Volltext Seite (XML)
Wchmh-IkitiW Verantwortlicher Redacteur: Cärl Ir'hnc in Dippoldiswalde. Nr. 75. Sonnabend, den 27. Juni 1885. 51. Jahrgang, Inserat«, welche bei d«S bedeutenden Auflage deS Blattes eine sehr wirk» saiue Verbreitung linden, werden mit 10 Pfg. die Spaltenzeile oder deren Raum berechnet. — Ta» bellarische und complicirte Inserate mit entsprechen dem Ausschlag. — Einge sandt, im redaktionellen Theile, die Spaltenzeile 20 Psg. Die „Weißeritz-Zeitung" erscheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis Vierteljährlich 1 M. Lk> Psg., zweimonatlich 8t Psg., einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Alle Postan- stalten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be stellungen an. Amtsblatt für die Königliche Umtshauptniannschaft Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein Abonnements-Einladung. Mit Nr. 76 schließt das 2. Quartal des Abonnements der „Weitzeritz-Zeitung", und bitten wir alle unsere geehrten Leser, das Abonnement für das 3. Quartal umgehend erneuern zu wollen, damit in der Zusendung keine Unterbrechung eintritt. Wie bisher, werden wir bestrebt sein, in unserer Zeitung des Interessanten so viel als möglich zu bieten und alle Nachrichten auf das schnellste und gewissenhafteste zu veröffentlichen. Die Unterhaltungs-Beilage werden wir, wie mir bereits mittheilten, von jetzt ab jeden Sonnabend beilegen, und hoffen wir, uns dadurch den Dank unserer geehrten Leser zu erwerben. Dippoldiswalde. Die Expedition der „Weitzeritz-Aeitung." Politische Wochenschau. Deutsches Reich. Der Kaiser, welchem bei seiner Ankunft in Ems seitens der Bevölkerung die be geistertste Aufnahme bereitet worden ist, hat schon am Dienstag, dem Tage nach seiner Ankunst, die Brunnen kur begonnen. Das Befinden des Kaisers ist ein durchaus befriedigendes und so darf man denn hoffen, daß auch in diesem Jahre die heilkräftigen Quellen des lieblichen Lahnthalbades dem erhabenen Schirm herrn des deutschen Reiches neue Kräfte zur Erfüllung seines hohen Berufes verleihen werden. In der Be gleitung des Kaisers befindet sich sein altgewohntes Gefolge, darunter, wie immer, auch die Herren vom Civil- und Militär-Kabinet, da bekanntlich der greise Monarch selbst auf Reisen seine gewohnte Thätigkeit nur wenig einzuschränken pflegt; so nahm er bereits am Dienstag einige Vorträge entgegen. Zur Be grüßung ihres kaiserlichen Gemahles war die Kaiserin am Dienstag von Koblenz, ihrer Sommerresidenz, nach Ems gekommen; noch am Abend desselben Tages kehrte die hohe Frau mittels Extrazuges nach Koblenz zurück. — Unter den wenigen Fragen der inneren Politik, welche zur Zeit noch das Interesse weiterer Kreise in Anspruch nehmen, sollte diejenige nach dem Schicksal des bekannten preußischen Antrages im Bun- desrathe wegen Braunschweigs in dieser Woche ihre Erledigung finden. Von einer Entscheidung des Bun- desrathes in der bewußten Angelegenheit ist aber immer noch nichts bekannt und scheint es fast, als ob die mit so viel Spannung erwartete Entscheidung sich noch weiter hinausschieben sollte. Es ist nicht zu läugnen, daß die große Verzögerung der Angelegenheit etwas Auffallendes hat, obgleich die Erkrankung des ursprünglich bestimmten Berichterstatters und die Wahl eines Stellvertreters desselben immerhin einen Auf schluß dafür giebt. Wie nachträglich bekannt wird, hatte indessen, nachdem sich hin und wieder Bedenken gegen den Antrag gezeigt, die preußische Regierung selber einer umfangreichen Erörterung geneigt erwiesen und ausdrücklich gewünscht, es möchte auch nicht ent fernt der Gedanke aufkommen können, daß man irgend wie die Sache oberflächlich erwogen oder auch nur einen Punkt übergangen hätte. Es bestätigt sich voll kommen, daß über die braunschweigische Thronfolge vertrauliche Erörterungen vor dem Erscheinen des An trages zwischen den Negierungen stattgefunden haben und Preußen konnte damit annehmen, für seinen