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besaß er einen unaufhörlichen Wissensdrang, der ihn eine umfassende Kenntnis der Musik aller Länder und Zeiten erwerben ließ. Gewiß erreichte er eine ungewöhnliche Meisterschaft in den vokalen und instrumentalen Formen durch seine frühen praktischen Erfahrungen an Klavier und Orgel, Instrumente, die er glänzend beherrschte, doch konnte das umfangreiche Schaffen, zahlreiche Opern, darunter „Samson und Dalila" (1877), Oratorien, Kantaten, Chöre, Lieder, sechs Sinfonien, vier sinfonische Dichtungen, fünf Klavierkonzerte und andere kon zertante Werke, Kammer-, Klavier- und Orgelmusik umfassend, insgesamt nicht ohne Schwächen bleiben. In den von seinem Freund und Förderer Franz Liszt angeregten sinfonischen Dichtungen lieferte Saint-Saens seinen wohl wesent lichsten Beitrag zur Erneuerung der französischen Musik, doch auch die klassi zistischer Haltung huldigenden Klavierkonzerte beanspruchen einen besonderen Platz in seinem Oeuvre. Seit 1877 lebte der Komponist, ermutigt von Liszt, nur noch seinem Schaffen, nachdem er vorher als Organist und Lehrer gewirkt hatte. Außerdem bereiste er als überall gefeierter Pianist und Organist sowie als Dirigent seiner Werke zahlreiche Länder. 1921 verstarb er im hohen Alter von 86 Jahren in Algier. Das 1875 komponierte und vom Komponisten selbst als Solist in Paris urauf geführte Konzert für Klavier und Orchester Nr. 4 c-Moll o p. 4 4 ist weniger als das 2. Klavierkonzert g-Moll op. 22 bekannt geworden. Dennoch gehört es zu seinen interessantesten Werken, vereinigt es doch vor allem die Vorzüge seiner Handschrift: die Eleganz und Sicherheit des musikalischen Formens, die vollendete Konversation, die sich aus dem geistreichen Dialogisieren von Orchester und Solo ergibt, die Verbindung von gezügelter Leidenschaft und warmherziger Anmut und nicht zuletzt die glänzende solistische Ausstattung, deren besondere Eigenart in der filigranartigen Durchsichtigkeit des prickelnden Laufwerkes und der glitzernden thematischen Umspielungen liegt. Abweichend von der üblichen Konzertform besteht das Werk aus einem varia tionenartigen Doppelsatz. Das charakteristische Eröffnungsthema (Allegro mo derato) führen Streicher und Soloinstrument alternierend ein. Figurative Kla viervariationen schließen sich an. Durch motivischen Anschluß verbunden ist ein Andante-Teil, dessen Thema sich akkordisch, von Klavierarpeggien einge hüllt, allmählich herausschält. Das Soloinstrument und die Gruppen des Orche sters stehen sich klar gegenüber. Der schwung- und geistvolle 2. Satz verwendet zunächst die beiden bisherigen Hauptthemen (Allegro vivace - Andante) und führt in seinem Schlußteil (Allegro) ein neues, choralähnliches Thema ein, dessen von Lisztscher Brillanz erfüllte Durchführung dem Stück eine überaus effektvolle, virtuose Finalwirkung sichert. Die Spanische Rhapsodie (Rapsodie espagnole) ist ein frühes Werk des französischen Meisters Maurice Ravel. Sie entstand 1907 („Daphnis und Chloe” 1909 12; „La Valse” 1919/20; „Bolero” 1928) und wurde am 28. März 1908 von Edouard Colonne in Paris sehr erfolgreich uraufgeführt. Ravels Vorliebe für alles Spanische, für die ursprüngliche Leidenschaftlichkeit des sprichwörtlichen spanischen Temperaments, wie für den Esprit des Franzosen äußert sich gleichermaßen in diesem Stück, das trotz des Titels keine eigentliche Rhapsodie, sondern eine zyklisch aufgebaute, frei behandelte, viersätzige Sinfonie „im spanischen Geschmack" darstellt. „Es handelt sich hier freilich nicht um ein romantisch gese henes Spanien, sondern um eine äußerlich etwas lässige, in Wirklichkeit klug berechnete Fantasie, in der Tanzrhythmen überall verstreut erscheinen, ohne jemals den Stoff zu einer schulmäßigen Entwicklung herzugeben", stellt Jean Boyer fest. „Die Spanische Rhapsodie zeigt in aller Deutlichkeit zwei We senszüge der Musik Ravels, die Freude am Rhythmischen und die Freude am Klanglichen. Aus Rhythmen und Klängen entsteht eine Atmosphäre, die nichts Verschwommenes noch Verschleiertes duldet. Ravel zeigt sich hier als Jünger Chabriers und Rimski-Korsakows in der Behandlung der Rhythmen und des Orchesters. Die Sorge um das Maßhalten aber ist sein eigen." Der für Ravel bezeichnende nervige, geschmeidige Orchesterklang, zugleich seidig und trocken, dabei transparent, klar und kraftvoll, erscheint in der Spanischen Rhapsodie zum ersten Mal. Eine unablässig wiederholte absteigende Linie von vier Tönen (F-E-D-Cis), unter der, dissonant, geheimnisvolle Sekunden gleiten, drückt im 1. Satz der Rhapsodie (Prelude ä la Nuit) nächtliche Stimmung und Sehnsucht aus — Traum einer andalusischen Sommernacht. Als 2. Satz, als Scherzo, dient eine Malaguena, ein Tanz aus Malaga im dreiteiligen Takt. Das faszinierende Stück, von einem großen Schlagzeugaufgebot getragen, besitzt in seinem ständigen Stimmungswechsel rhapsodischen Charakter. Meisterlich instrumentiert, ohne eine Note zu ver ändern, nahm Ravel als 3. Satz das bereits 1895 geschriebene Klavierstück „Habanera" auf. Man wird nicht müde, die wehmütige Anmut ihrer weitge spannten, gebrochenen Akkorde zu bewundern. Heiter-vehement, ja glutvoll besessen gibt sich das Feria-Finale mit seinen volkstümlichen Motiven und Rhythmen. Doch ist auch ein gewisses tragisches Element erkennbar, das „La Valse" prophetisch anzeigt. Typisch Ravel: selbst die Wildheit und die Über treibung dieses Stückes sind der Kontrolle des Geistes unterworfen. VORANKÜNDIGUNG: Sonnabend, den 3. Juli 1976, 18.00 Uhr, Freiverkauf Sonntag, den 4. Juli 1976, 18.00 Uhr, Freiverkauf Schloßpark Pillnitz 1. SERENADE Dirigent: Hartmut Haenchen Solisten: Heidrun Halx, Leipzig, Sopran Sybille Suske, Berlin, Sopran Dieter Schwartner, Dresden, Tenor Fred Teschler, Dresden, Baß Chor: A-cappella-Chor des Philharmonischen Chores Dresden Georg Friedrich Händel: Acis und Galatea Programmblätter der Dresdner Philharmonie — Spielzeit 1975/76 — Chefdirigent: Günther Herbig Redaktion: Dr. habil. Dieter Härtwig Druck: GGV, Produktionsstätte Pirna — 111-25-12 2,85 T. ItG 009-44-76 EVP 0,25 M »billnamnonio 10. PHILHARMONISCHES KONZERT 1 975/76