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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.03.1886
- Erscheinungsdatum
- 1886-03-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188603305
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18860330
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18860330
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1886
-
Monat
1886-03
- Tag 1886-03-30
-
Monat
1886-03
-
Jahr
1886
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.03.1886
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Erscheint täglich ftüh 6'/, Uhr. Lrö«ti«« »»> Lkpe-ttiou Ioha,ne<gafi« 8. SPrech-ull-en ter Nr-irtton Vormittag« 10—LS Uhr. Nachmittag« ü—S Uhr. d»u «e»»cu.» m« »«»uuL«. »er ffl« tzte »LHflf»l«e»ö« N,«»er best,»«»«» 8»ker«te «, v«chr»ta,en bis S Utzr Nach»itt««s, «» Tn»»-««» Festt«,«, frfl» »iS'/,» Uhr. I» de« Filislt» ftr S»s.-L»»«tz«e: vttn «lt»». Untbnfitätlftrnß» 1. LsuiS Lösche. Katharinenstr. SS, p. nur »1« '/,» »tzr. UchMkrTagMatt Anzeiger. Lrga« für Politik, Localgeschichtr, tzandeis- und Geschilstsverkehr. Auflage IS,»S0. Äbollnrmrnisprri» viertelj. 4'/, Mk. incl. Bringertodn ö Mk., durch die Bost bezogen 6 Mk. Jede einzelne Nummer SO Pf. Belegexemplar 10 Ps. Gebühren >ür Extrabeilagen kin Tageblatt-Format gesalzt) Ohne Postbelürderuug c»0 Mk. «tl PoslbelSrderung 60 Mk. Inserate «gespaltene Petitzeile SO Pf. Größere Schritten laut uns. Preisverzeichniß. Tadellanlcher n. Zifienisatz nach höhermTarrs. Nkklamen unter dem RedartronSstrich die «gespalt. Zeile bOPs, vor den Familiennachrlchtea die kgelpaliene Zeile 40 Ps. Juterate sind stet» an die Expeditt«« zu senden. - Rabatt wird nichl gegeben. Zahlung xra.enuuierai.1o oder durch Poft- nachnahme. ^-89. Dien-tag dm 30. März 1886. 8V. Jahrgang. Zur gMlgen Beachtung. llm bei Ausgabe der LegitimationSkarten zum Abholen des Tageblattes beim Quartalwechsel den Andrang möglichst zu beschränken, haben wir die Einrichtung getroffen, daß Karte und Skechnrrrrg bereits von heute an in Empfang genommen werden können. Lxpvättlou Los I^tprlxsr l'sxvdlLttes. Amtlicher Theil. Zu Ausführung der von orr trigonometrischen Lbtheikung der »königlich Preußischen Landesaufnahme vorzunehmevben Benne«ungen. welch« innerhalb de« diesseitigen Staatsgebiete» i« Besonderen auch in Ausführung baulicher Herstellungen für Beobachtungen auf der Pleißenburg bestehen werde», wird von dem mit der Leitung dieser Arbeiten beauftragten König lich Preußischen Oberst » I» inito des Generalstadt- der Armee Herrn Schreiber und von dem demselben unterstehenden Personale da» Gebiet de« Königreichs Sachsen betreten werden, wo mit den betreffenden Arbeiten etwa Mitte April begonnen Werden soll. Gemäß anher ergangener Verordnung bringen wir dies zur öffentlichen Keuutniß mit dem Ersuchen, die Hilfeleistungen, welche von Seiten gedachter Personen beansprucht »erden und woiür Vergütung erfolgt, brrritwillig zu gewähren und über haupt die Ausführung beregter Arbeiten thunlichst fördern zu Helsen. Die betreffenden Personen werden durch offene Ordre legitimirt sein. Leipzig, den IS. März 188«. De» »er «t»dt Heatfch ve. Ooorgi. Bekanntmachung. schel. Die Leuchtkraft de« städtischen Leuchtgases betrug in der Zait vom 22. bis zum 28. dieses Monats im Argandbrenner bei 2.