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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 18.01.1912
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-01-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120118017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912011801
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912011801
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-01
- Tag 1912-01-18
-
Monat
1912-01
-
Jahr
1912
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Jahrgang. 38 Seiten , IMM- Unsere gestrige Abendausgabe umfaßt 8 Seiten, die vorliegende Morgennummer 2t Seiten, zusammen Das Mchtiglte. * Die Erste Sächsische Kammer trat am Mittwoch zu ihrer ersten Sitzung nach den Ferien zusammen. (S. Landtagsber. Seite 1t.) * Die Zweite Sächsische Kammer er ledigte am Mittwoch mehrere Kapitel des außer ordentlichen Etats, sowie eine Anzahl Eisendahnpetitionen. (S. Landtagsber. Seite 14). * Die konservative Fraktion der Zwei ten Sächsischen Kammer hat eine Interpella tion über den geplanten Kohlenabbau in den Harthwaldungen eingebracht. (Siehe Landtagsber. Seite 1t.) * Das Urteil im Spionageprozeß wird heute mittag verkündigt. (S. Dtschs. R. Seite 12.) * Die Italiener haben die Befestigungswerke von Kunfida (Rotes Meer) zerstört. (S. bes. Art. Seite 2.) * Nach einer gestern abgehaltenen Verhandlung vor der Zweiten Strafkammer des Landgerichts, die mit der V e r u r t e il u n g des Angeklagten, Roll kutschers Dölle, endete, brachte sich der Ver urteilte bei seiner Abführung aus dem Gerichts saal im Korridor des Gerichtsgebäudes aus einem Revolver zwei Schüsse bei und verletzte sich schwer. (S. Gerichtssaal Seite 14.) Die Wagen ües Naülkslismus. Ein Mahnruf am Jahrestage der Reichsgriindung. Du Bois-Reymond meinte, daß Radika lismus ein Denkfehler fei. Die deutschen Parteipolititer sind zum großen Teile anderer Ansicht. Wer nicht radikal ist, erscheint ihnen als dumm, einfach dumm. Nehmen wir einen Mann, der mit feinem Herzen an der konser vativen Partei hängt, aber zugleich Fühlung mit denjenigen Volksireisen gehalten wissen will, die zwar nicht parteitonservatlv sind, die ein Bild von der Freil-eit des Individuums und vom Fortschritt der Menschen im Herzen tragen, die aber auch dem Deutschen Reiche und der Mo narchie zugetan sind. Ein solä-er Mann wird von denen, die sich heute als die berufenen Hüter der konservativen Sache betrachten, nicht als voll angesehen. Man rechnet ihn zu den „un entschlossenen, mittelparteilich gerichteten konser vativen Wählern", und stellt ihm den „entschlos senen, disziplinerten, seiner Verantwortung sich bewußten konservativen Wähler" gegenüber. Es haben ja einige Konservative der ersten Art ihre Stimme erhoben, aber inan hat ihnen bedeutet, daß sie nichts von Politik verständen. „Echte" Politiker und „echte" Konservative sind nur die Radikalen. Ganz ähnlich sieht es auf der libe ralen Seite aus. Nur wer sich ganz schroff zur Gegenseite verhält, gilt als „echt" liberal; nur wer einseitig ist, ist scharfsinnig, nur wer ganz von Parteigesinnung erfüllt ist, ist ein Charakter. Es wird in diesen Wahltagen ge radezu zum Grundsatz gemacht, nur das Parteimäßige, nicht das Vaterlän dische zu sehen, nur an die Gegenwart, nicht an die Zukunft zu denken. Früher sprach man sowohl in konservativen, wie in liberalen Kreisen davon, daß das Va terland über die Partei zu stellen sei. Man sprach wegwerfend vom Fraktionsgeist, stolz von den höheren Zinnen, auf denen nicht nur der Dichter s.'ehcn sollte, mit geschichtlichem Ver ständnis von der Verblendung und der Maßlosig keit des Parrcigeistes, mit tiefer Bekümmernis und zehrender Sorge von dem alten deutschen Hader. Die heurige Entwirklung der Parteien trägt alle Kennzeichen jener Mängel und Gefah ren in sich, aoer jetzt soll das alles kein Fehler und keine Gefahr mehr sein. Wer es doch dafür hält und deshalb bekämpft, ist ein sentimen taler, welisremdrr Idealist oder etwas Schlim