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Unabhängige« Lageblatt Wahrheit, Recht »nb Freih MDM-, «Wna»^« « ^ «tt U»t«»tz«tt««K«SeU«A« Pi« A»tt Dienstag den 13. Oktober 1914 Nr. 235 Geschäftsstelle und Redaktion Dresden.«. 1«, Holbeinstratze 4« Fernsprecher 21366 13. Dev europäische Avieg. Die Folgen des Falles von Antwerpen lassen sich nur allmählich übersehen. Alle Nachrichten aus deutschen, belgischen, englischen und holländischen Quellen stimmen darin überein, dah zahlreiche Engländer und Bel- gier über die holländische Grenze gegangen sind. Sie haben uns dadurch der Pflicht enthoben, sie zu bewachen und zu beköstigen. Die Gesamtbesatzung von Antwerpen soll nach der K. V. aus 120 000 Belgiern und 60 000 Engländern bestanden haben. Das W. T. B. teilt nun nachstehendes Telegramm mit: Haag, 1». Oktober. (W. T. B.) Halbamtlich wird gemeldet, dah die Gesamtzahl der auf hollän- disches Gebiet übergetretenen entwaffueten belgischen und englischen Soldaten etwa 4« VV0 beträgt. Zu diesen 40 000 auf holländischem Boden Gefangenen kommen noch mindestens 2V 000 Gefangene, die von deut- schen Truppen gemacht wurden. Dazu die zahlreiche Muni- tion und der riesige Proviant. Die Kriegsbeute ließ sich naturgemäß auch gestern noch nicht genau feftstellen. Man kann sich also denken, daß die Beute nicht klein war. Be züglich der Ilebergabe der Festung haben wir schon mit geteilt, daß sie nicht durch den Gouverneur erfolgte, denn der war mit seinen Mannen geflüchtet, sondern durch den Bürgermeister, der aber die Verhandlungen erst cinleiten durfte, als das Militär ckbgezogen war. Bezüglich der lieber- gäbe kommt noch folgende Meldung: Rotterdam, 12. Oktober. Die Bedingungen der Belgier für die Ilebergabe von Antwerpen wären: Tie Bürgerwache solle nicht entwaffnet und keine Männer, auch nicht diejenigen im Alter von 18 bis 30 Jahre, gefangen genommen werden. Baron v. Schütz ist zum deutschen Gouverneur von Antwerpen ernannt worden. Er gab zunächst bekannt, daß die B e - wvhncr ruhig zur Stadt zurückkehren könnten, er sandte auch Parlamentäre, um die geflüchteten Bewohner zur Rückkehr zu bewegen. Ein Teil folgte auch der Auf- forderung, andere jedoch flüchteten weiter, denn vorläufig ist die Angst der Flüchtlinge vor den Deutschen noch so groß, daß Frauen und Kinder niederknien und die Hände ausstrecken, wenn sie niederländische Offiziere sehen, die sie mit deutschen Offizieren verwechseln. Die belgische Besatzung war bereits teilweise demoralisiert. Die entwaffncten Soldaten erzählen, daß sie auch Forts ver lassen und indieLuft gesprengt haben, die gar nicht beschossen wurden. Das Erscheinen einer „Taube" ge- nügte allein, um solche Verzweiflungstaten hcrvorzurufen. Die niederländischen Behörden tun das äußerste, um die Flüchtlinge, deren Zahl bereits mehr als eine halbe Million beträgt, über das ganze Land zu ver teilen und Lebensmittel nach allen Punkten zu versenden. Nach einer anderen Meldung betrügt die Zahl der Ge- flüchteten sogar eine Million. Riesig müssen die Verluste der Feinde gewesen sein. In einem Bericht des Amsterdamer Korrespondenten des Blattes „Vaderland" heißt es: Die Verluste der Engländer und Belgier sollen riesig sein, ganz besonders an der Nethe. Ich hörte ohne Uebertreibung versichern, daß der Fluß rot von Blut sei, und daß ganze