Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 05.08.1912
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-08-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120805018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912080501
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912080501
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-08
- Tag 1912-08-05
-
Monat
1912-08
-
Jahr
1912
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bequq-.Prei- fit« Letpil, und tjorokl« durch »nie«. Iräoer und E»edtt«ur« Lmal tSgltch in» vau» grdrachl: w Vi. monatige.7» Mk. »trriettShrl. »«t unl«n> YUial«n n. An» uul<mesiell«n adaetzolt: 7» Pf. »oaaU, r^SMl. v(«rt«lsal>rl. »«ch dir V»ft: innerhald Deutschland» und der deutschen Kolonien vleneljöhkl. S.t» Mk.. monatl. l.S> Alk. au»ichl. Postdeftellaeld. Ferner in Belgien, Dänemark, den Donouslaoten, Italien, -t^uiemdurg, Niederlande, Nor wegen. Oesterreich - Ungarn, Ruhland, Schweden und Schwei». 2n allen übrigen Staaten nur direkt durch die lbklchasts» stell« de» Blatte» erhältlich. Da» Leipziger Tageblatt erscheint 2mal täglich. Sonn, «. Feiertag, nur morgen». Ldonnemenl».Annahme: 2»hanni»g»ss« ti, bei unseren Trägern, FUialen, Spediteuren »ad Annahmestellen, sowie Postämtern und Briestrügern. Ein>«lv«rkaus»prei, 10 Pf. Morgen-Ausgabe. Wpngcr TiigcblM Anzeigen-PreiS kür Inserat, au» Leipzig und Umgeb,»« di« ispaltig« P«tit»eile L Pt. die Nekiam«» »eil« l Ml. oon au»wart,öv Pi. Reklamen 1^0 Mk. Inserate von Behörden im amt lichen Teil di« Petit»eile S0 Ps. ch«schäst»a»z«ig«n mit Plaszoorschristen im Preise erhöht Nadatt nach Taris. Beilagegebübr Gesamt auslag« L Mk. p Tausrnü erkl. Postgebühr. Teildeilage höher. Fefterteilt« Auftrage können nicht zurilik- ge,ogen werden Für da» Erscheinen an bestimmten Tagen und Platten wird i«ia« Garanti« übernommen. Anzeigen - Annahme: 2oh»nni»gaI1« 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen» Ezpeditionen de» In- und Ausland«». ... s ll SSr lN-chta.schUch) Tel.-Änschl. 14 893 1 14 694 k Allgemein« Deutsch« Tredit» HandelsHeitunq. --»>».««>-: »Lr?rMWL 1 Dep.-Kass« Grimm. Steinweg Amtsölalt des Rates und des Rolizeiamtes der Stadt Leipzig. HW'L' Druck und Verl», »,» Fischer L kürst«, Inhaber: Paul Kürste». Redaktion und Geschäftsstelle: Iohannisgaffe 8. Haupt-Filiale Dr«»deu: Seestrage t. 1 (Telephon tü21>. Nr. 3S5. Monlag, den s. kunuli lSi?. 106. Jahrgang. Die vorlieqende AiiSqabe umfaßt 10 Leuen. Das Wichtigste. * Der König hat zum Nachfolger des verstor benen Justizministers Len Reichsanwalt beim Reichs gericht in Leipzig Dr. Nagel ernannt. (S. Letzte D«p.) * Der türkisch« Senat hat den Beschluß ge faßt, einige Artikel »er Verfassung so auszulegen, daß die Legislaturperiode der Kammer als ge schlossen anzusehen sei. (S. Letzte Dep. S. 3.) * Am Sonntagvormittag trafen 370 Mitglieder des deutsch-amerikanischen Lehrerbun- !oes mittels Extrazuges in Leipzig ein und wur den im Rathause und in der Universität feierlich be grüßt. (S. des. Art.) * Gestern tagte in Leipzig der Verband deutscher Bureaubeamten uno der Ver band deutscher Krankenkassenbeamten. (2. bes. Art.) * Den Preis von Thüringen, der am Sonntag in Gotha gelaufen wuro«, gewann Wein bergs br. H. Metastasio mit 1 Länge in einem Felde von acht Pferden. — Im Grand Prix L« la Ville de Vidry (100 000 Fr.) siegte Baron Rothschilds Predicateur unter Woodland mit Hals. (S. Sport.) * Theateranzeigen siehe Seite 10. Die Rekrutierung in Japan. Die Grundlage der gesamten japanischen Heeres- organisation ist das Rekrutierungsgesetz vom Jahre 1886, das seitdem drei wichtige Veränderungsphasen durchgemacht hat; die erste, datiert vom 29. Septem ber 1904, also zur Zeit des Krieges gegen Rußland, setzt durch kaiserliche Bestimmung die Dienstzeit in der Reserve („Pobi") von 5 auf 10 Jahre fest und läßt di« Bildung einer Ersatzreserve 2. Klasse („Hoju") fallen. Die zweite Aenderung des alten Rekrutierungsgesetzes setzt etwas später ein und be stimmt unterm 21. April 1905, daß dem Kriegsmini ster zur Verstärkung der Feldarmee einige Jahrgänge vom Landsturm („Kokumin") ersten und zweiten Auf gebots zur Verfügung gestellt werden sollen. Zum dritten Male wurde das Rekrutierungsgesetz durch Parlamentsbeschluß im Jahre 1907 modifiziert und damit die versuchsweise Einführung der zweijährigen Dienstzeit bei der Infanterie entschieden. Nach dem Gesetz sind alle Japaner vom 17. Lis zum 40. Jahre wehrpflichtig. Im April oder August desjenigen Jahres, in welchem die Wehrpflichtigen das 20. Lebensjahr erreichen, findet eine strenge Musterung statt, auf Grund welcher die jungen Leute in drei Kategorien eingeteilt weiden: 1. In einwandfreie Taugliche, 2. in Taugliche, 3. in Untaugliche; diese sind vom Heeresdienst ein für allemal ausgeschlossen. Vom Dienst befreit sind außerdem noch diejenigen Wehrpflichtigen, Li« Unioersitätszcugniss« vorlegen können, dem Lehrer- oder geistlichen Stand« ange hören oder als älteste Söhne Ernährer der Familie sind; sie alle werden dem Landsturm 2. Aufgebots zu geteilt. Unter den einwandfrei Tauglichen entschei det das Los, wer in das stehend« Heer eingereiht wer den soll. Die Höhe des jährlichen Rekrutenkontin- gcnts wird durch kaiserlichen Erlaß festgesetzt. Für den Fall, daß nicht genug absolut Taugliche vorhan den sind, sollen die Lücken ans der Kategorie der Tauglichen gedeckt werden; dieser Fall ist jedoch bis jetzt noch nie vorgekommen. Die gesamten verfügbaren Streitkräfte Japans setzen sich zusammen aus: 1. dem stehenden Heer oder „Gueneki", 2. der Reserve oder „Pobi", 3. der Land wehr oder „Kobi", 4. dem Landsturm oder „Koku min" 1. Aufgebots. Diejenigen Leute vom Jahresrekrutenöontingent, die bei keinem dieser vier Heeresücftandteile einge teilt sind, gelten als Ueberschuß und werden entweder der Ersatzreseroe oder dem Landsturm 2. Aufgebots überwiesen, wo sic entweder gar keine oder nur ge ringe militärische Ausbildung erhalten. Die Dienstzeit im stehenden Heere dauert, wie schon erwähnt, für dte Infanterie 2 Jahre, für alle anderen Waffen 3, auch für Len Train mit Ausnahm« der Fahrer, die nur 6 Monate zu dienen brauchen. Außerdem gibt es noch jährlich etwa 1500 Einjährig- Freiwillige, die dann später Reserveoffizier« oder auch Berufsoffiziere werden können. Nach zwei- oder dreijähriger aktiver Dienstzeit treten die Wehrpflichtigen zur Reserve über, in der sie je nach der Länge der Dienstzeit im stehenden Heere 5 Jahre 4 Monat« oder 4 Jahre 4 Monate ver- bleiben. Nach dem Gesetz sollen die „Pobi" eigentlich zu 2 Uebungsperioden von je 60tägig«r Dauer einge- zog-:n werden. In Wirklichkeit werden sie aber zu 2 Dienstleistungen