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Sehnsucht und Siegeszuversicht drängt sich unmittelbar auf. So überhöht eine von Goethe ausdrücklich geforderte „Siegessymphonie" mit feuriger, stürmischer Kraft Egmonts Schlußworte: „Schützt eure Güter! Und euer Liebstes zu erretten, fallt freudig, wie ich euch ein Beispiel gebe." Diese Siegessinfonie krönt auch die (von Beethoven zuletzt komponierte) Ouver türe. Als Sonatenhauptsatz mit langsamer Einleitung und Stretta-Coda entspricht die formale Anlage dem programmatischen Anliegen: Ideengehalt und Hand lungsverlauf des Trauerspiels werden in konziser Konzentration vorweggenom men. Eine herrische Sarabande charakterisiert als spanischer Tanz die Unter drücker, schmerzerfüllter Holzbläsersatz birgt das Leid der Unterdrückten. Verhal ten bahnt sich Aufbegehren an, in jäher Tempoverschärfung setzt der Kampf ein. Eine aufstrebende, weitgedehnte Melodie erfährt durch ein zugleich erklingendes gewaltig abstürzendes Gegenthema beziehungsreiche Deutung, weist es doch auf Mehuls Bläser-Ouvertüre, ein charakteristisches Werk französischer Revolutions musik; das in ihr gleichfalls häufig verwandte, aus Beethovens 5. Sinfonie nach drücklich bekannte „Schicksalsmotiv" treibt die Auseinandersetzung der „Egmont"- Ouvertüre energisch voran. Das zweite Thema gestaltet den simultanen Konflikt sukzessiv: auf das abrupt zugespitzte Tyrannenthema antwortet das sicherer ge wordene Volk, das in kühner enharmonischer Ausweichung gleichsam aus der Knechtschaft auszubrechen scheint. Knapper, schroffer Durchführung folgt nach veränderter Reprise eine brutale Komprimierung der Welt Albas im Kampf gegen die Niederländer, bis mit der schneidend niedersausenden Quarte der Violinen Egmonts Kopf fällt. Aber aus choralartiger Trauer bricht im überraschenden Übergang aus düsterem Moll in strahlendes Dur mit unwiderstehlicher Gewalt der revolutionäre „eclat triomphal" der Siegessinfonie. Hier geht Beethoven über den Dichter hinaus. Was bei Goethe als Traumvision erscheint - Schiller spricht von einem „Salto mortale in die Opernwelt" — ist in Beethovens Musik lebendige Wirklichkeit geworden. Goethe selbst erkannte un umwunden an: „Beethoven ist mit bewundernswertem Genie in meine Intentionen eingegangen.“ Für eines seiner „vorzüglichsten" Werke hielt Beethoven seine 7. Sinfonie A - D u r o p. 9 2 , die tatsächlich auch von ihrer triumphalen Uraufführung an bis heute stets ein Lieblingswerk des Publikums wie der Dirigenten gewesen ist und schnell eine außerordentliche Popularität errungen hatte, wenn es auch anfangs, durch die Kühnheit und Neuartigkeit dieser faszinierenden, aber höchst eigenwillig gestalteten Komposition bedingt, nicht an kritisch ablehnenden Stimmen fehlte. Die von Beethoven 1811 begonnene (einzelne Skizzen reichen schon in frühere Jahre zurück) und 1812 vollendete Sinfonie wurde zusammen mit der naturalisti schen Programm-Sinfonie „Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei Vittoria" in einem Wohltätigkeitskonzert zugunsten verwundeter bayrisch-österreichischer Sol daten, die Napoleon 1813 in der Schlacht bei Hanau geschlagen hatte, am 8. De zember 1813 in Wien uraufgeführt und versetzte dabei, ebenso wie in den bald darauf folgenden Wiederholungen, die Zuhörer in unglaubliche Begeisterung. So schrieb die „Wiener Zeitung" zu diesem Ereignis: „Der Beifall, den Beethovens kraftvolle Kompositionen, von ihm selbst dirigiert, und die aus Eifer für die Kunst und die Sache des Vaterlandes zu diesem Feste der Kunst und der patriotischen Wohltätigkeit vereinigten ersten Künstler der Kaiserstadt bei allen Zuhörern fan den, stieg bis zur Entzückung." Als hochbedeutender künstlerischer Beitrag des vom „reinen Gefühl der Vaterlandsliebe" durchdrungenen Meisters zum Befrei ungskampf gegen die napoleonische Herrschaft steht das aufrüttelnde, Elan und aktivierende Kraft ausstrahlende Werk gewiß mit der Zeit seiner Entstehung in ideellem Zusammenhang, wenn es sich hier wohl auch weniger um direkte pro grammatische Bezüge handelt. Da Beethoven zu der „Siebenten" im Gegensatz zu der vorangehenden 6. Sinfonie (Pastorale) keinen Schlüssel für eine bestimmte programmatische Deutung