Berge von Leick)on in dem Fluß liegen. Folgende Einzelheiten werden noch bekannt: Die bei- gischen Geschütze vermochten nichts gegen die deutschen Ge- schütze. Die Verteidiger bekamen die deutschen Geschütze überhaupt nicht zu sehen, und es war unmöglich, auch nur einigermaßen ihre Ausstellung festzustellen. Die Deutschen kannten dagegen ihre Ziele genau. Das Feuer war so heftig, daß die Verteidiger nicht fliehen konnten, ohne dem gewissen Tode entgegenzusehen. Das Feuer hörte um 1 Uhr 30 Min. auf. Die Besatzung benutzte sofort die Gelegenheit zur Flucht. Die deutsche Infanterie begann dann sofort die Verfolgung. Viele entkamen nur durch schnelles Anlegen bürgerlicher Klei- d u n g. Die deutsche Artillerie schoß auf eine Entfernung von 8 Kilometer mit verblüffende ^Sicherheit Schi apnells in die sich zurückziehenden Bataillone der Nach hut. Es entstand eine Panik, insbesondere unter den Bel giern, während die Engländer noch die meiste physische und moralische Stärke behaupteten. Sie hatten schließlich nur die Wahl,, durch das Schrapnellfeuer der unsichtbaren deut schen Artillerie aufgerieben zu werden, oder auf die hollän dische Grenze zurückzugshcn. Auch die Engländer wählten das letztere. Von St. Nikolas ging es nach Clinge, wo Waffen und Munition an die holländiscl>eii Soldaten abge geben wurden, sodann nach Terneuzen und Vlissingen. Eng lische Soldaten erklärten, sie fänden es unverantwortlich, daß sie ohne gute Artillerie nach Antwerpen geschickt worden wären. Sie hätten nur einige Schiffsgeschütze zur Ver fügung gehabt. Die Meldungen über den Fall von Ant werpen, die noch nachträglich eintrefsen, teilen auch die er freuliche Tatsache mit, daß die Kunstdenkmäler und öffent lichen Gebäude unbeschädigt sind. Die Verfolgung der Feinde wurde unverzüglich von unseren Truppen ausgenommen. Ein Telegramm besagt: Amsterdam, IL. Oktober. (W. T. B.) „Tele- graaf" meldet aus Sas - van - Gent. Starke deutsche Abteilungen patrouillieren an der Grenze, um ver sprengte belgische Truppen gefangenzunehme» oder zum Betreten holländischen Gebietes zu zwingen. Gerüchtweise heißt cs, daß englisch - französische Ver stärkungen. die nach Antwerpen gehen sollten, jetzt in der Gc gc nd von Gent mit deutschen Truppen kä m p - f e n. Sonntag trafen in Ostende weitere englische Trup pen ein. Die Deutschen haben die an der holländischen Grenze befindlichen belgischen Truppen durch Maschinengewehrfeucr gezwungen, die Grenze zu überschreiten und sich festnehmcn zu lassen. Deutsche Patrouillen durchstreifen das Grenzgebiet, um es von versprengten belgischen Trup- Pen zu säubern. Nach Berliner Blättern sind der Kommandant von Antwerpen Generalleutnant Guise und Generalmajor Macs von der Antwerpener Besatzung als K ri e g s g e fa n g e n e nach Köln gebracht worden. Englands Werben um Portugal Wien, 8. Oktober. Die englische Diplomatie ist unablässig unter An spannung aller Kräfte bemüht, das bisher neutrale Portu gal ganz auf die Seite der Tripelentente hinüberzuziehen und zu einer Beteiligung am Kriege zu veranlassen. Der englische Einfluß in Portugal tvar seit jeher groß und nichts geschah in diesem kleinen Küstenreich, wobei nicht Albion seine Hand im Spiele gehabt hätte. Es sei nur erinnert an ein Ereignis der letzten Zeit, nämlich die portugiesische Revolution, die ohne