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MsdmfferTageblatt 85 Jahrgwrrg Nr.1. WNsdrUsf-BveHÄeM Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Postscheck: Dresden 3840 Freitag, den 1. Januar 1826 Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Da» Wilsdruffer crjcheini täglich nachm. 5 Uhr für den folgenden Tag. Bezugspreis: Bei Abholung in »er Geschäftsstelle und o.u Ausgabestellen 2 Mb. im Monat, bei Zustellung durch di« Boten L,M Ml!., bei Postdestellung » Mk. zuzüglich Abtrag- . gebühr. Einzelnummern »SPfg. «llcPostanstaltcn W0khenbla11 für Wflsdruss u. umgegeno Postbotenundunler-Au»« träger und Geschäftsstellen — U ——— nehmen zu jeder Feit B-- Aellungen eutgezcn. 5u> höherer Gcwail, Krieg oder jonstig.r Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung »er Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingefandler Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. für Äürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. geSb-eW^E?^^ ünnah^ULZU Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr.6 durch Fernruf übermittelte» A«ze,gci. üdcruehmcn ivir dr.nc Garantie. Zeder Rab-Nin,, Richtigkeit der Klag--iugezog-nw-rdenmutz°derd-rAuftraggeberinKaudmsg-rä,. Anzeigennehmet/^ Das Wilsdruffer Tageblatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannichast Weihen, des Amtsgerichts und Stadtrats z« Wilsdruff, Forstrentamts Tharandt, Finanzamts Jahreswechsel. Trübe, traurig, erbittert, tu dumps-murrendem Grollen wälzt sich durch die Straßen der großen Städte das Heer der Hunderttausende von Arbeitslosen; die Räder stehen still, obwohl doch lein starker Arni es will. Nein, die Arme recken sich aus mit dem einen Schrei: Arbeit. Immer lauter, immer — drohender hallt der Schrei. Kleine Mittel helfen ebensowenig wie ausgeklügelte Systeme hochwohl weiser Theoretiker, ebensowenig wie wohlgemeinte, aber ohnmächtige Vorschläge Einsichtiger. Hilflos sind wir an >das Rav der Entwicklung gebunden, mit unseres Schick sals leichtem Wagen rasen die Sonnenrosse der Zeit dahin. Aber, so lautet weiter Oraniens Warnung und Mah nung m Goethes „Egmont" — „uns bleibt nichts anderes übrig, als mutig gefaßt die Zügel festzuhalten, vom Steine hier, vom Sturze dort die Räder fortzulenken." Aber ist es nicht so, als wenn in diesem Wagen nicht Menschen sitzen, die er kennen, daß dem dahinsausenden Gefährt unseres Schicksals ein plötzlicher und schneller Umsturz droht, sondern Menschen, die sich betragen wie auf der Heimfahrt von einer wild-fröhlichen Hochzeit?! Die die dahinrasenden Rosse noch peitschen und dabei trunken die Masche mit dem Tranke der Vergessenheit darin schwingen! Die in ihrem 'hirnumnebelnden Übermut den Stein, nein, die zahl losen Steine nicht sehen und nicht den Sturz! Die das dumpfe Grollen der anderen nicht hören im Grölen der eigenen Lieder! Bis sie mit zertrümmertem Gefährt und zerschmetterten Gliedern im Graben liegen, kaum wert, verscharrt zu werden. Vor ein paar Wochen sprach der französische Pazifist Barbussein Wien. Er sprach nurfranzösisch. Aber immer wieder, fortdauernd fast, nach jedem Satz — brauste iBeifall auf. Kaum einer im Saal verstand, was der Redner dort oben sagte. Aber ein paar Eifrige sorgten dafür, daß die Massen Mund und Hand rührten. Dieser ^Vorgang ist symbolisch. Was dunkel ist, was unvecstäns- lich — trotzdem findet es Beifall. Vielleicht gerade, weil es unverständlich ist. Weil alles, alles versagt zu haben scheint, was bisher in die Köpfe hineingehämmert worden -ist. Weil unzählige die dunkel-dumpfe Empfindung haben, daß sie sich unablässig wie das Pferd am Göpel im Kreise herumbewegen, aber in der Maschine nur leeres Stroh gedroschen wird. Mit sehnsüchtigen Augen, über denen doch die Binde des Nicht-sehen-könnens liegt, starren wir alle in die Zukunft an dem Tage, da das alte Jahr in das große Meer der Vergangenheit hinabsinkt, ein Einschnitt erfolgt 'in das Leben des einzelnen wie in das der