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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.09.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-09-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189609205
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18960920
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18960920
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-09
- Tag 1896-09-20
-
Monat
1896-09
-
Jahr
1896
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.09.1896
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Erobere Schriften laut unserem Preis- verzeichnib. Tabellarischer und Zissrrnsatz nach höherem Tarif. Extra-ycilagen (gesalzt), nur mit d„ Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung SO.—, mit Postbesörderung 70.—. Annllhmetchlnß f8r Anzeigen: Ab end »Ausgabe: Bormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag« - Uhr. Bei den Filialen und Annahmestelle« je ein» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet« an die Expedition zu richten. Druck ütid Verlag von E. Polt l« Leivsig 9V. Jahrgang. Sonntag den 20. September 1896. Anger-Crottendorf Herr Lodert Oreiiier, Zweinaundorfer Straße 18, Eutritzsch Herr Lodert Bitner, Buchhandlung, Delitzscher Straße 5, Gohlis Herr Lodert Altuer, Buchhandlung, Lindenthaler Straße 5, Lindenan l^inäner L t>lei8t, Wettiner Straße 51, Ecke Waldstraße, Buchbinderei, Neustadt 8eiieit'8 ^nuoneeu-Lxpeüition, Eisenbabnstraße 1, Peterskirchhof 5 Herr Arrx Xiertii, Buchbinderei, Ranftsche Gasse 6 Herr Lrieür. Liseirer, Colonialwaarenhandlung, Ranstädter Steinweg 1 Herr v. LuxeliliuitN, Colonialwaarenhandlung, Schükenstraße 5 Herr «kni. 8ekiüm!< Iion. Colonialwaarenhandlung, Westplatz 3Ä Herr L. Oittriek, Cigarrenhandlung, Gorkstraße 32 (Ecke Berliner Straße) Herr 0. Dokus, Colonialwaarenhandlung, Heitrer Straße 35 Herr V. Lüsror, Cigarrenhandlung, in Plagwitz Herr A. Oi ütrinann, Zschochersche Straße 7 L, - Reuonitz Herr Luxmunu, Marschallstraße 1, - « Herr üorul». Mützengeschäft, Leipziger Straße 6, - Thonberg Herr L. Hüntsel», Reitzenhainer Straße 58, - Bolkmarsdorf Herr 0. ^suniunn, Conradftr. 55 (Ecke Elisabethstr.). Im Interesse rechtzeitiger und vollständiger Lieferung des Leipziger Tageblattes wollen die geehrten Leser die Bestellung für das IV. Vierteljahr 1896 baldgefälligst veranlassen. Der Bezugspreis beträgt wie bisher vierteljährlich für Leipzig 50 mit Bringerlohn für zweimaliges tägliches Zutragen 5 50 ^s, durch die Post bezogen für das Deutsche Reich und Oesterreich-Ungarn O In Leipzig nehmen Bestellungen entgegen sämmtliche Zeitungsspediteure, die Hauptexpedition: Joharmesgaffe 8, die Filialen: Katharirrenstratze 14, Königsplatz V und Univevsitätsstvatze 3, sowie nachfolgende Ausgabestellen: Arndtstraße 35 Herr L. 0. Kittel, Colonialwaarenhandlung, Beethovenstraße 1 Herr ^keoü. keter, Colonialwaarenhandlung, Brühl 80 (Ecke Goethestraße) Herr Den». Aesskre, Colonialwaarenhandlung, Frankfurter Straße (Thomasiusstraßen-Ecke) Herr Otto Lraur, Colonialwaarenhandlung, Löhrstraße 15 Herr Lüuarll Uetrer, Colonialwaarenhandlung, Marschnerstraße O Herr Dank Hekreiber, Drogengeschäft, Attrrnberger Straße 45 Herr LI. L. ALireotrt, Colonialwaarenhandlung, in Aus der Woche. L. Es vergeht keine Woche, ohne daß irgendwie das Thema von der un verantworttichen Nebenregierung berührt wird. Dies Mal hat es der „Reichsanzeiger" aufs Tapet gebracht, indem er in eine Auslassung über den angeblichen „uferlosen" FlottenvermehrungSplan des Eontreadmirals Tirpitz den Satz einflocht, daß es der militairischen Tradition in Preußen nicht entspreche, einen Ofsicier in unverantwort licher Stellung in Gegensatz zu den leitenden Stellen zu bringen. Das sagte der „Reichsanzeiger" am