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Schönburger Tageblatt Amtsblatt fiir dt« Ztadtrath za Ualöendmg. Freitag, den 25. November 278 1887 Erschein» täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn» und Festtagen. Annahme von Inseraten für die nächster» scheinende Rümmer bis nachmittags 2 Uhr. Der Nbonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. SS Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., Einges. 20 Pf. Expedition: Waldenburg, Kirchgasse 255. Zugleich weit verbreitet in den Städten Penig, Lunzenau, Lichtenstein-Callnberg und in dm Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbezirke: Altstadt-Waldenburg, Braunsdorf, Callenberg, St. Egidien, Ehrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchursdorf, Langen leuba-Niederham, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Obergräfenhain, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remfe, Rochsburg, Rußdorf, Schlagwitz, Schwaben, Steinbach, Wechselburg, Wiederau, Wolkenburg und Ziegelheim. Filiale«: i« Altstadtwaldenburg bei Herr« Kaufmann Beruh. Schuppe; in Penig bei Herrn Kaufmann Rob. Härtig, Mandelgasse; in Rochsburg bei Herrn Buchhalter Fauth; in Lunzenau bei Hrn. Buchhdlr. E. Dietze; in Wechselburg bei Herrn Schmied Weber; in Lichtenstein b. Hrn. Buchh. I. Wehrmann. und aldenburger Anzeiger Witterungsausfichteu für deu 25. November: Ziemlich ruhiges, theils nebliges, theils heiteres Wetter. Barometerstand am 24. November, nachmittags 3 Uhr: 758 mm. Von dem unterzeichneten König!. Amtsgerichte soll auf Antrag das im Besitze des Staatsfiscus im Königreich Sachsen befindliche Wieseugrundstiick, Folium 390 des Grundbuchs für Waldenburg, bestehend aus Parz. 78 des Flurbuchs für diesen Ort, nach demselben 28,» ar (154 ^Ruthen) groß, mit 11,s» Steuer einheiten belegt, Moutag, den 5. December 1887, Bormittags 10 Uhr an Amtsstelle unter den im Termine bekannt zu machenden Bedingungen öffent lich versteigert werden. Die Bedingungen sind am Gerichtsbrette zur Kenntnißnahme ausgehangen, auch sonstige Auskunft wird auf Verlangen ertheilt. Waldenburg, am 21. November 1887. Königliches Amtsgericht. Bamberg. "Waldenburg, 24. November 1887. Die verblüffenden Enthüllungen der „Köln. Ztg." über die Unterredung des Reichskanzlers mit dem russi schen Kaiser in Berlin, worüber wir in unserer letz ten Nummer noch kurz Mittheilung machen konnten, nehmen neben den Pariser Vorgängen das Tagesin- tereffe vollkommen in Anspruch. Wir geben die erst erwähnte sensationelle Mittheilung des rheinischen Blat tes nachstehend wortgetreu wieder; es heißt darin in einer Berliner Correspondenz: „Die einstündige Unterredung, welche Fürst Bis marck mit dem Kaiser von Rußland gehabt hat, steht noch immer im Mittelpunkt der politischen Unterhal tung. Es ist selbstverständlich, daß dieselbe zu keiner lei Abmachungen oder gar Bündnißabschlüssen geführt hat. Immerhin hat sie in einem wesentlichen Punkte zu einer sehr erwünschten Aufklärung geführt. Wie uns von unbedingt zuverlässiger Seite mitgetheilt wird, ist im Laufe dieser Unterredung festgestellt worden, daß dem Czaren eine ganze Reihe von Briefen und Depeschen über die Haltung des Fürsten Bismarck in der bulgarischen Frage vorgelegt worden sind, die von Anfang bis zu Ende gefälscht waren und die, wenn sie echt gewesen wären, in der That dem Czaren allen Grund gegeben haben würden, erzürnt zu sein, der Politik des Fürsten Bismarck zu mißtrauen und ihn gegen dieselbe zu verhetzen. Die ursprüngliche Quelle dieser Fälschungen ist alsbald ermittelt worden; es ge nügt vorläufig