ö Millimeter Druck und l40 Liter« stündlichem Eonsnm das 16.65 sach« der Leuchtkraft der deutschen Normalkerze von SO Millimeter Flammenhvh«. Da« specifisch« Gewicht stellt sich im Mittel auf 0.482 Leipzig, am 29. März 1886. DeS RathS Deputation z» de» Gasanstalten. Geschäftsräume in der neneij Börse. Im Obergeschoß der neue» Börse stad eiatge Geschästträume zu vermirthen. Diejenigen, welch« solch» -a rrmiethea») wünsche», wrrdea hierdurch erfocht, sich Dienstag, »e« »» MLr» 2. A., vormittag« 11 Uhr in der neuen Börse» Eingang von der «beadseite, 1 Treppr hoch einjnfindea. Leipzig, de» 2S. März 1886. Die HanbekSkammer. Dachsmuth, Lors. Dr. Vensel, S. *) Ja den beiden Insertionen vom 28. und 29. März ist fälsch- lich tzermiethea gedruckt worden. Biek-ahls - Bekanntmachuns. Gestoblen wurde» vier erstatt«« Knzetge znfotae: 1) rtn Bnch, eartoanirt in Qnart, brtitrlt: „Reichert, Vau- uad Snnoickrlnngsgrschtchte des menschlichen Hirnes" mit zahlreich», Knpsertosel». an« dem «nditoriam des Zoologischen Institut», Thalftraße 38, vom 20. v. bi« 15. dss. Mt«.; 2) eia schworzseidea« Regenschirm mit Patrntgeftelle und ge- bogenem Griff mit Elsenbeiaplatte am Ende deffelden uad dem Name» „Strobel" im Urberzua, au« einem Restaurant in Nr. 3 der Katha- rinenstraßr, am 21. dss. Mt«, «brnds; Sj 2 aeräuchert« Tchinke« (darunter eia sogen. Rallschtnkrn), 7 Trüffel» »nd 11 Knackwürste, au« einem Keller in Nr. 21 der Bayerischen Straße mittelst Nachschlüssels» vom 22. bi« 23. dss. Mts.; 4) nd Winterüberzieter »o» duakelbrannem geriesten Stoff, mit schwarzem Sammetlrogen. schwarzwollennn Futter, 2 Reiben Hornknöpfen and Krttchenbenkel, rin Paar ziemlich neue Schaft stiefeln mit Doppelsohlea, rin Paar säst ueur Arauen-Ltiefrletteu von Glactleder mit Gnmmteinsätzen. eine blangedruckte Aranenlak- schürze, 8." gleich»«, nne kirschbaumartig polirtr Epiel- Dase, L9om lang, 18 em hoch und 16 em breit, einen Walzer, eine, Marsch, die „Wacht am Rhein" und „Wenn die Schwalbt» heiiuwärt- zieh»" spielend, ferner 8 Kilo gekochte« Pökelfleisch, 2 bis 10 Kilo Ranchfleisch, 4 — st Kil» Rath- und vlntwnrft. endlich L« Stück Ligarrr» und 1 5V baar, aus einem Geschäftslocale in Nr. 19 der vlüchrrstraße, mittelst Einbruch« und Sinsteigen«. vom 23. bi« 24. ds». Mt«. Nachts; b) ein roth. und weißcarrirte« Wtckelbettchen, ein kleines und ein großes Ki»der-Deckbett. roth. und weißcarrirt, und eine graue ziemlich neue Sophabecke mit grünen Blumen, aus einem Kinder- wag«, in Nr. 18 des Prtersstetnweg», am >4. dss. Mt«. Nach, mittags; 6) eia Tatflen-Wtnterrsck, «ran. und schwarzgewürselt. mtt einer Reihe Hornknöpien, schwarzem Schoß- und Hellem Aermel- sutler (Rücken ungefüttert), in den Taschen eia Krankeiieaffcnbnch der Dachdecker (Nr. 71). eine Fachderrins- and UnterstüstungS- kartr der Dachdecker, sämmtlich aus „kranr Lckaurck Laock" lautend, und ein schwarz- und weißgewürselte« wollene« Shawttuch, au« dem tzvsraumr in Nr. 13 der Petersstraße, am 24. ds«. Mt«. Nach, mittag«: 7) eia getragener Gnmmerübrrffttzer von glattem bronnru Stoff» schwarz gefüttert, mit einer Neid« Horuknüpsea (anter dem Hinkel vermuthlich „L. U. Meyer, Weimar" eingenäht), riur Sammer Hase von gelbem, mit buntei^Fäden durchwirklem Ltoff, mit ein- gesetztem Kreuz, an» «iaer Mhnung in Nr. 41 drr Lange Straße, am 28. d. M. Abend,; 8) riur »r»filber«^Ttzlinber»br mit Sekunde und eingravirtem Han« ans der Rückseite, mit Kaosel und lauggliednger Rickelkette» an« eine« Gardrrobrranm der Lentralhall« am 27. d. M. Etwaig» Wahrnrtzmnngen über den Verdlied der ^stohleaen GiginHäiw» ade» de» Thätrr find ,,-rsinmt bet »aserrr Lriminal Abqeflnna Pw Anaetge m brmge». Leipzig, am«. MLr, I^L D«SBgt«Ri'»»t der Gtntzt keizu,^ Bratschnetder. 