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Dresdner Journal : 16.04.1880
- Erscheinungsdatum
- 1880-04-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188004169
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18800416
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18800416
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1880
-
Monat
1880-04
- Tag 1880-04-16
-
Monat
1880-04
-
Jahr
1880
- Titel
- Dresdner Journal : 16.04.1880
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Freitag, den 16. April. ^87. 1880. lw 8»m»L L-ve-cL»» L«t«v«: diikrlivtl: . . IS K»rlr. z-^liUrlicb: 4 K»r>l SO kk. Lioxelo« Hiuvwvin: lü kk SaoOrluUd der deotiek«» k»ivl»e» tritt?o»t- iu>d 8tewp«lxa»et»I»^ luwea. lasentteuprel^e r kür dvn Kram «iasr ^p^lteas» ?«6t«il« SO kk. Unter „Lias—»adt" dis /eils bv kk. rrvebeluvvr l^licd mit Xuimtkm« der 8onv- nnd keiertL^e übende für den sollenden 1»^ Dresdner Immml. lv^erntenennaiimv »ueniirt»» I^ip,»^: » Lrand«tetter, LomminiouNr d«, Oreeäuer dournsk; SLwdnre - lerli» Vie» l.«tp»tx L»««I - Lr„l»u Vr»nl< tu' t ». U.i //aare»r»tein L UeA/er, Lerlm Vi«»H«wdurx- rr»x-LeIp,jj--rr»nIrkurt ». IS Ilüncksn: di«d Serlia: §. verniet, d»n n/idt ndardi Lremeo: dl §c/i/c>tte Lre,t»n: LtuiiA» »«'» Lürvilu; vdemniti d'e. UeiAt; kr»n>lkurl ». H.l dl darAer'i.clie u. d U'. d/eee»ia»in- »cke Itnct>i>»ndlnn8; üürlit»: tr. kennoveri 0 Lc/tU.-ix/' i i k»rt» verlin-rrLnkkurt ». H. Stuttsvt: DauSe Sc t^.,- SEdurz;^ d- L7e«dAe»», ^1d. äteiner. Verantwortliche Redattion: Oberredacteur Rudolf Günther in Dresden. Hvr»u«xed«r: Nüniel. Expedition de» llreednvr dournnl», I>re«den, ^wi»srerx>riw^e Ko zo. Ämtlicher Theil. Dresden, 13. April. Mit allerböchster Genehmi gung ist der Forstrentbeamte Franz Edwin Löwe von Wurzen nach Schandau versetzt und dem Forstrent- beamten Friedrich Albert Bachmann, zeilher in Tol- ditz, die Verwaltung de- die bisherigen ForstrentamtS- bezirke Wurzen und Colditz umfassenden Forstrentamts Wurzen übertragen worden. Äichtamtlicher Theil. Uebersicht. telegraphische Nachrichten. Zeitungsschau. Lagesgeschichte. Dresdner Nachrichten. Vermischtes. Beilage. Deutscher Reichstag. (Sitzung vom 14. April.) Crnennungrn, Versetzungen rc. im öffentl. Dienste. Die 14. Generalversammlung deS LandeSvereinS für innere Mission im Königreiche Sachsen. Dresdner Nachrichten. Provtnzialnachrichtev. (Zwickau. Kamenz.) Vermischtes. Telegraphische Nachrichten. Buda-Pest, Mittwoch, 14. April, Abend». (Tel. d. Boh.) Der in Raab vorgekommenr Fall, daß der heute justificirte Raubmörder Takae» wie der zum Leben erwachte (vgl. die Rubrik „Vermisch tes"), verursacht dem Ministerium arge Verlegen heit. Man glaubt, die Ungeschicklichkeit deS Nach- richters sei Schuld daran. DaS Ministerium glaubte, die Sache werde doch einen letalen Ver lauf nehmen. Auf eine Anfrage kam jedoch die Antwort aus Raad, daß der Delinquent am Leben sei. Man glaubt, das Ministerium werde nun bet Sr. Majestät einen Brgnabigungsantrag stellen. Die «stadtvertrctung von Buda-Pest hat heute den Beschluß betreffs deS deutschen Theaters zu- rückgenommrn. Direktor Müller darf dis Ende Mai spielen. Man zweifelt nicht daran, daß die Erneuerung der Coitcessiou bewilligt wird. Paris, Mittwoch, 14. April, Abend». (W. T. B.) Der Präsident de» Ministereonsril», de Frcycinrt, beabsichtigt, wie die „Agence HavaS" meldet, den sämmtlichen Vertretern Frankreich» im Auslande rin Rundschreiben zugehen zu lasten, in welchem er iu sehr ausführlicher Weise eine Darlegung der bisherigen Politik Frankreich» geben und sämmtliche in Betracht kommende Kragen der auswärtigen Politik feit dem Amt»- antritt dcü Ministerium» einer Erörterung unter ziehen