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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 23.08.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-08-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100823016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910082301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910082301
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-08
- Tag 1910-08-23
-
Monat
1910-08
-
Jahr
1910
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Ämtsvlatt des Aales und des Nolizeiamtcs Ser Stadt Leipzig. Llnzeigen-Preis tär Inierale au» Leipzig und Umgebung dl, Sgelpaltene bt> mm breit» Petit»«»» 2S ch, di« 74 mm breite ReNametelle l »on autioärt« llv H, Reilamen 1.20 Inserate von Bebdrden >m amtlichen Letl di« 74 mm dritte Petitzeil» 40 2P «eschaittan,eigen mit P ahvorichristen an» in der Abendautgab« ini Preise erhöht, piubatl nach Laris. Beilagegedühr ö ». Lausend exkl. Postgebühr. isestertellt« Ansträge können mcht »urück- ,e»ogen werden, gür da« Erscheinen an bestimmten Lagen und Plätzen wird kein» Garantie übernommen. Anzeigen. Annahme: vagustusplatz 8P bei «amtlichen Filialen u. allen Ailnoncea- ülpeditionen de» In» und Luiilande«. Haupt-Filiale Berlin: s«rl Duncker, Her,ogl. vapr. Hofbuch» Handlung, Lützowftiaße 10. (Telephon VI, Nr. 40-3). Haupt.-iltale Dre«b»nr Eeestraße 4,1 (Telephon 4621). Nr. 232. Dienstag, üen 2S. klugult lSio. 104. Jahrgang. Das Dlchüglte. * In Gegenwart des Kaisers fand am Montag auf dem Truppenübungsplatz Posen eine größere Gefechtsübung statt. (S. d. bes. Art.) * Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht die Er gebnisse des Reichshaushalts für das Rechnungsjahr 1909. (S. Letzte Dep.) * Das Königspaar von Spanien ist von London nach Paris abgereist. * Präsident Madriz von N i c a r a g u a soll sich zur Flucht vorbereiten; die amerikanischen Einwohner der größeren Städte fühlen sich sehr be unruhigt. (S. Ausl.) * Zn Berlin wurde eine stark frequen tierte Spielbank auf Aktien von der Kriminalpolizei aufgehoben. (S. Tageschr.) * Das Kruppsche Fabriklaborato rium in Essen ist in die Luft geflogen. Man zählt bis jetzt drei Tote. (S. Tageschr.) * Die Waldbrände im westlichen Montana (Bereinigte Staaten) haben eine ungeheure Ausdehnung angenommen. Tausende von Men schen flüchten landeinwärts. 180 Forstbeamte werden vermißt. (S. Tageschr.) Die Ssüener. Wir wollen uns ja hüten, die „Badenser" zu schreiben. Denn diese Bezeichnung gilt den Bewohnern des Musterländles als Be leidigung, als Anmaßung, als norddeutsche Frechheit. Und die Sozialdemokraten Badens, von denen und deren Partei tag die Rede sein soll, haben vor nehmlich bekundet, daß sie gegenüber nord deutschen Aeußerungen von einer Sensibilität sind, wie sie besser für kaffeehausluftatmende Heimatsdichter als für Leute, die den Massen hall der Arbeiterbataillone kräftig im Munde führen, zu paffen scheint. Merk würdig: gute Deutsche wollen die Leute von der roten Observanz durchaus nicht sein. Zur selben Stunde, zu der in Offenburg die Redeschlacht wogte, hat der große preußische Genosse Ernst es auf der Generalversammlung der sozial demokratischen Wahlvereine Groß-Berlins beifallumtost ausgesprochen, daß die sozialdemo kratische Arbeiterschaft, falls an das Reichstags wahlrecht gerührt werde, kein Interesse mehr an der Existenz des Deutschen Reiches habe. Das ist soviel an Landesverrat, wie man sich nur irgend