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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PränumcrationS- Preis 22; Sgr. Tdlr.) viereeljädrlich, Z ^hlr. sür do« ganze Jahr, »kne Er tz S düng, i» alten TtzeiUn der Preusüschen Monarchie. Magazin für die Man pränumerirt auf dieses Bterolue-Blatt in Berlin in der Exvcdition der Wg. Pr. Tiaaie-Zeimng sFricdrichostr. Rr. 72); in der Provinz I« irie im AuStar.de bei den Wodltöbl. Post Aemtern. Literatur des Auslandes. IL Berlin, Montag den 3. Februar 1840. Frankreich. Die Französische Provinz vor dem Ausbruche der Revolution. Bvn E- Souvestre.") l. Bor der Revolution gab cs zu Rennes auf dcm Platze des Gerichts-Palastes eine alte Weinschenke, von deren Thür erst ganz kürzlich der Mistelzweig verschwunden war, um einem Schilde Platz zu machen, auf welchem mau zwei verbundene Hände sah, unter denen die Worte standen: Ontü Ne l'llniun. Dieser Ort war der Sammelvlatz der Kausmanns-Gchülfen, der Gerichtsschreibcr und der fangen RcchtSbeflissenen. Man trank dort nicht viel, vielleicht weniger aus Mäßigkeit als aus Rothwendigkcit; dafür sprach man aber desto mehr über die Tagesbegebenheitcn, welche von Tage zu Tage einen ernsteren Charakter annahmen. Die Streitigkeiten zwischen dem Hofe und dem Parlamente lebten wieder auf, und zwar heftiger als je. Der Adel, welcher seit Richelicu's Zeit zu schwach war, um der Königlichen Gewalt zu widerstehen, gebrauchte das öffentliche Wohl als Waffe gegen dieselbe. Im Ramen dieses Wohls und um die Erhebung neuer Abgaben zu verhindern, hatten die Parlamente schon mehrmals dem Willen des Hvscs getrotzt; sehr begreiflich daher, daß das Volk in ihnen die Vertheidiger seiner Rechte erblickte und sich aus ihre Seite schlug. In der Bretagne fand der Widerstand der Gerichte den größten Anklang beim Volke, denn sic verthctdigtcn nicht nur die finanziellen Rechte der Provinz, sondern auch deren Freiheiten. Der alte pro vinzielle Geist regte sich um so mächtiger, als er durch die Privi legien, welche Ludwig XIl. dcm Hcrzogthum bei seiner Bereinigung mit Frankreich gelassen hatte, genährt und gepflegt worden war. Das Interesse ging also Hand m Hand mit den Borurtheilcn des Volks,, und indem man die Parlamente im Kampfe gegen die Minister unterstützte, gehorchte man eben so sehr einem natürlichen Antriebe wie der Klugheit. Ucbrigens war in der Bretagne unter dem Volke daü Miß behagen und die Sehnsucht nach einer Acndcrung verbreitet, welche die Vorboten der Revolutionen zu seyn pflegen. Zn allen Gcmüthcrn war eine Kampfeslust erwacht, welche nur auf die Gelegenheit zum Ausbruche wartete. Vermöge ihrer Stellung und ihrer Neigung sielen die Besucher des Kaffeehauses der Union dem Parlamente zu, nicht etwa weil die Jugend des dritten Standes die Sache des Parlaments und ihre eigene für identisch hielt, sondern weil sic in Erwartung des eigentlichen Kampfes ihre Kreiste zu üben und daü Schlachtfeld kennen zu lernen wünschte. Wir sprachen nie von etwas Anderem, und unsere Begeisterung war eben so aufrichtig wie ausdauernd. Unter den jungen Leuten zeichneten sich viele durch Beredsam keit und geistige Befähigung aus; vor Men verdienten aber zwei die höchste Beachtung. Der Erste war fremd in der Stadt; sein feiner Lächeln, sein forschender und spähender Blick, sein schneidender Ton hoben ihn aus seiner Umgebung hervor. Er hatte seine Bil dung aus vcn Schriften der Encoklopädisten geschöpft und drang nun auf die Verwirklichung ihrer Lehren und eine Umgestaltung der Dmgc. Gr war eher Pantheist als Atheist zu nennen, seinen Skepti zismus verdeckte er durch einen poetischen Anflug, welcher ihm einen gfd"sscn Schwung verlieh: seine Sprache erinnerte an Sencka und dAlcmdert. Wenn das Gespräch über allgemeine Gegenstände auf- gcgcden wurde uns die Unterhateung einen vertraulicheren Charakter annahm, so sprach er von vcn weiten Reisen, welche ihm schon in den Träumen iciner Kindheit vorgcschwebt hätten. Er hieß, wenn ich nicht irre, Chaffeloup, aber seine Freunde kannten ihn nur unter dem Namen Bolncp. Der zwcitc Held der Gesellschaft war der junge Moreau, welcher schon damals wegen inner Kaltblütigkeit, seines richtigen UrtheilS und seiner glücklichen Laune berühmt war. Der Einfluß, den er auf seine Genossen übte, batte diese bewogen, ihn zum Vorsteher der Rechtsschule zu erwählen; es war dies eine Art Ehrenamt, welches ihm die Studenten übertragen hatten. Er entschied die Streitig keiten der Studenten, er gestattete oder untersagte das T)ucll. Unterstüyt^von seinem Kanzler und seinem Schreiber, leitete er die Verhandlungen der Schule, verfocht er ihre