Englands Beihilfe niemals zum Sturze des portugiesisck-en Königtums geführt hätte. Den Machthabern in der freimaurerischen Professorenrepublik ist es seit jener Zeit nicht gelungen, das Land aus ver schiedenen Kalamitäten hcrauszureißeu. Dieser Eligue nun kommt Englands Angebot, die Regierung Portugals finan ziell über Wasser zu halten, wenn dieses Land seine militär pflichtige Jugend verschachert und für die britischen Krämer und die französischen Revancheschreier auf dem Dchlacht- felde verbluten läßt, sehr gelegen. Durch die Auslieferung Portugals an England würde» die Kreise, die heute in Lissabon die Macht in den Händen haben, das durch die letzten Krisen schwer heimgesuchte Land gänzlich zu einem Vasallenstaat Großbritanniens erniedrigen, und es würden für Portugal die Zeiten unter Maria II. wiederkommen, unter deren Herrschaft Portugal politisch und kommerziell ganz auf die Gnade Englands angewiesen war. Auch jetzt hat die englische diplomatische Vertretung in Lissabon von London den Auftrag, auf das sorgfältigste darüber zu wachen, daß Portugal nicht etwa den englischen Fangnetzeu entschlüpfe. Mit besonderer Angst blickte Albion stets auf Deutschland, dem es andichtete, es wolle Portugal seiner Kolonien und seiner Freiheit berauben und Lissabon zu einem Stützpunkt der deutschen Flotte im Atlantischen Meere machen. Unterstützt von den falschen Nachrichten ans den Lügenwerkstätten der Tripelentente, gelang es England wirklich, für seine Einflüsterungen ein williges Ohr bei den Lissaboncr Kreisen zu finden. Diese gingen so weit, sich in Verhandlungen mit England einzulassen, die keinen anderen Zweck haben, als die Neutralität des Landes gegen eine möglichst hohe Summe zu verkaufen. Ties konnte natürlich auf die Dauer nicht geheim bleiben. Da Deutschland als der Gegner Englands diesem Treiben nicht ruhig zuschen konnte, mußte sich das Verhältnis zlvischen Berlin und Lissabon zufpitzen. Die Spannung zwischen den beiden Ländern wurde um so kritischer, als die englisch-portu giesischen Verhandlungen die Bereitstellung portugiesischer Land- und Seestreitkräfte zum Gegenstand hatten, wodurch nach Ansicht der Tripelentente deren Lage auf dem Kriegs- schavplatze eine Besserung erfahren sollte. Es ist noch die Frage, ob es der mit England verhandelnden Clique in Portugal gelingt, die Bevölkerung in dem Küstenlande dazu zu bringen, ihre Jugend als Kanonenfutter für Eng- land und Frankreich herzugeben. Sollte cs aber die der zeit in Lissabon das Ruder führenden Staatsmänner doch gelüsten, verbindende Verpflichtungen mit England einzu- gehen, so bleibt noch immer abzuwarten, ob sie dieselben anch wirklich einlösen können. Die Lissaboner Negierung hat wohl erklärt, daß Por tugal nicht aus seiner Neutralität heraustreten werde, doch hat sie zugleich sich eine» Rüstungskredit von 8 Millionen bewilligt, der allerdings nur zur Ausrüstung einer Divi- son reicht. Den Engländern und Franzosen muß das Wasser schon sehr in den Mund lausen, daß sie so große Anstrengungen machen, die doch nicht sehr bedeutende Land- und Seemacht der portugiesischen Republik zu ihrer Ver fügung zu bekommen. Tie portugiesische Armee schätzte man im Jahre 1009/10 auf rund 85 000 Mann, 6000 Reiter und 260 Geschütze, wobei der Kricgsstand angenommen ist. Doch sind die Zweifel über die