gegeben hat, hat das Werk immer wieder zu mancher lei, zum Teil sogar recht seltsam phantastischen Erklärungs- und Deutungsver suchen gereizt, die allerdings meist nur gewisse Wesenszüge, nicht aber seine Gesamtheit erfaßten. Besonders berühmt wurde Richard Wagners von der un- gemein starken Betonung des rhythmischen Elements in dieser Schöpfung aus gehende Deutung als „Apotheose des Tanzes"; Robert Schumann wiederum faßte die Sinfonie als Schilderung einer Bauernhochzeit auf, und der Musikwissen schaftler Arnold Schering legte sie gar nach Szenen aus Goethes „Wilhelm Mei sters Lehrjahre" aus. Indessen kann man mit derartigen, doch schließlich am Äußerlichen haftenden Erklärungen kaum der Eigengesetzlichkeit dieser Musik, ihren besonderen Ausdrucksmitteln gerecht werden. Das Grundelement eines vitalen, pulsierenden Rhythmus, der sich als alles beherrschende, alles gestaltende Kraft erweist (charakteristischerweise gibt es in der ganzen Sinfonie, ebenso wie in der „Achten", keinen langsamen Satz), aber auch eine interessante, neuartig bereicherte Harmonik, eine eng verzahnte Thematik und eine überaus großzügige, kühne Linienführung schufen zusammenwirkend hier ein strahlend-glanzvolles Werk überschäumender Lebensfülle von festlicher Heiterkeit bis zu ausgelassen stem, wild entfesseltem Taumel, in dem Beethoven in schöpferischer Entwicklung zu absolut neuen Ordnungen und Formungen vorgedrungen ist. Mit einer breit angelegten, wie abwartend wirkenden langsamen Einleitung, die unmerklich zum Hauptsatz (Vivace) hinführt, beginnt der erste Satz. Das lebens sprühende, in punktiertem Sechsachtelrhythmus stehende Hauptthema durchzieht als dominierende rhythmische Grundfigur den gesamten, wechselvollen Stim mungen unterworfenen Satz, der trotz an sich frischen, hellen Charakters doch be reits, ähnlich wie später das Finale, reich an schroffen dynamischen Kontrasten, kühnen Modulationen, starken Ausdrucksspannungen und Steigerungen ist. Der zweite Satz, von Beethoven als erster entworfen, bildet das Kernstück der Sinfonie und erregte von Anfang an besondere Aufmerksamkeit und Begeiste rung. Dieses von tiefer Empfindung beseelte, wunderbare a-Moll-Allegretto ist in erweiterter dreiteiliger Liedform angelegt; während der erste Teil ein ernstes Thema in gleichsam gebrochenem Marschrhythmus bringt, dem als Gegenstimme eine innige, ausdrucksvolle Melodie der Celli und Violen beigegeben ist, wird im gesangvollen, freundlichen Mittelteil besonders der Gegensatz zwischen Moll und Dur wirksam. Nachdem am Schluß noch einmal die Marschweise aufgenommer wurde, schließt das Stück, wie es auch begonnen hatte, mit einem fragenden Quartsext-Mollakkord. Im dritten Satz, einem verhältnismäßig ausgedehnten Scherzo, fällt die damals innerhalb einer A-Dur-Sinfonie ungewöhnliche Wahl der Tonart F-Dur auf. Der lebensfrohe, kapriziöse Presto-Satz rauscht in funkelnder, sprühend-jugendlicher Ausgelassenheit an uns vorüber, zweimal kontrastierend unterbrochen von einem lyrischen, liedhaften Trio-Teil, dessen Thema einem Zeitgenossen Beethovens zu folge einem österreichischen Wallfahrtsgesang entnommen sein soll und dessen besonderer Effekt eine sogenannte liegende Stimme, hier der Klang des fest gehaltenen Tones a, darstellt. Voller bacchantischem Überschwang gibt sich schließlich das stürmische Finale. Vor allem die Kühnheiten, die zahlreichen melodischen und metrischen Wiederholun gen, die Orgelpunkte, und überhaupt die „Aufgeknöpftheit" dieses ausgelasse nen Satzes wurden Anlaß für kritische Äußerungen der Zeitgenossen, und man hat ihn einmal sogar als „Gipfel der Gestaltlosigkeit" bezeichnet. Ein ungestümer Ausbruch heftiger Leidenschaften, von elementarem Rhythmus umtost, trägt aber gerade das in jubelndem Tutti endende Finale des Werkes charakteristischste Züge der eigenwillig-genialen Persönlichkeit seines Schöpfers. Programmblätter der Dresdner Philharmonie — Spielzeit 1969/70 — Chefdirigent: Kurt Masur Redaktion: Dr. Dieter Härtwig Die Einführung in die „Egmonf'-Musik schrieb Dr. J. Beythien Druck: veb poiydruck, Werk 3 Pirna - 111-25-12 1,5 l'tG 009-82-70 (•hilhamnomi SONDERKONZERT zum Abschluß der II. Dresdner Sommerfesttage 1970