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MMche LlbjÄmg. Amts- und AnzeigehLatt für das Königs. Amtsgericht und den Stadtrath zu Schandau und den Stadtgemeinderath zu Hohnstein. 19. Schandau, Mittwoch, den 5. Marz 1884. Politische Weltschau. Die russischen Militärs, welche anlässlich des sieb zigjährige» Gcorgörittcr-Jnbilänmö Kaiser Wilhelms in den letzten Tagen in Berlin weilten, sind »»»- inchr, nachdem sic mancherlei Auszeichnungen am Berliner Hofe genossen, wieder in ihre nordische Heimat zurückgckchrt. Nur Großfürst Michael weilt noch ans dentschcm Boden; er hat sich von Berlin aus nach Stuttgart begeben — die württcmbcrgischc Kömgöfamilic steht bekanntlich in nahen verwandt schaftlichen Beziehungen znm russischen Kaiscrhause — und gedenkt von da ans auch den Höfen von Darm stadt und Schwerin einen Besuch abzustattcn. So kurz mm auch der Besuch der russischen Gäste in der deutschen Rcichshauptstadt gewesen ist, so wird er den noch in Zuknuft als eine markante Besiegelung der deutsch-russischen Waffenbrüderschaft gelten, die an den Schlachtfeldern von Großgörschen und Bautze, geschlossen wurde und sich in den folgenden großen Kämpfen bei Kulm nud Leipzig, bei La Nothiüre und Bar-sur-Anbe so glänzend bewährte. In sehr bemcr- kcnSwerlhcn Artikeln feiert denn auch die Presse, a»- kuüpfcud an den Besuch der Deputation der Georgs- rittcrschaft in Berlin, das Andenken an jene große Zeit, in welcher die deutschen und russischen H"rc vereint für die Befreiung Europas vom Joche der napoleonischen Zwinghcrrschaft kämpften und hebt dann weiter die durch die Vorgänge der jüngsten Zeil documentirte Wiederannäherung zwischen Deutschland und Rußland hervor. Sehr bezeichnend erblicken die russischen Blätter in letzterer eine Bürgschaft für die Erhaltung des europäischen Friedens nnd man braucht kein Optimist zu sein, um zu wissen, daß diese Bürg schaft in der That einen sicheren Untergrund hat. Unser parlamentarisches Leben wird durch die bevorstehende Eröffnung des Reichstages einen neuen Impuls erhalten nnd namentlich wird die nttgekün- digte Theilnahmc des Reichskanzlers an den Verhand lungen des Reichstages denselben eine besondere Sig natur verleihen. Die Rückkehr des Fürsten Bismarck ans Friedrichsruhe nach Berlin in diesen Tagen steht in sicherer Aussicht und es ist sogar wahrscheinlich, daß er den Reichstag im Auftrag seines kaiserlichen Herrn eröffnen wird. Der elsaß-lothringische LandesanSschnß genehmigte am Freitag mit allen gegen zwei Stimmen den An trag seiner Eommission, den Ban eines Eanals von Straßburg nach Ludwigshafen der Negierung zu über weisen nud dieselbe zu ersuchen, den Kostenanschlag im Betrage von 125,000 Mark in den Etat cinzustcllc». In den leitenden Wiener Kreisen schenkt man der dculsch-rnssischcn Entente begreiflicher Weise ebenfalls große Beachtung. Indessen erblickt man hier — nnd dies mit Recht — in der Wicdcranbahnnng guter Beziehungen zwischen Deutschland und Rußland durch ans keine Beeinträchtigung des deutsch-österreichischen Freundschaftsverhältnisses. In einem Artikel dcö als officiös geltenden Wiener „Fremdcnblatteö" wird viel mehr die Intimität zwischen Deutschland und Rußland auf daS Wärmste begrüßt und ansgeführt, daß die Freundschaft mit Deutschland nach wie vor die un verrückbare Grundlage der auswärtigen Politik Oester reich-Ungarns bilde. Dem gegenüber will cö wenig bedeuten, daß die französischen Blätter die Bezieh ungen zwischen Deutschland nnd Oesterreich als getrübt hinstellcn, cs erhellt hieraus nur die allerdings gegrün dete Besorgniß der Chauvinisten an der Seine, daß Frankreich durch die neuerliche politische Coustcllativn mehr und mehr isolirt werde. Die militärischen Operationen der Franzosen in Tonking sind jetzt nach längerer Panse wieder aus genommen worden, indem in voriger Woche endlich der Vormarsch ans Bacninh begonnen hat. Wie ans Haiphong niltcr dem Datum des 28. Februar gemel det wird, sind nunmehr im Delta des Rothen Flusses 4900 Mann französischer Truppen anSgcschifft, der Nest des ExpcditiouScorPS ist ans den Transportschif fen auf dem Flusse unterwegs. Eine von Haidzuong anfgcbrochcnc Colonne besetzte die große Pagode, welche am Znsammenflnsse