einberufen, von denen die eine nur 4, di« andere nur 2 Wochen dauert. Im allge meinen werden sowohl die Dauer als auch die Zahl der WaffenükungenZallweise bestimmt; das rietet sich nach der jeweiligen Finanzlage des Landes. Im Mobilmachungsfalle werden die Reservisten zunächst zur Auffüllung d«r Lücken des aktiven Heeres ver wendet, der Ueberschuß wird der Landwehr überwie sen. Von der Reserve treten die Wehrpflichtigen zur „Kobi" über, die fälschlicherweise häufig Depottrupve genannt wird. Richtiger ist sie mit unserer Landwehr zu vergleichen, der die Leute jetzt 10 Jahre angehören, im Gegensatz zu nur 5 Jahren, wie es vor dem letzten Kriege der Fäll war. Die Landwehrloute sollen grundsätzlich zu 2 Hebungen von 60 Tagen eingezogen werden, doch wird an diesen Bestimmungen nicht immer fostgehalten. Im Kriege soll die Landwehr zu Brigaden zusammengezogen werden und den Feld, divisionen folgen oder im Etappendienst, bei Belage rungen oder zur Verteidigung fester Plätze Verwen dung finden. Der Landwehrpflicht folgt die im Landsturm; sie bildet den Abschluß der Wehrpflicht mir dem 37. Le- bensjahr und dauert in diesem Verhältnis 2 Jahre 8 Monate. Waffenübungen gibt es in dieser Zeit nicht. Die Leute sind nur zur unmittelbaren Ver- teidigung der engeren Landesgrenzen bestimmt. Eine besondere Kategorie Dienstpflichtiger bildet die Ersatzreseroe. Sie setzt sich aus dem Rest der ab- solut Tauglichen und der Tauglichen in den Grenzen der alljährlich dazu erlassenen Bestimmungen zusam. men und besteht seit 1904 nur noch in einer Klasse. Ihr Zweck ist, im Frieden den Effektivbestand des Heeres stets auf der gesetzlichen Höhe zu halten, ohne daß dazu auf Leute im Reservevethältnis zurückge- griffen werden braucht. Aus diesem Grunde hat je des Regiment fortgesetzt 150 „Hoju" auszubildcn. Di« Abrichtung darf aber jedesmal nur 3 Monate dauern, dann werden die Leute entlassen und eine neue Serie von gleicher Stärke tritt an deren Stelle. Nach ihrer Entlassung sollen di« Ersatzreservisten im 1. Dienst, jähre noch eins Uebungspcriode zu 90 Tagen, und im 2. und 4. Jahr eine solch« von je 60 Tagen ableisten. Doch wird, wie schon oben bei d«r Reserve und der Landwehr gesagt, an diesen Terminen nicht streng festgehalten. Nach 7 Jahren 4 Monaten treten die „Hoju" gleichzeitig mit ihren Kameraden vom stehen, den Heere zur Landwehr über. Im Kriegsfälle soll die Ersatzreseroe je nach der Notwendigkeit ebenso wohl die Feldarmee verstärken wie die Depotforma tionen, die Festungsbesatzungen usw. Ob es richtig ist, daß der Kriegsminister beabsich tigen soll, di« Ersatzreseroe ganz eingehen zu lasten, konnte bisher nicht festgestellt werden. In der Presse wurde als Grund dafür angegeben, daß mit Einfüh rung der zweijährigen Dienstzeit bei der Infanterie die Zahl der vollkommen ausgebildeten Leute derart zugenommen hab«, daß auf eine Ersatzreseroe oerzich- rct werden könne Rmerikanilcher Besuch in Leipzig. t. Leipzig, 4. August. Am Sonntag traf der Deutsch-amerikanische Lehrer bund, über besten Reise durch Deutschland wir wieder- Lolt berichtet haben, von Weimar kommend in Leipzig ein. Früher als vorgesehen, kam der Extra- zug schon vormittags 11.34 Uhr aus dem Zentral- bahnhofe an Er brachte eine stattliche Zahl von Deutschlandfahrern. 