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Zweites Blatt. 8MWN L «ilÄnÜ Tharandt, Aossen, Sieöenteßn und die Amgegenden. Amtsblatt für die Rgl. Amtshauxtmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadlrat zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Forstrentamt zu Tharandt. Lokalblatt für Wilsdruff, Alttanneberg, Birkenhain, Blankenstein, Braunsdorf, Burk mrdtswalde, Groitzsch, Grumbach, Grund bei Mohorn, HelbigSdorf, Herzogswalde «tt Landberg, Höhndorf, Kaufbach, Kesfelsdorf, Kleinschönberg, Klipphausen, Lampersdorf, Limbach, Lotzen, Mohorn, Miltitz-Roitzschen, Munzig, Neukirchen, Neutanneberg, Niederwartha, Oberhermsdorf. Pohrsdorf, RöhrSdorf bei Wilsdruff, Roitzsch, Rothschönberg mit Perne, Sachsdorf, Schmiedewalde, Sora, Steinbach bei KesielSdors, Steinbach bet Mohorn. Seeligstadt, Spechtsbausen, Taubenheim, Unkersdorf, Wetstropp, Wildberg. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1Mk. 30 Pf., durch die Poft bezogen IMk.bi Ps. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens mittags 12 Uhr angenommen. — JnserttonspreiS 15 Pfg. pro viergespaltme Korpuszetle. Druck uns Verlag von Marltn Berger tu MSdrim. — BeraulworNich tür die Redatttou Martio Berger »aseM. No. 149. I Donnerstag, den 17. Dezember 19M. «2. Jahrg Vvei A^^ihnaehtsfeste. Erzählung von Z. , (Nachdruck verovlÄ.', I. Friedrich Hartung saß in dem kleinen, ärmlichen Zimmer und schaute mit traurigem Blicke hinaus auf die schneebedeckte Landschaft. Da tat die Tür des Nebenzimmers sich auf, ein kleines Mädchen von ungefähr neun Jahren trat ein und rief vergnügt: „Ein frohes Weihnachten, Vater!" „Ich wünsche Dir ein frohes Weihnachten, lieber Vater!" wiederholte die Kleine, nachdem sie ein Weilchen vergebens auf eine Antwort gewartet hatte. „Wir haben heute Weihnachten I Hörst Du nicht die Weihnachtsglocken?" „Gewiß höre ich das Läuten," erwiderte jetzt ihr Vater, indem er ihr den Kopf zuwandte und zärtlich über ihr krauses, goldblondes Haar strich „Ach, ich wünschte, Kind, ich könnte Dir ein besseres Weihnachten bereiten!" sprach er seufzend weiter. „Freust Du Dich denn, daß Weihnachten ist2" „Ach ja, wenn es nur nicht so kalt wäre!" versetzte Gretchen. „Es ist doch gar zu hübsch, an den Schauläden alle die schönen Sachen zu sehen, die Puppen mit den langen Zöpfen und den netten Kleidern." „Könnte ich Dir doch eine solche Puppe kaufen!" meinte ihr Vater, „dazu haben wir aber jetzt leider kein Geld. Es ist uns in der letzten Zeit schlecht gegangen; doch heißt es ja immer: „Wo die Not am größten, ist Gottes Hilfe am nächsten." Daher hoff.: ich, daß auch für uns wieder bessere Tage kommen werden." Gretchen sah ihren Vater mit ihren großen blauen Augen verwundert an; sie verstand nicht recht, was er sagte, sie wußte nur, daß er bekümmert war. Da wurden draußen vor der Tür Kinderstimmen laut. „Da sind Deine kleinen Spielgefährtinnen," fuhr Herr Hartung fort. „Geh' zu ihnen, Kind, und vergnüge Dich "fl-ilchen mit ihnen, bis die Blutter heinikommt." Gretch,.7-^iei^davou, und ihr Vater blieb allein in dem kleine» kalten, nur Edem nötigsten Gerät versehenen Zimmer. Trotz der Minkem Feuer tm Ofen, und der Küchenschrank barg nichtsarv'Ebal. des Brot. Die armen Menschen hatten einst bessere Tage ge- sehen. Herr Hartung hatte in einer Fabrik eine gute Stellung gehabt, die ihm genug eingebrachl hatte, um sich, seine Frau und sein Kind anständig davon zu ernähren. Da erkrankte er und mußte ein halbes Jahr das Bett hüten. Das hatte die geringen Ersparnisse aufgezehrt und ihn noch dazu um seine gute Stellung gebracht. Auch jetzt war er zum Arbeiten fast noch zu schwach, und doch hatte er sich schon nach allen Seilen hin um eine neue Stellung bemüht, bisher