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' IreikeiM Inniger und T agebla t t. Amtsblatt des Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter und der Stabträthe zu Freiberg u. Brand. ^°24 Erscheint jeden Wochentag Ab. 8 U. für dm and. Tag. Inserate werden bi» V, 11 U. für nächste Nr. angen. Sonntag, den 29. Januar Prei» vierteljährl. 20 Ngr. Inserate werden die gespaltene Zeile oder dcrm Raum mit 8 Pf. berechnet. 1871. Tagesgeschichte. Berlin, 26. Jan. In Bezug auf die seit gestern umlaufenden Nachrichten über Verhandlungen wegen der Kapitulation von Paris ist zunächst zu constatiren, daß auch daS heute hier eingegangene osficielle Telegramm aus Bers ülleS (vom gestrigen Tage) über die Beschießung von Paris gänzlich schweigt und daß das heutige Lon doner Telegramm über die angeblich vom Grafen Bismarck ge stellten Bedingungen auch in den officiellen „Staats An;." üverge- gangen ist. AuS letzterm Umstande glaubt man folgern zu dürfen, daß diese Londoner Meldung nicht des Grundes entbehrt, und daß eS sich bei den in Versailles eingeleiteten Unterhandlungen nicht allein um die Capitulation von Paris, sondern zugleich um die FriedenSbetingungen handelt. Speciellere Mittheilungen liegen allerdings noch nicht vor, doch geht auS allen Anzeichen hervor, daß die Zustände in Paris sich so gestaltet haben, daß die Ueber« gäbe kaum noch länger hinauszuschieben ist; namentlich scheint auch die Idee eines Massenaussalls durch das Mißglücken des Ausfalls vom 19. Januar den Todesstoß erhalten zu haben. Daß die Ver einbarungen großen Schwierigkeiten begegnen, ist selbstverständlich, zu mal die Regierung der nationalen Vertheidigung in sich selbst ge spalten ist. In Paris war Widerstanv bis zum Aeußersten gepredigt worden; der Uebergang von dieser Parole zur Ergebung in daS Schicksal der unbedingten Unterwerfung kann sich nicht binnen wenigen Stunden vollziehen und andererseits wird sich Niemand verhehlen können, daß die Feststellung einer Capitalation für Paris schon an sich eine Arbeit ist, welche nicht über daS Knie gebrochen werden kann. Berlin, 27. Januar. Die „Kreuzzeitung" enthält eine Corre- spondenz aus Versailles vom 24. Januar, welche bestätigt, daß JuleS Favre am 24. Januar Nachmittags 5 Uhr in Versailles eintraf. Derselbe hatte eine lange Confercnz mit dem Grasen Bismarck, nahm an dem Diner d sselben Theil, und wurde dann in dem Boulevard du Roi einquart^ert. Der Reichskanzler Graf BiSmarck conferirte AbendS 11 Uhr mit dem Kaiser. Versailles, 24. Januar. In der „Köln. Ztg." lesen wiN General v. Treskow meldet aus Bourgogne, daß die Franzosen in Montbeliard deutsche Leichen mit abgeschnittenen Nasen und Ohren zurückgelassen und vertragswidrig auS Handfeuerwaffen mit Spreng geschossen und Schrot geschossen haben. Eine Commission ist zur Untersuchung eingesetzt. AuS Ranzig vom 24. Januar schreibt man der „K.Z": Zur Ergänzung meines gestrigen Berichts theile ich Ihnen noch mit, daß die Franktireurs, welche den Ueberfall bei Fontenoh gemacht und die Eisenbahnbrücke zerstört haben, den Feldwebel der dort stationirten Compagnie des Landwehr-Bataillons Essen Nr. 57 ge fangen genommen und dort aufgchängt haben. Die Leiche des LandwehrmanncS, dem die Gurgel durchschnitten worden, (die „Elberf. Ztg " hat einen Bericht von einem Augenzeugen, wonach dem unglücklichen Landwehrmanne, der im Schlafe überfallen wurde, nicht nur die Gurgel durchschnitten war, sondern man hatte ihm auch die Ohren und die Zunge abgeschnitten und ihm noch sieben Stiche in die Brust versetzt), ist nun zum zweiten Male ausge graben und jetzt auf Befehl des General-Gouverneurs nach Toul gebracht worden, wo dieselbe mit allen militärischen Ehren beerdigt werden wird. Die zweite Beerdigung haben die Franzosen im Bei sein der Kameraden des Verstorbenen feierlich vornehmen müssen. ES sind die umfassendsten Maßregeln getroffen, wetteren ähnlichen