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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 27.09.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-09-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110927018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911092701
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911092701
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-09
- Tag 1911-09-27
-
Monat
1911-09
-
Jahr
1911
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Lcplemdec lSll- 10S. Zshrgsny. Die vorliegellde Ausgabe umfaßt 18 Zeiten. Das Mchüslre. In deutschen Regierungskreisen hofft man noch, das; die Lösung der Tripolis- frage ohne kriegerische Auseinander setzung Mischen der Türkei und Italien möglich ist. (S. Leitart.) >> * Das italienische Paketboot „Regina Margherita" ist unbehelligt von Konstantinopel in Alexandria eingetroffen. sS. d. bcs.Art) I * In den Londoner Docks sind von neuem Unruhen ausgebrochen. fS. Letzte Dep.) * Am Montagabend zerstörten zweitausend ausständige Textilarbeiter in dem Dorfe Zbecnik bei Nachod acht Wirtschaftsgebäude und vernichteten die Vorräte. sS. Letzte Dep.) Oss tripatttsmlche Abenteuer. (Von unserem römischen Mitarbeiter.) „Vernunft wird Unsinn. . .!" Wenn in Italien die Kriegsbereitschaft auf derselben Höhe stände wie die alle Dämme fortrcißende Kriegs begeisterung, dann könnte es Heer und Flotte nicht nur mit der Türkei aufnehmen. Man fragt nicht mehr, zu welchen unabsehbaren Kousequen» zcn das Abenteuer in Tripolis führen kann, son dern man sagt einfach: Wer nicht mit uns ist auf dem Zuge gen Tripolis, ist gegen uns! Franzosen, Engländer und Nüssen, so glaubt man am Tiber, stimmen mit ins italienische Kriegs horn. Delitschland, so heißt es weiter, als der be rufene Schützer der Türken, ist nicht für uns, folglich ist Deutschland gegen uns! Von Oester reich weiß man noch nicht genau, ob es für oder gegen die Türkei und damit auch gegen oder für Italien ist. Mer um Deutschland und Oester reich kümmert man sich im Augenblick nicht mehr. Es genügt, daß man glaubt, die Türkei würde an Rußland und den Westmächten keinen Rück halt haben, wenn's losgeht. Und zum Losgehen ist man bereit, erzbereit! Die Kritiker, die noch vor wenig Wochen an den Zuständen in der italienischen Marine kein gutes Haar ließen, und die nach den Strandungen der beiden Kriegsschiffe „San Giorggio" und „Pontiere" voller Verzweif lung ausriefen: „Es ist an mehr als einer Stelle etwas faul in unserer Marine!" sind zum Schweigen gebracht. Wer nicht mit in den Ruf einstimmt: Tripolis muß unser sein! muß sich sagen lassen, daß er urchatriotisch denA und han delt! - - Diesen Vorwurf muß sich jetzt auch der „Ge nosse" Bissolati aus seinen eigenen, den so zialdemokratischen Reihen anhängen las sen, derselbe Bissolati, der um ein Haar im Früh jahr nach seinem „Hofgang" mit ins Ministe rium Giolitti hineingenommen worden wäre. Bis solati ist einer von den 50 Deputierten, die im Gegensatz zu der erdrückenden Mehrheit (160 Mann) der Abgeordneten ihr Veto gegen oas trivolktanische Abenteuer erhoben haben. Msso- lalis „engerer" Fraktionsgenosse Turati aber möchte lieber heute als morgen den Kreuzzug gegen die Ungläubigen selber anführen. Turati war vor acht Jahren als Ministerkandidat ge nannt worden. Vielleicht kommt er jetzt eher mit seiner Tripollsbegeisterung zu cmem Portefeuilles