An trag einen bereits empfänglichen Grund und Boden zu finden. Uebrigens darf man nach wie vor daran festhalten, daß trotz aller Verzögerungen, trotz aller Ge rüchte von Bedenklichkeiten die Annahme des Antrages nach wie vor gesichert ist. — Prinzessin Karolina von Hohenzollern, die jüngere Schwester des unlängst ver storbenen Fürsten Karl Anton, ist am Montag, 75 Jahre alt, zu Sigmaringen verschieden. — Kann, ist der Prozeß Stöcker contra, „Freie Zeitung" zum vor läufigen Abschluß gelangt, so sieht sich Herr Stöcker schon in einen nenen Prozeß verwickelt. Diesmal ist Herr Stöcker die beklagte Partei, er wird von dem freisinnigen Abgeordneten für Elberfeld zum Reichs tage, Schmidt, der Beleidigung geziehen. In der hierüber am Dienstag zu Berlin stattgefundenen ge richtlichen Verhandlung erhob nach Beendigung der selben der Vertreter Stöcker's Wiederklage gegen Schmidt, wegen Aeußerungen desselben in der Wahl bewegung gegen Stöcker. Der Gerichtshof beschloß, die Sache zu vertagen, Hofprediger Stöcker aufzugeben, binnen 8 Tagen bei Vermeidung der Einstellung des Verfahrens einen Kostenvorschuß von 100 Mark zu erlegen und zum nächsten Termin das persönliche Er scheinen Stöckers anzuordnen. Oesterreich-Ungarn. Die am Sonntag in der österreichischen Hauptstadt abgehaltene deutschliberale Parteikonferenz hat, wie man wenigstens nach den vorliegenden Berichten urtheilen muß, gerade nicht jene weittragende Bedeutung, welche ihr die Organe der Partei zusprechen. Allerdings kam in der Ver sammlung der Gedanke der Einmüthigkeit unter den Deutschliberalen zum beredten Ausdruck, aber irgend welche bedeutungsvollen Beschlüsse wurden nicht ge faßt und sind die Parteigenossen auf eine anderweitige, kurz vor Einberufung des Reichsrathes abzuhaltende Konferenz vertröstet worden. Auf derselben wird wohl endlich auch die Frage, welchen Namen die Partei der deutschliberalen Abgeordneten im Neichsrathe künftig führen soll — welche Angelegenheiten, wie es scheint, in den deutschliberalen Kreisen großes Interesse erregt — zum Austrag gebracht werden. Frankreich. Die tonkinesische Frage kann jetzt, nachdem der französischen Deputirtenkammer von Frey- cinet, dem gegenwärtigen Leiter der auswärtigen An gelegenheiten Frankreichs, der offizielle Text des mit China abgeschlossenen Friedensvertrages vorgelegt worden ist, als endgültig aus der Welt geschafft be trachtet werden. Hierüber braucht Niemand mehr erfreut zu sein, als die Franzosen selbst, denn bei einer Fortsetzung des Krieges mit China durften sie nicht hoffen, große Lorbeern zu pflücken; überdies ent hält der Friedensvertrag sehr günstige Bedingungen für den Handel und die Industrie Frankreichs und zugleich bietet er anscheinend Garantien, daß China die französische Republik künftig ungestört im Besitze Tonkins lassen wird. Die französische Regierung hat sich beeilt, China ihre Bereitwilligkeit, zu einem dauernden gegenseitigen Verständnisse zu gelangen, in besonderer Weise auszudrücken, denn obwohl der Ver trag festietzt, daß die Räumung Formosas und der Fischer-Inseln erst einen Monat nach der Unterzeich nung des Vertrages zu geschehen habe, so wird doch schon jetzt aus Schanghai die vollständig beendigte Räumung Formosas gemeldet. England. Das neue englische Tory-Ministerium unter dem Vorsitze Salisburys ist nun infolge eines Arrangements zwischen der konservativen und der liberalen Partei doch noch lebensfähig geworden. Frei lich, wie lange das Kabinet Salisbury am Leben bleiben wird, ist eine Frage, die sich jetzt schon auf drängt, denn seine Existenz hängt doch mehr oder weniger von dem Verhalten der Liberalen ab, deren Führung im Unterhause der Ex-Premier Gladstone selbstverständlich übernommen hat. Vorläufig liegt von Mr. Gladstone die Zusage vor, die neue konser vative Regierung bei denjenigen Arbeiten, die noch im Laufe der gegenwärtigen Session des englischen Par laments zu erledigen