1>r. S. OeüentUeke NkwäslsIskrkmstLlt. vt« XnmalckavU von LnnSInngalobrUngvn, welob« stoouaanSo Oatorn in «ll« krüb- ackar kiaöbnuttngaonr»« ä« IwbnUng» »btballnng elntratoo »oUeo, ardittot aicb äar OniarnotabnOtn i» ckor 2ait ro» stS. ARr» bi, »1t 2. LprlI, Pormtttnga ro» IO—12 VH», womögliab not« pariönliobar VowtaUnvg ä» Tnmuaaläawck» ckarvb tbr» llarran krinnipnl». VVädranck ckar gaänobtan 2«it warckan »nab Sawalännga» 12, i «UEIbriga» tbobwtmnnaobnNNoba» Onran, «ntgew»- «nonunau. an walobaw »teb 8»o4In»a,I«drIIng« batbaümm» üüooan, äia lw Soaitr« äs, Laogvime» «Ir ckio w«en»od»ktUob» öaläbiguvg rum LioMrig-krsiMilligeockienat« «mck. vut«A ' 10 Stuoäen Müoksatlicb, Sokulgvlck 90 -4 l-oipaig, iw ALrr 1886. Onrl WoULnm, Virvct». Nichtamtlicher Theil. Vas Märchen vom Staatsstreich. * Die aervenaufregenden und nervenzerrüttende» 2k«iz- mittel, wie Opium, Haschisch. Aether u. kergl. sind gerade darum für deojenigen so gefährlich, der in ihren verderblichen Bann gerathen ist, weil der Körper, an schwächere Dosen durch die schlimme Uebung bald gewöhnt, immer größere «nd stärkere Gaben de« süßen Gifte« verlangt. Aehnlich verhält es sich mit dem politischen Gifte, welche» unter dem falsche» Ltiquett echter BolkSsreundlichkeit und gesinnnngs» tüchtiger Opposition von den derus«mäßigen Agitatoren de« Körper der Ration fortwährend eingeflößt wird. Immer mehr beginnen hierbei die alten Mittelchen zu versagen, immer weniger verfangen jetzt die kleinlichen Machinationen, dnrch welche man früher das leichtgläubige Volk in einen Gegensatz zu dem leitenden deutschen Staatsmann und zu seiner Politik zu bringen vermochte. Wenn jetzt noch das alte Mißtrauen in früherer Stärke bei irgend einem nenneuSwerthen Vrnch- theil der Wähler wacherhalten werden soll, so müssen nana, vergiftete Waffen dem alten Arsenal der Opposition zugoführt werden. Die Matador« der Agitation haben ihren erfinderisch«« Geist aus diesem Gebiete nicht vergeblich angestrengt, und seit einiger Heit entrüstet sich di« Lakonische Opposition dm; .Freisinnigen" nuv l1»Ui.„.oulaurn über anzebl'che ^«-»ts» strricbgelüste, mit denen sich d-r Reichskanzler trage« soll Die gefährdeten Grundrechte de« Volke« vertheidiaen, unter dem Banner der Freiheit» wenn es nvlhig, zu fallen, da« Palladium der beschworenen Verfassung hochzuhalten gegen die . hochverrälherischen" Machtgelüste eine« „feudalen Minister-" und gegen die weibische Schwäche feine« gekor- samen politischen Gefolges — da» ist etwa der Bestand an bombastischen Phr.sen, mit denen eine gewissenlose Agita tion seit Monaten La« Urtheil der stutzig gemachten Mafien zu verwirren und von einer gesunden nationalen Politik abwendig zu machen sucht. Wer weiß, wie leicht eine irre geführte Volksmenge von planmäßig und scrupello« operirenden Politikern durch solche Ausstreuungen zu den gefährlichsten Kopflosigkeiten verteilet werden kann, der wird wahrlich Diejenigen nicht um die ausgeladcne Verantwortlich keit beneiden, welche aus solche Weise mit dem Feuer der revolutionairen