Vor zehn Jahren noch hatte er in Mailand „Nieder den König!" so laut gerufen, daß König Viktor Emanuel es gehört haben soll. Mer viel leicht hat der König inzwischen auch erfahren, daß „Genosse" Turati entschieden umgelernt hat und momentan kriegsbegeisterter Ist als der Mi nisterpräsident Giolitti, von dem die Rede geht, daß er in Uebereinstimmung mit dem Aus wärtigen Minister Di San Giuliano für eine friedliche Beilegung des vom Zaune gebrochenen Konfliktes mit der aus allen Wolken gefallenen Türkei wäre. Wer das Volk will den Krieg. » « Wollte das Ministerium gegen diesen Willen ankämpfen, so würden ihm die kriegslusti gen Deputierten einfach das Vertrauen entziehen, und Herr Giolitti könnte am sel ben Tage mit seinen Kollegen die Koffer packen. König Viktor Emmanuel wird schließlich zur Vermeidung schwerer Erschütterungen dem Drän gen der Deputiertenkammer und damit des Volkes nachgeben müssen; denn auch die Klerikalen verlangen jetzt mit Ungestüm den Erwerb von Tripolis. Der von bekannten 'Vatikangrößen re digierte „Corriere d'Jtalia" überbietet in der H urrabegeisternng hogar das nationalistische „Giornale d'Jtalia" und ruft tagtäglich allen Frommen im Lande, die es noch nicht wissen, zu: Italien muß seinen Bankerott erklären, wenn es jcpt nicht vom Leder zieht! Just im Früh ling war es, als Garibaldi filius sich und pu dere Abenteurer um Albaniens willen in den Krieg mit der Türkei stürzen wollte. Damals war es der „Corriere d'Jtalia", der dem Sohne des Mannes, der dem Papste den Kirchenstaat „raubte", Weihrauch streute. Heute zeigen mit dem „Corriere d'Jtalia" alle v'atlkanischen Blätter und Blättchen, daß der H e i l i g e 'S t u h l noch weit kriegslüsterner ist als er im Früh jahr gewesen war. . , Sollte diese seltsame Haltung denen, die nicht des Papstes sind, kein Fingerzeig sein, mit wel chen Hoffnungen sich die vatikanischen Herrschaf ten für den Fall tragen, daß das Abenteuer dort drüben in Tripolis anders cnder als die kriegs begeisterte Menge es sich träumen läßt! Oder glaubt man in der Nähe des Quirinals ilwMrnstc, der Spanier Mcrry del Val hege in seinem tief dunklen Busen genau "denselben italienischen Pa triotismus, wie ihn der König, seine Minister und das kriegsbereite italienische Volk im treuen Her zen tragen? Noch ist es nicht zu spät! An unterrichteter Stelle hat unser Berliner .I-Bc- richterstatter am Montag über die Tripolisfrage folgende Auskunft erhalten: Die italienische Negierung hat bisher keinen An laß genommen, eine amtliche Meinungsäußerung Deutschlands über die tripolitanische Aktion herbei zuführen, und hat die deutsche Regierung von ihrem Vorhaben bisher auch nicht amtlich benachrichtigt. Wenn Deutschland nicht von anderer Seite angerufen wird, wird es sich kaum drängen, an Verhandlungen, die mit dieser Aktion Zusammenhängen, beteiligt zu werden Die Möglichkeit, daß sich Italien mit der Türkei kriegerisch auseinandersetzt, muß nach den aus Italien kommenden Berichten ins Auge gefaßt werden, doch wollen wir hoffen, daß beide Mächte doch noch einen Weg zur Verständigung finden. Das Deutsche Reich hat ein gutes Beispiel gegeben, indem es seine Differenz mit Frankreich auf diplo matischem Wege beigelegt hat, obwohl viele bei uns gemeint haben, daß der Appell an die Waffen nötig sei. Deutschland wird, wenn es Gelegenheit hat, so wohl in Rom wie in Konstantinopel einer gütlichen Auseinandersetzung das Wort reden. Mögen die Italiener zusehen, wie weit sie auf diesem gütlichen Wege kommen. Die verantwortlichen Staatsmänner Italiens werden sich längst klar gemacht haben, welche Schwierigkeiten eine gewaltsame Aktion heraufbeschwören kann. Sie müßen nun selber wissen, was sie zu tun haben: aufdringliche Ratschläge zu erteilen, ist nicht unsere Sache. Zu der Lage liegen weiter folgende Depeschen vor: Der Dreibund. Wien, 26. September. (Priv.