leisten kann, ohne mit dem Staatsanwalt in Konflikt zu kommen. Als Demonstration in diesem Sinne war es gedacht, als Demonstration wurde es aufgefaßt und be jubelt. Schlechte Deutsche zu markieren, das ist der Herren Freude und Programm. Aber gute Partikularisten sind sie allewege. Schonen also auch wir die partikularistischen Empfindlichkeiten der Süddeutschen, wenn wir darangehen, uns die Bedeutung ihrer Rede schlachten in Mannheim klar zu machen. Ganz ernsthaft: diese Mannheimer Tagung mit ihren Beschlüssen hat eine gewisse Bedeutung. Die weit überwiegende Mehrheit der Landespartei hat sich auf die Seite der Frank und Kolb gestellt. Für Budgetbewilli gung und Hofgängerei! In diesem Zeichen hat die badische Landtagsfraktion gesiegt. Hat ge siegt, trotzdem Genosse Geck grimmig das bart- und haarumbuschte Haupt schüttelte und alle Künste seiner radikalen Demagogie spielen ließ. Hat gesiegt gegen den Parteivorstand; gegen den Mehrheitsbeschluß des Parteitags von Nürnberg. Gesiegt gegen das radikale Wüten der Genossen blätter in Leipzig und Berlin. Ja, dieses Wüten hat ihr sogar den Sieg erleichtert. Denn nun konnte man den süddeutschen Parti- kularismusaufputschen. „Es ist der Gipfel der Dreistigkeit, wenn Preußen darüber bestim men sollte, wem wir unser Vertrauen geben", so klang es auf die Forderung zurück, die badischen Landtagsvertreter sollten ihre Mandate nieder legen. Und „frivole, wahrheitswidrige, erlogene Berichterstattung" wurden dem „Vorwärts" und der „Leipziger Volkszeitung" vorgeworfen. Daß Vie partikularistische Be geisterung sich bis zu dem Satze steigerte, die Badener behielten sich allein das Recht vor, ihre Abgeordneten zu kritisieren, ist zu niedlich, als daß es nicht ausdrücklich angemerkt werden sollte. Der Sonntag war für den roten Radikalis mus ein (lies nekastus. Nicht nur die Mann heimer Tagung, nicht nur, daß hier auch alles Revolutionsgerede schonungslos verworfen und verspottet wurde: auch die Hessen haben sich am gleichen Tage auf die Seite der Oppor tunisten geschlagen. Mit 48 gegen 30 Stimmen geschah's auf das Korreferat des geschickten Dr. David hin. Und die dreißig Gegner der Reso lution waren zum guten Teil nur gegen den Disziplinbruch, nicht gegen die Budgetbewilligung als solche. Und die Bayern hatten den Ge nossen in Baden eigens einen Bevollmächtigten geschickt, der ihnen nicht nur Zustimmung, sondern warmen Zuspruch zu bringen hatte. „Marschiert fleißig weiter, wir Bayern sind dabei." Kurzum: die Mainlinie hat sich gähnend zwischen den Genossen von Süd und Nord aufgetan. Wann wird ein Bismarck kommen dieser Partei? Ein Bismarck, der die Mainbrücke schlüge? Die Frage kann der helläugige Genösse — diese Spezies einmal vorausgesetzt — nur mit einem matten Seufzer beantworten. So weit man blickt in den Reihen der Vertrauens männer in Süd und Nord und in der Mitte — eine Reihe von ganz netten Kapazitäten zweiten Ranges; einige Demagogen allerersten Ranges; und unter den sozialdemokratischen Schrift stellern einige (wenige) feine Köpfe, die daher auch ständig Außenseiter sind und in ewigem Kriege mit der Orthodoxie liegen. Das ist die ganze Ausbeute. Niemand, der übers Dutzendmaß ragte. Kem Staatsmann. Ob es Bebel gekonnt hätte? Müßige Frage. Bebel ist alt und matt. Sein Ansehen in der Partei ist groß. Aber er hat nicht mehr viel andere Bedeutung, als die Leiche des Cid, die, den Feinden zum Schrecken, den Mitkämpfern zum Herzenstrost, noch