370 Personen, und zwar den Schulvcrhältnissen Amerikas entsprechend mehr Damen als Herren. Die fremden Gäste suchten sofort die ihnen zugewiesenen Hotels auf und wurden nach längerer Rast von den Führern zum Rathause ge leitet, wo um 2 Uhr nachmittags die feierliche Begrüßung durch Oberbürgermeister Dr. Dittrich erfolgte. Es ist mir eine Ehre, so führte dieser in seiner Ansprache aus, Sie im Namen der Stadt herzlich willkommen zu Heiszen und meiner Freude darüber Ausdruck geben zu können, daß Sie bei Ihrer Deutschland fahrt unsere Stadt mit in den Kreis der Städte ein bezirkten, die die Freude haben. Sie in ihren Mauern zu sehen. Gerade unser Leipzig, das noch vor 40 Jahren kaum 1(0HM Einwohner zählte, heute aber schon mehr als 600000, hat eine Entwickelung erlebt, ähnlich der amerikanischen Großstädte. Daber erstreckt sich diese Entwickelung auf das Gebiet des Handels wie der Industrie. Doch bei allem Erwerbs sinn ist in Leipzig stets die Pflege der geistigen Interesten hochgehatten worden, und wir sind stolz, Litz einer Universität zu sein und ein Konservatorium zu besitzen, wie , es uns auch eine besondere Freude ist, daß wir viele Ihrer Mitbürger aus den Ver einigten Staaten zu Hörern uno Schülern der Uni versität und des Konservatoriums zählen. Von be' sonverer Bedeutung ist vor allen Dingen, das; unsere Stadt Zentrum des deutschen Buchhandels ist und dadurch von altersher geistige Beziehungen zwischen Amerika und Leipzig bestehen. Wir haben alle den lebendigen Wunsch, daß diese Beziehungen durch Ihren Besuch in unserer Stadt gekräftigt und verlieft werden. Ich habe das Vertrauen, daß die Fahrt nach Deutschland, aur der Sie heute zum ersten Male das Königreich Sachsen berühren, Sie die Ueberzeugung mitnehmen läßr. daß wir neben unsern wirtschaftlichen Interessen es uns angelegen sein lassen, in gleicher Weise Pfleger der geisti en Interesten zu sein. Begeisterung für Kunst und Wissenschaft ist das Band, das alle Deutschen auf dem Erdball umschließt und auch Leipzig verbindet mit den Bürgern der Vereinigten Staaten. Nehmen Sie die Ueberzeugung mit fort, daß wir Deutschen jung bleiben in der Begeisterung für alles deutsche Wesen. Diese Liebe verbindet uns mit allen unsern Schwestern und Brüdern auf der Erde. In der Hoffnung, daß Ihnen die Stunden in Leipzig zeigen, daß Sie uns liebe Gäste sind, heiße ich Sie alle nochmals herzlich willkommen. — Pro fessor Engelmann-New Pork erwiderte als Ver treter des Präsidenten des Bundes in kurzen, herz lichen Worten: Für mich, der ich in Leipzig geboren bin und den größten Teil meiner Ausbildung hier genoß, ist es eine seltene Ehre, im Namen des deutsch-amerikanischen Lehrerbundes für diesen Emp fang danken zu dürfen. Ueberall. wo wir auf unserer Deutschlandfahrt festen Fuß gefaßt, wurden wir herz lich empfangen, daß ich das auch von meiner Vater stadt erwartete, können Sie mir glauben. Wenn wir nach unserem Adoptivvaterlande zurücklehren, wird der Name Leipzig obenanstehen unter den Städten, wo uns ein her licher Empfang bereitet wurde. Ich danke nochmals für diesen so freund lichen Empfang. Nach den Empfangsfeierlichkeiten wurde das neue Rathaus besichtigt und dann folgten die amerika nischen Gäste der Einladung zu einem Imbiß im Ratskeller. Wiederholt suchten verschiedene der Herren die hiesigen Pressevertreter am, um diese zu bitten, darüber Mitteilung zu machen, wie sehr