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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 04.02.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-02-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191002042
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19100204
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19100204
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-02
- Tag 1910-02-04
-
Monat
1910-02
-
Jahr
1910
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BezugS-Preit für L«tM, u»d «or»«, d«rch «ft« Lrt«er ittid Kpedttame t»« Hau« ^dauht z SV m»»aU., t.?v dirrttljährl. Bei unser» Filialen u. »nnalnnrstellen abaehalti 7S moaatl.. L,LL »iertelMrl. vnrch »ft Post: «-»erhall, Denljchftnv« »ad der dmchhe» »olonien vierteljthrl. st.stst »anatl. I.r- -El. P-ftdeftella-ld. Ferne, in Belgien, Tanemarl, dea Daaanstaale», Italien, Luremlmra, Sttederlaade, Boo» wearu, Österreich-Ungarn, Bnstland, Gchweden, Lchwet« ». Spanien. I« allen übrigen Staaten mir direkt durch di» »«tchäft»ft«lft da« Blatte« erhLItltch. Da« Lechgiger Lagedlatt «scheint «»cherft- lich 7 mal und «war morgen». «donnemtttt-SnnalM«: A»g»st«tpl«tz ft, bei unseren Drägern, Filialen, Spediteuren und Annahmestellen, saroie Postämtern und Briefträgern. Dia «injelne Rümmer kostet Ist Redaktion und Veschäfttsteller Zohamtitgasse 8. gern!»rechrr: 14SSL t4SW, 14SS4. MpMer TaMalt Handelszeitung. Ämtsvkatt des Rates und des Volizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigcn-PreiS «str Inierate au» veipV- und Umgedonq di« 6gei»a!tene Petitzeil« 25 H, finanziell« Anzeigen Reklamen I non autwätt« LV «h, Reklamen l.LI oom Ausland Sv^, ünanz. Anzeigen 7b^ Reklame» 1^6 Inserate».Behörden m amlUchenDeiläOH. Beilaqegcbühr 5 p. Dauiend exN. Post gebühr. GeschLil-anzeigen an bevorzugier Stelle im Preis« erhöht. Rabatt nach Darii Fester! eil le Austräge können nicht zurück gezogen werden. Für da« Erscheinen an bestimmten Lagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen. Annahme: LugustuSplatz 8, bei iamtlichen Filialen u. allen «imoncen- Expcditionen ces In- und AuSlande». Paupt-Stltal» BerNn: stark Luncker, Herzog!. Bahr. Hösbach» Handlung, Lützowstiatzc lv. (Telephon Vl, Rr. «oölls. Haupt-Filiale Lre-den: Leest raße 4, t (Telephon 4621). Nr. 34. Freitag 4. Februar 1910. M. Jahrgang. Das wichtigste. * Das genaue Programm für den Königsbesuch in Leipzig s15.—17. Februar) ist nunmehr festgesteklt. s S. Lpzg. Ang.) * Die Erste Kammer erledigte am Donnerstag einige Etats >md Rechenschastssachen. (S. Landtagsbcr.) * Die Opposition gegen die LchifsahrtS- abgaben ist in» Bundesräte mit 12 gegen 46 Stimmen unterlegen. (S. v. bes. Art.) * Der Reichstag erledigte am Donnerstag den Kolonial etat und den Etat des Reichsmilitärgerichts. sS. Reichs- tagsbericht.) * Der Gesetzentwurf über die Regelung der d e u t s ch. a m e r i» konischen Handelsbeziehungen ist dem Reichstage zuge gangen. sS. Dtschs. R. u. Letzte Dep.) * Englische Kriegsschiffe sind nach dem Piräus bzw. Kanea beordert worden. sS. d. bes. Art.) * Der amerikanische Fleischboykott ist auf der ganzen Linie gescheitert. Die alten Preise sind wieder in Kraft getreten. Die Hauptleidtragenden sind die kleinen Händler. * In Las Esperanzas (Mexiko) hat sich eine Gruben- cxplosion ereignet, durch die 56 Personen getötet und 50 verletzt wurden. sS. Verm.) Gin Oyvvhrrs-Sieg. „Noch ein solcher Sieg, und ich bin verloren!" so kann Herr von Schoen ähnlich wie der König von Bythinien ausrufen, wenn er