einmal aufs Schlachtroß gebunden und ins Getümmel vorsichtig sorglich hineingeleitet wurde. Und Singer? Der Rest ist Schweigen. Die Zeiten sind für die Sozialdemokraten schlecht. Mögen sie sich noch so geschickt in Magdeburg wieder einigen — was noch durch aus dahin steht —, die Stoßkraft fängt an zu mangeln. Die nächsten Reichstagswahlen werden das noch nicht erkennen lassen. Aber vor dem übernächsten Wahlkampf, der hoffent lich ohne ein so langes und schweres Sünden register der Regierung und der bürgerlichen Parteien ausgefochten werden wird, darf es jedem Zielbewußten gelinde gruseln. Ssilertsge in Polen. Gefechtsübung aus dem Truppenübungsplatz. Am Montagvormittag fand auf dem Truppen übungsplatz Posen eine größere Gefechts übung statt. Der Kaiser begab sich im Auto mobil hinaus und stieg um 7 Uhr in der Nähe des - Barackenlagers zu Pferde. Anwesend waren der Kronprinz, die Prinzen Eitel Friedrich, August Wilhelm und Oskar, der komman dierende General Graf Kirchbach. Die Leitung der Uebung lag in den Händen des Generalleutnants o. Sch a ck. Es war eine blaue Partei unter General major Westernhagen und eine rote unter General major Harbou gebildet. Die blaue Partei bestand aus dem Erenadierregiment Nr. 6, zwei Bataillonen des 16. und zwei Bataillonen des 47. Regiments, zwei Eskadrons Königsjäger zu Pferde und dem Feldartillerieregimnt Nr. 20, die rote Partei aus den Znfanterieregimentern Nr. 14 und 148, drei Eska drons Königsjäger und einem kombinierten Feld artillerieregiment. Es entwickelte sich ein lebhafter Kampf mit Kavallerieattacken und heftigem Artilleriefeuer, der gegen 9 Uhr beendet war. Nach der Kritik nahm der Kaiser einen zweimaligen Vor beimarsch der Truppen ab. Es hatte strömender Regen eingesetzt. Der Kaiser, vom anwesenden Publikum und den zahlreichen Schulen stürmisch be grüßt, ritt nach dem Barackenlager, nahm an der Frühstückstafel der Offiziersspeiseanstalt des Lagers teil und kehrte hierauf um 121/2 Uhr mittels Auto mobils nach Posen zurück. Auszeichnungen. Der Kaiser hat u. a. folgende Ordensauszetch- nungen verliehen: die Königliche Krone zum Roten Adlerorden 2. Klasse mit Eichenlaub dem General- leutnant v. Schack. Kommandeur der 10. Division, die Königliche Krone zum Roten Adlerorden 3. Klasse mit der Schleife dem Oberstleutnant Scherbenin g, Chef des Generalstabes des 5. Armeekorps, den Kgl. Kronenorden 2. Klasse dem Obersten Pf lieg er, Kommandeur der 10. Feldartillene- brigadc, und dem Obersten z. D. Jung, Komman- - deur des Landwehrbezirks Posen. Der Kaiser hat I den kommandierenden General des 5. Armeekorps General der Infanterie Grasen o. Kirchbach ä la suir« des Infanterieregiments „Graf Kirchbach" (1. Niederschlesisches) Nr. 46 gestellt. Die Kronprinzessin in Enesen. Die Kronprinzessin traf im Automobil von Pofen kommend vormittags 11 Uhr vor Bethesda in Enesen ein in Begleitung der Oberhofmeisterin Frei frau von Tiele-Winckler und des Regierungspräsi denten Dr. v. Günther und wurde von den städti schen Behörden empfangen. Die Begrüßungsansprache hielt der Erste Bürgermeister Schoppen. Nach einer Besichtigung der Anstalt erfolgte um 12^ Uhr die Rückfahrt nach Posen. Aus Anlaß der Posener Festtage hat das „Posener Tageblatt" eine 24 Seiten starke, reichillustrierte und gutausgestattete Fe st nummer erscheinen lassen, die in Wort und Bild das alte und das neue Posen behandelt, in der sich daneben aber auch eine Reihe hochangesehener