er freut die Fremden über den Empfang in Leipzig seien. Vom Ratskeller aus nahm die Reisegesellschaft den Weg zur Universität. Hier versammelten sich alle in der Wandelhalle und Geheimrat Professor Dr. Lamprecht begrüßte die Gäste, wobei er teils in launigem Humor etwa folgendes sagte: Erlauben Sie mir in wenigen Worten im Namen der Universität Leipzig Sie hier gleich am Eingänge zu bewillkommen. Ich bitte Sie, es sich hier geistig recht bequem zu machen. Sie haben ja jetzt llebung im Besuche von Universitäten und ich denke. Sie werden sich auch hier recht schnell zurechtfinden. Dann gab er eine kurze Ertlürung der Universitätsbaulichkeiten und der auslogierten In stitute an der Hand des Planes, der allen ausge händigt worden war, und gedachte hierauf der Beziehungen der Universität Leipzig zu Amerika, wo Geheimrat Lamprecht auf seiner Amerikafahrt zahl lose Doktorendiplome der Leipziger Alma mater sand. Er betonte, daß Oeutschland mittlerweile mit Ame rika in ein Verhältnis des Wettbewerbes, in das des Austausches kam. In dieser Periode, so führte er aus, handelt es sich darum, die Schwingen eines großen und klar durchgebildeten Universa- lismus auszubreiten. Das ist hier der pemus !o«^. Sie alle werden über turz ober lang im Leben Amerikas aufgehen, das wollen wir nicht ver kennen, aber Eie werden das nicht tun, ohne dem Geistesleben Amerikas neue und gute Kräfte dabei zuzusühren. In diesem Universalismus der Gefühle erlaube ich mir, Sie im Namen der Univer sität hier nochmals herzlichst zu begrüßen. chen, das er am Kopfe trug — ein Amulett; dort hinein hatte er sich die sechs Rhabarberpillen ein genäht und trug sie dort Tag und Nacht — das hatte geholfen, nicht etwa, daß er sie eingenommen Hütte! Man sieht wieder einmal, wie recht Du Bois- Neymono hatte, als er predigte, daß es zwischen Himmel und Erde Dinge gibt, von denen unsere Schulweisheit sich nichts träumen läßt! Gundafi ist ein kleines Paradies, eine Talmulde, vom Uad N'fis gewaschen, wogende Gerstenfclder. Mandeln, Orangen, ein Wasserwerk, rings auf den Bergen drei bis vier villenartige Schlösser — das Zentrum des Ganzen das Palais des Kaids: eine große Burg, umgeben von den Hütten der etwa 400 Sklavenfamilien, die die Arbeiterschaft und die Garde des Kaids bilden. Darüber, in greifbarer Nähe ringsum, die Schneeberge — das Ganze ein Qui ui sann von hervorragenden Qualitäten! Der Kaid von Gundafi gebietet über einen der reichsten Erzdistrikte. Man erzählt von ihm, daß er sich im Besitz einer Flinte befinden soll, die einst mals im Eigentum des Fürsten Bismarck stand — ein Märchen, wie so viele hierzulande! Der Kaid nimmt politisch eine ganz eigenartige Stellung ein: Er war ein Parteigänger des Abdul Asis und daher Gegner des Mulen Hafid, mußte sich aber mit dem neuen Regime abfindcn. Das geschah in der Weise, daß er wohl den neuen Sultan anerkannte, aber schleunigst und heimlich in seine uneinnehm baren Berge entfloh und hier nun schon jahrelang in selbstqewählter Einsamkeit wohnt, verfeindet mit Kaid M'tugi. der zu gern sein Erbe würde, aber eng befreundet mit seinen Nachbarn, dem Elaui-Kaid und den Suskaids. kür die er das stärkste Bollwerk darstellt, da er die einzige gangbare Verbindung zwi schen Marrakesch und dem Sus beherrscht. So ist seine Position von besonderer Wichtigkeit, auch für