der An nahme des deutsch-portugiesischen Handelsvertrages durch den Reichstag in dessen MittwochS-Sitzung gedenkt. Man hatte von einer namentlichen Abstimmung abgesehen, die Entscheidung erfolgte daher formell durch Ausstehen und Sitzenbleiben der Abgeordneten. Mer so gering war die Mehrheit, daß das Bureau zuerst zweifelhaft war, ob die Zahl der Ja sager oder die Zahl der Verneiner die größere wäre. Bei vollbesetztem Hause wäre der Vertrag nach der bckanntgewordencn Stimmung der Fraktionen mit 203 gegen 194 Stimmen angenommen worden, ange nommen von einer Mehrheit, die sich aus einer seltsamen Paarung, nämlich in erster Linie aus Konservativen, Sozialdemokraten und Frei- sinnigen, zusammensetzte. Als der Abgeordnete Merkel bei der ersten Beratung des Vertrages in energischer Weise gegen ihn zu Felde zog und dabei einen Strauß mit Dietrich Hahn auszufechten hatte, da phanta sierte die „Kreuzzeitung" von einem Großblock, der sich gegen den portu giesischen Handelsvertrag gebildet habe. Stärker ist wohl noch niemals ein führendes Parteiblatt durch die Verhältnisse blamiert worden, wie die „Kreuzzeitung", die einen Grvßblocksturm gegen den Kanzler witterte, und nun mit ansehen muß, wie der Kanzler und der Staats sekretär von Schoen schließlich durch Herrn Molkenbuhr und die Seinen gerettet wurde, und wie zu den konservativen Stimmen die sozialdemo- kretischen und freisinnigen hinzutreten mußten, um eine Mehrheit von Stimmen für dieses Musterbeispiel eines schwächlichen Vertrages herbei zubringen. Verteidigt hat den Vertrag eigentlich niemand. Selbst die Regierung gab in der Kommission zu, daß der Vertrag wesentliche Schwächen aufweise. Nur der Ministerialdirektor von Körner, der ewig mit sich selbst Zufriedene, soll — wie man sich in den Couloiren des Reichstages erzählte — diesen Vertrag als den besten bezeichnet haben, den das Deutsche Reich jemals abgeschlossen hätte, womit er beinahe noch die letzten Zustimmenden in das Oppositionslager getrieben hätte. Man ist stolz darauf, daß man die Meistbegünstigung erreicht habe, als wenn ein so konsumtionskräftiges Land, wie das Deutsche Reich, es sich über haupt bieten lassen brauchte, von anderen Ländern nicht wenigstens als meistbegünstigt gegenüber anderen Nationen angesehen zu werden. Dabei schützt uns die formelle Meistbegünstigung — wie der Abgeordnete Stresemann im Plenum ausführtc — nicht einmal davor, tatsächlich gegenüber anderen Nationen differenziert zu werden. Er wies daraus bin, daß sich in allen denjenigen Lagern, die von England in ihrer öffentlichen Meinung beeinflußt werden, mehr und mehr die Tendenz geltend mache, den Zolltarif in der Weise zu gestalten, daß man die jenigen Artikel, die Deutschland liefere, in die Höhe fetze, die Artikel ober, die von England kämen, möglichst vor prohibitiven Erhöhungen bewahrte. Nun haben wir pro Lorina die Meistbegünstigung, und sind doch tatsächlich in unserem Wettbewerb,fo eingeengt, daß wir Schritt für Schritt an Terrain verlieren. Die Regierung weist darauf hin, daß sie nicht in der Lage sei, der schutzzöllnerischen Bewegung anderer Länder entgegenzutreten, daß sie es schließlich dem Selbstbestimmungsrecht Portugals überlasten müsse, ob es seine Industrie durch kolossal erhöhte Zölle gegenüber dem deutschen Wettbewerb schützen wolle oder nicht. Darin steckt ein Körnchen Wahrheit. Wir werden den Sieg des Schutzzollgedankens nicht aufhalteu, er spricht zu unS aus der Payn-Bill Amerikas, er zeigt sich in den Beschlüssen des französischen Senates, er