Sonnabend, den 12. d. M. Am 14. aber überraschte ein Berliner Sensations blatt, das sich der Protection gewisser Hofkreise erfreut — als ob zur Charakteristik der letzteren dieser Zug noch nöthig wäre! — durch die Versicherung, General von Hahnke besitze nach wie vor das „ausschlaggebende" Vertrauen des Kaisers, und durch Mittkeilungen über die Rede, die der Kaiser nach der großen Herbsiparade auf dem Tenipelbofer Felde an die höheren Ofsiciere richtete. „Der Kaiser," so hieß es in dem Blatt, „sprach es direct aus, daß er dem wohlverdienten General sein ungeschmälertes Vertrauen gegenüber den Verdächtigungen und Angriffen, die er an läßlich der Verabschiedung des Kriegsministcrs von Bronsart erlitten, durch die Ernennung zum Chef des ausgezeichneten Grenadier-Regiments Prinz Karl von Preußen zu erkennen geben wolle. Der Kaiser betonte auch, daß er sich das Recht, selbst zu bestimmen, wen er in irgend einer Angelegenheit um seine Meinung fragen wolle, nicht nehmen lassen werde." Wer, wie die „Köln. Volksztg." es bedingt thal, die eingangs erwähnte Darlegung des „Reichsanz." in Sachen der „ufer losen Flottenpläne" als Zeichen dafür angesehen hat, wie beftig gegenwärtig zwischen den Verantwortlichen und den Unverantwortlichen um die Oberband gerungen werde, dürfte in diesem Vorstoß zu Gunsten des Generals von Hahnke und in zwei anderen Momenten eine Bestätigung seiner Ansicht finden. Das eine Moment besteht in dem Umstand, daß die Zurückweisung des beregten Vorstoßes nicht in einem officiösen Dementi, sondern nur durch eine Notiz der „Deutschen Tagesztg." erfolgte. Das andere besteht in Aeußerungen eines angeblichen „hohen Diplomaten", der ein dem Militaircabinet wohlgesinntes antisemitisches Organ sich zum Sprachrohr auserkoren hat. Der „hohe Diplomat" bemüht sich, die Leser in derselben Manier an der Nase zu führen, wie es der „Reichsanzeiger" mit glänzendem Miß erfolge versuchte, als er durch Vorführung des bureaukratischen Formalismus dem Militaircabinet jeden Einfluß absprach. Der „hohe Diplomat" versichert, der Rücktritt des Kriegsministers Bronsart von Schellendorf habe nicht den mindesten politischen Hintergrund gehabt; der frühere Kriegsminister hätte nur in die Eigenart des Kaisers sich nicht hineingewöhnen können; wenn die ofsiciöse (!) Presse von einer unverantwortlichen Nebenregierung fabele, so sei das ein öffentliches Aergerniß und eine schwere Beleidigung des Kaisers, der bei seiner tiefen Einsicht in alle die Regierung betreffenden Fragen selbstständig entscheide; „der Zustand", so schließt der „hohe Diplomat" die Vorlesung, die er dem antisemitischen „Frage steller" gehalten, „ist ärgerlich. Glauben Sie aber nicht, daß der Kaiser selbst über diese Dinge auch nur einen Augenblit! im Unklaren ist. Eine gründliche Aufräumung mit diesem Unwesen steht jedoch bevor, sie wird früher eintreten, als Sie ahnen". Wir wissen nicht, ob wirklich die Meldung des Berliner SensationSblatteS die Antwort der Unverantwortlichen auf das energische Pronunciamento der Verantwortlichen im „ReichSanz." ist. Was aber den „hohen Diplomaten" anlangt, so ist es klar, daß er zu der Schaar der Unverantwortlichen gehört, mag er nun einen Galanteriedeaen oder einen Militair- säbel tragen. Offenbar also sehen die Unverantwortlichen ihre Sache noch nicht für verloren an. Die Einbringung der Vor lage über die Reform des MilitairstrafgerichtS bedeutet daher anscheinend nicht den Sieg des Fürsten Hohenlohe, sondern nur einen Sieg deS Fürsten Hohenlohe. Um so mehr hat der Reichstag oder der preußische Landtag Veranlassung, wegen der Vorgänge, die beim Rücktritt deS Kriegsminister- Bronsart v. Schcllendorff sich abspirlten, eine Anfrage an die ver antwortliche Regierung zu richten. Einen