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Dresdner Journal : 26.08.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-08-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189908260
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18990826
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18990826
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-08
- Tag 1899-08-26
-
Monat
1899-08
-
Jahr
1899
- Titel
- Dresdner Journal : 26.08.1899
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Plötner), Hauptstraße 2, zum In den meisten Bade- und SommeraufenthaltS- orteu der näheren und weiteren Umgebung Dresdens gelangt das „Dresdner Journal" noch am Abeud zur Ausgabe. So in den Ortschaften des oberen Elb- thales bis Schandau, in denjenigen de- unteren Elbthales bis Meisten und in den an der Tharandter und Radeberger Linie gelegenen Orten. Wo in den vorgedachten Orten die Blätter den Beziehern nicht mehr zugetragen werden, wollen sich letztere mit der Post wegen Abholenr ins Einvernehmen setzen. Geschäftsstelle der Dresdner Zouruals. Amtlicher Teil. Ernennungen, Versetzungen re. im öffentliche» Dienste. Im Geschäftsbereiche des Ministeriums des Kultus und öffentlichen Unterrichts. Erledigt: die zweite ständige Lehrerstelle zu WerneSgrün b. Rodewisch i. V. Kollator: die oberste Schulbehörde. Einkommen: 1200 M. Gehalt, 100 M persönliche Zulage bi- zum Eintritt der Alterszulage, außerdem Amtswohnung und Gartengenuß. Gesuche mit den ersorderlichen Unterlagen sind bis zum 6. September bei dem König!. Bezirksschulinspektor Schulrat vr. Bräutigam in Auerbach i. B. einzureichen; — die Lehrerstelle in Nieder- Zschörnewitz Kollator: die oberste Schulbehörde. Ein kommen: außer freier Wohnung mit Garten, Honorar für Fortbildungsschule und event. 200 M. vorauSgewährtc AlterS- zulage, 1200 M Grundgehalt Bewerbungsgesuche sind bis zum 16. September bei dem Königs. Bezirksschulinspektor in Döbeln, Schulrat Mushacke, einzureichen. Nichtamtlicher Teil. Die auswärtige Politik der Woche. Tie Pariser Blätter haben die schöne Gedenkrede, die unser Kaiser am Denkmale zu St. Privat am 18. August hielt, ihren Lesern im Wortlaute mit geteilt. Im Anschlusse an die Wiedergabe begrüßte der „Figaro" diese edle und hochherzige Kundgebung der deutschen Friedensliebe sehr warm. Es ist über dies kein Geheimnis, daß die Rede des Deutschen Kaisers auch in den amtlichen Kreisen der französischen Republik auf das angenehmste berührt hat. Und wenn die Dreyfus-Angelegenheit der französischen Volksseele nicht zur Zeit jedwede Fähigkeit raubte, sich reineren Empfindungen hinzugeben, so würde die Wirkung der ritterlichen Worte Kaiser Wilhelm« in Frankreich eine noch lebhaftere und bedeutendere ge wesen sein. Wie die Dinge einmal liegen, bleiben die Kunst und Wissenschaft. Goethe. Zum hundertundfünfzigsten Geburtstage de« Dichter«. I. Am 24. Mai 1830, vor siebzig Jahren, schrieb Felix Mendelssohn-Bartholdi, einer der letzten, die Goethe per- fönlich nahe traten und mehr al« den allgemeinsten Ein druck einer überragenden Gestalt, einer historisch gewordenen Persönlichkeit von ihm empfingen, au« Weimar an seine Familie: „Da ich Goethe gebeten hatte, mich du ,u nennen, ließ er mir den folgenden Tag durch Ottilie sagen, bann müsse ich aber länger bleiben al« zwei Tage, wie ich gewollt hätte, sonst könne er sich nicht wieder daran gewöhnen. Wie er mir das nun noch selbst sagte und meinte, ich würde wohl nichts versäumen, wenn ich etwas länger bliebe, und mich einlud, jeden Tag zum Essen zu kommen, wenn ich nicht anderswo sein wollte; wie ich