Volltext Seite (XML)
Die alte englische Krankheit. Man kann den Engländern antworten, was man will, ihnen von maßgebender Seite nachweisen, daß sie sich im Unrecht befinden, sie bleiben unbelehrbar, wenn es sich um die Flottenfrage handelt. Vielleicht liegt dem unwillkürlich die Befolgung jenes Sprichworts zugrunde, daß niemand einen andern hinter:.! Busch suche, wenn er nicht selbst dahinter gesessen habe. Sie trauen eben uns Deutschen das zu, was sie im Falle einer tatsächlichen Überlegenheit selbst sicherlich zu tun sich nicht einen Augenblick scheuen würden. Wie sie es so ost in ihrer-auswärtigen Politik, ment unter Umhängung eines inoralischen, oölkerbeglückenden Mäntelchens, gemacht haben und noch heute tun, so stellen sie sich nach eigenem Charakter auch den der deutschen Po litik vor. Überall wittern sie Hinterlist, tückische Selbstsucht und Eroberungslust. Im Grunde genommen ein kläg liches Armutszeugnis für die eigenen Grundsätze, aber nicht allein dafür, sondern auch für das Schwinden des englischen Selbstbewußtseins, das mit seinem unendlichen, weit überlegenen Flottentroß sich offenbar vor einem Zu sammenstoß mit der so viel kleineren deutschen Flotte fürchtet. Tas aber war früher nicht der Fall, sondern die Engländer griffen auch mit einer kleineren Flotte die so viel stärkere Armada Philipps II. und die weit überlegene französisch-spanische Flotte unverzagt an. Damals besaß England noch das kecke Selbstvertrauen, zur See allen an dern Marinen überlegen zu sein, auch wenn sie zahlreicher waren als ihr eigenes Geschwader. In diesem Selbstver trauen vernichtete Nelson bei Trafalgar die übermächtige Flotte Napoleons und seiner Verbündeten und begründete damit Englands unbestrittene Seehcgemonic. Allerdings sind heute die Zeiten andere geworden und England sucht krampfhaft die ihm langsam aber sicher durch den Zwang der Gegenwartsverhältnisse entschwin ¬ dende Vorherrschaft aufrechtzuerhalten. Denn diese ist ihm allerdings nötiger denn je. Wenn England seine Flotte einbüßte, wäre es aus Gnade und Ungnade dem Belieben seiner Feinde ausge liefert. Denn es kann sich ohne Zufuhr vom Ausland, be sonders von Amerika, Skandinavien und von Rußland über Kopenhagen als Zwischenhandelsplatz keine vier Wo chen halten bei seiner geringen und meist lediglich die Vieh zucht betreibenden Landwirtschaft. Andererseits ist es aber doch auch gerade durch diese Abhängigkeit vom Aus lande gewissermaßen gesichert. Denn z. B. Nordamerika würde sich hüten, gegen seinen besten Kunden feindlich auf zutreten und auch die übrigen europäischen Länder könnten einen Verlust der englischen Kundschaft kaum je durch verstärkte Beziehungen zu andern Mächten wieder ein bringen. Auch für Deutschland ist England einer der größten Kunden, wie auch umgekehrt. Die Hunderte von Millionen, die der englisch-deutsche Außenhandel ausmacht, die bei Hinzurechnung der beiderseitigen Kolonien auf Milliarden anwachsen, kann weder der eine, noch der andere Teil an derswo wieder einbringen. Ein Krieg zwischen beiden Mächten ist aber nicht denkbar ohne eine schwere Schädigung des gegenseitigen Handelsverhältnisses. Allerdings ist Deutschland seit vier Dezennien er