wird. DaS anläßlich der Decrete vom LS. März er lassene Schreiben deö Erzbischof» von Pari» schließt mit der Aufforderung an die Regierung, diese Dekrete zurückzunehmen, denn die Ausfüh rung der darin angedrohten Maßregeln ließe die Entstehung der schmerzlichsten Conflicte zwischen dem Gesetze und dem Gewissen der Gläubigen be fürchten; das Land könne dadurch einer Periode innerer Unruhen rntgegengrführt werden, deren Ende nicht adzusehen sei. l Die „Union" hält ihre Nachricht aufrecht, daß der Nuntius dem ConseilSpräsibenten Kreycinet einen Protest deS Papste» gegen die Dekrete vom LS. März überreichte und meldet, daß der Mi- nisterrath über diesen Protest gestern beratheu habe. London, Donnerstag, 15. April. (Tel. d. DreSdn. Journ.) In da» Parlament waren bi» gestern gewählt: 349 Liberale, L35 Conservative und K3 Homeruler (inclusive 25 Anhänger Parnell'-). Die Liberalen gewannen 57 Sitze in den Städten, 48 in den Grafschaften. Die Homeruler ent rissen den Conservativen 7 Sitze. Die liberale Mehrheit gegenüber den vereinigten Conservativen nnd Homerulern beträgt 51. Die „Time»" melden, e» unterliege keinem Zweifel, daß da» Cabinet beschlossen habe, sofort rurückzutrrten. Die Regierung werde in wenigen Tagen dem neuen Ministerium übertragen werden. Aus Gladstone werde rin sehr großer Druck au»- geübt, damit er dir Führerschaft in dem neu zu bildenden Cabinet übernehme. Nächsten Dien»tag findet in Windsor unter dem Vorsitz der Königin ein Conseil der Minister Statt. Bukarest, Mittwoch, 14. April, AbendS. (Corr.-Bur.) Der Senat nahm mit 31 gegen 7 Stimmen da» von der Kammer bereit» votirte Grsetz, betreffend die Verleihung einer National- belohnung an Rosetti, an. Dresden, 15. April. Abgesehen von dem Anwachsen deS radicalen Ele ments m der liberalen Partei, haben die Parla- mentSwahlen England die Ueberraschung gebracht, daß in den sogenannten Grafschaften oder ländlichen Wahlkreisen die Liberalen 49 Sitze gewonnen haben. Die Fragen der auswärtigen Politik haben hier wenig mitgefprochen, sind vielleicht gar nicht in Betracht ge kommen. Die Pächter sind es müde gewv'-den, sich mit Versprechungen und Gesetzen abfpeisen zu lassen, die den Grundbesitzern die Wahl ließen, bessere Ver hältnisse einzusühren oder nicht, und nebenbei waren sie seiner durch die schlechten Zeiten infolge des an haltenden Mißwuchses verstimmt. Der Umschwung ist um so überraschender, weil die Pächter gar nicht er baut von der beabsichtigten Ausdehnung des städtischen Wahlrechtes auf die ländlichen Kresse sind, da diese ihren Tagelöhnern daS Wahlrecht verleihen würbe. Aber sie hoffen, daß eine liberale Regierung neben der Wahlreform durchgreifende Veränderungen auf dem Gebiete der Bodengesetze vornehmen werbe, d.e der Laudwirthfchaft zu Gute kommen würden. Der Pächter möchte die Nachtheilc, die der Freihandel für ihn im Gefolge gehabt hat, durch Gesetze ausgeglichen sehen, die ihm Verbesserungen der Bodencultur ermöglichen und dem Capital Gelegenheit zu gewinnbringender Anlage bieten. Ob die Liberalen in der Lage sein werden, diesen Erwartungen zu entsprechen, ist sehr fraglich. Es giebt auch unter der jetzigen Opposition gar Manchen, der nach einer solchen Reform der GrundeigenthumSfragc nicht die mindeste Lust verspürt. Sowohl der Whig-Adel als auch eine Anzahl „neuer Reichen", die das Thun und Lassen desselben gern nachahmen, möchten an den im Ackerbauwesen vorhan denen Zuständen nicht rütteln. Es wird daher wohl versucht werden, einstweilen die eigentliche Grundeigen thumsfrage zu vertagen und statt ihrer die Ausdehnung deS Stimmrecht- in den Landbezirken zur Verhandlung zu bringen. Zufolge dem früheren Register belief sich die