die Europäer, die ihn sehr umwerben. Hier in der Nähe wurde Anthrazit gefunden — also die lange vermißte Kohle entdeckt, freilich nur erst in abbau unwürdigen Lagen und in gänzlich verworfenem Ge birge. Aber immerhin — die Kohle ist entdeckt! Ob, wie. und namentlich wann sie in Verbindung mit den zweifellos reichen Erzschätzen des Hohen Atlas VE" Man brachte anch die Inserate in -er Abenö-Ansgabe Stein — über Berg und Tal — immer Luftlinie — über den ganzen Hohen Atlas! Bloß dann weichen die Araber von der Luftlinie ab, wenn irgendwo seitwärts — und wenn s eine Stunde und mehr ist. irgendein fetter Kaid oder Schech mit irgendeiner fetten Fleischschiissel winkt; daun herrscht eine tiefe Abneigung gegen Zelt und Abkochen; dann sind zwei Wegstunden Verlust und geschundene Maultierrücken keinerlei Hindernngsgrund — auch nicht einige Berg rücken und Täler, die dazwischen sind. So ging es am zweiten Tage hinter Amsmiz, als der Kalifa des Kaids Gundafi uns zum Nachtquartier bei sich einlud und wir von Jmidl aus, das am Wege liegt, noch in der Nacht einen einstündigen gefährlichen Marsch über Flüsse und steile Felsen hoch hinauf in die Berge machen mußten zum Asib des Kalifa. Um so reiner war meine Schadenfreude, als bei unserer Ankunst sich herausstellte, daß alle Gebäude des Asibs mit Korn vollgepfropft waren und wir nun doch im Freien kampieren mußten, und als sich schließlich herausstellte, daß die ganze Muna in einer mageren Schüssel Kuskussu bestand, jenem marokkan- nischen Nationalessen aus Gerste Grieß! Seitdem wußten meine Leute, daß es keinen Widerspruch für sic mehr gab, wenn ich später erklärte: Hier wird Zelt aufgeschlagen! Die Gastfreundschaft der Kaids ist groß — alle Welt übt Gastfreundschaft. Der Wanderer ist darauf angewiesen. East- und Rasthäuser gibt es nicht. Sobald die Leute von meiner Apotheke erfuhren, war ich ihnen doppelt willkommen. Freilich, erst durste ich ausruhen und mußte verpflegt werden — Tee getrunken und aegessen hoben. Dann aber, wenn ich mich aufs Feldbett zu strecken gedachte, erschien einer nach dem andern, mit offenen und noch mehr mit geheimen Leiden. Oft dauerte die Poliklinik bis nach Mitternacht. Wenn der Patient seine Me dizin weghat, ist er zufrieden. Aber man muh auf Neberraschungen gefaßt sein. Eine der häufigsten Klagen ist Hartleibigkeit. Ich gab einem Schech ein halbes Dutzend Abführpillen. Als ich den Weg später nach etwa zwei Monaten zurückkam. erkundigte ich mich, ob sie geholfen hätten. Er nickte schmun zelnd: „vollkommen!" und zeigte auf ein Ledertäsch ler Saumpfad, der bald bis in schwindelnde Höhen an den Steilwänden der Berge sich hinaufschwingt, bald hinabsteigt zum rauschenden Ecbirgswasser, um sich darin zeitweilig zu verlieren. Das Prinzip, das im europäischen Wegebau als oberstes gilt: „Höhe halten! — keine Höhe verlieren!" — gilt dem Araber nichts. Sein Prinzip stammt aus der Ebene, aus den gewaltigen Saharen, in denen der Araber Meister der Reise ist, und lautet: „Luftlinie halten". In der Wüste, in der flachen Ebene so wichtig und richtig, wie auf dem Meere für das Schiff! Aber die rück sichtslose Uebertragung dieses Grundsatzes auf das Hochgebirge führt doch zu einem Umsturz sämtlicher europäischer Auffassungen von sachgemäßer Ruten trasse. Da haben wir andauernd das N'fis-Tal neben uns, das jetzt