-Tel.) Die Wiener „Neue Freie Presse" schreibt: Oesterreich-Ungarn und Deutschland sind verbündet mit Italien, und die Bündnistreue wird das italienische Volk von der Zuverlässigkeit und Ausrichligteir seiner Alliierten überzeugen. Diese Politik wird aber von dem Wunsch geleitet sein, alles zu tun, was den bedenklichen Schritt Italiens mildert und den A u s- bruch des Konflikts verhindert. Die kleri kalen Wiener Blätter, die sonst gegen den italie nischen Staat eine scharfe Sprache führen, stellen sich in bemerkenswerter Weise jetzt auf dessen Seite. Die ultramontane „Reichspost^ führt aus, Oesterreich-Ungarn habe um so weniger Anlaß, sich gegen Italien zu wenden, als ja der Dreibund seine Festigkeit darin besitze, daß er den natürlichen Lebensinteressen jedes seiner Verbündeten angetan sei. Es heiße den Dreibund zerstören, wollte man Italien in seiner Aktionspolitik Schwierigkeiten machen. (Die von anderer Seite ausgesprochene Ver mutung, diese Sympathieerklärungen für dieTripolis- expedition seien damit zu erklären, daß sie die Italiener von Albanren ablenken, ist nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. Die Red.) Die Tripelallianz. Konstantinopel, 26. September. (E. D.) Die ge meldeten Antworten der Kabinette von Paris und London, denen sich eine ähnliche von Petersburg heute anschließt, muffen als fast für Italien er munternd aufgefaßt werden. Die Blicke der Türken bleiben aus Berlin gerichtet. Man rechnet auf eine direkte Einwirkung des deutschen Einflusses bei dem verbündeten Italien als einzige Möglichkeit, das Schlimmste zu vermeiden Keine Erfahr für die Italiener in Tripolis. Konstantinopel, 26. September. (Meldung der Preß Centrale.) Die Nachricht, daß die Interessen der in Tripolis lebenden Italiener in Gefahr schweben wird offiziell in Abrede gestellt. Die italienischen Staatsangehörigen können nach wie vor, wenn sie sich rubig verhalten, ihren Beschäf tigungen nachgehen und es wird ihnen seitens der Türkei nichts in den Weg gestellt, ihre geschäft lichen Beziehungen auszudehne« und ihre Unter nehmungen somit zu heben. Eeneral Taneva Leiter der Tripoli»expeditio». Rom, 26. Sept. lMeldung der Preß Centrale) Generalleutnant Caneva wird, wie die Blätter melden, mit dem Oberbefehl des Expeditionskorps nach Tripolis betraut werden. Die italienische Re gierung hat insgesamt 40 Transportdampfer gemietet, um ihre Truppen nach Tripolis auf ihnen zu befördern. Die gute Finanzlage in Italien. Rom, 26. September. (Meldung der Preß Cen trale.) Die „Tribuna" fordert heute wieder die italieni'chc Negierung in scharfen Worten auf, doch nun nicht mehr mir ihrer Tripolisexpedition zu zögern, da die augenblicklichen Finanzen in Italien sehr gut ständen. Die großen Bankhäuser würden der Negierung sicher die von ihr geforderten Geld summen vorstrecken. Aus erdem habe das Land durch die Tabak- und Monopolzölle so gute Einnahmen, die schon allein genügen würden, um