Persönlichkeiten in sehr bemerkenswerter Weise über die Ostmarken frage ausspricht, so Fürst Bülow, die Staats minister Frhr. v. Rheinbaben und v. Köller, der Reichstagspräsident Graf v. Schwerin- Löwitz, der Präsident der sächsischen Zweiten Kammer Dr. Bogel, die Parlamentarier v. Tilly, Graf Westarp, Viereck und Professor Wetzel (Eß lingen), der Oberpräsident von Westpreußen v. Zagow, ferner der Vorsitzende des Ostmarkenvereins Major a. D. v. Tiedemann (Seeheim), Gesandter a. D. Raschdau, Geheimrat Witting, die Universitäts professoren Kühnemann und Kaufmann (Breslau), Zorn (Bonn), Witkowsky (Leipzig) u. a. Einer eingehenden Beschreibung des neuen Posener Schlosses und seiner Umgebung von E. Einschel sind zahlreiche prächtige Bilder bei gegeben, ebenso einem Aussatze von Geheimrat Stubben über die Posener Stadterweiterung und einem Aufsatz von Geheimrat Pr. Prümers, Direktor des Posener Stadtarchivs, über das alte Posener Piastenschloß. Der Landeshauptmann Dr. v. Dziem- bowski legte eingehend die Erfolge der erst zehn Jahre alten Selbstverwaltung der Provinz Posen dar. Die in Zweifarbendruck hergestellte, von Hanns Anker mit künstlerischen Randzeichnunyen versehene Fest nummer wird vom Verlage, soweit der Vorrat reicht, für 30 Pf. abgegeben. Zum Dahlkampk in ZMupsu-Marienberg wird uns geschrieben: Der Wahlkampf in diesem heißumstrittenen Kreis erreicht jetzt in den letzten Tagen vor der Wahl seinen Höhepunkt. Von den drei Parteien, die um das Mandat kämpfen, werden die größten An strengungen gemacht, um die Wähler über deren prin zipielle Bedeutung zu unterrichten. Im Gegensatz zu dem von der Sozialdemokratie oft verspotteten schwachen Besuch der bürgerlichen Versammlungen stand di« am 19. August im Kaisersaal in Zschopau von liberaler Seite abgehaltene Ver sammlung, in der Reichstagsabgeordneter Dr. Stresemann zugunsten der Kandidatur Brodaus sprach. Zn dem zum Teil von Stühlen geräumten Saal hatte sich eine Kopf an Kopf gedrängte Menge von etwa 1200 Personen eingefunden, darunter eine gute Hälfte Sozialdemokraten. Dr. Stresemann legte in ungefähr anderthalbstündigen Ausführungen die Stellung des Nationalliberalismus zur gegenwärtigen politischen Lage dar. Er betonte, daß auf dem Gebiet der nationalen Fragen und auf dem Gebiet der Wirt schaftspolitik eine Annäherung der liberalen Gruppen sich immer weiter vollzogen habe, und daß es deshalb für den Liberalismus, wenn er sich zu größerer Gel tung in Deutschland bringen wollte, notwendig sei, die Uebcreinstimmung seiner Anschauungen nament lich auch in kultureller und geistiger Hinsicht dem etwa Trennenden voranzustellen. Anderseits sei es nach Lage der Sache bei dem gegenwärtigen Klassen charakter der Sozialdemokratie für die bürgerlichen Parteien eine Pflicht, sobald schon Entscheidungen zwischen der Sozialdemokratie und den Bürgerlichen gefallen wären, den Kandidaten der bürgerlichen Parteien als ihren Vertreter anzusehen. Den Haupr- inhalt seiner Ausführungen aber bildete etne Beleuch tung der Stellung des Liberalismus gegenüber dem Sozialismus in der Gegenwart. Mit lautloser Spannung hörte die Versammlung, obwohl sie reich lich mit organisierten Sozialdemokraten durchsetzt war, den Darlegungen des Redners über die Stellung des Sozialismus zum nationalen Staat, zu Heer unv Flotte, zu Kolonien, Weltpolitik, Wirtschaftspolitik sowie Sozialpolitik zu, Ausführungen, die selbst dem Redakteur der „Chemn. Volksstimme" Heilmann