Kassandra-Ruf läßt die „Conservative Corre- spondenz" erschallen. Sie täuscht sich darüber nicht, daß der nächste Reichstags-Wahlkampf für die conservative Partei sehr schwer sein wird; nicht nur die Socialdemokraten und der männliche wie der weibliche Freisinn bedrohen die Partei, auch die früheren Freunde sind abtrünnig geworden: Die Antisemiten „beginnen, sich stark zu regen," die älteren Christlich-Socialen „sind drauf und dran, auf Kosten der konservativen Partei organisatorisch vorzugehen", die Naumannianer endlich erscheinen als „zwar nicht die ge- ürchtetsten oder gar gefährlichsten, wohl aber die gehässigsten und rücksichtslosesten Gegner." Das Tivoli-Programm, einst ür den Inbegriff der politischen Weisheit ausgegeben, hat eben in der rauhen Wirklichkeit ganz andere Früchte gezeitigt, als die Herren von Hammerstein und Manteuffel sich träumen ließen. Auck die Unterwerfung der Conservativen unter den Bund der Landwirthe wird, wenngleich vermuthlich nur vorübergehend, in ihrer Gefährlichkeit für die conservative Organisation erkannt: „So nöthig und nützlich es ist, die auf konservativem Boden stehenden Interessen-Organi- ationen zu pflegen: notbwendiger ist Pflege und Kräftigung der conservativen Partei-Organisation, die den Sammelpunct jener Interefsentenaruppen naturgemäß bildet." Warum ist das mit einem Male nothwendiger? wird der Wähler fragen, der von derselben Seite Jahre hin durch die Werbetrommel für jene „Jnteressen-Organisationen" rühren gehört hat. Bekanntlich ist dieser Sommer des allgemeinen Miß vergnügens für die Socialdemokraten im Besonderen voll von trüben Erinnerungen. Lille, London, St. Diedel — o viel Worte, so viel denkwürdige Niederlagen der internatio nalen Socialdemokratie. Zu den großen Schmerzen der socialdemokratischen Gesammtpartei gesellen sich die kleinen einzelner Parteiführer und localer Organisationen: wider den Diktator Liebknecht erhebt sich aufrührerisch sein General- 'tab; Chemnitz rückt gegen Leipzig ins Feld, indem es ^schließt, der Parteitag möge den Leipziger Genossen wegen ihres Verhaltens nach der sächsischen Landesconferenz, betr. die Wahlbetheiligung und Mandatsniederlegung, das Mißfallen der Partei aussprechen; die „Buch druckerwacht" befindet sich auf dem Kriegspfade gegen den „Correspondenten", und in Konstanz kehrt Buchbindermeisier Witte den „Genoffen" den Rücken und wird „Capitalist". Ueber den zuletzt erwähnten schnöden Abfall vom marxistischen Dogma schreibt man der „Leipz. VolkSztg." auS Zürich: „Wie schnell sich manche Leute häuten, ersieht man an diesem Beispiel wieder recht deutlich und in der Regel sind es gerade die, welche in unseren Reihen die „Radikalen" spielten. Wer dieses kleine Männchen damals hier in größeren Versammlungen losdonnern hörte, kann sich schwer seine belustigende Wandlung ausmalen, da ihm damals anscheinend noch jeder Ansatz zum Capitalisten mangelte". — Solche Bekenntnisse einer schönen und zugleich sachkundigen Seele erheitern nicht nur, sondern belehren auck! Die Organe der schwarzen und der rothen Internationale beklagen in charakteristischer Einmüthigkeit, daß dem deutschen ZeitungSredacteur in Graudenz, welcher, wie berichtet, der Beleidigung eines polnischen Geistlichen angeklagt war, der Schutz des H 193 (Wahrung berechtigter Interessen) zugebilligt worden ist. Die „Köln. Volksztg." z. B. schreibt: „Dem Redacteur Fischer wird nicht nur seine Qualität als Deutscher, sondern auch als Mitglied des trefflichen Hakatisten- Vereins und als Redacteur eines gesinnungstüchtigen Blattes gut geschrieben. und der Beleidigt» mag sehen, wie er zu seinem Recht kommt. Wenn derartige Anschauungen in der deutschen Recht sprechung allgemeine Geltung erlangten, so wäre der Schluß gegeben: Ls