Wählerzaht de- Vereinigten Königreichs bei einer Bevölke rung von mehr a>S 33000000, trotz der letzten Reformblll, auf nicht ganz 3000000, genau 2972180. Wenigstens im eigentlichen England stehen sich die städtische und die ländliche Einwohnerzahl nahezu gleich. Der städti schen Wähler giebt oder gab es indessen im Vereinig ten Königreich nach dem letzten Register 1822 658, der ländlichen nur 1 140522, indem die Berechtigung in den Grasschasten auf einem viel höhern CenjuS fußt. Die Städte wählen 360, die Graffchaften nur 283, die Hochschulen m England, Schottland und Ir land 9 Abgeordnete, zusammen 652. Seit dem neuen Register ist die Wählerzahl ohne Zweifel bedeutend gestiegen — ein Umstand, der nach dem eigenen Ge- ständniß der Liberalen den letzteren dies Mal zu Gute kam. Wer zum ersten Male wählt, läßt seine plötzlich erworbene Macht gern auf unerwartete Weise fühlen. DaS Hauptinteresse deS Auslandes an den ParlamentLwahlen wendet sich aber immer wieder von der internen britischen Politik zu den Wirkungen, welche der Regierungswechsel auf die internationalen Be ziehungen Englands ausüben dürste. Der conservative „Standard", das Hauptorgan der Torypartei, be spricht das Interesse, welches daS Resultat der eng lischen Wahlen im AuSlande, insbesondere aber in Rußland und den unteren Donaufürstenthümern erregt hat, und beklagt die Stellung, welche hervorragende Führer der liberalen Partei, sogar der Marquis v. Hartington, dem Berliner Vertrage gegenüber einge nommen haben, wodurch unter den Bevölkerungen der Balkanhalbinsel eine unklare Unzufriedenheit mit ihrem Loofe von Neuem angefacht werde. In St. Peters burg baue man gleichfalls Häuser auf diese Gesinnun gen der liberalen Partei. Es komme aufs Gleiche heraus, ob Mr. Gladstone Premier werde, oder ob ein Anderer die Früchte seiner unermüdlichen Agitation ernte. Der Panslawismus, ob er nun durch Rußland, die Moskauer Patrioten oder bulgarische Intriganten ver treten sei, werde selbstverständlich von der Partei, welche mit den Entscheidungen Europas unzufrieden fei, erwarten, daß sie das Ihrige dazu beitrage, dieselben umzustotzen. Der „Standard" will damit nicht sagen, daß die libe rale Partei diese Hoffnungen erfülle. Es fei nicht unmöglich, daß die liberale Partei die Slawen nicht besfer behandele, als die Homeruler und sie über Bord werfe, nachdem sie dieselben nicht mehr nöthig habe. Allein damit seien die ein Mal berufenen Geister noch lange nicht beschworen; Europa werde sicherlich für die gewissenlose Aufhetzung unreifer Nationalitäten zu büßen haben. Halte man sich an den Berliner Vertrag, so sei weiter keine Gefahr vorhanden. In diesem Falle seien England, Frankreich, Deutschland und Oesterreich zufrieden. Werde der Verrrag durch die Slawen Mit Gutheißung der englischen Liberalen angefochten, so werde Lerne Macht zufrieden sein und die orientalische Frage abermals in Fluß kommen. Oesterreich sei zu frieden, weil es sich dem Willen Europas unterwerfe. Rebelliren feine slawiichen Nachbarn, fo müsse Oester reich sich bereit halten, feine bedrohte Existenz zu ver- theidigen; zur Vertheidigung dürfte auch eme offensive Bewegung gehören. Rußland könne eine Vermehrung des österreichischen Einflusses im Osten Europas nicht dulden, Deutschland keine Verminderung der österreichi schen Macht zum Vortheile Rußlands zulassen. Wer die orientalische Frage wieder in Fluß bringe, setze die Armeen Europas in Bewegung. — Gegen die Be hauptung deS „Standard", daß der Ausfall der eng lischen Wahlen in Rußland allgemeinen Jubel errege, wendet sich das „Journal de St. PöterSbourg" mit aller Entschiedenheit, wenngleich es eingesteht, daß kein einziges Blatt in Rußland