt es gar gut, daß nicht zehn Deutsche in einer Stadt wohnen können, ohne sich nach ihren deutschen Landsmannschaften in Nord- und Süddeutsche, in Sachsin und Preußen rc. auch jen seits deS Wassers zu spalten. Eben so thöricht erscheint es dem Amerikaner, wenn der Deutsche im neuen Vaterland die Mühe scheut, Englisch zu lernen. Er kann das eben so wenig begreifen, als wir dieß vermögen würden, wenn ein Russe in Plauen sich ankaufen, und mit seinen Nachbarn auf rem Bultermarkt nur nach Rubeln und Kopeken rechnen, nur russisch sprechen und sich's überhaupt nur auf gut Russisch unter uns wohl sein lassen wollte Noch widriger sind dem Amerikaner die Deutschen, die ihre Kinder nicht sorglich zur Schule schicken; er begreift nicht, wie man so thörigt und schlecht sein kann, seinen Kindern das vvrzuenthal- ten, wodurch diese erst reckt eigentlich in den Stand gesetzt werden, freie Bürger eines freien Staats zu sein. Wenn dann vollends ein Deutscher sich gegen Frauen oder Mädchen rohe Späße erlaubt, oder, ohne Ernst zu machen, mit der Liebe spielt, ja schon wenn er nur die gewöhnlichsten Regeln der Artigkeit gegen das zarte Geschlecht aus den Augen setzen will, so fühlt sich der Amerikaner versucht, den Deutschen als einen rohen Patron sich zu denken, und was die vielen oder wenigen Einzelnen verschulden, in der Na tionalität zu.suchen. Ganz besonders trägt zur Herabsetzung derselben der bald elende, bald wenigstens lächerliche Aufzug bei, in welchem die ausgeschifften Deutschen durch die Straßen der Seestädte ziehen. Bald schlum pern sie da im Gänsemarsch einher, den der Amerikaner verächtlich den indianischen Zwirn nennt; bald gehen sie in altenburger oder andern ungeschickten und unschicklichen Localtrachten, wohl gar mit unziemlicher Vertraulichkeit gegen Frauen, einher; bald überläßt der Bauer seiner Frau, Körbe und allerlei Gepäcke ru tragen, als ob sie ein Lastthier oder eine Sclavin wäre; bald kommen die Leute trunken ans Land, bald mit großen Bärten und anderen dem Amerikaner nun einmal widerlichen Ausstassirungen; bald geht der Grüne (Neuling) mit zweideutiger Wäsche ober ungewaschener Hand an den Tisch seine- Kosthauscs, was beiläufig gesagt auch den Engländern ungemein an vielen Deutschen aussällt; bald glaubt sich der Einwanderer gerade und vorzugsweise englischer Flüche, die er nur erst von rohen Matrosen gehört, bemeistern zu müssen ; bald meint eine Bedientenseele auch im sreieu Land hündisch kriechen zu müssen; bald arbeitet der Deutsche Sonntags, als ob's ein Werktag wäre, während der Sonntag in dem dabei so reich geworde nen England und Nordamerika streng gehalten wirr, bald endlich