die Kosten eines Feldzuges nach Tripolis zu decken. Ein bulgarisch-griechisch-serbisches Tripolis- Abkommen? Sofia 26. September. (Meldung der Preß Cen trale.) Die bulgarische Negierung soll sich nut den Kabinetten in Griechenland und Serbien in Ver bindung gesetzt haben um im Falle eines italienisth- türklschen Konfliktes ihre Interessen gemein sam zu verteidigen. Die deutschen Offiziere in der türkischen Armee. D Köln, 26. September. (E. D.) Die „Kölnische Zeitung" meldet aus Berlin: Stach einer auch in deutsche Blätter übergegangenen Mitteilung sott die deutsche Negierung den in der türkischen Armee dienenden d'eurscben Offizieren die Nachricht haben zugehen lassen, daß sie an einem eventuellen Kriege gegen Italien sich keinesfalls betei ligen sollten. Auch England soll bereits einen gleichen Schritt unternommen haben. Was Deutsch land anlangt, so !ag zu einer derartigen Mitteilung schon aus dem Grunde kein Anlaß vor, weil die deutschen Offiziere in dem türkischen Heere nicht als Truppenführer, sondern als Instrukteure angestellt sind. Die Ksmlrwslre aus üer „Liberte". Grausige Szenen und erschütterirüe Einzelheiten f von der furchtbaren Katastrophe im Hasen von ! Toulon werden jetzt allmählich bekannt und finden ihren Weg in die französische Presse. Dabei sind zwei Hauptfragen leider immer noch nicht enogültig gelöst: die Frage nach der Ursache des Unglücks und die genaue Angabe der Ectöteren und Verletzten. Ueber die Ursachen, die zu der Katastrophe geführt haben, zirkulieren noch immer weit auseinander laufende Meinungen. Während der frühere Marine minister Picard, der Admiral Germinet und Marine minister Delcaffo fest behaupten, daß die Explosion nicht durch Selbstentzündung des rauchlosen Pulvers in den Munitionsräumen, sondern durch einen Brand hervorgcrufen worden sei, erklären andere, daß das Pulver infolge der langen Lagerung und des trockenen Sommers sich selbst entzündet habe. Nach anderen Quellen ist der Brand im Hauotmagazin der „Liberto" entstanden, wo sich viele Oel- und Farb fässer befanden, die dem Feuer reichliche Nahrung boten. Vergebens bemühte sich die Mannschaft, die Zwischenwände herabzulasscn, um das Vordringen des Feuers in die Munitionsräume zu verhüten. Die Flammen brachen sich Bahn, ergriffen die Munition, und es entstanden zuerst kleinere Explosionen, die sich sodann in einer einzigen gewaltigen Explosion aus lösten, die das stolze Schiff vernichtete. Ob es überhaupt gelingen wird, die Ursache ganz genau festzustellen, erscheint nach allen bisherigen widerspruchsvollen Meldungen mehr als zweifelhaft. Und ebenso widerspruchsvoll sind zunächst noch die Angaben über die Zahl der Opfer. Nach den letzten Meldungen wird diese auf etwa vierhundert angegeben, wobei zu beachten ist, daß ja auch auf den übrigen Schiffen les Geschwaders, die sich in der Nähe der .Liberto" befanden, durch umherfliegende Trümmer viele Personen getötet und verwundet wurden. Jedenfalls ist die Katastrophe von Toulon bisher von keinem ähnlichen Unglück in irgendeiner Marine übertroffen worden. Wir lassen hier einige Schilderungen von Einzel heiten folgen' In den Tod kommandiert. Einer der geretteten Offiziere der „Liberto", der im Touloner Spital mit Brand wunden daniederliegt, macht über die Katastrophe folgende aufsehenerregenden Mitteilungen: „Der Brand war an Bord der „Liberto" schon seit mehreren Stunden bekannt, ohne