denn nun bi« jetzt auch jeden Tag da war und ihm gestern von Schottland, Hengstenberg, Spontini und Hegel« Aesthetik erzählen muhte, wie er mich dann nach Tiefurt mit den Damen schickte, mir aber verbot, nach Berka zu fahren, weil da ein schöne« Mädchen wohne und er mich nicht ins Unglück stürzen wolle, und wie ich dann so dachte, da« sei nun der Goethe, von dem die Leute einst behaupten würden, er sei gar nicht eine Person, sondern er bestehe au« mehreren kleinen Goethiden — da wäre ich wohl recht toll gewesen, wenn mich die Zeit ge reut hätte " Und heute am Vorabend de« 150. Geburts tage« Goethe«, heute, wo die Faustischen Worte: Es kann die Spur von meinen Erdetagen Nicht in Aeonen uMergchn! jedem auf den Lippen liegen, der ihre« Dichter« ernst ge denkt, wo der Reichtum der Wirkungen, die von diesem Franzosen mehr oder minder stark gebannt durch den Prozeß zu RenneS. Was die Verhandlungen deS dortigen Kriegs gerichtes während dieser Woche selbst betrifft, so haben sie durch das Wiederauftreten deS verwundeten Ver teidigers Labori unleugbar an Leben und Interesse gewonnen. Ueber den schließlichen AuSgang der Sache aber wird jeder Einsichtige mit seinem Urteile nach wie vor gern zurückhalten Kommt es zur Frei sprechung, so dürfte die Militärpartei — zu ihr ge hören wohl auch die Mitglieder des Kriegsgerichts — dafür Sorge tragen, daß Dreyfus die Anklagebank verläßt wie einer, der nicht wegen mangelnder, sondern nur wegen nicht ganz schlüssiger Beweise der Strafe entgeht. Ob Labori für seinen Klienten ein Mehr wird erzielen können, steht dahin. Die ersten Er klärungen des berühmten Anwalts nach seinem Wieder eintritte in die Verhandlung klangen ziemlich resigniert. Auf der anderen Seite wird auch die Militärpartei wünschen, daß dieser Prozeß, selbst wenn er das Opfer ihren Krallen entreißt, der letzte sei, in den die höheren und höchsten Offiziere Frankreichs vor den Schranken eines Gerichtshofes eine mindestens fragwürdige Rolle spielen. Auch die „Belastungszeugen" werden sich mit dem Freispruche auf Grund eines nicht mehr auf zuhellenden Sachverhaltes zufrieden geben. Eine andere Frage freilich ist, ob damit politisch alles Gift dieses Dreyfus-Handels aus dem französischen StaaiS- körper entfernt sein wird. Der „lustige Krieg" um das „Fort Chabrol", wie die Pariser jetzt die Veste der Antisemiten in der Rue Chabrol benennen, hat die ganze Woche hindurch fortgedauert. Hr. Guörin und Genossen gaben sich nicht gefangen und die Behörden setzten die Aus hungerungsprozedur den Rebellen gegenüber fort. Wiederholt hörte die Sache allerdings auf, „lustig" auszusehen. Es kam vielmehr, von der Rue Chabrol ausgehend, zu allerlei Kundgebungen und argen Aus schreitungen, in deren Mittelpunkt Sozialisten und Anarchisten standen. Blutige Zusammenstöße mit der Polizei erfolgten, und von dem Revolver machte man ausgiebig Gebrauch, sodaß etliche Personen verwundet wurden. In der Nacht zum Freitag demonstrierten die Anhänger Guorins in der Umgebung der be lagerten Veste besonders laut; es gab wieder Ver haftungen und Verwundungen. Mehr noch als durch die Verhandlungen zu Rennes und die Straßentumulte zu Paris sind die Gemüter unserer östlichen Nachbarn durch ein aller dings unglaubliches und für deutsche Anschauungen kaum faßbares Ereignis verdüstert worden, das aus dem Innern des Sudan gemeldet wurde. Dort haben französische Offiziere an der Spitze einer kolonialen Expedition einen gemeinen Mord gegen Kameraden verübt, die von der französischen Regierung den Auf trag hatten, jenen Expedition-sichrer n gewisse dienst liche