Gefahr spielen. Denn einem an geblichen Staatsstreich der Macht soll da« Volk mit einer Revolution de« Recht« Vorbeugen — da- ist doch der Sinn de« ganzen Manöver«, wenn ander« es überhaupt einen Sinn haben soll. In der Regel lassen sich die Anfänge derartiger Agita tionen nicht mehr genau Nachweisen, die raschlebige, kämpse- reiche Zeit vergibt sie schnell, und ihre Urheber haben später allen Grund, die Spuren ihrer Thätigkeit zu verwischen, wenn der Funke in den Zündstoff gefalle» ist, den sie mit diabolischem Eifer aufgehäuft. Diesmal ist aber die Ent stehung de« Märchens vom Staatsstreich deutlich zu verfolgen und zu Nutz uod Frommen kommender Tage wollen wir nicht unterlassen, sie hier nochmals zu fixiren. ES war bei der Debatte Uber den Polenantrag Achenbach im preußischen Abgeordnetenhause, als Fürst BiSmarck da« antinationale und gefährliche Gebahren der oppositionellen ReichStagSmehrheit einer herben aber gerechten Kritik unter zog und bei dieser Gelegenheit den Gedanken hinwars. daß ein derartiges Verhalten deS Reichstag« mit Nothwendigkeit die Fürsten de- Reiche« dazu führen »lüfie, diejenigen natio nalen Interessen zu wahren, welche die übel berathene Volks vertretung aus« Spiel setze. DainalS waren e« die Abge ordneten Windlhorst und Richter, welch« unverhüllt sofort anrsprachen, daß in diesen Worten die Drohung mit einem Staatsstreiche liege. Obwohl der Herr Reichskanzler gleich am folgenden Tage Veranlassung nahm, in nicht mißzuverstebcnver Weise seine Rede gegen eine derartige falsche Deutung sicher zu stellen, hat trotzdem die oppo- sitionelle Presse die Parole ihrer tonangebenden Meister gelehrig ausgenommen und seitdem sind die dunklen unheilverkündenden Prophezeiungen über schwere Gefahren für die ReichSversaffung von Seilen der Machthaber, die Ieremiaden über bevorstehende Conflicte zwischen Re> aierungSgewalt und volk-recht» die Unkenrufe gewaltsamer Umwälzungen in unserem SlaalSlebrn nicht verstummt. Selbst nach dem entschiedenen Dementi au« dem competenlsten Munde bat man sich aus jener Seile nur diejenige Zurück- ballung in der Form auserleqt, welche bei der öffentlichen DlScussion eine« so heiklen Thema- die Rücksicht auf de» Staatsanwalt und da» Strafgesetz gebieterisch fordert. In der Sache wurde die angeschlagene Melodie rüstig weiter variirt. Da aber die mystischen Andeutungen nicht den gewünschten agitatorischen Erfolg hatten, da diese grundlosen Verdächtigungen de« Fürste» Bi-marck an dem gesunden Sinne auch der dieser Regierung nicht geneigten Wähler zu scheitern drohten, da hielt man in den führenden oppositionellen Kreisen den Augenblick zu einer entscheidenderen und nachdrücklicheren Aktion gekommkn. Dir Richter'sche .Freisinnige Zeitung" gab da« Angriffssignal durch die in der verflossenen Woche verbreitete Nachricht von angebliche» Eonsuitationen de» Fürsten Bismarck zur Ein leitung eine« Staatsstreich». Man hat diese Tatarrnnachricht lediglich al< «in geschäftliche« Mittel zum Aboanrnlensang beim bevorstehenden OuartalSwechsrl ausgrfaßt. ES ist sicherlich nicht ausgeschlossen, daß derartige Motive bei der Erfindung jener Sensationsnachricht mitwirkend gewesen sind. E» mag der Kitzel für gewiss« Leute nah« gelegen haben, zu der Ent hüllung über die Eonsullationen deS Prosefior« Aglave in Pari« wegen de- Branntweinmonopol- ein Seiteiistück zu liefern, um