sind, „im Allgemeinen" zu unter stützen und damit muß sich Marquis Salisbury wohl oder übel zufrieden geben. Die eigentliche Ent scheidung aber darüber, ob in England künftig ein konservatives oder ein liberales Ministerium regieren wird, hängt ganz von den in diesem Herbst statt findenden Neuwahlen zum Parlament ab und deren Ausgang ist noch vollständig ungewiß, da bei dem selben zwei Millionen neuer Wähler ihre Stimmen abzugeben haben. Italien. Die italienische Ministerkrisis wird nun mehr unzweifelhaft zu einem neuen Kabinet Depretis führen. König Humbert soll bereits den bisherigen Kabinetschef mit der Bildung des neuen Ministeriums beauftragt haben und der durch die Verhältnisse unentbehrlich gewordene Staatsmann wird nicht umhin gekonnt haben, diesen Auftrag anzunehmen. Die Frage ist nur, welche Kollegen Depretis wählen wird; einige Mitglieder des früheren Kabinets werden doch Man- cini das Geleite in den Ruhestand geben. Uebrigens ist die parlamentarische Lage in Nom noch recht unklar, denn ein römisches Telegramm vom Dienstag meldet, daß sich bei Abstimmung der Kammer über das Ein nahmebudget die Beschlußunfähigkeit des Hauses in folge Abwesenheit der Fraktionen der Linken heraus stellte. Spanien. Die kurze auch in Spanien ausge brochene Ministerkrisis hat mit der Erklärung des Ministerpräsidenten Canovas del Castillo in der De putirtenkammer, die Ursache des Demissionsgesnches des Ministeriums sei beseitigt, wieder ihr einstweiliges Ende erreicht. Allem Anscheine nach ist jedoch die Stellung des gegenwärtigen spanischen Ministeriums in bedenklicher Weise untergraben, wozu der Ausfall der Munizipalwahlen, welche der Negierung so ungünstig war, dann die Annäherung der gemäßigten Republi kaner an die dynastische Linke und endlich die Bildung einer neuen großen liberalen Partei beigetragen haben. Auch die jüngsten tumultuösen Vorgänge in Madrid lassen erkennen, daß die Autorität Canovas del Castillo von den verschiedensten Seiten her schwer bedroht ist. Lokales «nd Sächsisches. Dippoldiswalde, 25. Juni. Auch bei uns hat sich die Feier des Johannisfestes, als des Er innerungstages an unsere geschiedenen Lieben, immer mehr eingebürgert, und der Gottesacker gleicht um diese Zeit einem wohlgepflegten Garten. Es ist in dieser Hinsicht gegen früher vielfach besser geworden. So ist z. B., um nur Eins zu erwägen, die früher fast alle Gräber überwuchernde Federnelke beseitigt und Immergrün und Epheu mehr als sonst angepflanzt worden; das ist erfreulich und zeugt von sich mehr entwickelndem Schönheitssinn. Gestern waren noch dazu die meisten Gräber mit reichlichen Blumenspenden bedeckt, und was uns innigst erfreut hat: die Ruhe stätten der um hiesige Stadt verdienten Personen hatte liebevolle Theilnahme und Dankbarkeit nicht vergessen. Die Gräber des Amtschirurgus Kiebsch, der Frau verw. Bäckermeister Rüdiger, des Diakonus Mühlberg, des Schlossermeisters Jäkel u. A. zeugten von liebe voller Pflege und trugen frischen Blumenschmuck, ob schon Angehörige, soviel wir wissen, nicht mehr vor handen sind. Der um 6 Uhr in der Nikolaikirche stattgefundene Gottesdienst, bei welchem Herr Super intendent Opitz die Rede hielt, war zahlreich von An dächtigen besucht, die auch nach Beendigung desselben sich an den Trauergesängen des Kirchenchores erbauten. Der Tag selbst war aber auch ein rechter Sommer anfang, sonnig und warm bis zum späten Abend. — Gestern wurde beim heitersten, ruhigsten und mildesten Abend das zum Besten des Thurmbaufonds arrangirte Sommerfest im Funke'schen Steinbruche abgehalten und gelang dasselbe vortrefflich. Concert der Stadtkapelle wechselte mit Liedern des unlängst entstandenen Turn- und des Militärgesangvereins (ersterer geleitet von Herrn Lehrer Lommatzsch, letzterer von Herrn Lehrer Schröter), die beide bei diesem, ihrem ersten Auftreten den Beweis lieferten, wieviel gute Gesangskräfte mit reger Sangeslust bei uns vor-