Vorkommnissen energisch entgegentreten zu können. Bis auf Wei teres sind die Truppen mit Verpflegung einquartiert worden, die Abgabe der Waffen ist neuerdings besohlen, und Jeder, der sich Abends den Vorposten nähert, wird rücksichtslos ni-dergcschosscn Wie ich soeben auS zuverlässiger Quelle erfahre, sollen auch die beiden Dörfer Villiers St. Etienne und ContrcvillerS nier-erge« brannt werden. Unsere Leute sind im höchsten Grade erbittert und haben sich gelobt, Niemandem von den Franctireurs, wer cS auch sein möge, Pardon zu geben. — Eine Depesche deS Londoner „Daily Telegraph" meldet: Eine Strafe von 10 Millionen Franes ist Nancy und den um stehenden Districten wegen der Brückenzerstörung in der Näht von Toul auferlegt. — In dem vom Feinde vertheidtgten Dorf St. Vincent, eine Meile von Grand Luce, wurden 500 Gefangene gemacht und eint feindliche Proviant-Colonne von 60 Wagen genommen. In der folgenden Nacht mußte wieder bet starkem Froste und Schneege stöber ein großer Theil der Truppen bivouaciren. — Aus dem Osten Frankreichs wird Folgendes gemeldet' Aus den Kämpfen an der Lisaine-Linie am 15. bis 18. Januar nördlich von Montbeliard erzählt ein preußischer Offizier: Bevor ich schließe, noch ein Wort über die Kampfweise der civilisirtesten aller Nationen; dergleichen ist schon öfter erwähnt, kann aber zur Steuer der Wahrdeit nie oft g-nug geschildert werden. Da war denn doch der Krieg von 1866 «in viel ebenbürtigerer Waffengang. Und was ich erzähle, ist wörtlich wahr; ich bin jederzeit bereit, es mit meinem Worte zu bekräftigen, eS durch Augenzeugen zu be weisen. Als wir an der Südlisiere eines Waldes durch unser Schnellfeuer den Feind zum Rückzug zwangen, machte er wieder holt Versuche, dieselbe wieder zu gewinnen. Hierbei kamen einzelne Leute unter Winken mit weißen Tüchern, ohne zu schießen, näher als die anderen, und wenn wir dann im Anfang einen Augenblick das Feuer einstelltcn, verschwand plötzlich daS Tuch und ein mör derischer Kugelhagel überschüttete uns. Zu meiner Herzensfreude sah ich beim Durcbdringcn durch den Wald selbst sechs erschossene Franzosen, ich drücke mich so auS, aber mit Recht, denn dem Füh rer dreht sich das Herz im Leibe herum, wenn er die bravsten der Seinen, denn diese pflegen die Vordersten zu sein, todt oder blcfsirt sieht. Von jenen 6 Strolchen trugen 4 Mann Uniformen, aber jeder eine andere, und 2 bürgerliche Kleidung. Ich selbst sand eine blaue Blouse, darauf daS geladene Chassepot, der Besitzer hatte also als friedlicher Bauer den Wald verlassen, als die Sache anfing, schief zu gehen. — Ein sehr abfälliges Urtheil von unparteiischer Seite über die Leistungsfähigkeit der neu recrutirten französischen Truppen finden wir in dem Originalberichte eines „Times" Correspondenten auS dem Hauptquartier der Armeeabtheilung des Großherzogs von Mecklenburg. Nach eingehender Schilderung des zur Verfolgung der Tags vor hergeschlagenen Loire-Armee ron den deutschen Trup pen am 12. Januar durchzogenen hügeligen und bewaldeten Ter rains, dessen Vortheile für die Vertheidigung nach Ansicht des eng lischen Berichterstatters „Rothhäute und Neuseeländer" besser auS- zunutzen verstanden haben würecn, gi.bt derselbe über die nun auS- gehobeuen Franzosen folgendes Urtheil ab: „Wie man auch über die kaiserlichen Armeen oder die ersten Truppen der Republik, welche anfangs so viel Hoffnung einflößten, denken mag, diese bei den Kampftage haben für uns bis zur Evidenz erwiesen, daß die Recruten der letzten Aushebungen vom militärischen Standpunkte auS ganz unfähig und allen bewaffneten CorpS, mit welchen die Deutschen bisher in den Kampf gegangen, bei Weitem nicht ge wachsen sind. ES ist traurig, zu sehen, in welch' großer Anzahl die französi'chen Leichname aus den Feldern zerstreut liegen. Un ter einer Hecke, welche einen kleinen Acker von etwa 2 Morgen Landes begrenzte, zählte ich nicht weniger al- 18 todfe tzravzvjm