meres. Auch wir sind nicht für unnötige Sentimen talität; was überlebt ist, muß fallen. Aber, daß der wahre Politiker und Patriot an der Eigenschaft, sich keine Gedanken über die Folgen seines Handelns zu machen, erkannt werde, möchten wir doch nicht unterschreiben. Auch die Schnelligkeit der Entwicklung galt bisher nicht als Beweis innerer Festigung. Die Tat sache läßt sich nicht wegleugncn, daß vor wenig Jahren die Konservativen die überragende Macht der auf konfessioneller Grundlage aufgcbauten Zcntrumspartei für g jährlich und den Versuch, mit den Liberalen zusammen zu arbeiten, für annehmbar hielten. Aehnlich umgekehrt. Jetzt glauben die Konservativen im Zentrum den besse ren Weggenossen gefunden zu haben, die Libera len, mit der sozialdemokratischen Klassenpartei, die den nationalen Gegenwartsstaat verwirft, dasjenige Einvernehmen Herstellen zu können, daß sie mit den Konservativen nicht aufrechter halten konnten, obwohl diese doch auf dem Bo den des Gegenwartsstaates und der Verfassung stehen. Das bedeutet eine Frontschwenkung um etwa 90 Grad. Soll das Schwenken fröhlich weiter gehen? Soll uns die nächste Wahl eine Fühlungnahme zwischen Liberalen und Zentrum, zwischen Konservativen und Sozialdemokraten bringen? Es ist das Bedenklichste an der reißend schnel len Entwicklung, daß man sich nicht vorstellen kann, wie Leute, die an diesem schnellen Wechsel Gefallen finden, wieder zur Beständigkeit zu rückkehren können. Wer den Gaumen an ge pfefferte Kost gewöhnt hat, dem erscheint die einfache Speise als schal und fade; wer sich geübt hat, alle gesetzgeberisch parlamentarische Arbeit am Staate, wie sie die letzten Jahre der Legislaturperiode des Reiches brachten, als bureaukratisches Kleinwerk anzuschen, den muß der Wunsch nach ungeheuren staatlichen und so zialen Umwälzungen schließlich ähnlich in Bann schlagen, wie einige der Jbsenschen Gestal ten die Sehnsucht nach dem „Wunderbaren". Die Tage nach dem ersten Wahlgang, für den die Bezeichnung „Hauptwahl" nicht mehr paßt, haben mehrere erfreuliche Kundgebungen bürger lichen Gemeinsinnes gebracht. Wir betrachten cs schon als erfreulich, daß ein Zusammengehen der bürgerlichen Parteien nicht geradezu als „verboten" angesehen wird. Aber darüber ist doch auch Klarheit geschaffen, daß weder von der deutsch-konservativen, noch von der national liberalen oder fortschrittlichen Parteileitung eine allgemeine Parole gegen die Sozialdemo kratie ausgegcben wird. Unter dem 15. Jan. versicherte die deutsch-konservative Kreuzztg. „auf das allerbcstimmteste" aus ihrer Kenntnis der Parteistimmung, daß, wenn sich die Liberalen überhaupt zur Stichwahlhilfe gegen die Sozial demokraten verpflichten wollen, sic höchstens einige unentschlossene, konservative Wähler — also die von der oben geschilderten Art — zur Hilfe bereit finden würden. Der Satz war so schroff, daß man zunächst geneigt war, an einen Druck fehler zu glauben. Und der am nächsten Tage vereinigte geschäftsführende Ausschuß der natio- nalliberalcn Partei hat nur das Zusammengehen mit dem Fortschritt zur allgemeinen Richtschnur gemacht, nicht dagegen die Bekämpfung der So zialdemokratie. Auch die Theorie, die bürgerlichen Parteien müßten erst ihren Streit ordentlich ausfechten, nachher würden sie sich schon wieder zusammen finden, hat erheblichen Abbruch nicht erlitten. Die Parteien zeigen für Erwägungen, die ihnen Mäßigung und ein Einlenken in die Bahn des Friedens gebieten, kein Verständnis. Immer tie fer hinein in die Verbitterung, immer weiter weg voneinander — das scheint das Reiseziel der meisten zu sein. Möge das Beispiel der Stich wahl des Königreichs Sachsen und der aus ihnen hervorgehendcn bürgerlichen Abgeordneten eine starke Gegenwirkung gegen die Kräfte der Zer splitterung bieten und das dreifache „Seid einig" predigen! Nsüowitz. Eine unbefriedigte Seele, „der im Leben ihr gött lich Recht nicht ward", ist aus der Zeitlichkeit ge schieden. So sagen's »eine Freunde und der 72jährige Joseph Maria