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Verdienste erhielt Suchen mehrere Male den Staatspreis. 1958 wurde er zum Nationalkünstler ernannt. Auch seine „Sinfonietta rustica“ trägt ausgesprochen nationale Züge. Ohne ein direktes Programm zu besitzen, ist sie doch der musikalischen Schilderung slowakischen Bauerntums ver haftet. Das 1957 entstandene Werk ist gerade durch diese nahe Verwandtschaft zur slowaki schen Volksmusik leicht verständlich und vielfarbig. Ein elegischer Gedanke, in fast impressio nistischer Stimmung von einem Klavier mit gebrochenen Akkorden untermalt, leitet den ersten Satz (Moderato c sostenuto) ein. Bald entwickelt sich daraus das spritzige, tänzerische Haupt thema im Allegro, das mit seinen Synkopierungen deutlich die Herkunft aus der slowakischen Volksmusik verrät. Es wird abgclöst durch ein energisches Thema der Bläser, das von schwirren den Trioien der Streicher, später des ganzen Orchesters umspielt wird. Der langsame Ein leitungsteil erscheint wiederum, und in der Reprise entwickeln noch einmal die beiden Haupt gedanken des schnellen Teils ihr tänzerisches Spiel. Der Satz wird mit dem elegischen Anfangs motiv beschlossen. Auch der zweite Satz, ein stimmungsreiches Adagio, besitzt solch einen Prolog, der als Epilog wiederum Verwendung findet. In diese Teile cingeschlossen finden wir die Ent wicklung eines herrlichen, träumerischen Bratschenthemas, das notengetreu ein slowakisches Volkslied wiedergibt. Auffallend sind gerade in diesem Satz auch wieder impressionistisch an mutende, naturhaft-melismatischc Erfindungen, die die Hauptthemen umspielen. In der themati schen Entwicklung rafft sich das verträumte Bratschenthema auch zu großen Steigerungen auf, die aber bald wieder abklingen. Das Finale der nur dreisätzigen Sinfonietta ist ein mitreißendes Allegro assai, ein vital daherstürmender tänzerischer Satz. Zwei wesentliche Gedanken sind be stimmend, ein wirbelndes Hauptthema, das aus einem Hornruf sich entwickelt und dazu als Gegensatz ein großliniges Thema der Violinen, das dann später besonders schön und weich noch einmal in den Celli auftritt. Beide Themen werden nebeneinander gestellt, jedoch kaum in wirk lich sinfonischer Form miteinander verarbeitet. Gegen Schluß übernimmt der tänzerische Ge danke die Führung und beendet das heitere Werk. Reinhard Schau Wohl als einen der bedeutendsten Komponisten der Gegenwart, dessen Werke sich in der ganzen Welt allgemeiner Anerkennung erfreuen, und den man heute als den vielleicht größten lebenden Sinfoniker schätzt, darf man Dmitri. Schostakowitsch bezeichnen. 1906 in Petersburg geboren, erhielt er seine Ausbildung am Leningrader Konservatorium, an dem er von 1937 bis 1941 als Professor tätig war. Seit 1943 lehrte er am Moskauer Konservatorium. Schostakowitsch, dessen kompositorisches Schaffen alle Gattungen umfaßt, ist Deputierter des Obersten Sowjets, Sekretär des sowjetischen Komponistenverbandes und Mitglied verschiedener ausländischer Musikakade mien. - Schostakowitschs 12. Sinfonie erhärtet abermals die Überzeugung des Komponisten, daß auch textlose Musik nicht ohne Beziehung zur gesellschaftlichen Entwicklung bestehen kann. Schon der Einundzwanzigjährige betitelte seine 2. Sinfonie als ,.Sinfonische Widmung an den Oktober“, und die 3. Sinfonie trägt die Bezeichnung „Erste-Mai-Sinfonie“. Seine 7. Sinfonie, 1941 während der Belagerung Leningrads entstanden, nahm der Komponist zum Anlaß, um in ihr, der „Leningrader“, den Kampf und die Siegeszuversicht des sowjetischen Volkes zum Aus druck zu bringen, und in seiner 11. Sinfonie „Das Jahr 1905“ gab er in künstlerischer Form einen Rückblick auf die russischen revolutionären Ereignisse des Jahres 1905. Es war nach gerade selbstverständlich, daß Schostakowitsch auf dem Wege der politischen Durchdringung seines sinfonischen Schaffens fortschritt und seine 12. Sinfonie den weltbewegenden Ereignissen des Jahres 1917 widmete. Die Partitur des anläßlich des XXII. Parteitages der KPdSU urauf geführten Werkes trägt die Widmung „Dem Gedächtnis Wladimir Iljitsch Lenins“. Die Krö nung des Leninschen Kampfes, die Errichtung der Sowjetmacht ist der gewaltige Inhalt des Werkes. Überschriften der einzelnen Sätze geben der Phantasie Hilfen, in welcher Richtung sich unsere Vorstellungen, Gefühle und inneren Bilder beim Erklingen der Tondichtung bewegen sollen. Der erste Satz trägt die Bezeichnung „Das revolutionäre Petrograd“. Der heroischen Haltung und den kühnen Entschlüssen der Männer jener historisch entscheidenden