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Sächsischer Landes-Anzeiger : 22.02.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-02-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-188802224
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18880222
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18880222
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1888
-
Monat
1888-02
- Tag 1888-02-22
-
Monat
1888-02
-
Jahr
1888
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 22.02.1888
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— Nr. 44. — 8. Jahrgang. Der jeden Wochentag Abend (mit Datum de- folgenden Tage») zur Versendung gelangende „Sächsische Landes-Anzeiger" mit täglich einem besonderen Unter haltungsblatte und mit dem Extrabeiblatt Lustige» Bilderbuch kostet bei den Ausgabe stellen monatlich 70 Psg., bei denPost-Anst. 7b Pf. (1886er ZtgS.-PreiSlist« Nr. Mb.) Für Abonnenten crscheint je einmal im Jahr: Sommer-Eisenbahnfahrplanheft für Sachsen. Kinter-Eisenbahnfahrplanheft für Sachsen. Jllustr. Aalender de» Sächsischen Landboten. Jllustrirte» Jahresbuch des Landes-ilnzeiger». Sächsischer Mittwoch, 22. Februar 1888. Lil«i>ks-A«skiskl mit „Chemnitzer* Stadt-Anzeiger". Unparteiische tägliche Zeitung für Sachsen und Thüringen. . , stetitzeile)3« BeiWIederhvlnng großer AnnoncenRabatt. Bei Bestellungen von AuswSrt» wolle man Jnsertionsbetrag (in Briefmarken) beifügen (je 8 Silben Corpusschrist bilden ca. IZeue.) Annoncenannahuie nur bi» Bormittag. Mn: MMw Me. Buchdriickeret. Chemnitz. Theaterstraße 5 (Fernsprechstelle Nr. ISS). Telegr -Adr-: LandeS-Anzeiger, Chemnitz. Mit täglich einem besonderen Unterhnltnngsblatt: i. Kleine Botschaft - 2. Sächsischer Erzähler - 3. Sächsische Gerichts-Zeitung 4. Sächsisches Allerlei - 5. JUuftrirtes Unterhalt,,,,asblatt - 6. Sonntagsblatt - Ertra-Beiblatt: Luftiges Bilderbuch. Amtliche Bekanntmachungen. Im Handelsregister für den S adtbezirk des Unterzeichneten Amtsgericht« wurde heute auf Folium 3098 der Firma Oeffentliche Cenditioniranstalt zu Chemnitz P. Hunger in Chemnitz und als deren Inhaber der Chemiker Herr Paul Richard Hunger daselbst eingetragen. 12. - , Chemnitz, am 18. Februar 1888. Königliches Amtsgericht. Telegraphische Nachrichten. Vom 20. Februar. Prag. Bei dem Bankett, welches das deutsche Kasino zur Begrüßung der Gäste des deutschen Theaters veranstaltete, wurde gelegentlich der Tischreden gegen den Liechtenstcinschen Antrag ge sprochen. Bürgermeister Bodenbach erklärte unter stürmischer Zu stimmung der Anwesenden: „Wenn der Antrag auch Gesetz wird, so werden wir uns doch nicht beugen; wir treten ans der katholischen Kirche aus. Tausende denken wie wir." Wien. Die „Pol. Corr." meldet: Das russische Kabinet hat die Verhandlungen in Betreff Bulgariens bereits eingeleitet. Nun mehr wird die Mittheilung des formulirten russischen Vorschlages erwartet. Rußland wünscht eine Kollektiv-Erklärung der Kabinette bei der Pforte, welche die Stellung des Prinzen von Coburg als eine ungesetzliche vcrurtheilt; auf Zwangsmaßregeln wird Bezug ge nommen. — In Regierungskreisen verhält man sich zu dem russischen Vorschläge in Betreff Abgabe einer Kollektiv-Erklärung in Konstan tinopel rescrvirt, aber nicht vorweg ablehnend; der gute Wille Ruß lands findet Anerkennung, und man räumt ein, daß der Vorschlag diskussionsfähig sei. San Nemo, 21. Februar, Mittags. Der gestrige Tag war im Befinden des