v. Radowitz besaß viele Freunde. Sein Lebensweg hatte überhaupt des freundlichen Sonnenscheins viel empfangen. Man braucht den alten Kehrreim: „Und wer den Papit zum Vetter Hai" . . .. nicht zu leiern: es ist selbstverständlich, daß der Sohn eines königlichen Beraters mit tüchtiger Vorpatentierung in die diplomatische Laufbahn ein tritt. Der General v. Radowitz hat freilich weder einen Minlsterposten bekleidet noch der Kamarilla angehört, welche das Ohr Friedrich Wilhelms 'V. vielleicht mehr besaß als Otto o. Manteuffel. Aber jener Rebenregierung der extremen Rechten arbeitete bekanntlich eine zweite der sehr gemäßigten ent gegen, und das Parallelogramm ihrer Kräfte zeichnete der Diagonale des „Ober'euffels" von selbst ihre Richtung vor. Inmitten des „Hie Gerlach—Kreuzzeitung" von rechts und Die parlamentarische Unfrucht barkeit üer Svstslüemakrstie. Seit ihrem Eintritt in den Deutschen Reichstag ist die Sozialdemokratie unfruchtbar geblieben. Ihre ganze bisherige Tätigten ist darauf beschränkt gewesen, den Ausbau der Gesetzgebung, wie über haupt die parlamentarische Tätigkeit zu hemmen oder zu erschweren, sei es durch ein völlig zweck» totes Hinausziehen der Verhandlungen oder durch das stereotype Verneinen jedes, auch des bestgemeinten Vorschlags zur Hebung und zur Förderung des Volkswohles und des Reiches Dieses System des Verneinens steht in der Ge schichte des Parlamentarismus aller Länder einzig in seiner Art da, und es ist unbegreiflich, daß trotz ihrer handgreiflichen parlamentarischen Unfruchtbar keit ein fortgesetztes Anwachsen dieier Partei seither möglich war. Eine Erklärung für dieie eigenartige Erscheinung ist wohl nur dann zu finden, daß es die Führer jener Partei meisterhaft verstehen, die Masse ihrer Anhänger über diese parlamentarische Unfruchtbarkeit hin wegzutüujchen, einmal durch die unaufhörliche abfällige Kritik an allem Bestehenden und namentlich durch die absicht liche Verschiebung der leitenden Gesichts punkte bei jeder Art von sozialer Gesetzgebung, zu der sich bis jetzt die gegenwärtige Staats- und Gesell schaftsordnung dereitgecunden hat. Die sozialdemokratischen Motive liegen dabei für jeden, der für Wirklichkeit und Tatsachen noch nicht den Blick verloren hat. offen zutage. Die Sozialdemokratie will durch ihr beständiges Negieren' den sozialpolitischen Ausbau unserer Gesellschaftsordnung unterbinden. Sie will nicht die Hebung des Volkswohlstandes, nicht ein Erstarken der Nation, sondern das Gegenteil, eine Verschlechterung der allgemeinen Lage in po litischer wie wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht. Denn nur in einem Zustand allgemeiner Unzu friedenheit und wirtschaftlicher Depreßion blüht ihr Weizen, da reift die Frucht jahrzehntelanger Ver hetzung. Selbstverständlich haben die Führer der roten Internationale zu keiner Zeit versäumt, das wahre Zi»l ihm Varnichtungapolitik mit dem Deckmantel der Biederkeit zu verhüllen, und leider erweist die große Zahl ihrer Anhänger, die sie noch immer besitzen, daß ihnen diese Maskerade nur zu gut ge lungen ist. Die fortgesetzte Weigerung ihrer Reichs- tagsfraktion, an dem Ausbau der sozialpolitischen Gesetzgebung mitzuarbeiten, bemäntel! die Sozial demokratie damit, daß sie «amtliche, von der Reichsregierung oder den bürgerlichen Parteien eingebrachte Entwürfe für unzureichend erklärte und den vorgeschlagenen Bestimmungen Zusätze anzufügen suchte, die die geplanten Für sorgemaßnahmen zu unerträglichen Lasten für Staat und Gesellschaft gemacht haben würden. Wenn dann, wie dies natürlich war, die bürgerlichen Par teien oder die Regierung diesen extremen Forde rungen ihre Zustimmung versagten, jo benutzten die sozialdemokratischen Parlamentarier die absichtlich hervorgerufene Meinungsverschiedenheit dazu, nur Emphase zu erklären, sie sehen sich außerstande, die geplanten Eeietzoorschläge zu akzeptieren, und es ge lang ihnen leider wiederholt, wenoolle Errungen schaften auf sozial- und steuerpolitischem Gebiet