Tage ent sprechend, hat der Satz kämpferischen, oft marschartigen Charakter, wobei Melodicfetzcn des Liedes „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit“ hereinzuflattern scheinen. In kompositionstechnischer Hinsicht ist die innere Einheitlichkeit und Verwandtschaft der Themen und Motive dieses ersten Satzes hervorzuheben, die im Verlauf der Sinfonie - ihre Ideenverbindung unterstreichend - noch weiterhin von Bedeutung werden. Schostakowitsch hat seine 12. Sinfonie streng nach dem Prinzip der klassischen viersätzigen Sinfonie angelegt, wobei allerdings - aber auch hierfür hat er große Vorbilder -- die einzelnen Sätze pausenlos ineinander übergehen. Nach klassischem Muster folgt an zweiter Stelle der langsame Satz. Über ihm steht in der Partitur das Wort „Rasliw“. Dieser Hinweis auf den nahe der damaligen Hauptstadt gelegenen kleinen Ort, in dem sich Lenin eine Zeitlang vor seinen Verfolgern verbarg, gibt dem Hörer einen Anhalt fin den sinnenden, in tiefe Gedanken versunkenen Charakter dieses Satzes. Man hat den Eindruck, als ob der Komponist die weite Landschaft des russischen Nordens in Tönen einfangen wollte und zugleich mit ihr die philosophischen Betrachtungen Lenins, in dem damals der Wille zum revolutionären Kampf reifte. Dieser nimmt dann im dritten Satz, der an Stelle des klassischen Sinfoniescherzos steht, hörbare Gestalt an. Der Satz trägt seinen Namen „Aurora“ nach jenem schon legendär gewordenen Kreuzer der russischen Flotte, der die Oktoberrevolution des Jahres 1917 durch seine Schüsse auf das Petrograder Winterpalais entscheidend beeinflußte. In diesem Teil verwendet Schostakowitsch noch ungehemmter als vordem naturalistische Gcräuschcffckte zur Darstellung des Kampflärms, so daß unverkennbar die Salven des Kreuzers „Aurora“ er dröhnen. - Bedeutete schon der Name „Aurora“ die Morgenröte, so schildert der Komponist im Schlußsatz der Sinfoine - wie die Überschrift noch einmal nachdrücklich besagt - „Die Mor genröte der Menschheit“. Es versteht sich, daß ein solcher Satz in seinem Grundcharakter opti mistisch und freudenvoll ist. Ehe cs jedoch zu dem triumphalen Durchbruch dieser Gedanken kommt, erinnern wir uns nochmals der Kämpfe und Nöte, die dem epochalen Schritt des Men schen in das Neue vorangegangen sind. Deshalb zitiert Schostakowitsch bedeutungsvoll die Thematik des ersten Satzes, bis schließlich im hellen Glanz des ganzen Orchesters der Sieg der Zukunft widergespiegclt wird und wir als Hörer mit der frohen Gewißheit entlassen werden, Zeitgenossen der bedeutungsvollsten gesellschaftlichen Umwandlungen der Menschheit zu sein. Prof. Dr. Richard Petzoldt Mitteilungen Für das Nationale Aufbauwerk werden die Dresdner Philharmoniker am 14. November 1962 im Kongreßsaal ein Konzert geben, in dem die Oberon-Ouvertüre von Carl Maria von Weber und die 5. Sinfonie von Ludwig van Beethoven aufgeführt werden. Als Solistin wurde Anncrosc Schmidt aus Leipzig verpflichtet. Sic wird das Kla vierkonzert b-Moll von Tschaikowski spielen. Am 17. und 18. November 1962 gastiert der hervorragende sowjetische Pianist Dmitri Baschkirow. Er wird die Klavierkonzerte Es-Dur von Wolfgang Amadeus Mozart und a-Moll von Robert Schumann spielen. Dieter- Gerhardt Worm dirigiert diese Abende und wird die 1. Suite C-Dur von Johann Sebastian Bach und die Ouver türe zur Oper „Euryanthc“ von Carl Maria von Weber aufführen. Im 4. Philharmonischen Konzert am 23.. 24. und 25. November 1962 wird von Claude Debussy anstatt der an gekündigten 3 Nocturnes „La Mer“ aufgeführt. Die Dresdner Philharmonie konzertiert am 27. und 28. November 1962 im Smetana-Saal Prag und am 29. Novem ber 1962 in Pilsen. Für den verhinderten sowjetischen Geiger Leonid Kogan gastiert in den Weihnachtsfestkonzerten der hervor ragende Geiger Professor Michail Waimann, Leningrad. Er wird die Violinkonzerte von Beethoven und Tschai kowski spielen. Der Abend wird mit einer Erstaufführung von Günter Kochans „Konzert für Orchester“ ein geleitet. L i t c r a t u r h i n w e i s c : Frimmel: L. v. Beethoven (Berlin) Brockhaus: Dmitri Schostakowitsch (Leipzig 1962, Vorankündigung: Nächste Konzerte im Anrecht A 23., 24. und 25. 11. 1962, jeweils 19.30 Uhr, Einführungsvorträge jeweils 18.30 Uhr Mittwoch, 7. November 1962, 19.30 Uhr 2. Kammermusikabend der Kammermusikvereinigung der Dresdner Philharmonie Werke von Heinz Bongartz, Hanns Eisler, Sergej Prokofjew und Franz Schubert Anrecht D und Freiverkauf! 3. Philharmonisches Konzert 1962/63 6202 Ra III-9-5 1062 2 It-G 009/46/62