wasserarm ist — es ist Spätherbst — Winter nach dem Kalender — und das zumeist breite Flächen trockenen Bodens rechts und links der Was serrinne liegen läßt. Jeder vernünftige Europäer würde dem Flusse folgen und in verhältnismäßig sanfter Steigung bequem aufwärts trotten und ge trost alle Ncanderwindungen mitmachen nach dem Prinzip: „Euter Weg krumm ist nicht um". Es hat mich wahre Kämpfe gekostet, um meine Leute zu ver anlassen, einmal ein paar Stunden in dieser Weise zu marschieren. Aber auf die Dauer widersteht man doch nicht den feindlichen Prinzipien. Und wenn man dann im Flußtal weiterreitet, und plötzlich erhebt sich hinter einem ein Geschrei, und alle rufen: „Da geht der Weg!" — und alle deuten auf eine Art Freitreppe, die steil hinaufführt nach oben, und über einen gemeinen Paß hinweg wieder hinunter ins Flußtal, und wenn dieser Vorgang sich zehn- bis fünfzehnmal am Tage wiederholt — und man soll diese zehn- bis fünfzehnmal am Tage immer von neuem gegen drei dickköpfige Araber und einen zwar gänzlich reiseunerfahrenen, aber alles stets besser wissenden Juden, die sich nicht belehren lassen, seinen eigenen Kopf durchsetzen — dann wird man mürbe und reitet schließlich nach arabischem Prinzip — lieber fünf Kilometer lang 800 Meter hoch und wieder hinunter, als sechs Kilometer lang in ebenen Windungen. »Luftlinie" heißt die Losung — über Stock und Meine Rette im Sahen Silas. Von Rudolf Zabel. Hl.*) Amsmiz ist im Grunde genommen nur eine Kasba mit einem großen Mellah — wundervoll am rechten Ufer des Uad Amsmiz gelegen. Wenn man diesem auswärts folgt, gelangt man bei Jmidl, dem südlich sten Kalifat des Kaid Eundafi, ebenfalls in das N'fis-Tal. Aber es ist bequemer, den Paß, den man zu diesem Behufs hier wie dort übersteigen muß. so zusagen in den Vorbergen abzumachen. Ich übersteige also von Amsmiz aus, nach Osten reitend, drer bis vier Höhenrücken — Ausläufer des Hohen Atlas, die nach Norden streichen — und gelange nach etwa fünfstündigem Marsch ins N'fis-Tal. Ich bleibe die Nacht bei einem Schech des Kaids von Suktana, den ich später in Marrakesch als einen lustigen alten Herrn kennen zu lernen Gelegenheit hatte. Das Ge biet des Kaid M'tugi liegt hinter uns — vor uns nach Osten hin liegt das mächtige Hochplateau des Gurguru, und gen Süden gelangen wir nach einem Marsch von etwa sechs Stunden von Agadir 'n Bur, dem südlichsten Vorposten des Kaid Gundafi, wo ein alter Schech residiert; hier ist die Pforte des Hochgebirges: links von uns die Schneeberge von Rhirbaia, Urika und Glaua, vor uns — das Tal des N'fis aufwärts — dte Gruppe des Djebel Uisch- dan und das Massiv des Diebel Akbar und seiner Nachbarn — alle die weiße Zipfelmütze auf den 3000 bis 4000 Meter hohen Häuptern! Dazu unten im Tal« blühende und gleichzeitig fruchtbeladene reich duftende Orangen und Zitronen — süße und saure; dazu rosa oder weiß blühende Mandelbäume, dazu der rauschende Fluß, der sich zwischen Oleander-Hai nen hindurch seinen Weg bahnt, den er zwischen den steilen Winden der von Meister Vulkan aufgerich teten und durcheinandergeworfenen, später von Mei ster Neptun mit weichem Kalk- und Sandkleid um- hangenen Berge sich gewaschen hat. Der Pfad, den der Mensch hier zieht, ist ein schma- 1 Bergt. Leip«. Lagebl. Br. »4>, «SO.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite