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Amtsblatt des König!. Bezirksgerichts und des Raths der Stadt Letzzig. M 314, Freitag dm 10. November. 1865» Aufruf. Die Choleraepidemie, von welcher das benachbarte Werdau feit mehreren Wochen heimgesucht wird, hat unter der unbemittelte« Bevölkerung der Stadt einen Nothstand erzeugt, welcher außerordentliche Beihülfe dringend nothwendig erscheinen läßt. Wir wenden uns daher au die vielbewährte opferfreudige Gesinnung unserer Mitbürger mit der Bitte um Beisteuern von warmen Kleidungsstücken, Leib- und Bettwäsche und Geld und hoffen um so mehr auf eine rasche und wirksame Betätigung des Wohl- ihätigkeitSfinnS unserer Mitbürger, je dankbarer wir die Verschonung von der Epidemie anzuerkennen haben. Unsere SttftungSbrechhalteret, so wie die Herren LoretS Apitzsch, Grimma'scher Steinweg, Friedrich Kitze, Ranstädter Steinweg Nr. 80, Gustav -TuA, Maurieianum, Schnoor At Franke, PeterSstraße Nr. 18, sind zur Empfang nahme von Gaben bereit. — Leipzig, den 8. November 1865. Der -Rath der Stadt Leipzig. vr. E. Stephani, vr. Landgraff. Gskar Pietschs Hanheichnimgeu. Oskar Pletsch ist seit einer Reihe von Jahren durch seine Holz schnitt-Zeichnungen in den Kreisen der Kunst- und Kinderfreuude so wohlbekannt geworden, daß die augenblicklich im Kunstverein ausgestellten Handzeichnungen für seine diesjährige WeihnachtS- grbe, eine Rciüe von „CharakterZeichnungen" auS der Kindrrwell unter dem Titel „Kleines Volk" von Jedermann gern ausgesucht und betrachtet werden. Neben Ludwig Richter, dessen Einfluß auf Pletsch ein unverkennbar förderlicher gewesen ist, nimmt er jetzt unbestritten die erste Stelle unter den Künstlern ein. welche die Poesie des kindlichen Lebens — ein für die bildende Kunst erst in unser« Jahrhundert wieder fruchtbar gewordenes Gebiet — in selbstständigen Bildern zum Ausdruck bringen. Von L. Richter unterscheidet sich Pletsch sehr wesentlich dadurch, daß Jener von einer eigenthümlichen, recht dem Geiste des deutschen Volksliedes entsprechenden Anschauungsweise auSgeht, welche im Kinde die Vermittelung des wirklichen Lebens mit der Märchenwelt erblickt; Richters Kinder sind die rechten Gespielen der Engel, Feen und Zwerge; deshalb versetzt er sie am liebsten aufs Land und ins Freie und läßt, wenn sie im städtischen Kleide erscheinen, ihnen doch einen romantischen Zug oder giebt ihnen eia durchaus komi sche- Gepräge. Pletsch dagegen ist in der städtischen Kinderstube heimisch; er beobachtet mit großer Feinheit und Unbefangenheit das kindliche Leben sowohl in den ersten Jahren, wo die reine Natur noch von der Welt umher nichts weiß (das Blatt „Guck in die Welt", ein prächtiger Halbjahr-Junge, ist ein unübertreff liches Naturstudium dieser Art), als auch die Heranwachsenden Kinder, namentlich die Mädchen, wie sie wohl, nach den wieder holten Portrait-Aehnlichkeiten zu schließen, der eigne Familienkreis dem Künstler vorführt. Und in diesen letzteren Bildern ist eine Erscheinung wahrzunehmen, die betrübend ist, weil Pletsch eine so seltne Begabung als Künstler besitzt: er verletzt uns, während er aus der emen Seite die entzückendsten Bilder unschuldiger Kind lichkeit entrollt, zuweilen durch einen leisen Anflug frivolen We sen-, da- wohl ihm selber unbewußt die Atmosphäre der großen Stadt, in welcher er wohnt, mit sich bringt. Möchte er, ohne im Uebrigeu seine selbstständige Kunstweise im Mindesten aufzugebev, in diesem Puncte sich da- Beispiel Ludwig Richter- maßgebend sein lassen, der in seinem reichen Schaffen und bei aller Freiheit de- Humor- niemals verläuguet, daß ihm die Poefii der Kindheit eine heilig« ist. 6. Adelaide Ristori. Der Vater dieser berühmtesten Tragödin des neuitalienischen Theaters, deren Auftreten Hierselbst für Sonnabend entgegeuzuseheu ist, Antonio Ristori, und ihre Mutter, Maddalena Pomatelli, waren