Neigung verspüre, um den Rücktritt des Cabinets Beaconsfield Trauer anzu legen. Das osficiöje Organ sagt: „Dieses Ministerium hat sich zu unverblümt gegen Rußland erklärt, als daß es bei uns andere, denn peinliche Erinnerungen an die Leitung der britischen Angelegenheiten hinter lassen könnte. Aber dem denkgewöhnten Theil des russi schen PubUcums ist es keinen Augenblick in den Sinn gekommen, die Uebernahme der Regierung seiten der englischen Liberalen als einen national-russischen Erfolg zu betrachten, und zwar aus dem doppelten Grunde, weil man Mit dieser Bezeichnung nicht solche Erfolge be legt, die ohne unsere Mitwirkung zu Stande gekommen sind, und zweiten-, weil man sich nicht der sonder baren Täuschung hingiebt, daß die Conservativen einzig und allein um ihrer Russenseindschaft willen gestürzt seien, denn alsdann erwüchse ihren Nachsolgern die ge bieterische Pflicht, sich Rußland zu nähern. Die eng lische Nation wollte das Ensemble der abenteuerlichen Politik des Earl Beaconsfield tadeln, ein Vorsatz, den alle Friedensfreunde, und Rußland mit ihnen, nur billigen können. Aber von da bis zur Anstimmung eines Jubelhymnus zu Ehren eines national-russischen Erfolges ist ein weiter Weg." — Dem gegenüber mögen einige Proben zeigen, welche Consequenzen die extreme russische Presse aus der Niederlage des Tory- regiments ziehen zu dürfen glaubt. Die „Nowoje Wrem ja" („Neue Zeit"), ein Blatt, welches die chau- vinistiich-panflawistische Richtung am Entschiedensten und Lonsequentesten vertritt, schreibt: „Die Hände weg! Nicht anrühren die Völker der Balkanhalbinsel, nicht antasten die Freiheit derselben! Das sind die Worte Gladstone'-, der, wie er selbst sagt, über die Völker wacht, die ihre Freiheit sich errungen haben. Dieser Ruf soll die übrigen Westmächte warnen, welche seit dem Berliner Congreß den Gedanken nicht fallen lassen können, die im Entstehen begriffene Selbstver waltung in den srüher türkischen Ländern zu knebeln und bei günstiger Gelegenheit den unabhängigen sla wischen Fürstenthümern den Fuß auf den Nacken zu fetzen. Das politssche Joch, das der Starke dem Schwachen ausbürdet, sollte das Mittel abgeben, um die Früchte eine» von der Natur reichgesegneten Lan de- und vielleicht auch das Land selbst den rechtmäßigen Besitzern abzunehmen. Unter dem Schutz der neuen Verwaltung hat in Bosnien bereits die deutsche Colo nisation begonnen, und nicht wenig ist in der letzten Zeit über die Nothwendigkeit geschrieben worden, diese Co lonisation auf die gejammte Balkanhalbinfel auszudehnen. „DieHände weg!" ruft Gladstone jetzt, und er hat sür seine Ueberzeugung ganz England hinter sich. Möge diese Warnung aber auch dem räuberischen Kresse von Eng ländern gelten, zu deren Agenten sich Beaconsfield und die englische Regierung mit einer seltenen Zuvor kommenheit Hergaben, indem sie die moralische Würde ihres Staates schädigten. Auch in Bezug auf die Engländer gilt das: „Hände weg!" Mit diesem Vor behalt wesst das in Bezug auf den Orient ausgestellte politische Programm Gladstone's viele Momente aus, die eine Verständigung zwischen Rußland und Eng land möglich machen. Alle Achtung vor den ehrlichen Absichten und schönen Reden Gladstone's. Rußland hat aber einen etwas stärkeren Halt hinter sich, das Werk der uneigennützigen Befreiung. Wenn Gladstone nicht ohne Betonung gegen das Wachfen der Macht Rußlands im Orient spricht, so folgt er einer fremden Eingebung, der Eingebung der Politiker auf dem Con- tment und der englischen Chauvinisten. Er zahlt eben dem verächtlichen Götzen des Neides feinen Tri but. Insofern der Einflug Rußlands durch die Ver wandtschaft des russischen Volkes mit den Slawen, durch gemeinsames