das Geständnis abrangen, daß sie großzügig gewesen seien. Nachdem der Kandidat Landgerichtsrat Brod aus seinerseits auf verschiedene Fragen des Wahl kampfes zurückgegriffen und im wesentlichen seine völlige Uebereinstimmung mit dem Referat des Reichstagsabgeordneten Dr. Stresemann betont hatte, verteidigte Redakteur Heilmannden Stand- punkt der Sozialdemokratie in sachlicher, manchmal vorsichtig abwägender Weise. Er bemerkte bei seinen Ausführungen, wie die Sozialdemokratie mit ihren Theorien ins Schwanken kommt, sobald man einmal an die Wurzel dieser Ideen schlägt. Blieben doch von dem ganzen Militärsystem der Sozialdemokratie nur noch die Demokratisierung des Heeres durch Be seitigung der Adelsvorherrschaft — eine alte liverate Forderung! — und eine allmähliche Abrüstung übrig. Um den Eindruck dieser fachlich schwächlichen Erwide rung zu verwischen, bemühte sich Heilmann, Gegensätze zwischen Nationalliberalen und Freisinnigen scharf zu pointieren und damit Uneinigkeit in die liberalen Parteien zu bringen, ein Versuch, den Generalsekretär Dr. Westenberger entschieden zurückwies, indem er betonte, daß der nationalliberale Landesverein ein. mütig für das Kompromiß eingetreten sei. Zn seinem Schlußwort ging Dr. Stresemann nochmals auf die Heilmannschen Ausführungen ein. Bezeichnenderweise hatten die Genossen vorher zum Teil versucht, das Lokal zu verlassen, um die Gegen ausführungen nicht anzuhören. Für die liberale Kandidatur war die glänzend verlaufene Versamm lung, die erst kurz vor 3 Uhr früh ihr Ende fand und an der leider viele bürgerliche Wähler Zschopaus wegen Sperrung des Saales nicht mehr teilnehmen konnten, ein großartiger Erfolg. Am gleichen Tage sollte für die Kandidatur Fritsche der reformerische Reichstagsabgeordnete Werner in G o r n s d o r f sprechen. Nachdem in dem großen Ort Eelenau sechs Wähler zu seiner Versammlung erschienen waren, von denen sich vier als Gegner entpuppten, hatte sich gutem Vernehmen nach in Gornsdorf ein ganzer Wähler ein gefunden, um sich persönlich von dem Ende der Re formpartei zu überzeugen. Agrarische Ssmptesmeile. Daß die von Lujo Brentano zum Internatio nalen Areihandelskongresse in Antwerpen auch von uns eingehend gewürdigte Denkschrift über „Die deutschen Getreidezölle" den Agrariern einigen Verdruß bereiten würde, war zu erwarten. Alles nur erdenkliche Material, das gegen das Fort bestehen der hohen Eetreidezölle in Deutschland ver wertet werden kann, ist in dem Merkchen zusammen getragen und zu einem einheitlichen Ganzen gefügt worden. Auch auf gegnerischer Seite hat man erkannt, daß die bedeutsame Denkschrift den Auftakt zu einem neuen Ansturm gegen die Eetreidezölle bilden wird. Nach altem Muster versucht man es aber nicht mit einer sachlichen Widerlegung der freihänd lerischen Argumente, sondern reißt einige Brocken aus dem Zusammenhänge der Schrift heraus, stellt diesen einige verbrauchte Schlagwörter gegenüber, verbrämt das Ganze mit einigen persönlichen Verunglimp fungen und glaubt nun (oder glaubt man es etwa gar nicht?) den Feind tödlich getroffen zu haben. Ein Muster für die Methode, die man im agrarischen Lager anzuwenden pflegt, um die Anhänger mit unbeque men publizistischen Erfolgen der Gegner bekannt zu machen, bieten die Ausführungen, die die „Deutsche Tagesztg." das führende Bündlerorgan, der Bren- tanoschen Denkschrift vor kurzem widmete. Daß bei der reichlichen schriftstellerischen Tätig