mitzutheilen, daß sie orleanistischen Ur sprungs ist, und daß sie vielleicht noch der Staats anwaltschaft Anlaß zum Einschreiten bieten wird. Dem Fürsten Bismarck ist es rasch gelungen, den Czaren davon zu überzeugen, daß er in dieser Hin sicht ein Opfer der schlimmsten jesuitischen Kniffe ge worden sei, und hätte die Unterredung auch nur die sen Erfolg allein aufzuweisen und diese großartige Jntrigue einer europäischen Kriegspartei zu entlarven, so würde sie schon in nicht unwesentlichem Maße zur Erhaltung des europäischen Friedens beigetragen ha ben. Im Laufe der Zusammenkunft hat sich aber noch ferner herausgestellt, daß ein kleiner aber einflußreicher Theil der hiesigen Hoskreise dazu mitgewirkt hat, bei dem Czaren den falschen Glauben zu erwecken, als wenn der Reichskanzler in seiner auswärtigen Politik nicht in vollem Einklänge mit Kaiser Wilhelm stehe, sondern von diesem nicht selten nur widerwillig die Genehmigung seiner Vorschläge und seiner Politik er halten könne. Auch in dieser Hinsicht hat der Czar bei der jetzigen Zusammenkunft leicht eines Bessern und Richtigem belehrt werden können. Im übrigen wird von allen Seiten bestätigt, daß der Charakter der Un terredung ein gefälliger und nahezu freundschaftlicher gewesen ist. Die einzelnen Beschwerdepunkte sind zur Sprache gekommen und zum Theil aufgeklärt oder richtig gestellt worden. Ob die Unterredung auch weitere praktische Folgen für das fernere gegenseitige Verhalten der beiden benachbarten Kaisermächte zeiti gen wird, kann freilich erst die Zukunft lehren und wird zunächst der Ton der russischen Zeitungen äußer lich verrathen." Wir wollen hierzu bemerken, daß die Gegnerschaft zwischen Fürst Bismarck und einem Theil der Ber liner Hofkreise keineswegs erst von gestern stammt. Besonders in den siebziger Jahren ist es zu sehr heftigen Zusammenstößen gekommen und einmal reichte der Kanzler auch in Folge derselben sein Entlassungs- gesuch ein. In Paris nehmen die Dinge ihren vorausgesehenen Verlauf. Alle hervorragenden Politiker haben aus nahmslos Grevy's Aufforderung zur Kabinetsneubil- dung mit dem Hinweise darauf abgelehnt, daß vor allen Dingen er selbst zurücktreten müsse, da seine Stellung der Wilson-Affaire wegen unhaltbar sei. Grevy versucht es nun mit Persönlichkeiten zweiten und dritten Ranges, von denen sich im Voraus sagen läßt, sie würden sich, wenn sie wirklich ein Ministe rium fertig bringen, keine vier Wochen am Ruder halten. Am Mittwoch ging in parlamentarischen Krei sen das Gerücht, daß Ribot einen Auftrag zur Ka- binetsbildung mit Goblet und Deves übernehmen werde. Das Journal „Döbats" äußerte sich dahin, daß es sich gezieme, das Resultat der Erwägungen Grevy's ohne Ungeduld abzuwarten; es würde aber gefährlich sein, sich die Schwere des gegenwärtigen unsicheren Zustandes zu verhehlen, dessen Verlängerung nur Ge lüsten nach Diktatur oder allgemeiner Unordnung zu Gute kommen würde. Uebrigens scheint Grevy nur sein Renommee retten zu wollen; er will ein neues Ministerium zu Stande bringen und wird dann gehen. In einer Unterredung am Mittwoch Nachmittag mit dem Radikalen Maret sagte Grevy, sein Entschluß zu demissioniren sei gefaßt, er halte es aber als Hüter der Verfassung für seine Pflicht, in ehrenhafter Weise die Gewalt zu verlassen und seine Verantwortlichkeit vor dem Lande zu lösen. Er wolle die Verantwort lichkeit für die inneren und äußeren Verwickelungen, welche er voraussehe und in denen die Republik unter gehen könne, nicht auf sich nehmen. Der Generalgou verneur von Paris, General Saussier, hat umfassende militärische Maßregeln in Paris