giebt in Deutschland privilrgirte Vereine und privilegirte Zeitungen, die sich ungestraft Dinge erlauben dürfen, für die man gewöhnliche Menschenkinder bei den Ohren nimmt. Ueber die germani- sa torische Wirkung eine- solchen UrtheilS braucht man kein Wort zu verdienen." Mit Verlaub! Wenn die „Köln. Volksztg." nicht die „germanisatorische Wirkung" eines solchen UrtheilS be fürchtete, hätte sie über den Proceß kein Wort verloren. Deutsches Reich. ?. Leipzig, IS. September. An dem Delegirtentage der national-liberalen Partei in Berlin werden sich die sächsischen Mitglieder voraussichtlich in erheblich größerer Zahl betheiligen, als dies bei irgend einer früheren ähnlicken Gelegenheit der Fall gewesen ist. Von selbstständigen An trägen liegt auS Sachsen nur ein solcher auS Plauen i. B. vor, auf daS VrreinSgesetz bezüglich. Die Parteigenossen auS dem 12. und 13. Reichstagswahlkreise haben vor Kurzem «ine Besprechung gehalten, bei welcher sich im Wesentlichen Uebereinstimmung mit den Anträgen der Parteigenossen in Hannover ergab, besonder« aber der Gegensatz gegen die ultramontane Partei scharf betont wurde. Eine Zu sammenkunft der fämmtlichen sächsischen Delegirten ist für den 2. October in Berlin in Aussicht genommen, einige Stunden vor der „Begrüßung". /x Berlin, 19. September. Schon im vorigen Jahre wurde der Versuch gemacht, die Frage der Militairstraf- proceßreform von der Erledigung der seit zwei Jahren im Reichstag ruhenden Vorlage, betreffend die Abänderung der Civilstrafproceßordnung abhängig zu machen, in dem man behauptete, die erstere könne erst dann in Angriff genommen werden, wenn die letztere durchgeführt oder wenigstens in verfassungsmäßiger Form gesichert sei. Jetzt wird dieselbe Behauptung wieder ausgestellt. Augenscheinlich hat man es dabei lediglich mit dem Bestreben zu thun, der Reform der Militairstrafproceßordnung Hemmnisse zu be reiten. Zu der verfassungsmäßigen Sicherung einer Ab änderung der Civilstrafproceßordnung gehört bekanntlich auch die Zustimmung des Bundesraths, und Jedermann weiß, daß bei der sogenannten Iustiznovelle die Dinge o liegen, daß besten Falles eine Mehrheit des Reichs tages sich über dieselbe in der ihr jetzt gegebenen Form einigt, und daß der Bundesrats» keinenfalls eine Verquickung der Justiznovelle mit der Militairstrasproceßreform geschehen lassen würde. Aber auch abgesehen davon halten wir eine solche Verquickung für ein durchaus willkürliches Verfahren. Die beiden Materien lassen sich absolut selbstständig regeln. Zur Glaubhaftmachung der gegen- theiligen Behauptung wird bemerkt, der frühere KriegS- minister, General Bronsart von Schellendorff, habe in der Reickstagssitzung vom 5. März v. Js. darauf hin gewiesen, daß die für die Civilstrafproceßordnung geplanten Aenderungen nicht ohne Rückwirkung auf die Feststellung der Militairstrafproceßordnung bleiben könnten, und baß diese Feststellung erst erfolgen könne, nachdem der Entwurf, betreffend die Abänderung der Civilstrafproceßordnung und des GerichtSverfassungsgesetzes, die Zustimmung des Reichs tages gefunden habe. In dem stenographischen Berichte über die Sitzung vom 5. März 1895 steht von alledem auck nicht ein Wort und die beste Kritik der Grundlage deS ganzen Ge redes bildet die Thatsache, daß, wie der Kriegsminister in der angezogenen Reichstagssitzung mittheilte, schon damals sich das preußische Staatsministerium mit der Feststellung der Reform beschäftigte und daß seither ein vollständiger Reform entwurf die Zustimmung des preußiscken Staatsminisleriums erhalten hat. Es könnte nur zum Schaden beider Reform zwecke dienen, wenn man diese Angelegenheiten, deren jede für sich schon Schwierigkeiten genug bietet, noch Weiler ver quicken wollte. * Berlin, 19. September. Von