Vorrechte, sammelte er ') Pergl damit die früher von diesem Verfasser mltgettzeilten Artikel »der „die Sebreckenszcit in »er Bretagne" die Stimmen, wenn über die Ausstoßung eines Studenten, welcher seiner Ehre etwas vergeben hatte, abgcstiimnt wurde. Sein Ansehen erstreckte sich nicht minder auf das Theater, wo er über zwölf Plätze zu verfügen hatte und wo seine Stimme über das Engagement oder Nicht-Engagement eines Schauspielcrs den Ausschlag gab. Jeder Debütant mußte ihm im großen Saale der Rechtsschulc und in An wesenheit aller Studenten seine Aufwartung machen. Seine Nei gungen waren einfach und edel. Daher besaß er die Liebe aller iciner Gefährten, und wenn es darauf ankam, gab seine Meinung den Ausschlag. Da ec fest entschlosscn war, in dem herannahcndcn Kampfe auf sie Scice des Parlaments zu treten, so war kein Zweifel, daß beim ersten Signal die ganze Jugend von RenncS dieselbe Partei ergreifen und verfechten werde. Ich brachte meine Abende meistcntbeils im Kaffcchausc der Union zu uuy hielt mich hier vorzüglich an einen jungen Kaufmann, Na mens Benoist. Dieser batte durchaus nichts Auffallendes. Er zeich nete sich nicht durch Lebhaftigkeit dcs Geistes aus, wohl aber" durch gcsmwcn Menschenverstand, nicht durch geräuschvollen und lärmenden Muth, wohl aber durch Zuverlässigkeit. ES würde schwer gehalten haben, einen Fehler an ihm zu entdecken, aber seine Tugenden hatten einen einförmigen und langweiligen Anstrich. Beim ersten Anblick hielt man ihn für eine, so zu sagen, negative Persönlichkeit, für einen mittelmäßigen Verstand, aber bei näherem Umgänge erkannte man bald den Werth dieser gleichförmigen und regelmäßigen Natur. In Ermangelung origineller Kraft, besaß er die Fähigkeit, sich an- zucignen, was Andere Nützliches oocr Schönes entdeckt battcn. Während Begabtere als er nur ihre eigene Vernunft zum Maßstabe nahmen, benutzte er die Kenntnissc aller derer, welche ihm nahe kamen. Er erfand die Idee nicht, aber er tauschte sic ein, und selten machte er einen schlechten Handel. Daher kam cs, daß jede einzelne Handlung desselben einen gewöhnlichen Menschen zu ver künden schien, während alle im Zusammenhänge die llebcrlcgcnheit seines Geistes befugten.« - ll. ' Wir waren im Mai des Jahres >788. Der Hof-schien ent schlossen, den Widerstand des Parlaments von RenncS um jcdcn Preis zu beseitigen: Bertrand von Molleville war zum Intendanten und der Graf von Tbiard zum Gouverneur ernannt worden. Beide waren in Rennes eingctroffen, mit dem Auftrage, wie es hieß, die Befehle des Königs zur Ausführung zu bringen. Die allgemeine Aufregung battt den höchsten Grad erreicht. Das Parlaments der Adel und die permanenten Kommissionen der Stände hatten im voraus gegen Heve ungesetzliche Maßregel protcstirt. „Wenn die Feinde des öffentlichen Wesens", rief der ungestüme Graf von Ro- tbcrel aus, „entschlossen sind, das Band zu zerreißen, welches die Nnterthanen init ihrem Herrscher verbindet, so würden wir unserer Ehre zu nahe treten, wenn wir unterließen, gegen jede Verletzung der National-Verfassung zu protestiren." Unterließ trafen täglich Truppen cin; der Schleier des Geheim nisses verhüllte alle Schritte des Gouverneurs und dcs Intendanten. Am 10. August vcrsammrltc sich das Parlament mit Tagesanbruch im Gerichts-Palast. Alle Magistrats-Personen, angcthan mit ihren scharlachrothcn und mit Hermelin verbrämten Gewändern, waren auf ihrem Posten. Der Präsident Lc Mcrdp von Catuölan erklärte die Sitzung für eröffnet. Plötzlich vetnahm man cin Getön von Pfeifen und Trommeln; die Grrichtsdiener stürzten herbei, vcrkün dcnd, daß Herr von Tbiard, gefolgt von Soldaten, Lakaien und Pagen, die Treppe hcraufkomme. Der Präsident gebot mit ruhi gem Ton dem Thürstehcr, die Thür zu schließen und sich vom Gouver neur sein Beglaubigungsschreiben überreichen zu lassen. Der Thür stehcr gehorchte, aber er kehrte bald zurück Mit der Meldung, daß der Gouverneur keine andere Beglaubigung habe, als den Befehl des Königs, gutwillig oder mit Gewalt in den großen Saal einzu dringen. Zugleich benachrichtigte er die Versammlung, daß das Polk den Palast umringe, und daß die Soldaten dasselbe kaum noch zurück- halten könnten. — . „DaS Parlament ist weit von jeder Empörung entfernt", ries Herr von Catuölan; „Thürstehcr, öffnet die Thuren." — Beide Flügelthürcn öffnen sich, und der Graf von Thiard erscheint mit von Molleville und den Offizieren, Alle den Hut in der Hand haltend. Bei diesem Anblicke bedecken sich die Mitglieder >eS Parlaments. Herr von Thiard fragt, im Saale umherblickend, wo der Platz der Abgeordneten dcs Königs sep. — „Zeigen Sie zuerst Ihr Beglaubi-