des Songcan und des Canals des Rapides liegt nnd die eine für die Operationen gegen Bacninh wichtige Basis bildet. Der Angriff soll auf zwei Seilen erfolgen; von Hanoi her wird General BriürcS und von Haiphong aus General Ncgrier «„greifen. In Bacninh selbst sollen 20,000 Mann Chinesen stehen; cö wird aber »c»cr- dingö daö Gerücht verbreitet, daß dieselben Befehl hätten, im Falle eines französischen Angriffes sich zurückznziehcn nud die Vertheidigung der Stadt den Schwarzflaggcn zu überlassen. In der englischen Hauptstadt herrscht wieder der „fcnischc Schrecken". Nicht weniger als vier Höllen maschinen sind im Laufe einer Woche auf verschiedenen Londoner Bahnhöfen anfgcfundcn worden nnd die Ladung derselben hätte genügt, ganze Häuserreihen in die Lnft zn sprengen. Man mnß gestehen, daß die irischen Mordbrenner mit wahrhaft teuflischem Naf fiuemcut verfahren. Wenn cs ihnen wesentlich daran ankommt, den Bewohnern Londons Angst nud Schrecke, ciuzujagcu, so wäre dies Ziel schon in vollem Maße erreicht, aber ihre Pläne gehen in der That weiter. Am Freitag wurdcu in einem Hause iu der Nähe des sogenannten Strandes drei Personen verhaftet, in deren Besitz die Polizei eine große Quantität Dyna mit fand nnd sollen die Verhafteten die Absicht gehabt haben, ein Attentat gegen dcn Jnstizpalast anszufüh ren. Die Polizei entfaltet die größte Thätigkeit, die hervorragenderen öffentlichen Gebändc Londons und neuerdings anch wieder die London-Brücke sind poli zeilich besetzt worden und sollen auch militärische Posten erhalten. I», Unterhause ist nm Donnerstag die Wahlreformbill cingcbracht worden, welche für Stadt und Land in dem vereinigten Königreiche ein gleich mäßiges Wahlrecht einführt und die Zahl der Wahl berechtigten nm zwei Millionen vermehrt. Der lange VcrfassnugSconflict iu Norwegen hat durch die Verurtheilung des StaatSmiuistcrs Selmer nur ciucn verschärften Ausdruck erfahre». Die con- servntivc Partei des OdclölhiiigS hat fcicrlichst gegen die Amtsentsetzimg Sclmerö protcstirt nnd erklärt, daß sich dieselbe mit dem norwegischen Grmidrechte in Widerspruch befinde. Anch König Oscar steht voll und ganz auf Seiten seines Ministeriums und so läßt sich schwer abseheu, wohin dieser Conflict zwischen der radical gefilmten norwegischen Volksvertrelmig nnd dem Ministerium noch führen wird. Im amerikanischen Ncpräscntantcnhausc kam am Donnerstag anch der LaSker'schc Fall zur Sprache. Es gelangte daö vom Berliner liberalen Central- Vcrcin cingclanfcne Schreibe» zur Verlesung nnd wurde dasselbe auf Antrag Kasson'ö schließlich dem Ausschüsse für auswärtige Angelegenheiten überwiesen. Die Aunahme, daß sich die Engländer in diesen Tagen mit Osman Digma messen würden, schien sich durch die Meldung zu bestätigen, daß am Donnerstag bei Trinkitat zwischen ersteren nnd dcn Insurgenten ein Gefecht stnttgcfnndcn habe, wobei die Insurgenten zirückgeschlagcu worden seien. Neuere Meldungen dcmcntircn jedoch diese Nachricht, wissen aber von einem siegreichen Ausfälle der Garnison von Kassala, einer etwa 15 Meilen südlich von Snakim gelegenen Hafenstadt, zn berichten. Zur Reichstags-Eröffnung. Kommenden Donnerstag tritt bekanntlich der NcichS- tag zu seiner letzten Session in der gegenwärtigen Legislaturperiode zusammen. Die Session verspricht, ich nach mehr als einer Nichlung hin zn einer bcdcn- niigsvollcn zn gestalten und eine Ucbersicht der wich tigsten parlamentarischen Arbeiten, welche sic bringen wird — soweit dies eben nach dcn parlamentarischen Dispositionen der NcichSrcgicrnng bekannt ist — dürfte daher am Platze sei». Dcn Kernpunkt der Bernthuugcu wird die social- wlitischc Gesetzgebung bilden, welche ihren weiteren Anöban zunächst durch das neue U»fallversicheru»gS- gcsctz erhalten soll, das zugleich die bei weitem her vorragendste Vorlage der Session rcpräscntirt. Die selbe geht dem Reichstage in durchaus verbesserter Gestalt, im Vergleich mit ihren beiden Vorgängerinnen zu und da sowohl der preußische VolköwirthschaftS- rath als auch der BuudcSrath im Großen und Ganzen ihre Zustimmung zu dem jetzige,, Cutwurfe gegeben habe», so darf man wohl dasselbe auch von der Mehr heit des Reichstages erwarten. Hat doch die Presse aller Parteien