freilich vergeblich. DaS wenige was sie bei größter Sparsamkeit zum täglichen Leben haben mußten, verdiente die Frau durch Waschen und Scheuern bei den Leuten; so hatte sie auch heute, am Vor abende des Weihnachtsfestes, ihren armen Mann mit seinen traurigen Gedanken allein lassen müssen. ii. Anders sah es bei den Nachbarsleuten aus; da machte die ganze Wohnung einen frohen, festlichen Eindruck. In der Küche stand die Frau Wöhlert und sorgte für ein gutes Mittagessen, während in dem schmucken Wohnzimmer eine kleine Gesellschaft in munterem Geplauder beisammen saß. Dieselbe bestand aus dem Hausherrn, seinem sechzehn- jährigen Sohne, einem Bruder des Hausherrn mit seiner Frau, und einem alten Freunde der Familie, der sich ganz unerwartet eingefuuden hatte. Er war Obersteuer- manu auf einem ausländischen Schiffe und erst am heu tigen Morgen in Bremerhafen eingelaufen. Seine eigene Familie lebte im Binnenlande, und da er noch in Bremer- Hafen zu tun hatte, so nahm er gern die Einladung seiner dortigen Freunde an, das Weihnachtsfest in ihrem Hause zu feiern. „Weißt Du, Felsener," meinte Wöhlert im Laufe der Unterhaltung zu seinem Freunde, dem Steuermann, „daß heute volle neun Jahre her sind, seit ich Dich zuletzt .r '7 Dich^o-M^'n- wieviel Kinder habt Ihr „Zwei, einen Knaben und ein Mädchen," lamVW^ Antwort. „Und gut ist es Euch also auch immer gegangen, seit wir uns nicht gesehen haben?" „Gott sei Dank, ja," erwiderte der Seemann, „ich habe immer genug gehabt, um anständig mit den Meinen zu leben, und dabei auch noch einen kleinen Zehrpfennig zurücklegen können." Da kam Frau Wöhlert und setzte auf den sauber ge- deckten Tisch einen duftenden Braten. Alle nahmen Platz; Herr Wöhlert schnitt ab und reichte einem jeden eine große Scheibe Fleisch. „Noch ein Stück, bitte!" sagte seine Frau, als er das große Messer und die Gabel niederlegte. „Es sind doch alle versorgt?" meinte Wöhlert. „Aber Fritz " Hub die Frau an und es lag ein leiser Vorwurf in ihrem Tone. „Ach, richtig!" fiel er schnell in's Wort, „den haben wir ja ganz vergessen, und dabei ist seine Frau heute nicht einmal zu Hause. — Unser Nachbar hier auf dem Gange," erklärte er darauf seinem Freunde Felsener. „Der Arme hat jetzt eine schwere Zeit durchlebt, ist Mo- nate lang krank gewesen, hat seine gute Stellung ver- 6 oldmer Woben. »man von M. Friedrich st ein. Sin'am, wie «in Held, blieb als letzter auf der Komman dobrücke der Kapitän des Schiffes und befahl Gott seine Seele. Das Schiff neigte sich auf die Seite, sank jähkngs hinab Ä»* das Geschrei der darauf Zurückgebliebenen hallte schauer» in die Nacht hinein. Verödet war die Stätte, an welcher kurz zuvor fröhliche Musik erklang, und verstummt für immer waren unzählige Lippen, welche heiter gelacht und gescherzt hatten. In wirbelndem Tanze drehte sich die Flut um das ver sinkende Wrack und riß alles noch Lebende in seiner Nähe rett ungslos mit in die Tiefe. „Das war das Ende!" sagte Miß Astor. „Und vielleicht kommt nun auch das unsere, denn wie lange können wir in dieser Nussschale den Wogen Trotz bieten? Die Nässe unserer Kleider ist ebenfalls mißlich." „Aber wir leben!" „Ja, vorläufig leben wir noch!" „Ich will versuchen, meinen armen Poppel wach zu rütteln «r muß sich rühren und darf nicht schlafen. —Poppel! Poppel!" „Herr Reinhard!" antwortete der wieder zur Besinnung Kommende. „Sind Sie denn auch auf dem Meeresgründe? Ich hätte nicht gedacht, daß man da so trocken liegen kann." „Nein; wir sind jetzt auch im Trockenen, nur unsere Kleider .find naß und deshalb müssen Sie sich bewegen und sollen mir rudern helfen." Poppel richtete sich überrascht auf. „Ja, wo sind wir denn eigentlich in dieser Finsternis? Etwa in einein Walfischbauche?" Miß