folgreich im Welthandel mit England in Wettbewerb ge treten und es mag England hart ankommen, mit dem früher so wegwerfend behandelten „German" konkurrieren zu müssen. Seine Furcht vor der Tüchtigkeit der deutschen Industrie, vor allem vor der Unternehmungslust und Sprachgewandtheit der deutschen Reisenden spricht aus jeder Nummer der englischen merkantilen Zeitschriften. Schließlich aber wird der rechnende Brite Gewinn und Ver lust einer so riskanten Unternehmung, wie sie ein An griffskrieg gegen Deutschland darstellen würde, doch wohl Dienstag, den 15. März 1910 72. Jahrg ton zusammen. I, üd«r»U aotlied. Redaktio«Sschl«ß: L Uhr Mittags. Sprechstunde der Redaktion: 4—S Uhr Nachmittags. II in n> an an an an rto u. aorr.) a-ixdlti Ivssvl -aoUNrttNi Nr. 60 Wichtige EreigMr. — König Friedrich August ist Sonntag auf dem österreichischen Torpedoboot „Magelt" in Triest einge- trosfen. — Der Kaiser ist Sonnabend abend 0 Uhr wieder von Bremen in Berlin eingetroffen. — Prinz Heinrich sprach sich Sonnabend in Hamburg aus dem Liebesmahl der Ostasiaten über die politischen Be ziehungen zu England aus. — Der Reuhstag nahm Sonnabend den Gotthard- bahn-Verlrag in dritter Lesung an. — Staatssekretär v. Schoen gab in der Budgetkom- mission des Reichstags zur Angelegenheit des Tr. Zint- grasf Erklärungen ab. — Tas preußische Abgeordnetenhaus setzte Sonn abend die zweite Lesung der Wahlrechtsoorlage fort. Mini sterpräsident v. Bethmann-Hollweg erklärte, daß die Re gierung sich ihre endgültige Stellungnahme Vorbehalte. — Bei den Stadtverordnetemvahlen in Dorpat hat deutsche Partei gegen die estnische gesiegt. — Bei Christiansfjord geriet ein dänischer Ausrvan- dererdampfer mit 1100 Passagieren an Bord ans Grund. Tie Passagiere konnten alle gerettet werden. — Der französische Senat setzte Sonnabend die Be ratung des Altersversicherungsgesetzes fort und nahm den Artikel betreffend die ausländischen Lohnarbeiter an. — In Belgrad wird versichert, Sultan Meluued werbe den Besuch des Königs Peter von Serbien erwidern. — Tie Teilnehmer an der internationalen wissen schaftlichen Expedition für Höhen- und Sonnenforschung undro- terie. ILUir ISO die < SOPs keine Garantie ü solar biS mittag- L Uhr. 20 Pf., kleine Anzeigen IS Pf., rahme an bestimmter Stelle wird Annahmestellen: letzte Seite. vezugSgebübr: durch die Post bezogen desgl. frei inS Haus gelteiert . . . ° durch Boten frei inS Haus geliefert . bei Abholung in der Expedition . . . Erscheint jede« Wochentag nachmittags S Uhr für den folgenden Lag. Inserate di- "" t MMlhk s DorsMiW EllMMkjsk Nm 1 sd 1211 M die W. llmtrbauplmannrcdasten Drerden-Mztadt u. 'Neustadt, das Isgl. Rmtrgeriebt Vierde», M die figl. 8uperintendenlur Dresden U, die ligl. 7or§ttent3mier Dresden, Moritrburg'm» »r ai« 8t»rli«ri> in»»«», c»»d«g,ri, roll«»!», vsdrilr. w»cd»in, MtOerpm«», ksrltwttr, I»IIIi»r. lvelttl«, ttdriNI«. ceidilir - Ntisrtt», esrttdml« unä lük l»sch«ttr, Kochmtr, weiss« Hirsch, küklau, äie cösrnilrgememtlen, vrer»«». Striesen un» Nruzmn». Beilagen: „Jllustr. Urtterhalttm,-blatt". „Nach Feierabend". „Frauen Uorrespondenz". ,^»ei»- n. «Inder,arten". „HanS- «. Gartenwirtschaft". „Fremden- «. «nrliste". Gmrsprecher: «ml Dresden Ar 809 Druck und «erlog: Elbgau-BuLdruckerei und «erlagSanstalt Hermauu Beyer L Lo.Telegramm-Adreffe r Slbgauprefse vlaiemiy e»r M«' lerllichU NuchNaH. llhlemmm. Melzer. Lcheumam, rbergerStt. ld SneuLel, llnitz« Sn. I in friedlich, rchillerpktz ilsigl er Vsmev >u r -. - »kN AO. L lstr. 17. KILetr dlistk. 