Weisungen zu überbringen. Statt aller Antwort gab man auf die Mission der Regierung Feuer, sodaß zwei Offiziere auf dem Platze blieben. Die Mord affaire hat in der Pariser Presse begreiflicherweise eine erregte Besprechung gefunden. Zwar bemühte sich der „Matin", dieses für die Manneszucht im französischen Heere tief beschämende Vorkommnis als einen Ausfluß von „AfrikanitiS" hinzustellen, womit das Blatt eine besondere französische Abart der bei uns unter dem Namen „Tropenkoller" bekannt ge wordenen Eigentümlichkeit bezeichnen wollte. Von anderer beachtenswerter Seite wurde der Fall indessen ernster aufgefaßt und die Möglichkeit nicht abgewiesen, daß der blutige Akt auch politisch unliebsame Folgen nach sich ziehen könnte. Von dem Besuche des französischen Ministers deS Auswärtigen Hrn. Delcass« in Rußland wollte eS in verschiedenen Blättern noch nicht stille werden. Aehnlich einigen anderen Organen erklärte auch der „St. Petersburger Herold" daß die Beziehungen Ruß lands und Frankreichs durch die Reise des Hrn. Delcasss keinerlei Veränderung erfahren würben. Wenn in einem Zeitpunkte, wo Graf Murawiew die mit Hrn. Delcass« verbrachten Stunden nur noch al- eine nicht gerade unangenehme Erinnerung betrachtet, immer noch französisch offiziöse Erörterungen über die politischen Folgen der OrtSveränderung des Hrn. Delcasso angestellt werden, so sind solche Folgen bisher nur den mehr oder weniger Fernstehenden erkennbar geworden. Die mehr in der Nähe befindlichen Beobachter ziehen eS jedenfalls vor, sich bei der oben erwähnten Erklärung des „St. Petersburger Herold" zu beruhigen. AuS Rom ist von offiziöser Seite gemeldet worden, daß sich der italienische Kreuzer „Liguria" in die chinesischen Gewässer begeben soll, um sich mit der in Ostasien befindlichen italienischen Division zu ver einigen. Wir dürfen in dieser Entsendung wohl ein Anzeichen für die Richligkeit der in unserm letzten Wochenbericht ausgesprochenen Behauptung erblicken, daß der thatkräftige italienische Minister deS Aus wärtigen Visconti Venosta die chinesischen Bestrebungen Italiens fortdauernd im Auge behält und eifrig be müht bleibt, das von seinem Vorgänger begonnene Unternehmen zu einem befriedigenden Abschlusse zu bringen. Die Lage in Südafrika hat im ganzen ihr Ge sicht wenig verändert. Doch haben die Buren über zwei nicht unwichtige Punkte weitere Aufklärung er halten. Sie wissen jetzt erstens, daß Frankreich, trotz aller Ausfälle des Pariser „TempL" gegen Herrn Chamberlain, nichts für die Buren thun wird; und zweitens, daß sie, falls es zu offenen Feindseligkeiten kommt, an den Portugiesen in Mozambique keine sicheren Nachbarn haben werden. Der Druck, den England, sei es finanzpolitisch in Lissabon, sei es durch eine Geschwaderdewegung vor Laurenzo Marques, auf Portugal jederzeit auszuüben vermag, ist zu stark, als daß die Nachkommen Heinrichs des Seefahrers und Vasco de Gamas es wagen könnten, Transvaal in einem Kriege mit Großbritannien zu begünstigen. Die portugiesischen Staatsmänner werden sich dessen bei der Entscheidung der gegenwärtigen schwebenden Frage der Durchfuhr von Waffen und Munition für die Südafrika nische Republik durch Mozambique bewußt bleiben. In zwischen hat Präsident Krüger dem Londoner Kabinett auf dessen letzte Vorschläge geantwortet. Wie wir voraukgesagt, ist die Antwort so ausgefallen, daß sie für weitere Verhandlungen Raum läßt. Im Anschluß an den Besuch, den letzthin der Präsident der argentinischen Republik Roca in der brasilianischen Hauptstadt abgestattet hat, ist besonders in englischen Blättern erneut von dem Plane eines Bundes der südamerikanischeu Staaten die Rede ge wesen. Man kann in dieser Angelegenheit zwei Strömungen wahrnehmen. Die eine geht auf eine Zusammenfassung der südamerikanischen Republiken hinaus, und zwar mit dem Bewußtsein, daß diese Zusammenfassung gleichzeitig eine Jnteressen-Gemein- schaft gegen die Vereinigten Staaten bedeute. Die zweite Strömung charakterisiert sich in dem keines wegs erfolglosen Bemühen der Vereinigten Staaten, die Republiken Südamerikas sämtlich oder teilweise unter einander zu verknüpfen, dergestalt, daß die Ziele eines solchen Bundes zusammenfielen mit denen der nordamerikanischen Wirtschaftspolitik. Welcher von beiden Richtungen der letzte Erfolg beschieden sein wird, muß die Zukunft lehren. In betreff des Standes der Dinge auf den Philippinen sind wieder einige Nachrichten hierher gelangt. Danach ist Aguinaldo am Leben und hat den Sitz seiner Regierung wieder nach Norden ver legt. General OtiS wollte seine Operationen, wie mehrfach gemeldet wurde, trotz der Regenzeit sort- setzen. Starke Regengüsse in Verbindung mit Taifun- Winden zwangen ihn aber, während des Monat- Juli von größeren Unternehmungen abzustehen. Die Regenzeit ist den Philippinern desto günstiger. Sie haben insbesondere die nördlichen Postenketten de« Generals Mc. Arthur bei San Fernando nicht zur Ruhe kommen lassen. In Manila wurde die Bild ung eines zweiten freiwilligen Regiments unter Oberst leutnant Wallace aus entlassenen amerikanischen Bolon- teers ins Werk gesetzt. Im übrigen scheinen sich die wirtschaftlichen Verhältnisse in Manila wieder langsam zu bessern, nachdem General Otis die dem Handel äußerst nachteilige Küstenblockade aufgehoben hat. Tagesgeschichte. Dresden, 26. August. Se. Majestät der König jagten heute mit Sr. Königl. Hoheit dem Prinzen Georg auf Spechtshausener Revier. Die Rückkehr nach Pillnitz erfolgt heute abend. Ihre Majestät die Königin unternahmen mit Ihrer Königl. Hoheit der Prinzessin Mathilde heute vormittag zu Wagen eine Promenade nach Rathewalde, wo mit den Damen und Herren des Dienstes das Frühstück eingenommen wurde. An der heute abend H8 Uhr bei Ihren Königl. Majestäten im Schlosse Pillnitz stattfindenden Tafel wird Se. Königl. Hoheit der Prinz Georg teil nehmen. Deutsches Reich. * Berlin Sr.Majestät dem Kaiser hatte der Ad miral des schwedischen Geschwader« da« Einlaufen de« letzteren in Kiel angezeigt Se. Majestät sandten hierauf dem Admiral folgende« Begrüßungstelegramm: „Ich danke Ew. Excellenz herzlich für den freundlichen Gruß von Meinen schwedischen Kameraden und hoffe, daß da« Königliche schwedische Ge schwader mit Meiner Marine im deutschen Fahrwasser und Hafen Tage intimster Kameradschaft verleben werden, welche beitragen werden, um die Beziehungen beider Marinen weiter zu befestigen. Wilhelm I. K." — Die „Nordd. Nllg. Ztg." schreibt: Zu der neuer dings wieder in den Vordergund getretenen Frage der Reorganisation de« deutschen Konsulatswesen« lesen wir in verschiedenen Blättern: „Daß daS Konsulatswesen bei uns an manchen Gebrechen leidet, ist schon längst er kannt worden. Mehrmals ist schon Anlauf zur Besserung genommen worden, aber bisher kam man nicht zum Ziele. Der Hauptfehler liegt darin, daß die Konsulate in der Regel mit Leuten besetzt werden, die zum heimischen Ver waltungs- und Justizdienste ausgebildet sind. Nur ein kleiner Teil derselben kann sich von den anerzogenen regi- minalen Anschauungen entsprechend losmachen und in die wirtschaftlichen Verhältnisse des neuen Wirkungskreises rasch einarbeiten Hierin Wandel zu schaffen, wird eine schwierige und langwierige Aufgabe werden. Dann heißt es, da« befolgte System der Versetzungen habe einen empfindlichen Üebelstand gebildet, weil die Konsuln zu rasch versetzt wurden, als daß sie sich die örtlichen Er fahrungen und Kenntnisse hätten aneignen können. Diese raschen Versetzungen haben zum Teil einen etatsmäßigen Grund Die Gehälter der Konsuln und ihre Rangverhält nisse sind im jährlichen Etat festgelegt. Aenderungen können nur mühsam mit Hilfe des Reichstags eingesührt werden Die Konsuln wollen aber natürlich wie alle anderen Beamten in höhere Rangklaffen und Gehaltsstufen einrücken, daher ihr Bestreben auf Versetzung in bessere Stellen Ganz anders verfährt man dabei in England: als im vorigen Jahrzehnt Sansibar noch ein Brennpunkt internationaler Politik war, zeigte sich der Unterschied deutlich Der englische Konsul daselbst, Sir John Kirk, kam in den 60er Jahren als Arzt einer englischen Ex pedition dahin, wurde bald britischer Vizekonsul, dann Konsul und später Generalkonsul und bezog ein Einkommen von 60000 M. Er beherrschte den arabischen Dialekt Sansibars vollkommen und damit auch den Sultan Durch seine Kenntnis der Sprache, der maßgebenden Personen emen Ledenausgegangen finv, langp unudrrjthvul g»wo,vrn ist, hat man Mühe, sich zu vergegenwärtigen, daß es doch kaum 68 Jahre sind, seit der Dichter die strahlenden und blitzenden, großen, braunen Augen geschloffen hat 68 Jahre freilich, in denen Weltwandlungen und Weltumwälzungen vor sich gegangen sind wie sonst in einem halben Jahr tausend. Darum ist heute auch den Aelteren im ganzen Bereiche der deutschen Bildung — eS leben wohl wenige der Aeltesten mehr, die Goethe noch persönlich gesehen haben — so zu Mute, als wären nicht nur seit der Ge burt, sondern selbst seit dem Hinscheiden de« Dichtcr« viele Menschenalter vergangen. Die Zustände, in denen der greise Goethe gelebt und an denen er noch unmittel baren Anteil genommen hat, sind bis auf den letzten Rest verschwunden Gleichwohl lebt alles Beste seines Daseins in uns und um uns, und nichts vom Wesentlichen seiner Dichtung ist Vergangenheit geworden. Je weiter der Ab stand der Gegenwart von den Lebenslagen Goethes ge worden ist, um so gewisser wird eS, daß da« überquellende und tiefe Leben seiner Dichtung nicht Leben des Alltag«, nicht Wicderschein flüchtiger Kulturelemente deö achtzehnten Jahrhunderts ist, um so sicherer wächst das Gefühl, daß es ein Ewiges giebt, das in Wort und Ton Bestand hat und eine ErneuerungSkrost in sich selbst trägt. „Wie machtvoll bildend und umbildend er auch auf seine Zeit gewirkt, so möchte man doch fast glauben, erst jetzt trete fein Geist die Weltherrschaft an und die Prophezeiung Carlyles, der in ihm den Herrscher der Zukunft begrüßte, müsse sich nun erfüllen " (Michael BernoyS ) Am hundert- undfünfzipstcn GeburtSfest Goethes wird klar, wie siegreich die unmittelbare Gewalt, Lebensfülle und Armut seiner Dichtung, der Geist seiner Lebensarbeit alle Lauren der litterarischcn Mode, alle wechselnden Stimmungen der Jahrzehnte, den ingrimmigen Haß und die rk'leumderilck'n Angriffe vieler Tausende von Gegnern, deren Feind schaft so verschiedenen Grund wie verschiedene Ziele hatte, die Thorheiten eine« GoetheKultu«, der ge- tegenUrcy zum eNoyeuvienp ovrr zur mutzrgen Spielerei geworden ist, ja selbst die Maulwurfsarbeit, die es für verdienstlich hält, Erde über Blüten zu schütten, bestanden und überwunden hat. Es ist immer wieder der lebendige Goethe, der aus allen Wogen emportaucht, und eine Halbwegs gute Vorstellung des „Faust", ein Wiederklang unvergessener Goethischcr Lyrik in der eigenen Seele, ein erneutes Lesen von „Dichtung und Wahrheit" reicht für Zehntausende aus, um sich die ersten wie die unvergänglichsten Eindrücke feiner Gestalt und seines Geistes zu erneuern. Unser großer Dichter hat sich selten geirrt und im allgemeinen mit unbedingter und treffender Sicherheit über sich und sein Verhältnis zur Nachwelt geurteilt. Er wußte auch, als er am 14. April 1824 in einem berühmten Gespräch mit Eckermann die Legion seiner Gegner klassi fizierte, daß „dieses Geschlecht nie ouisterbe". Er täuschte sich aber gründlich, wenn er meinte, er habe seine Zeit- genossen gezwungen, alles hcrauSzusagen, was sie gegen ihn auf dem Herzen hatten. Er würde, wenn er heute um sich blicken könnte, erstaunte Augen machen, was die Nachfahren seiner Hasser noch alles zu Tage gebracht haben, von der provinziellen Weisheit an, die Goethe das Genie ab- und nur ein ungewöhnliches Talent zufpricht, da Genies einmal für allemal nur in Ostpreußen geboren werden, bis zu dem Zerrbild, das der Jesuitenlitterar- historiker A Baumgartner vom Leben und Wesen de« größten deutschen Dichters gezeichnet hat, von E Dühring, dem als Summe des Gocthischen Dichtens und Wirken« „die Herabdrückung und Bannung alles Ausschwung« in den Rahmen engen, privaten Eklbstgenusic«" erscheint, bi« zu W A Freund, der das „Pathologische" bei Goethe in die gehässigste Beleuchtung rückt. Goethe hat sich so wenig träumen lassen, daß kleingeschäftiger Eifer und verhängnisvoller Größenwahn an jedem Punkte seines Lebens «insetzen, ihn, di« neidloseste Natur, heute de« Neide« gegen Schiller und morgen gegen Heinrich v. Kleist zeihen würden, als er vorausgesehen hat, daß eine Zeit kommen könnte, in der man die unmittelbarsten Offenbarungen seiner Seele, den Strom seiner goldenen Lieder auf allerhand trübe Bächlein und Gerinnsel dichtlustiger Dilettanten zurückführcn möchte. Am Ende, was thut'S? Die Kraft der Würfe nach dem mächtigen Bild kann kaum noch verstärkt werden und muß sich endlich erschöpfen, und da« Bild ist'« ja nicht allein, was wächst und mit immer deutlicheren und sprechenderen Zügen vor dem geistigen Auge von Hundert tausenden steht Der lebendige Hauch Goethischer Poesie ist allmählich zu einem Teil der geistigen Lebenslust ge worden, die wir — wollend oder nichtwollend — atmen müssen Im Genuß seiner Dichtung, in der einfachen Anschauung des von ihm Geschaffenen wie im stillen Er gründen des Gedachten verlischt die Erinnerung an alle willkürlich feindselige Kritik, verfliegt der Unmut und die Müdigkeit über die Kärrner, die nur zu thun haben, wenn die Könige bauen, und deren Karrengerassel auch den Auf nahmefähigsten gelegentlich den Stoßseufzer entpreßt: „Noch immer Goethe und kein Ende!" Wenn eS in menschlichen Dingen eine unüberschreit bare Grenze und irgend etwa« Unbestreitbares gäbe, sollten wir uns heute am hundertundsünfzigsten Geburts tage Goethes sicher genug fühlen, daß die Einheit seiner Person und seines Dichtens nie bestritten und die „Goethiden" nie erfunden werden würden. Nlü der geistreiche und satirische Julius Braun in seinen „Histori schen Landschasicn" künftige Forscher vorsührte, die an den Stilunterschieden de« „Werther", de« „Faust", der „Jphigenia" mit gewichtigcm Pathos den „Unsinn" er örterten, an einen Dichter Goethe, an einen Schöpfer so grundverschiedener Werke zu glauben, da handelte e« sich noch um einen guten Scherz Seitdem sind Erscheinungen ausgetaucht, die den Gedanken nahelegen, daß au« dem Scherz einmal bitterer Ernst werden, dir große menschlich«
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