Astor mußte, trotz der mißlichen Lage, in welcher sie war, hell auflachen. „Ach, da ist ja das amerikanische Fräulein auch!" Gewiß, Herr Poppel, und wenn Sie uns jetzt nur einen vorüberfahrenden Dampier verschafften, der uns aufnähme, so wären Sie der beste Mann von der Welt!" „Ach, das wollte ich selber wünschen!" erwiderte Poppel aufseuszend. Trübselig spähte er über die weite, zum Glück ruhigeWasserfläche. Es vergingen den Schiffbrüchigen einige schauervolle Nacht stunden. Von den übrigen Rettungsbooten war nichts zu bemerken. Wie dräuende Nieiengsspenster ragten in der Ferne die schwimmenden Eisberge hervor und schienen die kleine Nußschale der Geborgenen zertrümmern zu wollen. Als der Morgen graute, zeigten sich am fernen Horizonte die aufsteigenden Rauchwolken eines Dampfers und die Schiff brüchigen begrüßten diesen Anblick mit Freudigkeit. Er kam näber und näßer und die Insassen des Bootes waren bemüht, sich durch Rusen und andere Zeichen bemerkbar zu machen; aber der Kurs des Dampfers lag in völlig ent gegengesetzter Richtung und er zog wie eine kata Ll organa an den Blicken der vergeblich Hoffenden vorüber. Den auf diese Weise Enttäuschten sank der Mut und selbst Miß Astor verlor ihre bisher so tapfer behauptete Fassung, aber sie sammelte sich rasch wieder und sagte: „Es ist ja noch früh am Morgen. Lassen Sie uns auf besseres Glück hoffen." „Wenn wir bei dem Gehoffe nur nicht zu Eisklumpen werden, Fräuleinchen," murrte Poppel. Schweigend verharrten die Drei hierauf einige Zeit in Furcht und Hoffnung und schauten unverwandt sehnsuchtsvoll über die Wasserfläche. Da — endlich tauchte abermals ein großer Dampfer in der Ferne auf! Mit klopfendem Herzen beobachteten die Schiffbrüchigen seine Bewegungen, und als er näher kam, erkannten Miß Astor's scharfe Augen am Top desselben die amerikanische Flagge. .. „Ich glaube, wir sind gerettet!" rief sie. „Das sind meine Landsleute; ihr Weg muß sie in unsere Nähe füßveu." „Das gebe der Himmel!" entgegnete Reinhard zweifelnd. Aber Miß Astor behielt recht. Das Schiff, ein großer amerikanischer Passagierdampfer steuerte gerade auf das Boot der Harrenden zu, und als es bis in Hörweite desselben gekommen war, legte die Amerikanerin die Hände an den Mund und rief: „Ahoi!" Reinhard und Poppel schrieen aus Leibeskräften, winkten und gestikulierten mit den Händen. Da schien man aufdem Schiffe die Zeichen bemer kt zu haben. Es wurde eine Schaluppe ausgesetzt. Von vier Mann ge rudert, kam sie rasch näher, nahm die Schiffbrüchigen aus und brachte sie an Bord des Dampfers. „Mein Himmel! Miß Astor!" rief der Kapitän, welcher die junge Dame kannte. „Wie kommen Sie in diese gefahrvo lle Lage ?" Die Gefragte schilderte lebhaft, wie es ihr gegangen, und stellte Reinhard dem Kapitän vor. Dem jungen Deutschen kam eine Ahnung, über ein wie großes Vermögen Miß Astor zu verfügen hatte; denn man man huldigte ihr auf dem Schiffe wie einer Fürstin. Die Passagiere des Dampfers überboten sich in Aufmerk samkeiten. Es wurden ihr von allen Seiten trockene Kleider angeboten und ein Abglanz dieser Huld siel auch ans ihren Begleiter und Lebensretter. Unter diesen Umständen erholten sich die Geretteten bald und die junge Amerikanerin hatte rasch ihre gewohnte Sicher heit im Auftreten wiedergewonnen. Selbst Poppel war ohne merkliche Gesundheitsschädigung davon gekommen. Auf Reinhard hatte die Schiffskatastrophe einen unaus löschlichen Eindruck gemacht; sie hatte seinen Charakter ge reift, ihn ernster und männlicher gestaltet, was seine Er scheinung nur noch anziehender machte. Nach wenigen Tagen lag der Hafen von New-Dork vor den erstaunten Blicken der Deutschen; er war unbeschreiblich großartig und von überraschender Schönheit.