lahmzulegen oder Gesetzentwürfe dieser Art zu ver stümmeln oder zu Fall zu bringen. Nur gegen die heftigste Opposition der social, demokratischen Partei sind beispielsweise die segens reichen Maßnahmen der Alters- und Jnvailditärs-, Kranken- und Unfallversicherung zu Gesetzen erhoben worden. Ihren politischen Zweck aber, nämlich den arbeitenden Klaßen du^ch die «oziale Füriorgegeietz- gebung den handgreiflichen Beweis zu liefern daß es dem Gegenwarisslaate ernst ist mit der Absicht, Mißstände auszugleichcn und zu befeitigen, die sich aus der modernen Wirtschastsentwicklung für die minderbemittelten Volksschichten ergeben hoben, haben jene ReichsgOletze sozialer Fürsorge leider nicht er füllt. Nicht weil sie nicht dazu geeignet gewesen wären, sondern lediglich weil die sostaldemotratlsche Verhetzung den Volksschichten, denen die staatliche Fürsorge zugute komm:, vielfach die Freude an diesen Einrichtungen vergällt. So ist auch jetzt wieder die großzügige Reform, die die neue Re ichs ver« icherungsordnung mir all ihren Leroesserungen oarstellt und die dem deut schen Wiriichcutsleben eine jährliche Belastung von weit über 1090000000 auierlegt, nur wieder lür die Sozialdemokratie eine willkommene Gelegenheit zur Verhetzung der arbeitenden Massen. Die sozial» demokratische Fraktion bes Reichstages hat auch bei diesem bedeutungsvollen Ge etzeswerk sozialer Für sorge wieder alles versucht, die Vorlage zum Scheitern zu bringen. Sie hat Anträge gestellt, die aus acht fache Mehrbelastung der Versicherungs nehmer. d. h. nicht nur der Arbeitgeber, sondern auch der Arbeitnehmer Hinausliesen, und behauptet nun den Wählern gegenüber, sie habe nicht für die Ge.etze stimmen können, weil ihre Forderungen nicht angenommen worden wären. Sie verschweigt aber, daß ihre Anträge unannehmbar waren, weil weder die Reichsregierung noch die bürgerlichen Parteien die Verantwortung aus sich nehmen tonnten, dem Lohnarbeiter den achtiacyen Betrag seiner heu tigen Beitragsleistung zu den Versicherungen aufzu» burden. Doch nicht nur aus der Arbeiteriürsorgegesetz- gebung erweist sich die sozialdemokrati che Reichs- tagsfraktion als ein Hemmschuh der sozialpolitischen Entwicklung unseres Reiches, sondern auch aus dem Gebiete der Steuergesetzgebung. Das hat am deut lichsten ihr Verhalten gegenüber der Reichswert zuwachssteuer dargetan. Sie hat gegen das Gesetz gestimmt, das den unverdienten Wertzuwachs zur des „Hie Radowitz Wochenblatt" von links stürmte der seines eigenen Weges nicht sichere König durch die Not der Zeiten, dem Wild- und Rheingras Bürgers vergleichbar zwischen schwarzem und lichtem Genius. Daß dies verworrene Getriebe am Hofe des Preußenkönigs eine vorzügliche Elementarschule für den zum Diplomaten-Handwerke vorbestimmten Sohn des Generals werden mußte, be reift sich von selbst. Und als er, solcher Eindrücke des frühen Jüng lingsalters voll seine zusammenhängende Vor bereitung begonnen hatte, da hatte er bald das Glück, in die Hochschule des Bismarck der besten Jahre ausgenommen zu werden. Es war nicht leicht, den Ansprüchen des Meisters genug zu tun. Die gar zu willigen Schüler hatten meist kein Talent, und die Begabten waren ihres Eigenwillens wegen erst recht nicht zu brauchen, v. Raoowitz erfüllte beide Bedingungen. So war denn auch jein Aufstieg rasch und zlänzeno. Es mochten mit die Ueberlieferungen eines Vaters sein, die ihm die Orientalia zum Lieb- ingsstudium machten. Wahrscheinlich harte Bismarck ihn von Anfang an für Konstantinopel bestimmt; er liebte es aber bekanntlich nicht, Anfänger in der Umgebung sich heraufarbeiten zu laßen, b^r sie später als Vorgesetzte vorstehen sollten. So sollte denn Radowitz seine intimere Kenntnis des Orientes sich auf dem Beobachtungsposten Athen erwerben. Als er das Alter erreicht hatte, in dem ein alter Römer das Konsulat bekleiden durste, kam er als Botschafter nach der türkischen Hauptstadt. Hier galt es, einen Neubau auszuführen. Während der Kriegsjahre hatte Prinz