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Amtsblatt des König!. Bezirksgerichts und des Raths der Stadt Leipzig. ^ 354. — Dienstag den 20. December. 185S. Bekanntmachung. .1 e t-t 7' 0 Die bevorstehende Ateujahr-mefse beginnt , ^ / den »V. December d. I. und endigt ^ den 14. Januar 1SSO. Leipzig, den k7. December I«LS. ' Der Nath der Stadt Leipzitz. ^ ' ^ - - vr. Ko'ch^ ^ > Cemttt.' ' - ' - ----- » Line Weihnachtsgeschichte. I. Drei Lage vor Weihnachten: (Fortsetzung.) . " ' r.'. -/ z. u- Während Paulus und Beate sich in Muthmaßungen darüber erschöpfen, wer die liebenswürdige Dame wohl sei, führt der Verfasser dm Leser in ein stattliche- Hau-, da- an der Prome nade liegt. Zwei GaSlaternen beleuchten den Eingang. Bei dem Scheine dieser Laternen sehen ivir die Dame auSsteigen, die dem Dichter einen Besuch abgestattet hat. Ein Diener öffnet die große durchbrochene Thür und laßt die Herrin eintreten, die leicht die «itl, Decken belegt« Treppe hinaufschwebt und ein Zimmer de- ersten Stocks betritt/ wo sie von einer Kammerfrau erwartet wird. Diese- Hau- bewohnt der Rentier Bernhard O. Dem Haus halte nach zu urtheilen, muß er ein enorm reicher Mann sein. Seine Equipage und seine Pferde" galten für die besten in der Stadt. Nur wenig AuSerwählte haben Zutritt; Bernhard lebte in einer Zurückgezogenheit, die zu mancherlei Annahmen und Veppmthungen Anlaß gah. Man sah ihn an der Seite seiner reizenden Gattin nur im Theater oder im großen Concerte. Im Sommer machte er mit ihr von Zeit zu Zeit Spazierritte, und Louise erschien dann in dem schwarzen Reitkleide und in dem Männerhute mit grünem Schleier so pikant, daß sie die allge meine Aufmerksamkeit fesselte. Um die Zeit, in der unsere Erzählung beginnt, waren die verschiedenartigsten Gerüchte über Len Rentier in Umlauf. Einige hielten ihn für beschränkt, Andere für tiefsinnig und Menschen scheu, und wieder Andere wollten wissen, daß er unter dem Pantoffel seiner despotischen Frau stände, die, weil er ein schöner Mann war, entsetzlich von der Eifersucht geplagt würde. — Sir ist ein reizender Dämon! sagten die Belletristen, deren eS in der Stadt viele giebt. — Von ihr stammt da- große Vermögen, meinten einige alte Damen, die trotz der grauen Haare noch Ertnolinen tragen und gesperrte Sitze im Theater haben. — Madame O. ist eine zweite George Sand, ein Mann »eib! ruft einer von. Denen, die in der geschlossenen Bahn und bei Gasbeleuchtung Quadrille reiten. — Sie ist eine überspannte Närrin, äußert eine DoctorS- Witwe, die Louisen an Rocca'S Bildetladen gesehen, als sie mit feuchten Augen die Schlacht bet Solferino betrachtet hatte. Und Herr Bernhard O.? — Er ist ein reicher Manu, der einige Creditanstalten mit gegründet, von seinem Vater einige Güter in Schlesien geerbt und die Tochter eines bankerotten Hamburger Kaufmann- ge- hetrathet hat. Der Easfirer sei»«- Schwiegervaters ist «ach Brasilien auSgewandert. Diese Antwort giebt ein Agent, der rohe Tabake vertreibt «nd impvrttrte Cigarren raucht. — Hm!.Hkp! murmelt ein Rechtsanwalt. Herr O. ist in einen Proceß mit einem westphalischcn Grafen verwickelt, ter übel ablaufen kann. Dann neigt sich der Rechtskundige und flüstert mit geheimniß* vollen Mienen dem Fragenden einige Worte in das Ohr. — Ach ! ruft dieser gedehnt. Da- leuchtet mir ein. — Zch habe Nicht- gesagt! — Kein Wort. — Also . . . — Und wer ist sein Banquier? — Ich weiß eS nicht. Ein Schriftsteller, ich erinnere mich siineS Namen- nicht, sagt sehr richtig, daß wir Alle Steindruck-platten gleichen, von denen die Medisance eine Menge Abdrücke mache; eS seien diese Abdrücke nur selten getreu, in den meisten Fallen wichen sie von dem Originale durch so unmerkliche Nüancen ab, daß der gute Ruf von der Bilanz abhänge, die Jeder zwischen dem hinkenden Wahren und den in Umlauf gesetzten Wahrheiten zieht. Die arge Welt! Sie konnte dem Rentier nicht verzeihen, daß erreich, und seiner Gattin, daß sie schön und tugendhaft war. Louise hatte mit Hülfe ihrer Kammerfrau die Abendtoilette gemacht. Die Wahl der Farben und Stoffe zu den Kleidern verrieth die Dame von gutem Geschmacke. Gegen neun Uhr er schien der Gemahl zum Thee, den Gretchen, wie man die Kammer frau nannte, srrvirte. Bernhard, ein Mann von dreißig Jahren, sah seine Gattin forschend an. — Du bist in der Stadt gewesen, Louise? — Ja, mein lieber Freund! antwortete sie unbefangen. — Und ohne Dich unsere- Wagen- zu bedienen . . . — Ich habe einen Fiaker benutzt. Du bist so ernst, Bern hard — sind unangenehme Nachrichten eingelaufen, fragte sie theilnehmend. i,- — Nein!. . , r — WaS stimmt Dich so trüb?. Sie legte ihre feine weiße Hand auf seine Achsel und sah ihn erwartend an. Der Gatte konnte ihren Hellen Blick nicht ertragen; er rief in schmerzlicher Erregung: — Louise, wir können nicht so fort leben! Bestürzt trat sie einen Schritt zurück. — Warum? fragte sie leise. — Du birgst Geheimnisse — da- verletzt mich! — Bernhard, ich habe die Frage lange unterdrückt, heute aber muß ich sie au-sprechen: mißtrauest Du Deiner Frau, die Dich herzlich liebt? Er vermied e- eine direkte Antwort zu geben, denn er war eben so zartfühlend al- heftig. — Wenn eine Dame von Stande, die ihren eigenen Wagen besitzt, in einem Fiaker au-fährt, bet Sturm und Regen/ bei