deutschen Kronprinzen seit der Operation der beste. Auswurf nur gering. Politische Rundschau. Chemnitz, den 21. Februar. Deutsches Reich. Aus San Remo publizirt der „Deutsche Reichsanzeiger" vom Montag folgendes Bulletin: San Remo, 20. Februar, 11 Uhr 35 Minuten Vormittags. Der Schlaf Sr. K. K. Hoheit des Kronprinzen war durch anfallsweise auftretendes hef tiges Husten unterbrochen. Kein Fieber, Auswurf reichlich, wie früher, und bräunlich gefärbt. Das Allgemeinbefinden ziemlich gut. Mackenzie. Schräder. Krause. Hovell. von Bergmann. Bramann. — Das klingt nun allerdings wenig günstig und das Schlimmste ist der bräunlich gefärbte Auswurf. Solcher Auswurf kommt fast stets beim Krebs vor, kann natürlich auch von etwas Anderem herrühren. Wir sagten schon, daß die Entscheidung über die Natur der Krankheit unmöglich noch lange auf sich warten lassen kann, und das neueste Bulletin bestätigt diese Annahme. Die Halskrankheit ist darnach recht Weit vorgeschritten, denn nur dadurch ist der heftige Husten zu er klären. Das ziemlich gute Allgemeinbefinden verdankt der Kronprinz seiner noch vorhandenen Körperkraft; leider ist aber das Halsleiden das Ausschlaggebende. Eine genaue Untersuchung des Kehlkopfes wird im Augenblick noch vermieden, um die Wunde nicht unnütz zu reizen. Die Kehlkopfuntersuchung nach der Tracheotomie ist ohnehin schwierig, da die Athmung durch die Kanüle, nicht durch den Kehl kopf geschieht und in Folge dessen der Kehldeckel sich nicht hebt. Am Montag war der Kronprinz von der unruhigen Nacht etwas ange griffen, verließ aber doch für einige Zeit das Bett. Am Tage' ließ der Husten wieder nach. Die Zimmerluft und die Wirkungen der Krankheit haben natürlich ihren Einfluß auf den Körper des Kron prinzen nicht verfehlt und die Aerzte wünschen deshalb lebhaft, ihren Patienten, für kurze Zeit wenigstens, in die frische Luft bringen zu können. Augenblicklich ist das Wetter nicht dazu angcthan. Eine unmittelbare Gefahr liegt nach menschlichem Ermessen nicht vor; ist die Krankheit bösartig, so kann ein Zwischenfall indessen ganz plötzlich eintreten. Glücklicherweise gicbt die Natur des Kronprinzen noch die Gewähr dafür, daß nicht so leicht eine rapide Verschlimmerung sich geltend machen wird. Gerüchte von einer Ueberführung des hohen Kranken nach Berlin sind müßige Redereien. Ein solcher Transport schlösse Lebensgefahr in sich. Auch Kaiser Wilhelm denkt noch nicht an eine Reise nach der Riviera, wenngleich der Wunsch, den Kron- prinzcn zu sehen, natürlich ein lebhafter ist. Um die jetzige Jahreszeit bietet die weite Reise über die Alpen auch für den greisen Herrn schwere Gefahr. — Laut kaiserlicher Kabinetsordre erfolgt in diesem Jahre die Ein stellung der Rekruten bei der Kavallerie in der Zeit vom 1.—6. Ok tober, im Uebrigen vom 5.—10. November. — General der Infanterie von Werder, Gouverneur von Berlin, ist mit längerem Urlaub in Folge einer Einladung des Zaren nach Petersburg gereist. Herr von Werder war bekanntlich früher deutscher Militärbevollmächtigter in Rußland. Politischen Zweck hat die Reise nicht. — Die nationallibcrale „Rat. Ztg." bringt folgende Auslassung gegen den Minister von Puttkamcr: „In der Schweizer Presse, und zwar auch in Blättern, welche das Vorgehen des Züricher Polizei- hauptmanns Fischer entschieden gemißbilligt haben, wird lebhafte Be schwerde darüber laut, daß dieser schweizerische Beamte jüngst in öffentlicher Reichstagssitzung von Herrn