und Versailles an geordnet. Die Garnison von Versailles, welche augen blicklich kaum 2000 Mann beträgt, soll in Erwar tung des Congresses verdoppelt und die Garnison von Paris ebenfalls verstärkt werden. Senator Dsvös lehnte ebenfalls den Antrag, die Kabinetsbildung zu übernehmen, ab, desgleichen Ferry und Raynal. Grevy will nun Ribot bereden, der seine letzte Hoffnung ist. Ribot ist auch zur Annahme der Kabinetsbildung be reit, und die Gambettisten zu seiner Unterstützung. Er würde aber noch viel weniger eine sichere Kammer mehrheit erlangen, als Rouvier, und gar nicht im Stande sein, sich zu halten. Grevy's Schicksal ist entschieden! Politische Rundschau. Deutsches Reich. Kaiser Wilhelm nahm am Donnerstag Vormittag den Vortrag des Grafen Perponcher entgegen, empfing später den General von Dannenberg zur persönlichen Meldung und arbeitete nachmittags längere Zeit mit dem Geheimen Rath von Wilmowski. Das Diner nahm der Kaiser allein ein, dessen Befinden gegenwärtig ganz vortrefflich ist. Die Frau Großherzogin von Baden wird demnächst zum Besuche in Berlin erwartet. Prinz Wilhelm von Preußen stattete dem Reichs kanzler vor dessen Reise nach Friedrichsruhe einen Besuch ab nnd conferirte später mit dem Grafen Herbert Bismarck. Wie vom Mittwoch aus San Remo gemeldet wird, bleiben Allgemeinbefinden, Schlaf und Appetit des Kron prinzen durchaus befriedigend. Für eine ganze Zahl von Handelsartikeln sind soeben erhöhte russische Einfuhrzölle in Kraft getreten, von denen auch die deutsche Industrie recht hart be troffen wird. Zu Neujahr werden noch weitere Zoll- schraubereien folgen. Daß die Kaiserbegegnung auf wirthschaftlichem Gebiete keinen Nutzen bringen wird, ist wohl nun zweifellos. Die „Nordd. Allg. Ztg." giebt die sensationellen Enthüllungen der „Köln. Ztg." über die Unter redung des Czaren mit dem Fürsten Bismarck im Wortlaut wieder, bemerkt aber dazu, daß sie eine Gewähr für den Inhalt nicht übernehmen könne. In der Reichstags-Eröffnungsrede wird, dem „H. C." zufolge, neben der Aufhebung der Wittwen- und Wai- senkaffen-Beiträge, voraussichtlich eine Erweiterung des Socialistengesetzes vorgeschlagen werden, wo nach, ähnlich wie im Jesuitengesetz, den verurtheitten Socialisten der Aufenthalt in Deutschland untersagt sein soll. In einer nationalliberalen Wählerversammlung in Hamburg erklärte der Abg. Woermann, er wisse, daß, vielleicht mit Ausnahme einiger süddeutschen Mitglieder, die gesammte nationalliberale Partei gegen eine Er höhung der Kornzölle stimmen würde. Der neue Reichshaushalt schließt mit 921,689,000 Mark in Einnahme und Ausgabe ab. Die Matri- kularbeiträge beziffern sich auf 212,670,000 Mark. Der Militäretat umfaßt 327 Millionen, der Marine etat 36 Millionen dauernde, 12 Millionen einmalige Ausgabe. Die Matrikularbeiträge sind fast 26 Mil lionen höher als im Vorjahre. Der Reichshaushalts etat weist ferner 219 Millionen Mark Beiträge der Einzelstaaten zur Reichskaffe auf. Die Ueberweisungen aus der Reichskasse an die Einzelstaaten sind auf 266 Millionen veranschlagt, mithin würden die Einzelstaaten aus der Reichskaffe 47 Millionen Mark mehr empfan gen, als sie zahlen. Im laufenden Jahre müssen 38 Millionen mehr gezahlt werden, als die Bundesstaaten empfangen. Der Ertrag der Branntweinsteuer wird 5—6 Millionen mehr betragen, als bisher ange nommen ist. Nachdem vor wenigen Wochen die zehn türkischen Offiziere, welche beim preußischen Heere eingetreten waren, um hier den Dienst genau kennen zu lernen, wieder entlassen und in den türkischen Dienst zurück getreten sind, hat die erneute Anstellung von 13 tür-