machte seinen Ein fluß geltend bei den englischen Wahlen, die sicherlich bei der Popularität des liberalen Budgets, bei der Popularität des Kampfes gegen die Lords, bei der Popularität der bodenreformerischen Gedanken, für welche ote Liberalen eintraten, mit deren glänzendem Sieg geendet haben würden, wenn ihnen nicht die Anziehungskraft des Schutzzollgedankens auf der anderen Seide entgegengestanden hätte. Die Völker rüsten sich gegenseitig mit diesen Waffen des Schutzzolles, und selbst der freisinnige Vertreter der Handelsstadt Bremen sprach davon, daß Portugal sich in se,nem neuen Tarif eine wuchtige Rüstung zügelest hätte. Nur pflegt man im handelspolitischen Kamps vor solchen Rüstungen nicht einfach zu kapitulieren. Man versucht, sich aus der mittleren Linie zu einigen, und vor allen Dingen wirft man nicht wertvolle Konzessionen hin, um dafür von gegnerischer Seite Erhöhungen einzuhandeln. Das ist cs, was man bei dem portugiesischen Handelsvertrag der Negierung mit vollem Recht zum Vorwurs macht, daß sic den portugiesischen Zolltarif, der nach Ansicht der Portugiesen selbst die Grundlage für die Verhandlungen m:t Deutschland bilden sollte, im wesentlichen akzeptierte, ohne zu versuchen, davon für unsere Hauptindustriezweige etwas abzuhandcln, und daß sie für die gar nicht hoch genug einzuschätzendc Konzession des Marken schutzes für Portwein für die Eröffnung des deutschen Marktes gegen über den portugiesischen Landesfrüchten nichts für unsere export bedürftige Industrie erreicht hätte. Ob mangelnde Verhandlungs fähigkeit unserer Diplomaten oder mangelnde Sachkenntnis über die dorr aus dem Spiele stehenden Interessen hier das Entscheidende war, mag dahingestellt sein. Mit welcher Gleichgültigkeit man den Wünschen der Industrie bei diesen Handelsvertragsverhandlungen gegenüberstand, beweist ja der in der Debatte erwähnte Umstand, daß dem Deutschen Handelstag, der gesetzmäßigen Vertretung sämtlicher deutschen Handels kammern, auf den von ihm geäußerten Wunsch nach Veröffentlichung des Vertrages 814 Monate hindurch überhaupt eine Antwort nicht zu- ging, daß man den Mitgliedern des Wirtschaftlichen Ausschusses, die sich mit allen Beteiligten ihrer Branche über den Vertrag ins Vernehmen setzen sollten, erst acht Tage vor dem Zusammentritt die Unterlagen übermittelte, und daß wichtige Zweige der deutschen Industrie darüber klagen, daß sie infolgedessen vor Ratifizierung des Vertrages überhaupt nicht Gelegenheit hatten, über diesen gehört zu werde». Der heftige Kampf der Regierung um die Genehmigung dieses Ver trages, der Pyrrhussieg, den sie errungen hat, wird ihr jedenfalls zeigen, daß es mit der Geduld des Reichstages in bezug auf den Abschluß der artiger Verträge zu Ende ist. Wenn agrarische Interessen auf dem Spiele stehen, wenn es sich darum handelt, den verstärkten Seuchenschutz durchzusühren. da haben unsere Unterhändler Rückgrat, da wird nicht ein Tüpfelchen von dem aufgegeben, was der Bund der Landwirte der Regierung diktiert. Wenn cs sich aber um Handel und Industrie handelt, da glaubt man in legerster Weise die Sache allein machen zu können, ohne den Beteiligten überhaupt selbst Einfluß auf die Ent scheidung einzuräumen. Früher ist es häufig genug vorgekommen, daß inan allein schon den Wunsch nach Kommnsionsberatung bei solchen Verträgen für eine Art Anmaßung des Reichstages erachtete und von ihm verlangte, daß er sich ebenso „in Ehrfurcht vor den wissenschaftlichen Kenntnissen der Geheimräte des Auswärtigen Amtes beugte", wie Herr