mit einer Schauspielergesellschast zweiten Range- in Cividale, einem Städtchen bei Udine, als Adelaide geboren wurde. Im Alter von zwei Monate» schon erschien sie mit ihrer Mutter auf der Bühne, in dem „NeujahrSgescheuk", natürlich in einer stummen Rolle; doch schon mit fünf Jahren sprach fie ihre Partie» und mit 12 Jahren kam sie zu der Gesellschaft von Moucalvo, der selbst ei« bedeu tender Künstler war. Bald darauf gab sie bereit- die FranceSca da Rimini und trat sodann in- Personal de« königlichen Theater- zu Turin. Bon 1843—46 spielte fie in Mailand, Venedig, Rom, und au letzterem Orte machte sie die Bekanntschaft de- Marchese Capranica del Grillo. Der Vater desselben wollte von einer Ver bindung de- Sohnes mit ihr nichts wissen, obwohl sich gegen sie nicht im Geringsten etwa- Anderes einwenden ließ, als nur da- Eire, daß fie nicht einer gleich vornehmen und alten Familie ent sprossen war. Der alte Marchese war härter als die bekannten Bühnenväter im Schauspiele: der Sohn wurde in ein SLloß der Campagna verwiesen und ihm ein Paß außerhalb des Kirchen staate- verweigert; doch entkam er, als Fuhrmann verkleidet, und traf mit Adelaiden in der Maremma zusammen, dort gingen sie in eine Dorfkirche und erklärten in Gegenwart von zwei Zeugen und im Beisein de- Vater- der Braut, vor dem Pfarrer, baß sie sich heirathen wollten. Auf diese Weise wurde da- Sacrament der Ehe nach dem Tridentinischen Coneil vollzogen und der alte Marchese konnte nicht- dagegen thun. Zuerst söhnte sich die Schwiegermutter mit der Zungen Frau aus, endlich auch der Schwiegervater, wobei sie aber auf da- Theater Verzicht leisten wußte. Doch noch im Jahre 1847 bewog ihr gutes Herz fie, um einen armen Schauspieler aus dem SchuldgefLngniß zu reiten, eine Vorstellung zu dessen Bestem zu geben, welche eine so allgemeine Begeisterung hervorrief, daß der alte Marchese ein solche- Talent nicht länger der Kunst vorenthalten wollte. Auf die Art wurde die Marquise del Grillo wieder Schauspielerin. Seitdem schon in ihrem Vaterland« als bedeutende Künstlerin geltend, erwarb sie sich Wellrahm später durch ihre Gastspiele. Der Rachel rnch- ahmend, engagirle sich die Ristori nämlich, nachdem ihr Triumph zug über die italienischen Bühnen beendigt war. eine eigene Schau- spielergesellschaft und durchzog mit ihr die größeren Städte Frank reich-, England-, Deutschlands, Hollands, Rußlands und des Orients, ja auch über den Ocean drang fie und holte sich in Amerika Gold und Lorbeeren. - vr. Emil Kneschke. Städtisches. Der geehrte Einsender de« im gestrigen Stück dS. Bl. unter obiger Rubrik gestandenen Aufsatzes mterpretirt meine Worte un richtig und möchte ich denselben überhaupt bitten, bei solchen für jede« Näherstehenden in ihrer Absicht so leicht erkennbaren An griffen unch au- dem Spiele zu lassen, indem ich es vorziehe, mich mit der Sache und nicht mit Personen zu beschäftigen. Ich glaub« hiervon auch in meiner neulichev Rede nicht abgewichen zu sein, denn ich habe nur insofern von einer „subjektiven Färbung" der betr. RathSzuschrift gesprochen, als die lange Auseinander setzung über die Bedeutung de- Worte« „Nachweis" schwerlich ein Produtt colleaialischer Behandlung gewesen sein dürste und ich hieran die Hoffnung knüpfe, daß nach Kenntnißnahme der Schrift auch seiten der fämmtlichen Rathsmitglieder, der Rath nunmehr in seiner Majorität es denen, die jenen Antrag seiner Zeit gestellt haben, nicht würde verargen können, wenn fie sich verletzt fühlten. Wer der Concipient gewesen ist, weiß ich nicht und kommt auch Nicht- darauf au, dagegen weiß ich aber, auch ohne den Hinwei de- gestrigen Einsender-, recht wohl, !daß für RathSbeschlüfse der ganze Rath eivzutreten hat und habe ich die- bei jener Gelegen heit ausdrücklich erwähnt. Hier handelte e- stch aber in erster Linie nicht um Beschlüsse, denn der Rathsbeschluß ging ja, im