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Ein ständig wiederkehrendes, kraftvoll-prägnantes Thema, das zu Beginn sogleich im Tutti vor gestellt wird, bildet das Fundament des ersten Satzes. Der kurze zweite Satz (Largo) besteht aus einer zusammenhängenden, reich mit Ornamentik verzierten und stark figurierten Kantilenc des Soloinstrumcntcs, die durch eine sparsame, durchsichtige Pizzicato-Beglcitung der Streicher ge stützt wird. Dieser Satz wurde von Bach übrigens auch als Instrumental-Einleitung zu seiner Kantate Nr. 156 („Ich steh’ mit einem Fuß im Grabe“) verwendet, wo er das ausdrucksvolle, gesangliche Largo-Thema der Oboe anvertraute. Unmittelbar leiten dann die Violinen in das mit auffallenden dynamischen Kontrast-Effekten versehene abschließende Presto über, das sich weni ger durch prägnante Thematik als durch brillanten motorischen Elan und kontrapunktischc Arbeit auszeichnct. Das Klavierkonzert Nr. 2 B-Dur, op. 83 von Johannes Brahms entstand in den Jahren 1878 bis 1881 und wurde am 9. November 1881 mit dem Komponisten als Solisten in Budapest uraufgeführt - 22 Jahre nach der Uraufführung seines 1. Klavierkonzertes (d-Moll, op. 15). Bereits damals, nach dem Mißerfolg des 1. Konzertes, hatte Brahms dem Geiger Joseph Joachim Ende 1859 geschrieben: „Trotz alledem wird das Konzert noch einmal gefallen, und ein weiteres soll schon anders lauten.“ Und tatsächlich unterscheidet sich das dem Lehrer und Freund Eduard Marxsen gewidmete 2. Klavierkonzert in seinem Charakter gänzlich von dem vorhergehenden. Das Werk, von dessen Entstehung der Meister - allerdings recht „unter“trcibend - zuerst seiner Freundin Elisabeth von Herzogenberg berichtet hatte („Erzählen will ich, daß ich ein ganz, ein kleines Klavierkonzert geschrieben, mit einem ganz, einem kleinen Scherzo“), ist im Gegensatz zu dem größtenteils dunkel und ernst gehaltenen 1. Konzert in seiner Grundstimmung fast durch weg hell und farbig, heiter und optimistisch, wenngleich cs auch tragischer Töne nicht entbehrt. Bewußt an positive Traditionen der Klassik und Romantik anknüpfend, ist das viersätzig auf gebaute B-Dur-Konzert in seinem klassischen Ebenmaß, seiner ausgesprochen volkstümlichen Haltung und seinem großen, Empfinden unterschiedlichster Art Ausdruck verleihenden Erfin dungsreichtum eines der schönsten und vollendetsten Werke überhaupt. Ein weiches Hornsolo, das zu einem stimmungsvollen, wohllautenden Frage- und Antwortspiel zwischen Bläsern und Soloinstrumenten führt, eröffnet den ersten Satz (Allegro non troppo). Erst eine machtvolle Kadenz des Solisten löst den Einsatz des vollen Orchesters aus: strahlend er klingt jetzt im Tutti die erweiterte Hornmelodie. Zusammen mit dem romantischen zweiten Thema und einem weiteren, rhythmisch lebhaften Thema ungarischer Herkunft wird es in der ungemein spannungsreichen, Klavier und Orchester in gleichem Maße einsetzenden Durchführung kunstvoll verarbeitet. Nachdem das motivische Material, nun verändert und umgcdcutet, in der Reprise noch einmal vorübergezogen ist, beschließt die kraftvolle Coda den an wechselnden Stimmungen und mannigfaltigen Gestaltungen überaus reichen Satz. - Das folgende Scherzo, in d-Moll stehend, hebt sich scharf von dem vorangegangenen Allegro ab. Ein wildes, übermütiges, jäh aufwärtsstrebendes Hauptthema, dem ein zarteres Seitenthema der Streicher gegenüber gestellt wird, bestimmt die Entwicklung dieses insgesamt stürmisch-virtuos angelegten Musik stückes, das eine große sinfonische Durchführung mit zahlreichen, zum Teil etwas dämonisch bizarren, ausgelassenen Seitengedanken aufweist. Straffe Rhythmik dominiert im D-Dur-Trio des Satzes. - Das zu Beginn vom Soloccllo vorgetragene gefühlvolle Thema des dritten Satzes (Andante) zeigt eine starke Ähnlichkeit mit der Melodie des von Brahms im Sommer 1886 kom ponierten Liedes „Immer leiser wird mein Schlummer“. Zart und ausdrucksvoll, gleichsam impro ¬ visierend, paßt sich das Soloinstrumcnt mit begleitenden Figuren dieser innigen, wunderschönen Melodie an. Auch das der Klarinette übergebene Thema des kurzen Mittelteils begegnet uns in einem Brahms-Lied („Todesschncn“) wieder. - Rondoartiges Gepräge trägt schließlich das fröh liche, musikantische Finale des Konzertes (Allcgrctto grazioso), dessen kapriziöses, anmutiges Hauptthema zunächst vom Klavier solistisch dargeboten wird und im Verlauf des Satzes in ver schiedener Beleuchtung immer wieder erscheint. Auch die für Brahms’ Thematik so typischen ungarischen Anklänge tauchen hier wieder auf, besonders in den Terzen- und Sextengängen eines Seitcnthcmas. Geistvolles, gelöstes Konzertieren von Soloinstrumcnt und Orchester kennzeichnet diesen Satz, der das Werk mit hinreißendem Schwung und bezaubernder, liebenswürdiger Grazie beendet. Urte Härtwig LÄteraturhiiiweise: Keller: Die Klavierwcrkc Bachs, Leipzig 1950 Reimann: Joh. Brahms, Berlin Einstein: Mozart, Zürich 1953 V orankündigung : Sonnabend, 12. Oktober 1963, 19.30 Uhr 3. Außerordentliches Konzert Dirigent: Prof. Heinz Bongartz Solisten: Ilse Brähmcr, Dresden. Klavier Karl-Heinz Naumann, Dresden, Klavier Traute Richter, Dresden, Sprecherin Verbindende Worte: Prof. Dr. Wolfgang Ullrich, Dresden Die Tiere in der Musik Mit Werken von G. Mahler, J. Sibelius, N. Rimski-Kcrsakow, C. Saint-Saens und Prokofjew. Freier Kartenverkauf! Alles für unsere sozialistische Kepublik, Z um Nutzen für die Gesellschaft, zj im Nutzen für jeden einzelnen. Wählt am 20. Oktober die Kandidaten der Nationalen Front! 2. AUSSERORDENTLICHES KONZERT 1 9 63/64 6185 111 9 5 963 1,5 1t G 009 48 63