von Puttkamer als „Subjekt" bezeichnet wurde. In Folge eines verwunderten Zwischenrufes hat Herr von Puttkamer diesen Ausdruck allerdings korrigirt, aber so obenhin, daß cs begreiflich ist, wenn man sich in der Schweiz trotz dem verletzt fühlt. Seit seinem Amtsantritt, den Herr von Puttkamer mit einem merkwürdigen Exkurse auf das Gebiet der auswärtigen Beziehungen feierte, hat er mit der Berührung derselben Unglück. Sie ist nicht seines Amtes, und die Gesammthaltung der deutschen Politik dem Auslande gegenüber bürgt dafür, daß dieser nichts fer ner liegt, als kleine Nachbarn brüskiren zu wollen." — Zur allgemeinen Lage schreibt die „Nordd. Allg. Ztg.": „Die Ermöglichung einer hoffnungsreicheren Auffassung der europäischen Lage hängt u. A. wesentlich auch von der Wiederaufnahme des Ge dankenaustausches zwischen den leitenden Mächten ab; und unter diesem Gesichtspunkte können Meldungen, denen zufolge die Verhandlungen in der bulgarischen Frage wieder ausgenommen wären und zu einem günstigen Resultate führen dürften, nur eine günstige symptomatische Deutung erfahren. Bei dem wohl allseitig vorhandenen ehrlichen Willen, sich zu einigen, erscheint cs von höchster Wichtigkeit, wenn das Eis der Zurückhaltung und Entfremdung überhaupt nur erst einmal anfängt, ins Treiben zu gerathen; dafür, daß keine über schwenglichen Hoffnungen sich vor der Zeit hervorwagen, ist immer noch in ausreichendstem Maße gesorgt." — Aus Paris wird tele- graphirt: Frankreich wurde von einem Schritte Rußlands bei den Der anwesende deutsche Militär-Attachee Hauptmann Schröder wurde um Uebcrmittelung dieser Resolution ersucht. Die Kapelle der Frei willigen spielte das „Heil Dir im Siegerkranz!" — Die englische Regierung hat dem Kapitän des deutschen Dampfers „Saxonia", Reuter, in Anerkennung seiner bei der am 1. und 2. d. M. erfolgten Rettung der schiffbrüchigen Mannschaft der britischen Schiffe „Lilian" und „Isabel" erwiesenen Menschenfreund lichkeit einen silbernen Pokal zum Geschenk gemacht. Außerdem er hielt der erste Offizier der Saxonia aus gleichem Alrilaß eine goldene Rettungsmedaille und einen Feldstecher. 4 Matrosen erhielten die silberne Rettungsmedaille uud Geldgeschenke. Italien. Ucber die im Falle eines Krieges gegenwärtig ver fügbaren Streitkräfte Italiens bringt das römische Militärblatt „Esercito" eine Zusammenstellung, aus welcher Folgendes erhellt: In« Feld stellen könnte Italien sofort 94 Infanterie-Regimenter und 12 Regimenter Bersaglieri (Schützen) mit zusammen 318 Bataillonen» ferner 7 Regimenter (75 Kompagnien) Alpentruppen; an Reiterei 24 Regimenter zu je 6 Schwadronen; an Artillerie 12 Regimenter Feld artillerie zu 14 Batterien, 5 Regimenter Fcstungsartillerie zu 15 Kompagnien, 1 Regiment Gebirgs-Artillerie und 1 Regiment reitende Artillerie; ferner 4 Regimenter Genietruppen mit 43 Kompagnien Pioniere, 6 Telegraphen-, 8 Ponton-, 4 Eiscnbahnkompagnien; end lich noch 5 Kompagnien Geschützarbeiter. Die Gesammtstärke de« stehenden Heeres einschließlich der Reserve beträgt 871,299 Mann mit 33,896 Dicnstpferden und 7785 Pferden für Offiziere. Der Mobil miliz (Landwehr) gehören an 142,270 Mann ersten und 136,444 Mann zweiten Aufgebotes, zusammen 279,714 Mann, außerdem noch 17,279 Mann Spezialmiliz der Insel Sardinien. Die Territorlal- miliz, unserem Landsturm entsprechend, ist auf 1,400,838 Mann be rechnet. Alles in Allem betragen die Streikräste Italiens 871,292 Mann und 27,800 