sich als die am besten und am frühesten über die intimsten RegirrunaSpläne insormirte Zeitung in den Augen eine« für Reelam« sehr empfänglichen LesepudlicumS auszuspiele«. Indeß wäre e« falsch, die politischen Momente, welche sür die Urheber jener Nachricht maßgebend waren, völlig zu über sehen. Wir haben diese politischen Beweggründe oben näher darzulegen versucht. Dieselben werden unterstützt durch da« an und sür sich unwahrscheinliche Gerücht, der Aba Windt- horst sei der eigentliche Urbeber der sreisinnigen Notiz. E« spricht sich in dieser Bermulhung systematisch die innerliche Interessengemeinschaft drr Freisinnigen und Ultramonlanen an dem gewählten Agitation-mittel au«, welche sich ja auch sofort bei den beiden Führern der Opposition im Parlamente gezeigt hat. Mit großer Genugtuung ist e« deshalb von allen reich-« freundlichen Politikern begrüßt worden, daß Fürst BiSmarck bei drr zweiten Beratung der Monopolvorlage di« Ge- legendeit ergriffen hat, um in wahrhaft klassischer Weise die Unbegründetheit dieser Ausstreuungen vor Aller Welt kund zu thun. Unzweideutig, soweit sprachliche Mittel dazu überhaupt au-reichen, bat der Reichskanzler jede Absicht zu einer gewaltsamen Aenderung der RcichSversafiung von sich gewiesen, unzweideutig hat er erklärt, daß er den Rechlsdovrn der Verfassung nie verlassen werde. Für unS war eine solche Erklärung freilich unnötig, unsere Ueberzeugung stand auch ohne sie fest, aber e< gicbt mißtrauische Gemüter, welch« den Beunruhigungen drr letzten Zeit aus diese Weise entzogen werden müßlen. Die Gründe, welche der Herr Reichskanzler gegen ein SlaatSstreichproiect ansührte, waren so stichhaltig, so einfach, daß sie sich Jeder häkle selbst sagen können. Mil Reckt hat e« Fürst BiSmarck verschmäht, aus sein eigene« RechtSgesühl hinruwelsen. da« in inneren Angelegenheiten Gewaltmittel nicht zulafie; auch den Eid, den «r aus die Verfassung geleistet, hal er nicht erwähnt. Jedes persönliche Moment hat er außer Acht gelassen, nicht an da» Gefühl, sondern nur an den gesunden Menschenverstand seiner Gegner bat er appellirt. Mit wuchtigen Zügen charakterisirtr er den Widersinn, der in der Zumutung liegt, er werde mit eigner Hand daS Werk zertrümmern, welche« drr ruhmreiche Erfolg eine« ganzen arbeit-vollen Leben« ist. Eine solche Selbst vernichtung, eine solche kolossale Thorheit wird auch der er bittertste Gegner dem klugen Kanzler nicht Zutrauen dürfen. hat Fürst Bi»marck auch au-gesührt, daß die Macht der Zustände, welche dir ObstructronSpotilik de- gegen- wärtigen ReichStagSmehrheit geschaffen bat und immer weiter schafft, stärker sein könne als seine persönliche Kraft, den bestehenden RechtSzusiand aufrecht zu erhalten. Aber da« ist ja derselbe Gebankengaug, den zu dutzend Malen schon die Redner der Opposition geäußert haben. Sie haben immer betont, daß auch der mächtigste Mann da« Rav der Zeit und daS Schicksal eine« Volke« nicht ausballen könne. Weiler bat auch Fürst BiSmarck »ichlS gesagt und nickt sagen wollen. Er hat nur die Berantworllichkeil sür die m>l elementarem Zwang einlretcnden schlimme» Folgen der Oppvsilionsvoliuk sür die Festigkeit deS Reiches vor der Mikwelt aus die Schultern derjenigen wälzen wollen, welche diese Opposition führen. Nur Unverstand und böser Wille können in einem so selbstverständlichen Vorgang StaatS- streicbdrohungen