Streben der Slawen zur Freiheit und zur Erlangung einer eigenen, ursprünglichen Cul- tur bedingt ist — kann derselbe ebenso wenig durch schöne Reben gebrochen werden, wie er nicht gebrochen wurde durch die Jntnguen des diplomatischen Rathes in Berlin oder durch den allgemeinen Feldzug, den in den fünfziger Jahren die europässchen Machte gegen Rußland und das Slawenthum unternahmen. Nicht im Bunde mit Europa, sondern gegen den Willen des selben, im Kampfe mit demselben hat Rußland das tür kische Joch gebrochen. Und wir sind daran gewöhnt, Eng- lano im Lager der Feinde des Siawenthums zu sehen. Als Rußland die Südjlawen befreite, war ihm jeder Gedanke an eine Eroberung fremd. Rußlands Hände haben flämischen Boden nicht berührt. Die Befürchtungen Gladstone's sind unbegründet. Möge nur England Feuillktou. «edigrrt von Ott» Banck. Lom Geiste de» Jahrhundert». Die Tage, wo Kriege und Friedensschlüsse, wo da» Leben der Fürsten und Feldherren, H"ffeste und Jn tnguen den Hauplinhatt der Geschichte gebildet haben, sind längst vorüber; immer mehr ist seit dem vorigen Jahrhundert die Erkenntnlß gewachsen, daß die unrk- li^ und echte Geschichte der ganzen Menschheit wie der einzelnen Völker vor Allem in der geistigen Ent- w cklung ruht. Von einem ewigen Frieden können zwar vorläufig nur Träumer sprechen, welche die Menschennmur und die LebenSbedlngungen der staat lichen Gebilde nach srommen Wünschen oder unklaren Phantastereien deurthrüen: wie Stürme eine Physika lische Nothwendigkett sind, so werden auch Krnge un abwendbar bleiben, werden ihre Gründe im Völkerleben haben und auf da-frlde einwirken und werden deshalb stets oder doch noch sehr lange Zeit den Einschlag m dem Gewebe der Geschichte bilden. Aber je mehr mit der steigenden Gesittung der Werth der geistigen Er rungenschaften sich steigert, desto mehr wird den weitesten Kreisen des Volke- die Einsicht vermittelt werden, daß die Wohlfahrt deS Gefammtleben» von dem erhöhten geistigen Können de» Einzelnen qbhänge, daß diese- Können in friedlicher Arbeit sich nach den verschiedensten Richtungen drthätigen müsse. Auf den Gebieten der Wissenschaft und Kunst, der industriellen Thätigkeit, in den Errichtungen, welche die Mensch- hell und Menschlichkeit fördern, in der Stube de- ein ¬ samen Denkers, im Laboratorium deS Gelehrten, welcher den geheimnißvollen Krastäußerungen der Natur nach spürt, m den großen Werkstätten und in den Aus stellungen, wo die Völker aus aller Welt zu fried lichem Wettkampfe zujammenströmen — dort überall spielt sich heute die Geschichte deS menschlichen Fort schritt- ab. Manche Erfindung unsere- Jahrhunderts hat die Beziehungen der Völker, das ganze Antlitz unseres Erdball» viel gewaltiger umzestaltet, als cs durch hundert Kriege und Longresse hätte geschehen können, hat einen „Zeitgeist" geschaffen, welcher trotz aller beklagenSwerthcn Ausschreitungen und KrankheltS- erscheinungen zuletzt dennoch das Beste der Menschheit erreichen wird. Mit der steigenden Werthschätzung jede» geistigen Erwerb-, jeder neuen fruchtbringenden Idee hat sich m den weitesten Kreisen des Volle-, des deutschen zumal, die Theilnahme an den geistigen Bestrebungen gesteigert. Kein Wissensgebiet vermag man heute mit hohen Mamin ganz abzuschließen, um hinter denselben m idyllischer Ruhe zu forschen und zu sinnen; die Oeffentlichkell ist eine große bestimmte Macht geworden, welche von der Arbeit Rechenschaft fordert und mit ruhelofrr Wißbegier Antwort aus hundert und hundert Fragen begehrt. Welche Fülle von Gestalten zeigt un» allein daS staatliche Leben seit Beginn deS Jahrhundert»! Von Napoleon dem Ersten bi» zum Zeitalter Kaiser Wil helm» reihen sich in einer verhältnißmäßig