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ZllMtmrgtr TanMül Erscheint tüglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge find erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nüchster- scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 50 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Eolporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für Len Stadtrath zn Waldenburg. 48. Sonntag, den 26. Februar 1882. Bekanntmachung. Erstatteter Anzeige zufolge ist das, der unmündigen Clara Emma Busch in Niederwinkel gehörige, mit Nr. 1862 bezeichnete hiesige Spar kassenbuch abhanden gekommen. Der etwaige Inhaber dieses Buches wird daher hierdurch aufgefordert, seine Ansprüche an dasselbe, bei deren Verlust, binnenZ Monaten und spätestens bis zum IS- Juni 1882 in hiesiger Sparcassen-Expedilion anzumelden, widrigenfalls nach Ablauf obiger Frist das abhanden gekommene Sp ircaffenbuch für ungiltig erklärt werden wird. Waldenburg, den 25. Februar 1882. Fürstlich Schönburg'sche Eparcassenverwaltung. Nebel. *Waldenburg, 25. Februar 1882. Die politische Lage und unsere Wirth- schastspolitik. Die Brandreden des Generals Skobelew, mag man ihnen größeres oder geringeres Gewicht beilegen, dürften manchem unserer Eintagspoliliker ein wenig die Augen über unsere politische Situation geöffnet haben. Sie bewähren den Ausspruch unseres gro ßen Strategen, daß wir Deutsche durch die letzten kriegerischen Erfolg? wohl hier und da an Achtung, an Liebe indeß nirgends gewonnen haben und daß es jahrelanger Rüstungen und vielleicht erneuter opfervoller Kämpfe bedürfen wird, um das Eroberte zu behaupten. Die politische Constellation ist in der That eine nicht unbedenkliche. Frankreich hat die Idee der Revanche niemals ernstlich aufgegeben. Dies be weisen seine Rüstungen, seine riesigen Aufwendun gen für Militärzwecke und die Herrschaft, welche die Revanchegeoanken und dessen wirksamster Ver treter, Gambetta, in jenem Lande auf die Massen ausüben. Auf der anderen Seite versetzt die pan- slavistische Lage Rußland und die ihm stammver wandten Völker in eine für den Frieden Europas sehr gefährliche Gährung. Daß diese national- russische Politik über kurz oder lang zu einem ge- waltlhätigen Ausbruch kommen wird, dürste bei der Unmasse von Zündstoff, welche in diesem Lande aus gehäuft ist, kaum noch bezweifelt werden. Ebenso wenig herrscht aber eine Meinungsverschiedenheit darüber, — denn wenn eine solche bisher vorhan den gewesen, so haben die Erklärungen Skobelew's dieselbe gründlich beseitigt —, daß der erste russische Angriff gegen die Deutschen und gegen Deutschland gerichtet sein wird und daß Frankreich diesen An griff nur abwartet, um für die Niederlage des Jahres 1870 Revanche zu nehmen und uns Elsaß- Lothringen von Neuem zu entreißen. Wenn man angesichts dieser bedrohlichen Aus sichten das Verhalten unserer Negierung und das der Volksvertretungen des deutschen Reiches und Preußens prüft, so steht die Vorsorglichkeit jener zu ter Kleinlichkeit und Kurzsichtigkeit dieser in ge radem Verhältniß. Es rächt sich hier die in an derer Hinsicht ja sehr nützliche Praxis, das Parla ment von der Kenntniß der auswärtigen Politik nach Möglichkeit auszuschließen. Den Parlamen tariern und dem Volke gehen dadurch die nationalen Gesichtspunkte verloren und so können wir es er leben, daß angesichts einer drohenden Weltlage im Parlamente tag lange Debatten über die Haltung der „Provinzial-Correspondenz", über