seben. Obwohl jetzt bei Niemandem ein Zweifel mehr über die verfassungstreue deS Reick-kanzlerS obwalten kann, werben unserer sickeren Ueberzeugung nach jene unsubstaiitiirlen Verdächtigungen auch in der nächsten Zulunsl nicht ver stümmelt. Immer wieder wird man irgend einen Satz des Fürsten Bi-marck auS dem Zusammenhänge reißen und ihn al- Popanz de- Staatsstreiche« den Wählern zeigen, um die Geängstigten in da- Lager der Opposition zu treiben. D>«- Leute vom Schlage de« Herrn Enge» Richter, eine« Windt- horst wollen nicht eine- Besseren belehrt sein, sic wollen auS AgitationSbebürfniß an einem Dahndilre scsthalten, welche« sie selbst längst at« solche» erkannt haben. Denn mit dieser Agitation ist ihre politische Existenz vcr knüpft. So traurig, so mübevoll und erschöpfend cS auch ist, mit solchen in demagogischen Künste» ergrauten Gegner» kämpfen zu müssen, endlich werben dem deulschc» Volke doch die Augen darüber ausgehen, wo seine wahren Freunde sind. Das Programm der belgischen Locialisten. In der am 2b. März in Brüssel abgebaltenen Versamm lung haben die Milglieder der socialistischen Arbeiterpartei ihr Programm sormulirt. Es lautet Tie am 25. März in der dionvells conr cke Urnrelles versammelten Brüsseler Arbeiter vcrurlheileu auf da« Schärfste die Haltung der Regierung, die. statt den geknechteten Arbeitern », der Provinz Hilfe zu bringen, dieselben durch Truppen »ieders.bießen läßt. C>e werden mit allen Kräften für die Erlangung de« allgemeinen Wahlrecht« lkätig sein, welche» die jetzigen schmachvollen Zu stande ausbcbcn und dem Arbeiter z» seinem R-chle verhesi'en soll. Dann zogen sie nach dein königlichen Palais und riesen „ES lebe die Republik! Nieder mil dein König!" Nun wissen wir also. waS die Leute wolle». Die Re gierung soll mit den Berg« und Fabrik-Arbeitern zusammen gegen die Bergwerk«- unkHüllenbesitzer Vorgehen »nd sie zwingen, die Arbeitsbedingungen anzunehmen, welche ihnen die Arbeiter vorschreiben, andernfalls soll von de» Arbeitern an ihnen straflos da« Gericht vollzogen werden dürfen, welches sie ihnen zugedacht haben: Zerstörung »nd Beraubung ihre« Eigen« tbumS. Da sie wissen, daß diese Forderung' abgeschmackt und unerfüllbar ist. so wolle» sie da« Königthum stürzen unv die Republik an seine Stelle setzen. Als ob dadurch an den bestehenden Zuständen ckwaS geändert werben würde. Die socialistischen Arbeiter Belgien« mögen ihre Blicke nach Frankreich richten, kort besteht seit dem 4. Sep, tember 1870 die von ihnen berbeigewünschte Staat» form; aber bekanntlich bat das französische Parlament in Versailles im Mai t87l die französisch» Armee gegen die Pariser Eommune gesandt, und Mac Mahon hat in Pari» am 28. Mai ein Blutbad angerichtet, welche« die Pariser Eommunisten noch heute in guter Erinnerung haben. Also mit der Abschaffung der Monarchie und Ausrichtung drr Re publik ist e« nicht grthan, um Raub und Brand straflos zu machen. Auch eine republikanische Regierung könnte e« nicht dulden, daß Schlösser und Fabriken auSgeraubt und nieder- gebrannt würden. Dazu bedarf e« einer socialistisch-anar- chistsschen Spitze, welche Raub und Plünderung organisirt, wie e« jetzt au« der Mitte der streikenden Arbeiter heran« gesckiebt. Nein, unter solchen Umständen giebt c» nur zwei Dinge: entweder Auslösung der staatlichen und gesellschaftlichen Ord nung und Terrorisirung