daß man Alarm geblasen hätte. Die gesamte Mannschaft schlief. Erst nach der ersten Explosion wurde der kommandierende Leutnant Bignon ver ständigt, der sofort Alarm schlagen ließ. Die aus dem Schlaf erschreckt auffahrende Mannschaft erkannte jedoch die Gefahr und stürzte sich über Bord ins Wasser. Ein großer Teil warf Kähne los und ließ sich in das Meer hinabgleiten. Zum Unglück wurden die Fliehenden zurückkomman- diert und erkletterten wieder das Schiff. Sie waren so in den sicheren Tod geschickt worden. Das Feuer hatte so große Fortschritte ge macht, daß niemand mehr hinab konnte, «m die Munitionskammer unter Wasser zu fetzen." Die Ueberlebeadeu auf der »Liberto-. Kurze Zeit nach der Katastrophe auf der „Liberto" wurde oekannt, daß sich auf dem brennenden Panzer noch lleberlebende befanden. Admiral Aubert begab sich unverzüglich selbst in einer Schaluppe an den Ort des Unfalls, um persönlich die Rettungs arbeiten zu leiten. Als er nur noch wenige Meter vom Schiffe entfernt war. hörte er. wie aus dem Innenraum verzweifelte Hilferufe und Klopfen gegen die Panzerplatten erschallten. Der Admiral ließ so fort Sauerstoffapparate und Eisensägeu heranholen. um das Rettungswerk beginnen zu können. Als man in das Innere der „Liberto" eingedrungen war, sand man hier ein unbeschreibliches Bilo. lleberall lagen stöhnende Verwundete, die mit dem Tode rangen, und neben ihnen schon tote Matrosen. In einem Turm fand man einen Obermaat, der schon drei Stunden ununterbrochen um Hilfe schrie. Ihm war ein Eisen block auf den rechten Fuß gefallen und hatte diesen vollständig zerquetscht. Da auch die Hebekräne durch die Explosion nicht mehr intakt waren, so konnte der Unglückliche erst aus seiner Lage befreit werden, nach dem ihm das Bein bei vollem Bewußtsein ab genommen worden war. Der Maat starb unter ent setzlichen Schmerzen auf dem Wege in das Kranken haus. Auch die anderen Verunglückten, die aus ihren gefährlichen Lagen befreit wurden, konnten, obwohl ihnen schnelle Hilfe zuteil wurde, nicht mehr lebend ins Spital eingeliefert werden. Angriffe gegen den Kommandanten der „Liberto-. Dem „Lok.-Anz." wird aus Paris gemeldet: Das Regierungsblatt „Action" und andere dem gegen wärtigen Ministerium ergebene Zeitungen greifen den Kommandanten Iaurös, den Bruder des Deputierten, heftig an. Man erinnert daran, daß der Konservator des Louvre-Museums, der sich in regelmäßigem Urlaub befand, als die Eioconda gestohlen wurde, mit Verlust seiner Stellung den Mangel an richtiger Organisation büßen mußte. Kommandant Iaurös hätte gleichfalls seinen Urlaub nicht antreten dürfen ohne die vorherige strengste Kontrolle für die Durch führung aller Vorschriften und die volle Sicherheit, daß während seiner Abwesenheit die Offiziere ihre Aufmerksamkeit verdoppeln würden Es scheinen a^ge D i sziplinfehler an Bord der „Liberto" vorgekommen zu sein, während doch die Einrichtungen eines modernen Kriegsschiffes unausgesetzte Wachsamkeit von allen verantwortlichen Organen zu jeder Tages- und Nachtzeit erfordern. Die Panik in der Stadt. Die Einwohner von Toulon erzählen sich wahr hafte Schreckensgeschichten über die Ereignisse, die sich unter dem Eindruck der Explosion in der Stadt abspielten. Im ersten Augenblick erzitterten die Häuser wie bei einem Erdbeben. Die Läden vieler Geschäfte wurden abgerissen, eine große Anzahl von Fensterscheiben ging in Trümmer, und