Heinrich VIl. von Reuß das Deutsche Reich vertreten und die russenireundlichen In struktionen Bismarcks mit dem ganzen Ungeschicke des Nichtlönners buchstäblich befolgt, da er das Organ nicht mit auf die Welt gebracht batte, Ge heimschriften Zwischen den Zeilen zu entziffern. Die Türken von 1878-1882 betrachteten Deutschland so ziemlich als einen unselbständigen Trabanten Ruß lands, und solchen pflegt sich eine noch stärkere Abneigung zuzuwenden als dem Eefolgsherren selbst. War an sich ein solches Verhältnis nicht wünschenswert, so wurde seine schleunige Besserung rur dringenden Notwendigkeit gemacht durch Rußlands herausforderndes und undankbares Verhalten gegen Deutschland nach dem Berliner Kongresse, v. Radowitz kam, sah und siegte. In seinem Jahrzehnt (1882—1893) gestalteten sich die deutsch-türkischen Beziehungen so glücklich um, daß der junge Kaiser Wilhelm I«. 1889 zum ersten Male nach Stambul kommen und die Türkei als einen wichtigen Faktor in die deutschen Zukunftsrechnungen einstellen durfte. Nadowitz hatte das stnwiürä work seines Lebens geleistet. Man raunte von baldiger Kanzlerschaft. Da fiel ein Meltau auf die Blüten seines Ehr geizes. Bei einer Meinungsverschiedenheit spielte er den „alten Kurs" des gestürzten Kanzlers gegen den „neuen Kurs" aus, in einer Periode, da der Draht zwischen Berlin und Friedrichsruhe am schlechtesten funktionierte. Er fiel in Ungnade und sollte über sein Versehen einige Jahre nicht fern von Madrid, sondern eben in Madrid Nachdenken. Wahrscheinlich war es zunächst nicht bös gemeint, und gerade der fähige Diplomat hätte es verhältnismäßig leicht gehabt, wieder einzurenken, was aus den Gelenken gesprungen war. Aber nun kam der große Fehler seines Lebens. Radowitz spielte den Gekränkten, Verkannten mit Undank Belohnten, Kaltgeitellten. Er verschaffte sich eine Presse, die sein mißachtetes Verdienst allsonnabendlich auszuposaunen hatte. Er klagte, daß seine Fähigkeiten m Madrid brachgelegt seien. War's Menschenunkenntnis, datz er nicht bedachte, wie das die Mindestgeeignete Art war. sich in Empfehlung zu bringen? Oder fühlte er selber leine Einseitigkeit, nur auf vertrautem Boden leisten zu können? Denn daß es in Madrid für einen deutschen Diplomaten „nichts zu tun" gäbe, mögen seine Freunde anderen weismachen. Wurde doch eben in der spanischen Hauptstadt von dem großen Kanzler der Schachzua vorbereitet, der Na poleon IN. im Juli vor die Wahl zwischen diploma tischer Niederlage oder Waffengang unter ungünstigen Umständen stellre! Und wenn es Herrn v. Radowitz gelungen wäre, seine Stambuler Erfolge am Manza nares zu wiederholen: wer weiß, ob Deutschland nicht für seinen diplomatischen Marokko-Feldzug eine stärkere Position vorbereitet wäre, als die, in der Radowitz zu Algeciras eine halbe Niederlage erlitt? Den unbefriedigenden Epilog seiner so glück verheißend begonnenen Laufbahn, ver in den andalusischen Städtchen sich abgespielt hatte, empfand er ielbst stark genuu. um nicht io bald als es anging, einem unbezwinglichen Sehnen nach dem Ruhestande Raum zu geben. 1908 wurde ihm die Erlöiung Er ist ihrer nicht mehr recht froh geworden, da die Altersbejchwerden zu schnell ihre Schatten auf den Abend seines Lebens warfen. Sehr möglich, daß die ersten Vorzeichen des Alterns schon früher seme Kraft gebrochen hatten und sein Schaffen lähmten, daß so sich der Abstand des Rado witz von Madrid von dem des Goldenen Horns mit erklärt. Schwere Eingewöhnung in neue Verhält nisse, Schwäche des Widerstandes gegen Verbitterung und Mißverhältnis zwischen Selvstschätzung und fremder Würdigung sind in der Regel Vorboten des Greisentums. Den Sang vom Verbannten wollen wir seinen Intimen laßen. Es gibt kaum eine größere Fehlerquelle des historischen Urteils, als aus Bewährung in Nachgeordneter Stelle auf Eignung für die höchsten zu schließen. Das hat schon Tacitus gesagt. Nationale Wähler, erfüllt Cnre Wicht am 20. Januar!
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