der Besitzenden durch im Lanke um- herziehende Räuberbanden, oder Unterdrückung de« Aufruhrs durch Wassengewall. DaS Letztere wird zweifellos in Bc-lglen geschehen, aber bevor e« dazu kommt, wird viel Blut stießen und viel Besitz zerstört werden. Schlösser ausplünbrrn und niederbrennen und den au» den Kellern geraubten Wein au«- trinkrn, ist freilich leichter, al- durch ehrliche Arbeit sein Brod verdienen, aber die Freude dauert nur nickt lange. „Wie gewonnen, so zerronnen", beißt e« bei solchen Leuten. Die erslörung ist der Zweck, nicht daS Mittel, um zu anderen uständen zu gelangen. Der ZukunslSstaat de» Herrn v. Bollmar, in welchem die Staatsbürger nur drei Stunden täglich zu arbeiten haben, um alle Bedürfnisse leicht be friedigen zu können, ist ein Phantasicbild, da« niemals Gestalt gewinnen wird. Die Arbeitgeber in den belgischen Bergwerks- und Fabrik- eudrn befinden sich in der gleichen Lage wie die BergwerkS- itzer in Dccazrville. Diese haben bereit« angekündigt. daß sie die von ihnen gebildete ErwerdSgesellschast auslös«» wollen, da sie unter de» von den Arbeitern verlangten Bedingungen die Geschäfte nicht weiter führen können. Mit Verlust "wollen und können sie nicht den Betrieb aufrecht halten, also ziehen sie e» vor, die Werke unau-gebeutet zu lasten. Die Bestimmung von Zeitdauer und Preis der Arbeit ist in der Theorie sehr schön, aber wenn daS Arbriterprogramm praktisch durchgesührt werden soll, dann kommt kein Gewinn dabei heran-, unk der ist dock nothwendig, wenn die Löhne auSbezabtt werden sollen. Nu» haben die Herren allerdings ein AuSkunstSmittel bereit, sie sagen: Man gebe un« die Maschinen und organisire die Arbeit jo. daß die Gesammtheit der Arbeiter zugleich Fabrik besitzer ist, daß also der Gewinn nichl an den Unternehmer, sondern an den Staat gezahlt wird und von diesem an die Arbeiter verthrilt wird. Wer soll dann aber Reslellunqen machen? Der Einzelne hat kein Interesse an der Production im größeren Maßstabe, da die ganze Production SlaälS- angelegenheit ist. und schließlich würde der ganze SlaatS- organiSiiiuö still stehen, weil e« an dem Haiiplaulricbe der Production fehlen würde, an der Aussicht aus Gewinn. Darüber ist nun schon seit der Zeit, da viese Ideen aus» Neue ausgetaucht sind, so viel Papier beschrieben unv bedruckt, es sind so viele Reden gehalten worden, daß man meinen sollte, e« müßte nun endlich die NnauSsüorbarkeit diese« TraumeS jede», halbwegs vernünftigen Menschen «inleuchten, aber immer aus« Neue kommen dir Svclalistr« aus diese« alte Gerümpel zurück, weil e« den Führern in den Krani paßt, die Begierden ihrer Werkzeuge anzustacheln, sie durch die Hoffnung aus Verbesserung ihrer Lage, aus Anlheilnahme an drr Annehmlichkeit de» Leben«. Wir e» der Reichthum ermöglicht, in die Stimmung zu bringen, welche ibnen selbst geslaNet, als Führer der Bewegung eine Rolle zu spiele». In Viesen Tagen wird in Belgien wieder eme große Anzahl Märtyrer sür die sorialistischen Theorien geopfert. Wcnn man die Leute fragen sollte, wa- sie denn eigentlich von der Zukunft hoffen, die sie aus den rauchenden Trümmern der von ihnen zerstörten Schlösser und Fabriken ausrichten wollen, würbe man wobl kaum irgend «ine andere Antwort erhalte», al- wüste« Geschrei und Gkheul etwa in dem Sinne: „Wir wollen un« auch einmal unsere» Leben- freuen, die Reichen sollen einmal