keit, die Brentano entfaltet, dieser oder jener Punkt der Darlegungen seiner Denkschrift schon früher ein mal erwähnt worden ist, wird zunächst dahin verall gemeinert, daß die Brentanosche Arbeit fast nichts Neues enthalte, vielmehr die „alten Ladenhüter.. , meist in derselben Aufmachung, wieder vorgeführt" würden. Nachdem so dem Leser die nötige Vorein genommenheit beigebracht worden ist, wird „an eini gen Proben" gezeigt, „wie oberflächlich, wie wenig wissenschaftlich und wie gehässig Professor Brentano arbeitet". Diese Proben bestehen in eimgen aus dem Zusammenhangs gelösten Sätzen, die nicht etwa wört lich angeführt werden, woran sich dann allgemeine Redensarten in der bekannten Ausdrucksweise bünd- lerischer Agitatoren knüpfen. Besonders fällt das Blatt über Brentanos Behauptung her, daß die deutsche Landwirtschaft in steuerlicher Hinsicht so sehr entlastet worden sei, daß sie in einigen Ländern tatsächlich keine Steuern mehr trage; daß Brentano den Nachdruck auf das „tragen" im Gegen satz zum „zahlen" legt und dies dadurch erläutert, daß er mit den Morten fortfährt: „jedenfalls aber mehr vom Staate empfängt, als sie ihm an Steuern zahlt", fällt natürlich in der „Deutschen Tageszeitung" unter den Tisch. So behandelt das führende Biindlerblatt. eine Arbeit, die das Resultat der gesamten wis senschaftlichen Forschung über die Getreide zölle bildet, dasselbe Blatt, besten Freunde Adolf Wagner anjohlten, als er es wagte, einmal etwas öffentlich zu vertreten, was dem Agrariertum nicht in den Kram paßte. DeuMes Reich. Leipzig, 23. August. * Kaiser Wilhelm als Träger des Friedens-Nobel preises. Diese von Heit zu Zeit wiederkehrende Nachricht nimmt jetzt in folgender, aus Christiania stammender Fassung ihren Weg durch die Presse: ^Jn informierten Kreisen Norwegens findet die Nachricht, daß Kaiser Wilhelm Träger des nächsten Friedens-Nobelpreises sein werde, ernste Beachtung. Als Grund der Verleihung wird angeführt die Haltung Kaiser Wilhelms in der Annexionskrisis, durch die blutige Konflikte vermieden wurden. Ferner die verschiedenen Aufmerksamkeiten, die Kaiser Wilhelm dem norwegischen Volke erwiesen hat. Man spricht gleichzeitig davon, daß Kaiser Wilhelm die Verleihung des Nobelpreises nicht un gern sehen würde. Anderseits ist die Stimmung des norwegischen Volkes durch die wiederholten Nordlandfahrten des Kaisers, die eine enorme An schwellung des reichsdeulschen Touristenverkehrs zur Folge hatten, eine für Kaiser Wilhelm sehr günstige gewordene." — Wir haben vor einiger Zeil dargclcgt, weshalb wir den Inhalt der Meldung für wenig glaubhaft halten. * Das Goldene Blies für den Großherzo- von Hessen. Prinz Ferdinand Maria, Jnfant von Spanien, ist am Montagvormittag von München nach Darmstadt abgereist, um dem Großherzog von Hessen im Auftrage des Königs von Spanien das Goldene Blies zu überreichen. Von evangelischen deutschen Fürsten besitzt unseres Mistens nur Kaiser Wilhelm das spanische Goldene Vlies. Das öster reichische Goldene Vlies kann nur an katholische Fürsten verliehen werden. * Au» dem Au»»8rtiyen Amt. Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: In allerhöchstem Auftrage machte am Sonntag Staatssekretär von Kiderlen-Wächter dem japanischen Botschafter einen Besuch, um die Teilnahme des Kaisers anläßlich der lieber« schwemmungen in Japan auszusprechen. — Zu Ehren des serbischen Ministers des Aeußern
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