Offiziere stehendes Heer und Reserven, 278,715 Mann und 2916 Offiziere Landwehr, 17,139 Mann sardinische Spe zialmiliz, 1,400,838 Mann und 5393 Offiziere Landsturm, zusammen 2,475,533 Mann und 32,248 Offiziere und 51,682 Pferde. Die Kriegsmarine umfaßt 18 Schiffe erster Klasse (3 in Bau), 16 Schiffe zweiter Klasse, 25 Schiffe dritter Klasse (6 in Bau), außerdem 18 Torpedoboote erster Klasse, 23 der zweiten Klasse, 47 der dritten Klasse, Alles in Allem einschließlich der Last- und Transportschiff« 235 seefertige Fahrzeuge, nebst etwa 50 im Bau begriffenen. Die Besatzung der Flotte bilden etwas über 13,000 Mann mit 1000 Offizieren, die Ausrüstung besteht aus 318 Geschützen verschiedenen Kalibers. — Die Italiener sind bei Massauah schön heraus! Nach weiteren Meldungen von dort bestätigt sich die Nachricht, daß die Sudan-Araber den abessynischen Truppen bei Goydam eine schwere Nie derlage beigebracht haben. Die Araber sind in Dembea eingedrungea Großmächten in Kcnntniß gesetzt, dessen Zweck ist, die Ungesetzlichkeit! und haben schon die alte abcssynische Hauptstadt Gondar besetzt. Die Schelm von Bergen. Historische Novelle von A. von Limburg. Fortsetzung. Nachdruck verboten. Zum würdigen Beschluß dieses mannigfach bewegte» Turnicr- tages gab am Abend desselben der Reichsschulthciß Fryberg den vielen vornehmen Gästen der Stadt ein glänzendes Gastmahl. Der Kaiser und alle übrigen Fürsten und Herren hatten sich in der großen Fest- Halle des Fryberg'schen Hauses eingefundcn, zur heiteren Nachfeier der festlichen Spiele; nur der Kanzler Reinald fehlte. Ei» plötz liches Unwohlsein gab den leicht gefundenen Vorwand für sein Nicht erscheinen ab. Er konnte und wollte seinen Unmuth darüber nicht verwinden, daß die Kaiserin über ihn triumphirt hatte. Dem Kaiser sowohl wie dem Fryberger zürnte er; dem erstcren, weil er abermals dem Ein- ^ flusse Adelheids unterlegen war; dem anderen, weil er seiner Mei nung nach das ihm gegebene Versprechen nicht pünktlich innegehalten. Unter allen Umständen hätte der Schultheiß durch seine Trabanten den Stahlecker der Stadt fern halten müssen. Der Geächtete durste gar nicht bis zu dem Platze, wo das Turnier stattfand, hingelangen, denn dort war natürlich Alles dem Einflüsse und den Befehlen der Kaiserin unterthan, und diese hatte ihre Maßregeln nur zu wohl getroffen. So war sein wohldurchdachter Plan an den Ränken der Boh- burgerin gescheitert und daran, daß der Fryberger es an der nöthigen Tharkraft hatte fehlen lassen in der Ausführung dessen, was er mit Wort und Handschlag gelobt. Der Unmuth des Kanzlers wurde noch durch den Gedanken verschärft, sich selbst nicht freisprechen zu können von einer sonst ihm doch nicht gewohnten Lässigkeit, indem er der Umsicht des Schultheißen zu unbedingt vertraut hatte, trotzdem er von dem Scharfsinn des arglosen Mannes keine allzu große Meinung hegte. Er gedachte mit Hellem Zorn daran, wie er eS hatte mit an- srhen müssen, daß ein mit der Reichsacht bestrafter Aufrührer frank und frei mit Fürsten und Rittern auf offenem Plan turnierte, und daß er nicht die Macht gehabt, eS zu verhindern. Der Kaiser, offenbar voreingenommen und durch seine Gemahlin auf die mit Sicherheit erwartete Einsprache des Kanzlers vorbereitet, der Herrschaft des Fürsten von Bulgarien konstatiren zu lassen. Der Sultan soll dabei den ersten Schritt thun. — Münchener Blätter berichten, Graf Ranzau, der Schwieger sohn Fürst Bismarcks, werde