kurzen Zeit eine unübersehbare Menge merkwürdiger Manner aneinander; neue Ideen, wahre und falsche, steigen au» dem brodelnden Kessel de» revolutionärsten Zeit alter» der Geschichte empor und beunruhigen und stören, fördern und einigen da- Leben und Streben der Völker. Thatkräftiger Fortschritt, überhastete poli tische Bestrebungen, verworrene Träumereien und er neuter Rückschritt lö.en einander ab, bald hier bald dort, und führen zu fegenSreichen Wandlungen eben so wie zu Thaten deS Wahn»; alte Slaatengebilde zerfallen, um neuen Platz zu machen; daS verflachte Weltbürgerthum weicht dem erwachenden nationalen Bewußtsein, dessen Krast sich langsam der Fesseln ent ledigt. Tiefeinschneidende politische Bewegungen können sich nicht vollziehen, ohne andere Gebiete zur Mit leidenschaft zu zwingen. Die Kämpfe zwischen ver schiedenen Anschauungen in einem Volke, wie jene zwischen den Böllern wirken auf die Zellstimmung ein; diese beeinflußt die Phantasie und da- Denken der Mitlebenden in irgrnd einer Weife. Die Dichtung und die bildenden Künste, die Religion und Philoso phie, ja selbst Wissenschaften, welche mehr am Sach lichen hasten, wie die Geschichtschreibung und Natur- sorschung, weiden von den herrschenden Anschauungen ergriffen und treten ihnen freundlich oder feindlich enlgegen. So haben sich seit Beginn deS Jahrhunderts tiefe Sliömungen gebildet, welche allmählich alle großen Lulturvölker in ihr Bereich gezogen haben und alle Aeußerungen de- schaffenden Geistes in irgend einer Art bestimmten. Der Einfluß eine- Volkes auf daS andere mußte sich steigern, je mehr der findige Men- schengcsst Hilfsmittel gewann, den Verkehr der Völker und der Jveev zu erleichtern und den Wechseltaufch aller Erzeugnisse zu vergrößern. Dampf, Elrktricilät und Presse haben am meisten dazu deigetragrn, die künstlichen Schranken niederzureißen und die einzelnen Völker in einen Verkehr zu bringen, welcher heute durch kein Mittel mehr eingeengt werden kann. DaS Alles hat den Gesichtskreis der letzten Generation immer mehr erweitert und eine Fülle von gemelnjamen Anschauungen und Interessen erzeugt, welche trotz des gesteigerten Nationalbewußtseins zugleich eine Aus gleichung der Raceneigenihümlichkeiten erzeugen, die von Jahrzehnt) zu Jahrzehnd in stetigem Fortschreiten begriffen ist. Wie im politischen Leben, ;o ist auch auf den Gebieten der Kunst und Poesie die Fülle deS Geschaffenen erdrückend und macht immer mehr die Sichtung deS Bleibenden vom Vorübergehenden, die Ordnung des chaotischen Stoffes nothwendig. Die gewaltigsten Ergebnisse haben dre Naturwissen schaften aufzuweiien; hier reiht sich seit dem Anfang unseres Jahr Hunderts eme solgenreiche Entdeckung an die andere; Männer aller Nationen sind thätig gewejen und arbeiten immer weiter, um die Grunvzüge einer auf Beobachtung ruhenden Naturanschauung zu ge winnen. Zum Theil abhängig von den rem wsssen- schastlichen Forschungen sind die Bemühungen der Praktiker, welche die allgemeinen Pcinciplen für daS Leben zu verwerthen suchen. In Wahrheit riesenhaft sind der Aufschwung der Technik und die Verwendung der MaschlN«', durch welche lautend und taufend Men schenhände frei wurden und durch die em vorläufig überflüssiges Capital an Menjchenkrast erzeugt worden ist, welches aber nicht lange feiern dürste, ohne zum Feinde der bestehenden Geielljcha>tSordnung zu weiden. Im innigtten Zuiammenhange mit all' den großen und leicht sichtbaren Bewegungen stehen viele andere, welche sich dem Blicke de» oberflächlicheren Beschauer» entjiehen oder ihm nur dann bemerkbar werden, wenn irgend eine geschichtlich« Thatsache, daS Zusammen
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