12 oxmee. an llor», rdUädrot. NLmmv Itvn. ; eldschräokr d Kassette» lest, Konstrukt- e eigen« A*> brüate sn> empfiehlt ILnnntde »e«ss»lk«r, reSde« A., ndhau-str. «k. nterfenster, türvn ? IM btllin'te» »resck n stpr. «»44. Kunst, Wiffenschast, Mufik, Vorträge und Veranstaltungen. Eentraltheater. „D er T 0 ppelselb st in 0 r d", Bauernposse mit Gesang in drei Akten von L. A nzengruber, Musik von Adolf Müller. Mittags-Vorstellung, Sonntag, den 13. März, zum Besten der Rosegger-Stiftung für den deutschen Schulverein, unter Mitwirkung des Hrn. Felix Schweig hofe r, von Mitgliedern beider Hoftheater, des Zentral- und Residenztheaters, veranstaltet von Herrn Anton Til- ler, Kgl. Säch. Hofschauspieler. — Ludwig Anzengruber, der 1880 verstorbene Verfasser der Bauern-Komööien: „Pfarrer von Kirchfeld", „Meineidbauer", „Kreuzelschrei- ber", „G'wissenswnrm", „Hand und Herz" n. a., führt uns auch in dem 1878 zuerst aufgeführten „Toppelselbstmord" in das Milieu eines österreichischen Gebirgsdorfes und zeigt mit erfrischender, wahrhaft bodenständiger Kunst mit überraschend Plastischer Gestaltungskraft der Charak- terzeichnung, wie der einzelnen Situationen, bei wunder barer Einfachheit der Mittel das Leben und Treiben unter den Bauern seiner Heimat, wie es in dieser Lebendigkeit, in dieser Farbenfrische ihm nachzuahmen noch Keinem wie der gelungen ist. Ta wohnen in einem Torfe Thomas Sentner, der Bauer vom „Reichen Hof" (Herr Eggerth, Kgl. Schauspielhaus» und der „Hauderer", ein armer Häusler (Hr. Felix Schweighofer), ersterer reich, hart und protzig, letzterer arm, „grandig", aber von.Herzcn gut, schon von Jugend an in intimster Feindschaft beieinander, weil sie sich gegenseitig die Bräute wcggcschnappt haben und sie sich von jeher infolge ihrer Charakter-Gegensätze nie leiden konnten. Ein Sterben im Dorfe rafft nach Jahren auch ihre beiden Frauen hinweg, die dein Sentner einen Sohn Poldl (Herr Tiller, Kgl. Schauspielhaus) und dem „Hau derer" eine Tochter Agerl tFrau Körner, Kgl. Schauspiel haus» hinterlassen. Heranaewachsen, verlieben sich beide ineinander, doch will der Reichenhofbauer von einer Heirat seines Poldl, ebenso wie der Hauderer von der seiner Agerl, die ihm seine „Suppen" und den „Kamarilleittee" kocht, nichts wissen und es kommt zu den aufregendsten Szenen zwischen den beiden verfeindeten Vätern, als die inzwischen erwachsenen Kinder auf ihrem Willen, den Bund sür's Le ben zu schließen, bestehen bleiben. Es folgen nun Auftritte im Wirtshause, bei denen sich die Väter unter lebl)after Mitwirkung der Torfgenossen versöhnen und wieder ver feinden und schließlich, als ans der Heirat der beiden Lie benden doch nichts zu werden scheint, verschwindet das Die bespaar unter Umständen, die auf einen Toppelselbstmord schließen lassen. Alles Suchen der Torfbewohner nach den Verlobten ist vergebens nnd in dieser Lage schmilzt