Gefcchtstüchtigkeit dieses Heeres, das noch milizartigen Charakter aufweist und von schal fen politischen Gegensätzen durchseucht ist, sehr gerecht- fertigt. Von der portugiesischen Kriegsflotte, die eventuell dazu bestimmt wäre, sich an dem Kolonialkrieg gegen Deutschland zu beteiligen, bekommt man einen Begriff, wenn man sich die Angaben über die Zahl und das Alter dieser Zchiffe vor Augen hält. Diese Flotte bestand 1909/10 aus insgesamt 50 Schiffen, nämlich aus einem Panzerkreuzer (1902), 5 Kreuzern (1896), einer königlichen Jacht, einer Korvette, 19 Kanonenbooten, einem Torpcdokanoncnboot, 11 Flußkanoncnbooten, 4 Torpedobooten und 4 Transport schiffen. Die Engländer werden in Lissabon nur dann einen Erfolg haben, wenn man sich dort durch einen Gold- bclg von Versprechungen und durch reichliche finanzielle Mittel für Portugal einfangcn läßt. Werden die Briten aber ihre Versprechungen auch lxsiten? Ihre französischen Bundesgenossen haben schon Grund genug gehabt, sich über die knauserige Hilfsbereitsckxift Englands in finanzieller Beziehung zu beschweren. Wird es den Portugiesen anders ergehen? In Lissabon würde man alles auf das Spiel setzen, dessen unglückseliger Ausgang nicht zweifelhaft sein kann. Die Engländer und Franzosen sollten sich hüten, auf dem Appenin ein Feuer zu entzünden, das leicht für sie selber zum Verhängnis werden könnte. Die Spanier haben noch immer nicht vergessen, Ivelche Behandlung ihnen von seiten der Londoner und Pariser Regierungen zuteil wurde. Tie Festsetzung der Franzosen in Marokko und die Will- kürherrscl-aft Englands auf Gribraltar sind beredte Zeugen. Als sich die Spanier einst erkühnten, auf der ihr Eigentum bildenden kleinen Insel zwischen Gibraltar und Algeciras Festungswerke zu errichten, da verlangte der englische Bot schafter in Madrid die sofortige Einstellung der Bauten, widrigenfalls die Forts des westlichen englischen Mittel- meerschlüssels die Werke auf der spanischen Insel in Trüm mer legen würden. Mit verhaltener Wut mußte sich die Regierung Alfons XIll. diesen englischen Willkürakt ge fallen lassen. In Madrid kann es nicht gleichgültig sei», wenn die langjährigen Bedränger Spaniens auch an der ganzen Westseite der Apenninhalbinsel über die Wehrmacht und das Land Portugals frei verfügen können. In Spanien ist das Projekt einer iberischen Union, das ist der monar chischen Vereinigung Spaniens und Portugals, noch immer nicht fallen gelassen, und die portugiesische Regierung, die auf nicht sehr starken Füßen steht, wird vor weittragenden Schlüssen nach Madrid Hinblicken müssen. » , » Die Rieseuverluste der Russen Wien. 12. Oktober. DaS „Neue Wiener Tageblatt" schreibt über die Ensctzung Przemyrls: Die Russen gelangten nicht weiter als bis zu den Drahtverhauen und Gräben der äußeren Werke. Die ganze Festung schien ein einziger feuerspeiender Vulkan zu sein, der nach allen Seiten Tod und Verderben hinausdonnerte. Durch die Explosion der Flatterminen im Fortfelde wurden ganze Abteilungen der von ihren Offizieren vorgetriebenen Gegner auf einmal zerfetzt. In den Stürmen vom 6.-9. Oktober verloren die Russen bei Przemysl an Toten und Verwundeten nicht weniger als 40000 Mann. Przemysl hat seinen strategischen und taktischen Wert für die Operationen unseres Heeres glänzend bewiesen. Deshalb trachteten auch die