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Wochenblatt für Pulsnitz, Radeberg, Königsbrück, Radeburg, Moritzburg und deren Umgegend. Rcdiairt unter Verantwortlichkeit der Denker E. Förster in Pulsnitz und Th. Al. Hertel in Radeberg. Ed. Freitag, den 8. Februar. 18ÄO« Diese Zeitschrift erscheint jeden Freitag in einem ganzen Vogen und kostet vierteljährig 7 Ngr. 5 Pf. i>r»ennw<!r»nii<,. -- Bestell ungen, Inserate aller Art, welche die gespaltene Zeile mit 8 Pfennigen berechnet werden, und in Pulsnitz und Radeberg spätestens bis Diens tags Abends, in Königsbrück, Radeburg und Moritzburg bis Montags Nachmitt. abzugeben sind, nehmen in Pulsnitz und Radeberg die Heraus geber, in Königsbrück der Kaufmann Andreas Grahl, in Radeburg der Buchbinder Günther, in Moritzburg die Post-Expedition, in Großenhayn der Buchbinder Hohlseldt, so wie alle Postämter an. vu. Harleß und die freie Kirchen gemeinde. Die Wahl des Dr. Harles! zum Oberhofpredigcr und Meepräsi denten hat bei vielen Sachsen Unzufriedenheit erregt, weil er der alten Orthodoxie zugethan ist. Man glaubt, das? dadurch Bewegung und Zwiespalt in der protestantischen Kirche des Landes entstehen könne. Da her erging neulich, in der ersten Beilage zu Nr. 17 des Dresdner Anzei ger, ein Aufru f an Alle, die einen freier» religiösen Standpunkt einneh mender Orthodoxie den Kampf zu bieten und eine freie Gemeinde zu giünden. Daß es eine wahre und falsche Orthodoxie giebt, hat noch vor Kurzem der hochverehrte von A m m v n in einer Schrift dargethan, und daß eine mittelalterliche Orthodoxie der Menschheit kein Heil bringt, das hat die Geschichte aufs klarste bewiesen. Denn als die Orthodoxie von dem vernünftigen, wahren Glauben (der durch Liebe und Tugend rhätig ist) sieh, trennte, und sich mit dem Zelvtismus und Fanatis mus wie zu einer unrecktmäßigen Ehe verband, da kamen Sprößlinge zum Vorschein, die ihr keine Ehre machten und die der Welt zum Verder ben gereichten. Solche aber waren: Verketzerungen, Inquisition, Au- ro-da—fiLS, Glaubensgerichte, Dragvnaden, Bartholomäusnächte und andere blutige Verfolgungen und Hinrichtungen auf Scheiterhaufen u. s. w. Und wenn auch das Scheusal der neuern Zeit, die M uckerei, nicht gerade eine Tochter der Orthodoxie war (denn es gab Orthodoxen, die keine Mucker waren), so sand doch dieses Ungethüm an der alten Ortho doxie seine mächtigste St ü tz e. Denn die Orthodoxie, die als Blut- und Wundentheologie Andere für sich gerecht sein laßt, und die Strafe für eigene Vergehen auf einen Unschuldigen wälzt, diese macht weiche Gewissens-und SicherheitSpvlster, die dann derjenige begierig be nutzt, der seiner Sinnlichkeit und dem Laster stöhnen, aber dabei doch die Hoffnung auf einen Himmel nicht ausgeben will. „Wer da glaubt, der wird selig," dieses Werr ergreift ein solcher und glaubt selbst das Wider sprechendste.; die Tugend aber schiebt er in den Hintergrund, weil sie mit Kamps, Mühe und Selbstverleugnung verbunden ist. Mir solch einer Orthodoxie kann aber der fortgeschrittenen protestan tischen Kirche nicht mehr gedient sein. — Man gestehe cS nur: Hätte man bisher nicht in der Politik, sowie auf dem Gebiete der Religion und Kirche den vernünftigen Fortschritt gehemmt, so wäre cs nicht zu so bc- klagenswerthen Überstürzungen gekommen. Aber Symbol- und Glaubenszwaug bewirkt, daß Mancher dann aufs andere Extrem ge rät!) und — alIen Glauben abwirst. Den RationaIis in u S eines v. Ammon, Röhr, Bretschnet der, David Schulz, Weg schei det, Paulus und Anderer hätte man begünstigen sollen, weil er nicht nur nicht gefährlich, sondern der heiligen Sache der Religion nur heilsam war, indem er die Würde Jesu und seiner Lehre am sprechendsten dar stellte, und weder zur Inquisition, noch zum scheuslichen Muckerthume führte. Aber man betrachtete ihn in höher» Regionen mit Mißfallen und — hemmte ihn, während man die alte Orthodoxie und de» Pietis mus begünstigte. Wer es aber mit Religion, Christenihum und Tugend redlich meint, der muß wünschen, daß die heiligen Lehren der Religion rational, ver nunftgemäß aufgefaßt und vvrgctragen werden. Denn nur so sind sie eine Quelle, woraus der Menschheit wahres Heil -»fließt. Denn das Chtistenthum soll „Weltreligion," d. i. Religion aller Völker, und aller einzelnen Menschen werden, nicht blos derer, die noch auf niederer Bildungsstufe stehen, sondern auch der Gebildetsten, Gelehrtesten unter den Menschen. Das ist aber nur möglich bei einer vernmisigemäßen Auffassung und Mitthciluug desselben. Eine freie Kirchengemcinde würde demnach nur eine solche sein, die ihre» Glauben an die heiligen Lehren der Religion und des Christenthums nicht sowohl auf erzählte Wunder und Zeichen, als vielmehr auf die innere Wahrheit und beseligende Kraft der selben gründet; die sich frei macht von Mciischcnsatzungen, Sym bol z w a n g, und von de» irrigen Vorstellungen einer finster» Zeitperivde (von denen die Symbolverfasscr »och nicht frei waren), und die also nur Das für ein heiliges GvttcSwort hält, was mit einer gebildeten Vernunft, mft einem verfeinerten sittlichen Gefühle, und mit den Ergebnissen der Wissenschaft und der Erfahrung überein stimmt; die also jeden Augenblick „inne wird", daß sic an dem Christcn- thume eine wahre Hcilsaiistalt für die Menschheit hat. (Joh. 7, 17,) Sollte aber eine freie Gemeinde eine solche sein, die sich etwa frei zu machen suchte von dem Glauben an eine Gottheit und deren Vor sehung, von der Befolgung der moralischen Lehren des Christen- thums und von dem Glauben an ein Lebe» der Unsterblichkeit und Vergeltung; die sich erhaben wähnte übör das, was seit 18 Johrhun- derten in religiöser Hinsicht das Wahrste und Beste war, und wodurch die europäische Menschheit erst auf die Stufe der geistigen und sittlichen Bild ung gekommen ist, sollte diese freie Gemeinde eine solche sein, die über das Heilige überhaupt und über Jcs-un, den Heiland, zu spotten, „das Strahlende zu ichwärzen und das Erhabene in den Sraub herabzuzieheu" wagte, und welche die Ehe verachtete, gesetzliche Ordnung ver kannte und mit jenem Franzmanne das Eigen th um für einen Diebstahl erklärte; sollte sie ihre Freiheit in der Ungebundenheit und Zügellosigkeit suche», und ihre Aufklärung in Ableugnung der heiligsten und tröstlichsten Wahrheiten seyeur fürwahr^