endlich die Rinde vom Herzen des Bauers Sentner, er geht hin zum Hauderer und bietet ihn: abermals, diesmal aufrich tig, die Hand zur Versöhnung. Der Hauderer glaubt je doch nicht an „so a Dummheit" wie einen Toppelselbst mord, er ahnt, wohin sich das Liebespaar gewendet haben wird und macht sich mit den Torfaenossen aus, um dort die Verschwundenen zu suchen. Seine Ahnung trügt ihn nicht, sie werden auch gefunden und beide Väter geben nun defi nitiv ihren Segen zu dem geschlossenen Herzensbund. — Wie im „Kreuzelschreiber" der „Steinklopferhans", so ist auch im „Toppelselbstmord" die Hauptrolle des armen Häusler Hauderer, 8em trefflichen Künstler Felix Schweigh 0 fer, der gestern schon beim ersten Erschei nen jubelnd begrüßt wurde, auf den Leib zugeschnitten. Auch in ihr erwies er, dein die Zahl der Jahre nichts anzu haben vermögen, sich als Meister der Schauspielkunst. Sein Spiel bot in seiner Echtheit, bei aller Schlichtheit der ange wandten Mittel, -den Stempel des wahrhaft Virtuosen, er wirkte ebenso eindringlich durch die lebenswahren Züge in Maske und Darstellung, die durch wahrhaft köstlichen Hu mor gewürzt wurde, als durch ticfergreifcndc Herzens äußerungen, sodaß man ost vergaß, im Theater zu sein. Tas war ganz besonders der Fall in der großen Versöh- nungsszcne im 1. Akt und in der Wirtshaus-Szene (Rau ferei > im 2. Aki. Ter Jubel - und Benall bei offener Szene und nach den Aktschlüssen wollte hierbei nicht enden und der Künstler und seine Mithelfer wurden immer wie der hervorgerufen. Zu den besten Leistungen des Stückes gehörte auch die Rolle des Bauers vom Reichen Hof durch Herrn Kgl. Hofschauspieler Eggerth, der den Bauern protz in seiner starken Krastnatur und Grobkörnigkeit ein drucksvoll zur Darstellung brachte und eine ebenfalls präch tige Type bot Herr Friese (Residenztheater > als Krämer Zangl. Mit gewohnter Kunstbcgeistcrung und viel Glück gab Herr Kgl. Hofschauspicler Tiller den „Poldl", als gesunden biederen Sohn des Gebirges und Frau Kgl. Hof schauspielerin K ö r n e r war ihm als Agerl eine ausge zeichnete Partnerin. Anch das Spiel der übrigen Mitwir- kenden, der Damen Frl. Lißl (Schauspielhaus), Frau von Loree (Zentraltheatcr), Frls. Willegk, von Schlettingen und Klein (Schauspielhaus), Frls. Menzel und Marschall (Residenztheater), Sachse, Stünzner t Schauspielhaus), so wie der Herren Gerhardt, Siegmund und Marlow (Zen- lraltheatcr), Nobuschka, Schmalnauer, und Büffel (Königl. Hosopcr), Weinmann, Pauli, Ermold und Fröhlich l Königliches Schauspielhaus), Helbig 1 Residenztheater) ist als vorzüglich zu bezeichnen, sodaß das Werk Anzengru- bers vollständig zu Ehren gebracht wurde. Auch der äußere Erfolg der Aufführung war glänzend, Herrn Lewingers Regie tadellos, dazu kam noch die feinsinnige musikalische Leitung des Kgl. Musikdirektor Pembaur und das bis auf den letzten Platz ausverkaufte Haus, sodaß auch — dank der Opsersreudigkeit der Direktion des Zentralthea ters und der aussührenden Künstler — das finanzielle Re sultat ein sehr günstiges sein wird. Ten Besuchern der Vorstellung aber wird diese Darbietung einer auserwähl ten Künstlerschaft für alle Zeiten in angenehmster Erinne rung bleiben. A. Andrae.