von Schoen dies seinerseits nach seinen eigenen Acußerungen in der Kommission tut. Aufhören wird jetzt auch sicherlich die bisherige ein- seitige Zusammensetzung des Wirtschaftlichen Ausschusses, in dem im wesentlichen als tonangebender Faktor der Zentralverband Deutscher Industrieller und die in ihm am hauptsächlichsten vertretene schwere Industrie vorherrscht. Wer Gelegenheit gehabt bat, die Kritik sächsischer Industrieller über die Wahrnebmung ihrer Interessen im Wirtschaft- lichen Ausschuß zu hören, der wird auch den Wunsch nicht für un berechtigt halten, daß namentlich für Sachsen und Thüringen neue Sitze im Wirtschaftlichen Ausschuß sreigcmachi werden müßten, wenn man nicht überhaupt dem österreichischen Beispiele folgen will, einen Zoll beirat mit Fachabteilungen ins Lebchi zu rufen. ES wird Sache der Re gierung und der Parteien sein, mit entsprechenden Vorschlägen in nächster Zeit bcrvorzutrctcn, denn auf dem Gebiete der Handelspolitik bereiten sich fortgesetzt neue Entscheidungen vor. die eine sachverständige Beratung der Negierung notwendiger als je machen. Denn sollte dem Reichstag wieder einmal die Zustimmung zu einem Vertrage zugemutct werden, der derartige Qualitäten aufweist, wie der mit Portugal jetzt abgeschlossene, der nicht, wie man cs in einigen Veröffentlichungen dar zustellen versucht, hauptsächlich von Sachsen bekämpft wird, sondern den ein Vertreter aus Rheinland-Westfalen den „schlechtesten" nannte, „der dem Deutschen Reichstag bisher vorgelegt worden wäre", dann wird auch die kleine Mehrheit, die am Dienstag noch einmal die Regierung rettete, für diese nicht mehr vorhanden sein. So wird hoffentlich die Kritik an diesem Handelsvertrag mit Por tugal, wenn auch der Vertrag selbst viele der beteiligten Kreise schädigt, diejenigen pädagogischen Resultate zeitigen, die wir von ihm in bezug aus die künftige Stellung der Regierung zu handelspolitischen Ab machungen erwarten, und so der Gesamtheit der für uns so wichtigen Exportindustrie zugute kommen. Unterlegen! Der „Reichsanzeiger" verbreitet unterm 3. Februar folgende inhalt- schwcre Meldung: Berlin, L. Februar. Tie «estrige Beratung des vereinigten BundrSratS- ansschnsses für Handel und Verkehr, für Justizwescn unb für die Verfassung über den preußische» GeseßeS- varschlag, betreffend die Erhebung von Lchtffahrts- abgaben, führte zu dem Ergebnis, daß die verfass ungS- miifttge Mehrheit des Artikels 78 der Retchsverfaffnng für die Grundgedanken dieses Vorschlages, nämlich Ausbau des deutschen WafferstratzennetzeS uuter williger Heranziehung Ser Beteiligten durchKrhebung mäßiger Schtffahrtsabgaben; die Zusammenfassung der Uferstaaten innerhalb der einzelnen Strom gebiete in Zweckverdände zur Finanzierung der erforderlichen Bauten ans der gemeinsamen Stromkaffe vorhanden ist und das; auf der so bezeichneten Grundlage in die wettere Erörterung die Einzelheiten des Entwurfs etngetreten werden soll. Eine weitere, uns von privater Seite zugegangene Meldung besagt: «l. Berlin, 3. Februar. (Privattkl.) ES hat überhaupt keine Plenarsitzung des Bundesrats slattgefunden, sondern man hat sich gelegentlich der AnSschußfitzungen über das Stimmenverhältnis unterrichtet. Da bat sich gezeigt, daß die ver fassungsmäßige Mehrheit vorhanden ist. Dem Vernehmen nach standen 46 gegen 12 Stimmen. Kein Staat hat sich der Abstimmung ,»Hallen. ES verlautet ferner, daß den Staaten der Minderheit wesentliche Zugeständnisse gemacht werden sollen. Die in Berlin zur Beratung eingetroffenen Minister sind zum