an Stelle des Grafen von Weither», der aus dem diplomatischen Dienst geschieden ist, zum preußischen Gesandten in München ernannt werden. — Die Reichstagskommission zur Berathung des Antrages über die Sonntagsruhe begann am Montag ihre Arbeit. Ein Beschluß ft noch nicht gefaßt. — Im preußisch-belgischen Grenzbahnhofe Wclkenrädt fand dieser Tage eine außerordentliche Prüfung des aus Deutschland gekommenen Güterzuges statt. Eine große Zahl Tonnen, die nach der Angabe des Absenders Oel enthalten sollten, erwiesen sich mit Branntwein gefüllt. Mehrere tausend Liter wurden beschlagnahmt. Die Sendung Zollte nach Lüttich gehen. — Aus London wird telcgraphirt: Bei Gelegenheit der Preis- verthcilung an die besten Schützen der Freiwilligen von Westminstcr nahmen diese einstimmig eine Resolution an, in welcher dem deutschen Kronprinzen die achtungsvolle Bewunderung und die ernste Hoffnung auf baldige Verwirklichung des Wunsches des deutschen Volkes und ganz Europas nach Genesung Sr. K. K. Hoheit ausgesprochen wird. hatte die Mittheilung desselben von der Anwesenheit des geächteten Pfalzgrafen nur mit einem etwas ungläubigen Lächeln und dem aus gesprochenen Wunsch, das Fest in keiner Weise gestört zu sehen, be antwortet, so daß dem Kanzler nichts Anderes übrig blieb, als sich schweigend zu fügen. Immer tiefer aber wurde gegen seine siegreiche Gegnerin die Erbitterung in seiner Brnst, immer fester stand der Beschluß vor seiner Seele: daß sie weichen müsse, früher oder später! Der Junker von Dassel hatte, bevor er sich zu dem Gastmahl des Frybcrgers begab, dem Ohm ein Wort seiner Schwester mitge- theilt, das diese beim Ende des Turniers, flüchtig an ihm vorüber streifend, ihm ins Ohr geraunt: „Ich halte sie jetzt in meinen Händen," hatte das Fräulein gesagt, „sie kann mir nicht mehr ent rinnen! Morgen bei dem Mummenschanz im Römer wird es zum Austrag kommen; aber der Ohm muß dabei sein; sorge, daß auch er auf dem Feste gegenwärtig ist." Diese Worte Richenzas waren dem Kanzler von seinem Neffen entgegnet, als er die Absicht kundgegeben, die morgende Lustbarkeit nicht besuchen zu wollen, und wenn er sich darauf hin auch noch keiner vorschnellen Hoffnung auf die sofortige Erfüllung seines Wun sches hingeben mochte, so kannte er doch auch andererseits seine Nichte zu wohl, um annehmen zu können, daß sie eine derartige Aeußerung ohne gewichtigen Grund gethan haben sollte. — Jedenfalls aber wollte er nun am andern Tage zur Stelle sein, wo es vielleicht der Bohburgerin Verderben galt; ihr schädlicher Einfluß auf den Kaiser mußte um jeden Preis sein Ende erreichen. Die Lustbarkeiten des Mittelalters nahmen stet- sehr frühzeitig ihren Anfang, und die Dämmerung war noch nicht ganz hereinge brochen, als die große Festhalle des Römers sich schon mit den bunten Gestalten der zahlreichen Gäste zu bevölkern begann. Der Schmuck frischer Laubgewinde und Zweige war vor Jahr Hunderten schon ebenso beliebt als jetzt zum Ausputzen festlicher Räume, gleichfalls Waffen, Fahnen und Stoffverzierungen; der große Saal des alten Palastes und die angrenzenden Räume erhielten da durch ein freundliches, prächtiges Aussehen. Dagegen waren die Vermummungen, welche damals bei Masken festen an der Tagesordnung, zum größeren Theil ganz anderer Art als in späterer Zeit. Italiener sind bis Ailet vorgedrungen. Frankreich. Der Handelsvertrag mit Italien ist nun endlich abgeschlossen. Die Zollsätze des alten Vertrages