dem neuen Organ der Naumann'schen Christlich-Socialen, das „Die Zeit" beißt, ist die erste Nummer erschienen. Das Blatt nennt sich „Organ für nationalen Socialismus auf christlicher Grundlage" und entwickelt sein Programm im Wesentlichen wie folgt: Bis jetzt hat die Socialdemokratie die Führung der socialistischen Bewegung in Händen und wird sie vermuthlich auch noch längere Zeit behalten. So lange die Socialdemokratie bei ihrer Ablehnung der nationalen Macht, des Heeres, der Flotte, des Kaiser- thums bleibt, wird sie immer nur Oppositionspartei sein. Es scheint aber die Zeit zu kommen, wo ein positiver vaterländischer Socialismus möglich ist. Diese Zeit wird dann kommen, wenn die Regierung den ausreichenden Schutz des Vaterlandes von den in sich zusammensinkenden alten Parteien nicht mehr er reichen kann, wenn sie genöthigt sein wird, mit dem Socialismus einen Pact zu machen, um das Vaterland zu erhalten. Den Gegnern des Socialismus muß ein für alle Male die Waffe entwunden werden, daß sie sich für die „staats- erhaltenden" anjehen. Wir leugnen, daß die alten Parteien in ihrem heutigen Bestand staatserhaltend sind. Sie wollen vom Staat erhalten werden, ihn aber zu erhalten, sind sie viel zu lahm. Ten ersten Schritt, den eine Partei des nationalen Socia lismus thun müßte, würde sein, Laß sie die freiheitlichen Bestre bungen des in seinem Frühling erfrorenen Liberalismus fort setzt. Wir haben noch kein freies deutsches Vereinsgesetz, keine Sicherung des politisch nothwendigen freien Wortes, wir naben keine gesetzliche Anerkennung der frei sich bildenden Berufsorganisationen, wir haben keine Vertretung der besitz- losen Masse im größten Landtag Deutschland- und in den meisten Städteverwaltungen. Es handelt sich aber nicht nur um ein Erbe vom deutschen Liberalismus, sondern auch um ein solches vomConservatismus. Die Conservativen haben LasChristen- thum hochgehalten, während Liberalismus und Socialismus in den vergangenen Jahrzehnten in seiner Verurtheilung einig waren. Nun, wo die Wasser des Materiali-mu- sich verjaufen haben, kommt da- Christenthum wieder und meldet sich als die Welt- anschauung der nächsten Epoche. Aber freilich ist es nicht unberührt von dem Umschwung des Denkens im Allgemeinen, es kommt als sociales Christenthum und greist die wahre und ewige Person Jesu aus dem Beiwerk der Zeiten heran-, stellt ihn in die Mitte, liebt ihn, will sich von ihm lehren und leiten lassen. Ein solche« wahrhaft evangelisches Christenthum, das mit der Bibel ernst zu machen sucht, paßt nicht zu konservativen Traditionen, und darum greifen wir es auf und lassen es unser Licht sein, eine Leuchte von unerlöschlichem Glanze, von unaus- schöpslicher Leuchtkraft. Um diese unsere Stellung zum Christen thum von vornherein klar und fest auszusprechen, reden wir von nationalem Socialismus auf christlicher Grundlage. — In welcher Weise sich diese dreierlei Elemente zusammenfinüen und zu einem leistungsfähigen Körper zusammenwachsen können, wird die Zukunft zeigen. Augenblicklich ist erst die dritte dieser Gruppen in stärkerer Gährung begriffen. Die christlich-socialen Elemente trennen sich vom Conservatismus. Glückauf: Macht euch frei, ganz frei, innerlich frei, dann werdet ihr die Vortruppen der kommenden Partei werden können!" Die Partei Naumann's soll also blos die Socialdemo kratie, die Conservativen und den Liberalismus „beerben"! — In der gleichzeitig mit der Probenummer der „Zeit" er scheinenden „Hilfe" schreibt Pastor Göhre ebenfalls über das social-nationale Programm. Er sagt u. A.: „Die Socialdemokratie mit ihrem materialistischen Evangelium ist unbedingt unduldsam gegen jedes andere, namentlich das Christ liche; sie zeigt sich hierin geradezu mittelalterlich reactionair. Und