Teil heute früh schon wieder abgrrcist, auch der sächsische Minister Graf Bitzthum hat Berlin bereits verlassen. Preußen hat damit einen Sieg errungen, der formell, nach dem Wortlaut der Verfassung, durchaus unanfechtbar ist, denn nach Art. 78 der Neichsverfassung sind 14 Stimmen zur Ablehnung eines Antrags auf Verfassungsänderungen erjorverlich; aber in ideeller Bc- richung ist durch dieses Ergebnis dem Reichsgedanken vielleicht der ickwerste Stoß leit' dem Bestehen des Reicks ver setzt worden, denn die in der Minderheit verbliebenen Staaten haben nicht aus Eigenwilligkeit, sondern aus pflicht mäßigem Ermessen, aus ernst erwogenen Beweggründen den Antrag abgesthnt, und deshalb hat ihre Niederlage etwas außerordentlich Schmerz- tickes, ja Gefährliches an sich. „Wirkliche Rcichssreundlickkeit dokumentiert sich nur durch strengste Befolgung des Grundsatzes: Einer für alle, und alle für einen, nicht aber des Prinzipes: Ausbeutung des einen durch den anderen!" So sprach Wirkt. Geh. Rat Wach in der Ersten fach- fischen Kammer. Bismarck hat eine Majorisierung der Bundesstaaten im Bundesrat verabscheut; er legte sorglich Wert auf peinliche Be- rücksichtigung des )öderativeu Prinzipes und hat darum auch den Plan der ReichSeisenbahncn fallen lassen, als einzelne Bundesstaaten widersprachen. Die Staatsmänner der Gegenwart, die sich so gern Schüler Bismarcks nennen hören, haben aber den auch heute noch gültigen Grundsatz ihres Meisters als antiquiert über Bord geworfen und sich zu einem neuen Prinzip bekannt, dessen Wert nicht erprobt ist, dessen Wirkungen aber unabsehbar lein können. Die Entstehungs geschichte des vreußischen Wasserstraßengesetzes mit seinem berüchtigten 19 brandmartt die Schissabrisabgaben als Zugeständnis an die preußischen Agrarier, die ihre höchsteigenen Interessen bedroht glaubten, wenn die Verbilligung der Frachten infolge von Kaualbautcn nicht durch eine finanzielle Belastung des Verkehrs auf den bisher abgabefreien, schiffbaren Strömen und Flüssen gegengewogen werde. Und jetzt soll sich diesen sehr eigensüchtigen Wünschen einer bestimmten Klasse das ganze Reich fügen, jetzt sollen den preußischen Großgrundbesitzern indirekt auch die Bundesstaaten tributär werden, deren gan;e wirtsckafttiche Tendenz nach der entgegengesetzten Seite gerichtet ist! Das vielgebrauchte Wort: Preußen in Deutschland voran! hat da mit eine Deutung erfahren, die in den unterlegenen Staaten nur un freundlichen Charakters sein kann, die aber auch bei dem siegreichen Preußen keine reine Freude auSlösen wird. Auf die Erkenntnis der Mißlichkeit der eigenen Situation bei den preußischen Staatsmännern läßt schon die Tatsache schließen, daß man keine offizielle Abstimmung über den preußischen Schiffahrts- abgaben-Entwurf verlangt Hal, sondern daß man sich gewisser maßen mir einer Umfrage „unter der Hand" begnügle. Es liegt also in der Tat kein vollendetes Abstimmungsergebnis, sondern lediglich das Resultat einer Stimmenschätzung und Stimmenzählung vor. Preußen hat also den ihm, widersprechenden Starten den Schmerz einer formellen Niederlage ersparen wollen, aber die „An kündigung weitgebender Zugeständnisse" an sie beweist doch, daß man tatsächlich auf einer Art Abstimmung mit dem Ergebnis von 46 gegen 12 basiert. Jedenfalls haben wir mit den tatsächlichen Verhältnissen zu rechnen, brauchen uns damit aber noch lange nicht abzufinden. Unsere Hoffnung gründet sich nunmehr aus die beteiligten außerdeutschen Starten, Oesterreich und die Niederlande. Aus beiden Staaten