die bckcnmten „Gruudzüge" dcö Unfall- j vcrsichernugögcsctzcS einer in. Allgemeinen wohlwollen den Bcurthcilnng unterzogen nnd so darf man hieraus schließen, daß cö diesmal den Parteien Ernst ist, mit dem Wunsche, dieses so überaus wichtige Gesetz end lich einmal unter Dach und Fach zu bringen. — In das Gebiet der socialpolitischcn Gesetzgebung gehört anch die Novelle znm Gesetz über die eingeschriebenen Hilfökassc». Dieselbe umfaßt 13 Artikel, welche ver schiedene Bestimmungen dcö Hilfskasscngcsctzcö thcilö anfhcbc», thcilö abändcru, in Conscqucnz des vom vorigen Reichstage angenommenen Krankcnkasscngcsctzcö; daß die Novelle sich gegen die freien Kassen richte, wird officiöscrscitS entschieden in Abrede gestellt. — Einen wichtigen Berathungögegeiistand wird der zn erwartende Rcgicrnngsanlrag auf Verlängerung dcö Socialistcngcsctzcö bilden. Dasselbe länft im Herbst dieses Jahres ab und der Ncichörcgicrung liegt be greiflicher Weise sehr daran, noch vor den Neuwahlen znm Reichstage der socialdcmoerntischc» Agitation durch die Vcrlüugcrmig dcö Socialistcngcsctzcö mög lichst ciucn Niegel vorzuschicben. Die schwankende Haltung dcö dcn Ausschlag gebenden Ccntrumö läßt cö aber noch ungewiß erscheine,,, ob der Ncichötag dem NcgicrungSantrag, obwohl derselbe nur zur'fort gesetzten Bekämpfung staatögcführlichcr Tendenzen ge schieht, zustimmcn wird. — Verschiedene Mängel, die sich bei dem Acticngcsctz hcrauSgcstellt haben, lassen die Einbringung einer Novelle hierzu als uothwcudig erscheinen und wird der Ncichötag bei seinem Zu- sammcntrittc bereits eine entsprechende Vorlage vor- findcn. — Unter dcn in der vorigen NeichStagöscssivn gescheiterten Vorlagen befanden sich anch die Entwürfe zn einem Pcnsions- nnd Nclictcngcsctz für Militair- pcrsoncu; da sich nun eine Regelung dieser Verhältnisse immer dringender hcrauSstcllt, so werden beide Ent würfe dem Reichstage in veränderter rcsp. verbesserter Form wieder zngchcn. Ferner wird die rcvidirtc Elbschifffahrtöactc, welche im Mürz 1880 mit Oester reich vereinbart wurde, dem Reichstage abermals zu- gchcn. Dieselbe stieß vor vier Jahren infolge ihres Zusammenhanges mit der Hamburger Zollanschluß- fragc auf solche Schwierigkeiten, daß sie damals an die zuständige Commission dcs Reichstages zurückging; ^etzt, nachdem inzwischen die Hamburger Zollanschlnß- ragc erledigt ist, wird die rcvidirtc ElbschifffahrtS- acte größeren Schwierigkeiten wohl nicht mehr begeg nen. — Endlich ist noch ein Nachtrag znm Marinc- etat angckündigt nnd handelt cs sich hierbei dem Ver nehmen nach nm nothwcudigc Ausgaben für Torpcdo- zwcckc; ein eigentlicher Etat ist indessen nicht zn bc- rathcn, da bekanntlich bereits der vorige Reichstag )aö Budget pro 1884/85 behandelt nnd angenommen hat. Neben diesen Vorlagen nennt man noch eine ganze Reihe anderer Gesetzentwürfe, welche den Reichs tag in dieser Session beschäftigen sollen, indessen sind hierüber erst nähere Informationen abzmvartcn und werden übrigens die genannten Vorlagen schon einen großen Theil der Zeit des Parlamentes in Anspruch uchmeu. T a g e s g e s ch i ch t e. Sachsen. Schandau. Der hiesige Gcwerbe- vercin hatte am 28. Februar wiederum das Vergnü gen, einen Abend durch dcn Vortrag eines seiner Mitglieder auf daS Genußreichste ausgcfnllt zn scheu. Iu fast 2'/Madiger Rede erstattete Herr Rudolf Scudig in gewandtester Form Bericht über seine hochmtcrcssantc Reise nach Rußland im Januar d. I. Zunächst dcn Zweck derselben erläuternd, thciltc er mit, daß er vor etwa 4 Jahren die Bekanntschaft eines Herrn vr. Herz aus Petersburg gemacht, welcher sich die Aufgabe gestellt gehabt habe, in deutschen Kur- nnd Badeorten unter dem Schutze des russischen Rothen Kreuzes, ein dem Albcrtvcrciu iu Sachsen ähnliches Institut, stehende Ehrciifrcistclleu für russische Offiziere zu gründen. Die großen Opfer dieser Chren- 'reistellcu, deren auch er zwei in seine» Hotels zn Schandan seit mehreren Jahre» zur Verfügung gestellt, habe jedoch daö Rothe Kreuz auf Vcraulassnng Ihrer Majestät der Kaiserin von Rußland, der hohen Pro- tcctorin dcs Rothen KrcnzcS, wie er im Sommer 1883 durch Herrn l)r. Herz in Erfahrung gebracht, auf die Länge dcr Zeit nicht «mich,neu zu könne»