Völker. Jugend frisch, als heiteren Jüngling, zeichnet die Hoffnung das neue Jahr; und doch — bald graben sich auf des Jüng- !lings glatten Wangen die Falten des Kummers und der Enttäuschung ein. Gerade wir Deutschen haben vom Schicksal eine Gabe mit auf den Lebensweg erhalten, die gewiß manchmal Stütze im Dasein, aber leider noch viel öfter eine blindmachende Augenbinde ist; das ist der Optimismus. „Am Grabe noch pflanzt er die Hoff nung auf", singen die Wallensteinschsn Soldaten. Gewiß: „Tapfer sich zeigen, niemand sich beugen, rufet die Arme der Götter herbei," hat unseres Volkes größter Dichter uns geheißen; aber zu diesem zähen Willen der Wider standskraft, zu diesem Tapfer-sein-wollcn, das das Schick- !sal nicht in ergebenem Fatalismus hinzunehmen ent schlossen ist, bleibt immer die Voraussetzung, erst einmal nüchtern zu erkennen, wie es um uns steht. Gerade jetzt bei Jahresende und Jahresbeginn. Vor zwei Jahren isank die dickste Binde von unseren Augen, damals, als !wir aus dem Zahlenrausch der Billionen unsanft er- Ovachten. Doch noch manch' andere Binde liegt uns um die Augen. Wann wird die Erkenntnis kommen, daß 'die Einzelpersönlichkeit ebenso wie ein jedes Volk, das ja auch durch Rasse und Geschichte zur Persönlichkeit,, zur „Volkheit", wie Goethe sagt, in jahrhundertelanger Ent wicklung geworden ist, stärker die Arme rühren, tapferer isich zergen muß als in vergangenen Jahren oder Jahr hunderten, soll nicht die Fackel seines Geistes den schwach- Hewordenen Händen entsinken und durch andere willens- ftarkere Getier ausgenommen werden! . Dunkler, trüber denn je ist die Zukunft des einzelnen wie die des Volws. Freilich, von allen Seiten eilen ja die Kurpfuscher heran Mit ihrem garantiert echten, allein wirk- fsamen Tränklein, dem Kranken, der nach Heilung, nach Wiedergewinn der Kräfte sich sehnt, schleunigst zu helfen, ihn über die Schwere der Krankheit, die Unsicherheit dessen, jvas da kommen wird, hinwegzutrösten. Das aber heißt kur, ihm den Willen zu lähmen, aus eigener, wenn auch nur noch geringer Kraft, gesund zu werden. Erst wenn wir klar und nüchtern erkennen, wie es um uns steht, wird sich in uns der Wille zum Leben aufbäumen. Nicht Hilfe von draußen — wenn sie kommt —, nicht rosenroter Opti mismus auf eine Unterstützung durch andere kann ein Volk aus dem Dunkel heraussühren, sondern der Wille, sich .selbst durchzukämpfen, aber in diesem Kampf für Volk und "Heimat das eigene kleine, ach so unwesentliche Ich bis zum letzten Hauche einzusetzen. Denn nur, wer an sich selbst verzweifelt, der vergeht. Dr. Pr Hindenburg an Ludendorff dm 4 Die EnglmBer in WisMaDsn. Reue Wohnungsbeschlagnahmungen im Rheinland. bevorzugt. Im übrigen ändere dies aber nichts, auch wenn man annehme, daß Deutschland in Dingen de? § 164 mit Nein stimmen könne. Das beweise ein englisch» Kommentar zur Völkerbundsitzung vom Juni 1919 und -eine ohne Widerspruch gebliebene Warnung des Abge ordneten Freytagh-Loringhoven im Auswärtigen Aus- ! schuß des Reichstages. Locarno und das Zahl 1926. Von Reichskanzler a. D. Or. Ii. e. Marx. Der Eintritt in das Jahr 1926 Hai mit dem Anfang des Jahres 1925 das übereinstimmende, daß lm Deutschen Reiche zu beiden Zeitpunkten eine Kabinettskrise herrschte und niemand Weitz, wie der Zustand der Unruhe beendet werden soll. Das deutsche Volk kann trotz der ungemein schweren, gefahrdrohenden wirtschaftlichen Lage getrost in das Jahr 1926 rintreten, weil die außenpolitische Entwicklung zweifellos bedeutend bessere Aussichten in die Zukunft gestattet, als dies im Anfang 1925 der Fall war. Damals drohte sich die Frage der Sicherheit, die Frankreich aufwarj. die Frage der weiteren Entwaffnung Deutschlands, der Räumung der Kölner Zone zu einer neuen Gefahrenquelle auszuwachsen. Mit großer Besorgnis sahen die verantwortlichen Kreise in die Zukunft. Zu einem großen Teil sind die drohenden Wollen verschwunden, die aufgeworfenen Fragen haben eme in Anbetracht der Ver hältnisse befriedigende Lösung gesunden. Der Vertrag von Locarno — oder richtiger von London, wie er jetzt heißen soll — birgt in weitgehendem Matze in sich die Garantie foridauernden Friedens zwischen den venrag- schlietzenden Siaaten. Seine Krönung wird er <m Einiriti Deuischlands in den Völkerbund finden, ein Schritt, der auch formell Deutschland wieder vollberechtigt in das Konzert der Völker der Welt einführt. Mögen Pessimisten den Völkerbund herabsetzen. Er ist sicher nicht so vollkommen gebildet, wie es wünschenswert wäre. Aber sollen wir deshalb fernbleiben? Verlangt es nicht unsere Sclbsterhaltung, datz wir alle Wege benutzen, die auch nur in etwas Aussicht eröffnen, daß Deutsch land wieder die Stelle in der Welt einnimmt, die ihm nach seiner ganzen Vergangenheu, nach seiner ganzen historischen Stellung in Europa und der Welt zukommt? Gewitz darf man nicht mit stürmischem Idealismus an die politischen Dinge herantreten, aber ebenso schädlich ist lähmen- der und niederdrückender Pessimismus. Deutschland soll im Völkerbund sich regen und strecken. Es wird nicht immer leicht sein, das aus Anbahnung völliger Verständigung und auf Herbeiführung möglichst starken Zusammenschlusses der Völker gerichtete Ziel zu erreichen. Es wird noch viele Enttäuschungen geben und harter, zielbewutzter und unablässiger Arbeit be dürfen, ehe das Gewollte erreicht ist. Im Interesse der Menschenkultur mutz das Ziel erreicht werden! Die Welt ist, wie die Erfahrung der letzten Jahre gelehrt hat, so klein geworden: was dem einen Staatswesen schadet, beein trächtigt auch das andere. Die Völker werden ihrer Wohlfahrt am besten dienen, wenn sie sich gegenseitig verbinden,entstehende Meinungsverschiedenheiten friedlich zum Austrag bringen und nur einen Wettstreit kennen: die Kulturgüter zu pflegen und zu höherer Blüte zu bringen! Das Jahr 1926 wird uns nur einen Schritt weiter aus diesem Wege bringen, aber dieser Schritt mutz gemacht werden. Ze freudiger und je zielbewutzter er getan wird, um so bester wird es sein. Ludendorffs Warnung vor Locarno. Die Auffassung des Reichspräsidenten. General Ludendorfs hatte zur Zeit des parlamentari schen Kampfes um Locarno im Völkischen Kurier an Reichspräsident Hindenburg eine Warnung vor Lo carno und vor dem Eintritt in den Völkerbund, vor allem aber vor den Folgerungen aus dem s 164 des Ver sailler Diktates, der die Bewaffnung des deutschen Heeres behandelt, gerichtet. Staatssekretär Meißner hat nun aus dem Bureau des Reichspräsidenten dem Hauptschristleiter des Völkischen Kuriers eine Antwort auf diese Warnung zugehen lassen, die u. a. besagt: . . Artikel 164 des Vertrages von Versailles handelt nicht von der Stärke, sondern ausschließlich von der Be waffnung des deutschen Heeres. Er spricht auch nicht von einer Verminderung der Bewaffnung, sondern bestimmt nur, daß es dem Nat des Völkerbundes zustehen soll, die Bestimmungen ändern zu dürsten. Die ganze Bestimmung tritt aber erst in Kraft, sobald Deutschland dem Völker bund und damit dem Rat des Völkerbundes selbst ange- hört. Da die Beschlüsse des Rates einstimmig gefaßt werden müssen, ist eine Verminderung der Be waffnung ohne Zustimmung der deutschen Regierungnichtmöglich. Wenn die Bestimmung also überhaupt Anwendung findet, könnte sie — nach unserem Eintritt in den Völkerbund — nur zu unseren Gunsten Anwendung finden." In der Erwiderung auf dieses Schreiben weist das Ludendorff-Blatt darauf hin, daß es praktisch ganz gleich gültig sei, ob es sich um Stärke- oder Ausrüstungsver minderung handele. Das entscheidende Wort im franzö sischen Text des Versailler Diktats, „moäikisi". lasse so wohl die Übersetzung vermindern, einschränken wie ab ändern zu. Das deutsche Auswärtige Amt habe natürlich wie stets in ähnlichen Fällen die angenehmere Übersetzung z bereits bestehenden Überlastung der Stadt durch Woh- nungsansorderungen der Besatzungstruppen die Be- ' schlagnahme weiterer 20 Osfiziers- und