sehen, wie e» thut, wenn wir das Hest in den Händen haben." DaS ist der einzige praktische GesichlSpunct, den die aus Umsturz bedachten Arbeiter haben, sie wollen den Augenblick genießen, sie denken aber nickt an die Gestattung einer reget mäßigen Zukunft, welche bei ge ringer A'dett reicheren Gewinn abwirst. Ter Pact. deir die Arbeiter mil ihren Führern schließen, ist nicht derselbe, den Faust mit Mephistopheles schließt: Werd' ich ZUIN Auzenblicke jagen: Verweile doch, du bist io schön, Dann magst du mich in Fesseln schlagen, Daun will ich gern zu Grunde gch'nl Tic belgischen Soeialisten und ihre GesinnungSverwandten in Frankreich und England und sonst wo sind mit euiem Tropsen Glück nichl zufrieden, sie wollen sich ei» „menschen würdiges Dasein" sch sfen, wie daS geflügelte Wort Lafialle'« laulel. Nun daS >st eine eigeiithünilicke Auffassung von Menschenwürde, angesichts rauchender Trümmer enieS nicter- gebrannlcn HauieS, i» bei» Genuß deS im Keller Vorgefundenen WeineS zu schwelgen, uni bann am folgenden Tage da« ZerstönlligSwerk sortziisetzkn, wenn nickt inzwischen d" Kugel eines Soldaten oder Polizisten dem Treiben ecn Ziel setzt. Es ist sehr leicht, unter dem Schutze rinrr geordneten Staatsgewalt und einer kraftvollen Regierung über allgemeine Menschenrechte zu rcclaiiiire»; wen» dann aber die Früchte diellr Declamatione» sich i» der Gestalt zeigen, wie eS in Lnltich »nd Eliarleroi der Fall ist. dann dürste dock auch de» unversöhnlichste,' Feinden de» Socialnten- gcsetzeS die Frage sich ansdrängcn, ob c« de»» nickt ver- rillnitigcr ist, solche Znstänve lurch zweckmäßige Maßr-geln zu verhindern, als nachher, wenn die gesetzliche Ocoiinng durchbrochen ist, erst durch Slröme von Blut und Zerstörung bedeutender Wertste wieder ans dem Puncte anziigetaiigcn, der niemals überschritten sein würde, wenn ma» nicht durch wohlfeile .Liberaliläl" uns tliönchte Fertschrillephantasien dem Ausruhr Thür und Thor geöffnet Halle. * Ueber den Ansstand !» Estarlcroi wird der »Kölnischen Zeitung" weiter »uterin 27. März geschrieben: Aller Beschreibung spottet der sociale Krieg, der in der volk- und geiverbrrichen Gegend von Ldarteroi sei» zw > logen die furcht barsten Verheerungen oiigeriihtri >,al. Wie ein Lnufleurr durchziekt eine Bande von Enwörern sengend und brennend di» ganze Um gegend, die rulngen Arbeiter » ter den sürcliterlichsten Drohungen von ihrem Tagewerke reißend, der Miliiciirin wt. wo e« derielben gelingt, die Reb.llen in de» Lol yri gben der Wege, der Dörfer und der Werkstätten »u veisotgen. Trrtz bietend, auch wenn sie schon zahlreich genug ist. ES wird rrc-idl«, als die Bstrgerwehr gestern «hre Gewehre lud. traten einige B.sejjene vor. ec Ib ößlcn ihre Brust und forderten die Kugeln heraus. Die Wehrkräfte, welche von allen Teilen des Lande« zuwmniengezogen werden, genügen nicht, denn jede Fabrik müßte besitzi sein, überall befindet sich ein Ver- worsener, der den schwarzen Zug erwartet, »m sich demselben an« zuschließen. To üoereilt kan, di« ganze Folg« der Ereignisse der letzten 24 Ttunden, daß noch nicht alle Trupventbeile, welche von Ostende, Antwerpen, Tournoy, Bverir, au- allen Garuisonstädlen, welche noch nicht zun, Schutz der Umgebung Lüttich« entsetz« waren, hier elngelroffen sind. Fünf Eiseabahnzüge brachten Miniair und
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