liegen sichere Beweise vor, daß deren ablehnender Standpunkt gegen die Schiffahrtsabgabeu in keiner Weise erschüttert ist. Selbst wenn aber Oesterreich infolge eines Appellsan die Nibelungenszene und Holland infolge anderer Einwirkungen zur Nachgiebigkeit sich verstehen sollten, dann bleibt immer noch Sachsen als Mitunterzeichner der ElbschisfahrtSakte. Die sächsische Regierung wird sich jedenfalls bis zum äußersten weigern, auf die ihr in dieser Akte verbrieften Rechte zu verzichten, und so lölrnen letzten Endes die Hoffnungen der preußischen Agrarier noch durck Sachsen zu schanden gemacht werden. Die Gegner der SchisfahrtSabgaben find zwar unterlegen, aber noch nicht endgültig besiegt. Von unserem Dresdner ^.-Mitarbeiter geht uns zu dieser Ange legenheit noch folgende Nachricht zu: Dresden, 3. Februar. (Privattelegramm.) Ueber den Verlauf der Verhandlungen betr. die SchisfahrtSabgaben im Bundesrat habe ich folgendes erfahren: In den gestrigen Verhand lungen der Ausschüsse ist es sebr lebhaft zugegangen, namentlich kam es zu errregten Auseinandersetzungen zwischen den Vertretern der Minderheit, also vor allem Sachsen (mit 4 Stimmen), Baden (mit 3 Stimmen) und Hessen (mit 3 Stimmen) sowie zweier thüringischer Staaten und speziell deu preußischen Vertretern. Die preußischen Ver treter ließen sich aber nicht von der Richtigkeit des von Sachsen eingenommenen Standpunkts überzeugen. Eine eigentliche Ab stimmung über die Frage der SchisfahrtSabgaben hat nicht stattgefunden, weil ohnedies nach den Ausschuß verhandlungen feststand, daß die Minderheit nur über zwölf Stimmen verfügte, also nicht in der Lage ist, einen Ein spruch gegen eine Verfassungsänderung zu erheben. AuS der Auslassung des „ NeichSanzeigers" ergibt sich, daß die Schiffahrtsabgabengegner insofern einen Erfolg errungen haben, als Preußen seine bisherige Auffassung aufgegeben hat, daß eine Ver fassungsänderung nicht nötig wäre. Außerdem ist eS ein Zeichen der eigenen Schwäche Preußens, daß die Vorlage überhaupt noch einem Ausschüsse überwiesen worben ist, der in den nächsten Wochen sich der Ausarbeitung der Vorlage widmen wird. Wäre die Sache so klipp und klar, so hätte man einfach die von Preußen im Bundesrat ein gebrachte und seinerzeit im „ReichSanz." veröffentlichte Vorlage über nehmen können. Von sächsischer Seite werden zu der Vorlage noch zahlreicke Anträge eingebracht werben, um den Gefahren, die der sächsischen Industrie drohen, nach Möglichkeit zu begegnen. Jedoch erscheint es auch dann noch fraglich, ob das Gesetz eine Gestalt annehmen wird, die es der sächsischen Regierung ermöglichen wird, ihm bei der endgültigen Abstimmung ihre Zustim - mung zu geben. Zur tage auf -em Vulkan. In der Beurteilung der jetzt durch die griechische Situation wieder aufgerollten Balkanfrage mackt sich überall seit gestern eine ruhigere Auffassung bemerkbar. Das korrekte Vorgehen der Pforte, die die Schutzmächlc auf die drohende Gefahr osfisiell aufmerksam machte und um Abhilfe ersuchte, bat einen guten Eindruck gemacht. Vor allem baben aber schon Verhandlungen zwischen den Kretamächten stattgesunden, deren Wirkung fick bereits fühlbar macht. Danach wollen die Großmächte eine Teilnahme der Kreier an der griechischen Nationalversammlung unbedingt Verbindern, um es nicht zu einem griechisch-türkischen Konflikt kommen zu lassen. Auch Griechenland selbst wiegelt durch eine längere offiziöse Erklärung ab, und, wie eS heißt, sollen nunmehr nur solche
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