die Agitation bei den Wahlen und dergleichen gepflogen werden, während Maßregeln, berechnet, die militärischen und wirthschaftlichen Kräfte des Reiches zu stärken, nur langsam und unter vielseitigem Widerspruch durch zudringen vermögen. Den drohenden Verwickelungen zu begegnen und in ihnen mit dauerndem Erfolg zu bestehen, giebt es nun drei Mittel, welche unbedingt zusammenwirken müssen: eine tüchtige Armee, gute Alliancen und eine zahlreiche physisch und wirthschaftlich leistungs fähige Bevölkerung. Daß die Armee auf der Höhe bleiben wird, dafür bürgt uns der Geist unseres Herrscherhauses und die Weisheit seiner Rathgeber. Auch Alliancen zu gewinnen, hat Deutschland nicht verabsäumt. Das deutsch-österreichische Bündniß, die neuerdings angeknüpften engeren Beziehungen zu Schweden, können sich insbesondere Rußland gegenüber von großem Werthe erweisen. Es bleibt also noch di! Stärkung unserer wirthschaftlichen Kräfte und hierin haben wir leider unsere Aufgabe noch nicht erreicht, ja in manchen Beziehungen so gar noch nicht einmal einen Anlauf genommen, die selbe zu erreichen. Die wirthschaftliche Leistungsfähigkeit Deutsch lands ist keine geringe, aber sie steht doch hinter der anderer Länder erheblich zurück. Wenn die westlichen Gebietstheile unseres Vaterlandes auch eine höher entwickelte Cultur und durchgängig mäßigen Wohlstand zeigen, so sind unsere Ostprovinzen dafür um so dürftiger ausgestattet; der Grundbesitz ist dort vielfach verschuldet, Industrie ist in erheblichem Umfange nicht vorhanden, die breite Masse des Volkes lebt in ärmlichen Verhältnissen. Nun be einträchtigt diese wirthschaftliche Inferiorität aller dings nicht die militärische Tüchtigkeit jener Be völkerung, aber der im Ganzen geringe Wohlstand unseres Volkes kann doch sehr gefährlich werden bei einer dauernden feindlichen Invasion, welche wir in den letzten Kriegen ja glücklicherweise ver mieden haben, jedoch vielleicht nicht immer werden vermeiden können. Zum Kriegführen gehörte schon zu Montecuculis Zeilen viel Geld, noch mehr aber heule und deshalb wird das Augenmerk der Re gierung darauf gerichtet sein müssen, auch die wirthschaftlichen Kräfte des Landes nach Möglich keit zu heben und den Landes-Wohlstand zu ver größern. Dies läßt sich nach Lage der internationalen wirthschaftspolitischen Verhältnisse zunächst ermög lichen durch Begünstigung der einheimischen Pro duction auf den inneren und durch Förderung des Exports nach den fremden Märkten. Der nationale Zug, welcher in diesem Jahrhundert die politische Einigung mächtiger Volksstämme herbeigeführt hat, sich jetzt auf die Wirthschastspolitik geworfen. Jedes Land strebt, sich vom Auslande wirthschaftlich unab hängig zu machen, und sucht zu dem Zweck seine Land- wirlhschaft zu entwickeln, neue Industrien heranzu bilden und die bestehenden nach Kräften zu fördern. Die Consequenz dieses Bestrebens ist eine allgemeine Schutzzollpolitik gewesen, der Deutschland gefolgt ist und folgen mußte und der innere Markt ist auch durch den neuen Zolltarif der deutschen Landwirth- schast und der deutschen Industrie bis zu einem ge wissen Grade gesichert worden. Wie steht es nun aber mit dem ausländischen? Es ist kein Zweifel, daß die Schutzzollpolitik der meisten europäischen Länder und der Vereinigten Staaten unsere Exportsähigkeit nach denselben be einträchtigt hat und es fehlt jede Möglichkeit, hieran etwas zu ändern. Bleiben also noch die überseeischen neutralen Märkte, welche indeß zu Ablagerungsstät ten dec überschüssigen Producte Europas geworden sind und deshalb dem Export nur mäßige Gewinne in Aussicht stellen. Die Bestrebungen, unseren Export zu erweitern, so nützlich sie sind, werden also voraussichtlich nur mäßige Erfolge erzielen und jedenfalls die wirth- schastlichen Kräfte des Landes erst im Laufe von Jahrzehnten merklich beeinflussen. Um unsern Wohlstand bald und nachhaltig zu steigern, unsere wirthschaftliche Unabhängigkeit zu vollenden und auch um unsere politische Machtstel lung aufrecht zu erhalten, dazu bieiel sich ein ande rer viel wirksamerer Weg, welcher leider noch immer nicht beschritten ist, die Anlage und Erwerbung von überseeischen Colonien. Ueberseeische Colonien, wenn sie mit dem Mutterlands in politischer und wirth- schaftlicher Verbindung bleiben, können die Quelle großen Wohlstandes und noch größerer politischer Machtfülle werden und Deutschlands Armuth im Vergleich zu England und Frankreich ist außer auf das ungünstige Klima im Wesentlichen auf den Mangel an Colonien zurückzuführen. Warum die Colonialpolitik des weitsichtigen großen Kurfürsten nicht wieder ausgenommen und fortge führt wird, ist ein Räthsel, zumal unsere gegen wärtige Machtstellung den günstigen Zeitpunkt für die Erwerbung colonialen Besitzes darbietel. Alle Welt occupirt, annectirt und colonisirt, nur wir nicht. Trotzdem ist unser Land übervölkert, Hun- derltausende, un kräftigsten Alter stehende Männer verlassen jährlich die Heimath, ihre Arbeitskraft, ihre Habe geht Deutschland verloren. Wir brauchen große Mengen ausländischen Brotgetreides. Statt uns diese in eigenen Colonien zu pflanzen, zahlen wir den Ruffen, den Ungarn und den Amerikanern große Beiträge für Getreide-Importe. Unsere In dustrie dürstet nach Export. Wir verweisen sie auf die neutralen Markte, wo das kapitalmächtige Eng land uns mit Leichtigkeit unterbietet. Sie hat in einigen ihrer Hauptzweige keine R-Hstoffe im Lande, sondern ist in ihren Bezügen völlig vom Auslande abhängig und jeder Beraubung durch dasselbe aus gesetzt. Auch hier treten wir nicht helfend ein. Endlich bedarf unser Land in Folge seiner exponir- ten Lage einer großen Heeresmacht. Wir sehen aber ruhig zu, wie uns ein ungeheures Menschen- malerial durch Auswanderung alljährlich verloren geht, das wir uns bei zweckmäßiger Colonisation leicht erhalten könnten. Wann wird man endlich an diese große Aufgabe mit dem nöthigen Ernst und der gebotenen Energie heranlreten? "Waldenburg, 25. Februar 1882. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Ein Vergleich der russischen Seestreitkräste in der Ostsee mit den deutschen ergiebt folgendes für letztere günstiges Resultat. Die eigentliche Defensivkraft der russischen Ostseeflotte liegt in den Torpedobooten, es befinden sich darunter sehr gute Fahrzeuge, so z. B. 30 Thorrycroft-Boote, auch 10 von der Firma Schlichau in Elbing gelieferte Boote haben sich als Schnellläufer (17 Knoten) bewährt. Die russische Torpedoboot-Flottille wird jeder Flotte ein gefährlicher Gegner sein, der nicht die nöthigen Abwehrmittel besitzt. Die deutsche Marine hat sie in der Reooloerkanone. Versuche, welche die fran zösische Marine in den letzten Wochen damit in Toulon gemacht, haben aufs Neue festgestellt, daß es Torpedobooten nicht möglich ist, gegen die ver heerende und rapide Wirkung dieser Geschütze auf- zukommen. Immerhin werden dir russischen Tor pedoboote für den eigentlichen Küstenschutz werthvoll