der Turm der Kathedrale schwankte nahezu zwei Sekunden lang infolge des durch die Explosion hervorgerufcnen Luftdrucks. Die entsetzten Bewohner, die den Turm der Kathedrale wanken sahen, fürchteten, daß er jeden Moment zusammen stürzen und alles unter sich begraben werde. Es war ein kurzer, aber schreckcrfiillter Moment. Zum Glück ging die Katastrophe vorüber, ohne daß sich in der Stadt weiteres Unglück ereignet hätte. Vor einem Hotel spielte sich eine tragische Szene ab. Ein Fenster wurde geöffnet, und eine junge Frau mit einem Kinde auf dem Arme rief die Vor- bcieilenden an, was denn geschehen sei. „Die „Liberto" ist in die Luft geflogen", erklärte man der Frau. Mit einem Aufschrei brach sie zusammen. Die Unglückliche war aus weiter Ferne nach Toulon gereist, um ihren Bruder zu besuchen, der sich auf der „Liberto" befand. „Wir kommen. Wir bringen Hilfe!" Der Obermaat Bollier, der Führer eines Ret tungsbootes, gibt über die Explosionskatastrophe folgenden Bericht: Als wir uns auf unserem Schiffe gegen i/46 Uhr morgens der „Liberto" näherten, schlugen bereits aus allen Seiten des Kreuzers Helle Flammen heraus, und wir hörten genau das Jam mern und Stöhnen der Verunglückten. Wir riefen ihnen zu: Wir kommen, wir kommen und bringen euch Hilfe! Aber mit jedem Meter, mit dem wir uns der „Liberto" näherten, wurde für uns die Gefahr größer. Der Kreuzer war schon ein einziges Flammenmeer, und wir hörten, wie sich eine Explosion im Innern des Schiffes vollzog. Im letzten Augenblick gelang es uns, unser Boot zu wenden. Im selben Augenblick erfolgte noch eine schwere Explosion. Es war uns, als ob unser Schiff in einen Wirbelwind geraten war. Mehrere Minuten lang drehte es sich rasch um sich selbst. Als wir wieder zur Besinnung gekommen waren, war alles von einem dichten schweren Rauch belagert. Ueberall sahen wir im Wasser Verunglückte Herumtreiben. Es spielten sich unbeschreibliche Szenen im Wasser ab. Schwerverwundete Matrosen machten noch den Versuch, schwimmend das Ufer zu erreichen, doch hatten sie nicht mehr die Kraft, ihren Vorsatz auszufiihren. Wir nahmen 1b Leute an Bord, von denen 10 den schweren Ver wundungen erlagen, bevor wir das Land erreicht hatten. Die Aufnahme des Unglücks im Ausland. InEnglandhat das Bekanntwerden der Kata strophe große Bestürzung hervorgerufen. Alle Blätter widmen den Toten der „Liberto" einen in warmen Worten gehaltenen Nachruf. So schreibt die „Westminster Gazette": Die furchtbare Katastrophe erregt in England das Gefühl tiefsten Mitleids mit größter Sympathie; denn wir erinnern uns an den schweren Verlust, den unser Land durch das Unglück der „Viktoria" vor 20 Jahren erlitten hat. Wir können uns den Schmerz Frankreichs gut vorstellen über diese Katastrophe, di^ gerade sich in dem Augen blick ereignet, in dem brr Marokkoverhand- lungen zwischen Frankreich und Deutschland vor einem günstigen Abschluß stehen. Die gesantt« englische Morgenpreffe beschäftigt sich in langen Artikeln mit dem gestrigen Unheil, das Frankreich betroffen hat. Alle sind darin einig, daß Frankreich auf größte Anteilnahme in England rechnen könne. Besonders bemerkenswert ist jedoch aus allen Preßstimmea eine Schlußfolgerung, die der „Maily Graphic". in dem sie sagt: „Nach unseren Feststellungen ist nach der gestrigen Katastrophe fast ein Sechstel kxr sanier» tra^L^lifchea
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