Unterosfizierswohn ungen durchgesetzt. Gleich zeitig wurde vom Armeeoberkommando Mainz mitge teilt, daß die Stadt für alle Zukunft als äußerste Garni sonstadt gegen das Saargebiet mit B e s a tz u n g s t r u p Pen belegt bleiben werde, so daß eine Milderung der Wohnungslasten — fast sämtliche! Schulen sind eben falls belegt — auf absehbare Zeit nicht in Frage komme. Der Neichskommissar für die besetzten Gebiete, Frei herr Lang werth von Simmern, machte in Be gleitung feines Stellvertreters, des Finanzdirigenten Graf Adelmann, dem Oberbefehlshaber der französischen Rkcmarmee. General Guilleaumat, seinen Antrittsbesuch. SsHwaffer an Mein und Mosel. Folgen der ungewöhnlich warmen Witterung. Die Rheinüberschwemmung hat wesentliche Fort schritte gemacht. Wenn auch die Schneeschmelze auf den Höhe« der User des Rheins abgenommen hat, so hat sie doch im Schwarzwald und in den Vogesen stärker ein- '. gesetzt, und fast ununterbrochene Regengüsse haben das ! Steigen der Flut vermehrt. Die Uferstraßen in Köln ' sind einen Meter hoch überschwemmt. Die Empfangs hallen und Lagerschuppen der Schiffahrtsgesellschaften im Hafen stehen wie Inseln in einem See. Auch die Mosel steigt weiter. Die Straßen an den Ufern der M osel stehen unter Wasser, die dort liegenden Gebäude sind geräumt worden. Die Schiffahrt ist völlig eingestellt, ebenso der Betrieb der Moseltalbahn, deren Geleise vom Wasser überspült sind. Von der Reichsbahndirektion Trier wird mitgeteilt, daß für die Bahnanlagen der Reichsbahn noch keine Ge fahr besteht, so daß der Verkehr vorläufig überall aufrecht erhalten werden kann. Die Besatzungstruppen haben die Übungslager am Moseluser geräumt. Von der Obermofel wird weiteres Steigen der Saar und der Nebenflüsse gemeldet. Auch die Wupper sübrt Hochwasser und ist bereits um 1)4 Meter über den normalen Stand gestiegen. In Solingen ist der Fluß stark über die Ufer getreten und hat weite Wiesenflächen überschwemmt. In den tiefer gelegenen Straßen bei Burg und Kohlfurt ist mit den Bergungs- und Aufräumungsarbeiten begonnen wor den. Vom Oberlaufe wird infolge des andauernden Regens weiteres starkes Steigen gemeldet. Die Hochwassergefahr an der Donau hat sich nament lich an den nördlichen Zuflüssen der Donau „nicht um wesentlich verschärft. So führen Wörnitz, Altmühl, Naa und Regen größeres Hochwasser. Nach de» Meldungei Die Vesatzungsbefugniffe in Wiesbaden sind nunmehr endgültig an die englischen Militärbehörden übergegan gen. Nachdem eine französische Kompagnie auf dem Schloßplatz in Wiesbaden eine kurze Parade abgehalteu hatte, wurde die französische Flagge auf dem Schloß ein gezogen und die britische Flagge gehißt. Zwei Kompagmen eines schottischen Regiments zogen auf. Der französische General Berthelmy übertrug dann die Funk nonen dem englischen Divisionsgeneral Scott. Die aus Langenschwalvach nach Oberstein-Jdar ver legten französischen Alpenjägerüataillone haben trotz bereits bestehenden Überlastung der Stadt durch W z Sind aber unsere außenpolitischen Verhältnisse wieder mehr zur Ruhe und Ordnung gekommen, dann wird sich der günstige Einfluß auch aus unser staatliches Innenleben bald bemerkbar machen. Gewiß, schwere Zeiten werden wir noch zu durchleben haben. Die Lasten des verlorenen Krieges werden immer noch schwer auf uns liegen. Zum Wohlleben ist die Zeit noch nicht gekommen. Nur langsam kann sich unsere zer rüttete Wirtschaft wieder erholen. Immer noch wird auf jedem von uns die bedrückende Erkenntnis lasten, wie arm wir eigentlich geworden sind! Deutscher Wagemut und deutscher Unternehmungsgeist werden uns auch in Zukunft nicht ver lassen. Das deutsche Volk mutz sich nur nicht selbst vergessen und haltlosen Phantastereien nachgehen! Seine Kraft und seine Kultur werden dann auch wieder die Oberhand geMnncn über all das schwere Schicksal, das die letzten Jahre aus unsere Schultern gelegt haben. Das Jahr 1926 wird uns ein gutes Stück Wegs unserem Ziele näherbringen!