auch hierin vertreten wir ihr gegenüber die Neuzeit, Len Fortschritt. Indem wir das Christenthum als Quelle unserer socialen und politischen Forderungen aufgeben, geben wir die Wahi der Weltanschauung jedem unserer Genossen preis, verpflichten ihn nur auf unser socialpolitisches Programm und be anspruchen nur für uns selber das Reckt, als Christen uns wie im privaten, so auch im politischen Leben zu bethätigen. Wir üben die Toleranz, die die Socialdemokratie verwirft." Während die „Zeit" „ein wahrhaft evangelisches Christen thum, daS mit der Bibel ernst zu machen sucht", als eine der Grundlagen des „nationalen Socialismus" bezeichnet, sagt Herr Göhre in der „Hilfe": „wir geben das Christenthum als Quelle unserer socialen und politischen Forderungen auf." Widerspruchsvoller konnte die neue Partei sich nicht gut zeigen. Will sie etwa auch in diesem Puncte den Kampf mit Herrn Stöcker aufnehmen? V. Berlin, 19. September. (Telegramm.) Heute früh machte das Kaiscrpaar einen Spazierritt nach dem Born stedter Felde. Zurückgekehrt, arbeitete der Kaiser von 9^ Uhr ab mit dem Ckef des Militaircabinets v. Hahnke und nahm später militairische Meldungen entgegen. Um 11 Uhr 5 Min. begaben sich die Majestäten nach Berlin, wo der Kaiser das Atelier des Bildhauers Unger besuchte und später im Schlosse einige Herren empfing. Die Frühstückstafel fand im Schlosse statt. Berlin, 19.September. (Telegramm.) Die „Nordd. Allg. Ztg." bestätigt, daß der Landfriedensbruch am Bahn bofe von Lpalenitza an maßgebender Stelle Veranlassung gegeben bat, eine strenge Untersuchung anzuordnen. — Zu der abgeschmackten Comödie von Trient liegt eine neue Kundgebung vor. Fürst Karl zu Löwenstein in Kleinheubach veröffentlicht eine Aufforderung an Alle, die nicht in der Lage seien, den „Antifreimaurercongreß" persönlich zu besuchen, sie möchten „fick an diesem wichtigen, vom heiligen Vater empfohlenen Unternehmen betbeiligen, indem sie sich als Mitglieder eintragen lassen". Fürst Löwen stein fährt fort: „Wer sich mir durch pfarramtlicheS Zeugniß als aufrichtiger Katholik ausweist und den Beitrag von acht Mark cinsendet, erhält eine Mitgliedskarte, und wird sein Name in das Mitglieder- verzeichniß des Congresses eingetragen. Es ist dies eine offene, muthige Kundgebung der Zustimmung zu den Zwecken des Eon- gresses, der Licht bringen soll über die Ziele und da» Treiben, der gefährlichen, lichtscheuen Secte, und ist der Beitrag eine dankenswerthe materielle Beihilfe. Das Mitglied erhält nach Ab lauf Les CongresseS den Bericht der Verhandlungen gratis zu gesandt. Sehr wünschenswerth ist es, daß auch katholische Vereine, katholische Preßunternehmungen, geistliche Behörden und andere Corporationen in gleicher Weise sich betheiligen. Sollte der fromme Fürst, fragt die „Voss. Ztg.", wirklich die acht Mark nur nehmen, wenn ihnen da« pfarramtliche Zeugniß beiliegt? — Bon preußischen Generalen sind laut der „Voss. Ztg." im laufenden Jahre bisher 48 pensionirt, während die Zahl der Pensionirungen betrug 1895: 42, 1891: 58, 1893: 63, 1892: 50, 1891: 71, 1890: 70, 1889: 67 und 1888: 77. Im Ganzen sind also in diesen 8»/« Jahren 546 Pensionirungen von Generalen erfolgt. Hierbei sind allerdings diejenigen Obersten mitgerrchnet, die bei ihrer Pensionirung oder später den Charakter als Generalmajor erhalten haben. Von diesen 546 Generalen sind inzwischen 65 verstorben, während 481 sich noch am Leben befinden. Die Zahl der noch lebenden Generale, die früher pensionirt sind, beträgt 276. Von ihnen sind 20 in den Jabren 186l bi« 1870, 108 in den Jahren 1871—1880 und 148 in den Jahren 1881—1887 pensionirt. Im Ganzen leben hiernach zur Zeit 757 pensionirt« preußisch« Generale.
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