bleiben wesentlich unverändert. — Die ganze Pariser Presse widmet dem deutschen Kronprinzen, wie der „Voss. Ztg." telcgraphirt wird, wirklich theil- nehmcnde Artikel. Die gleichzeitig eingetroffenen Nachrichten von der Freisprechung des deutschen Jägers Kauffmann und der Beförderung des Florentiner Richters Tosini, des unschuldigen Urhebers des be kannten Zwischenfalles, geben aber den radikalen Blättern zu neuen Angriffen auf Flourens Anlaß. So sehen die diplomatischen Erfolge aus, sagen sie, deren er sich in seinen Wahlreden rühmte. — Ein neu erschienenes Pariser Blatt „La Vie Franco-Rufse", dessen Titel bild das russisch-französische Bündniß gegen Deutschland allegorisch darstcllt, wurde am ersten Tage in 35,000 Exemplaren abgesetzt. Einzelne Zeitungen verbreiten das Gerücht, die nach Rom gekommene marokkanische Gesandtschaft solle den Papst bitten, bei der bevor stehenden marokkanischen Conferenz zu Gunsten des Sultans von Marokko zu vermitteln. England. General Lord Wolseley, Wohl die einzige englische Autorität in Militärangelegenhelten, sprach sich in wahrhaft ver nichtender Weise über das jetzige britische Exercierreglement au». Wohl sah man in dem Gewoge der bunten Menge Masken, die auch jetzt noch Vorkommen: Mönche und Atonnen, Götter und Göttinnen, Könige und Königinnen vergangener Jahrhunderte; in überwiegender Mehrzahl aber waren die phantastischen Gestalten, welche Gebilde der Einbildungskraft darstcllten: Geister, Hexen und spukhafte Ungethüme, wie sie der Aberglaube noch aus den heidnischen Zeiten überkommen, seltsame in Felle gekleidete Thiergestalten und derlei wunderliche Fratzen mehr. Alle aber waren erfüllt von der lauten, aufregenden Lust der fröhlichen Mummerei und überließen sich zwanglos den: ausgelassensten Vergnügen. Auf und ab wogten die bunten Gestalten im Saale und drehten sich im Tanz nach den lustigen Weisen der rauschenden Musik, deren laute Klänge oftmals übertönt wurden durch den Hellen Jubel der lärmenden Schaar. Eine Anzahl kleiner Kobolde mit dicken Köpfen und langen Zottelbärten fiel durch die jugendliche Geschmeidigkeit ihrer Beweg ungen und allerlei muthwillige Foppereien auf. Ihre Anzüge waren alle ganz gleich, und es wäre gewiß schwer gewesen, irgend einen Bestimmten unter ihnen herauszuerkennen. Einer von ihnen hatte indessen einen Kreidcstrich auf dem Rücken — wahrscheinlich das Er- gebniß der übermüthigen Schelmerei eines seiner Genossen — und wurde vielleicht in Folge dessen erkannt. Denn als er eben gewand! vorübergleiten wollte, hielt eine Frauenhand ihn fest und zog ihn auf die Seite. Der kleine Kobold hielt jetzt in ritterlicher Weise Stand und fragte die Nonne, deren Finger ihn noch nicht loslicßen, nach ihrem Begehr. Die fromme Frau blickte den Kleinen durchdringend an. Gleich einem blanken Dolch funkelten ihre Augen hinter dem schwarzen Schleier. „Wolfram!" Der Gnom zuckte zusammen, und die Nonne, die- gewahrend, machte unwillkürlich eine Bewegung mit dem Kopfe, welche errathen ließ, daß sie zufrieden war, gleich den Nicht zen herausgefunden zu haben. Sie zog unter ihren Schleiern rasch einen Gegenstand hervor und hielt ihn dem Kleinen zum Prüfen hin. „Erkennst Du den Handschuh Deiner Herrin?" fragte sie. Der Page nickte. Seine vorher so kecke und fröhlich ausgelassene Haltung war in scheues Zurückweichen, ja fast in Entsetzen übergegangen. Fortsetzung folgt.
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