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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration«. Preis 22; Sgr. (; Tblr.) vierteljährlich, Z Tbtr. lür das ganje Jahr, ohne Er höh unq, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. für die Man pränumerirt auf diese« Literatur-Blatt in Berlin in der Expedition der Mg. Pr. StaatS-Zeitung (FriedrichSstr. Nr. 72); in der Provinz so wie im AuSlandc bei den Wohilöbl. Post Aemtern. Litertltur des Auslandes. 96. Bcrlin, Montag den I". August 1840. Dänemark. Thiclc'e Dänische Dolkssagcn. Diese Sagen, weiche der Sammler auf seinen vieljährigcn Wan derungen durch alle Gegenden Dänemarks meist aus dem Munde des Polks selbst gehört und nach und nach zusammengcbracht hat, unter scheiden sich, so viel ich weiß, in ihrer Art von allen, welche wir bis seht noch in der Deutschen Literatur besitzen, und ihre Bekanntmachung soll gleichsam eine Aufforderung scpn, nicht zu versäumen, ähnliche auch bei uns zu sammeln, ehe sie verloren gehen. Denn unsere auf- geschricbencn Sagen sind entweder anSgcstorbene, der Geschichte und Poesie anhcimgcfallenc und nur durch die gebildeten Stände aufbe- wahrtc Traditionell; oder sie sind zwar noch im Volk lebende, aber thcilS beschränken iic sich aiSdann auf den zu engen Sagenkreis eines Ortes, wie z. B. die Mährchen vom Aubezahl, welche die meisten Schlesier des platten Landes, ja selbst in den Suseien außerhalb des Ricsengebirgcs, nicht kennen und für die sic sich auch nicht lebendig uueressiren; theils wieder handeln sic in zu entfernten Gauen des großen Deutschlands zerstreut, wie Grimm's Sagen, und werden darum aus demselben Grunde, wie jene, weniger Volksbuch, als daß sic immer nur mehr in den Händen der gebildeteren Klassen bleiben. DaS Volk macht seine ganz eigenen Anforderungen. Um mich deut licher anszudrüctcn, will ich ein recht einfaches Beispiel aus der Thiclschcn Sammlung nehmen. Ghld ensteen (sprich Güldenster«). Ein sehr reicher Herr kam flüchtend nach Dänemark und baute mit seinen ungeheuren Ncichlhümern das Herrschaftsgut Gvldensteen bei Bogensc in Fünen. „Es soll Gyldensteen heißen", sprach er, „denn ich kann jeden Stein auf ihm vergolden lassen." Absichtlich habe ich eine Sage ausgesucht, in der anscheinend gar kein Interesse zu liege» scheint. Wer aber in unseren wissen schaftlichen Kultur-Verhältnissen, die uns zwar nicht den Formen, aber der That nach, fast so von den unteren Ständen abson dern, wie der Indische Kastengeist, so daß cs nur sehr wenige Menschen gicbt, die, außer einigen geringen Aeußerlichkciten, das tuucre eigentliche Leben des niederen Volkes kennen, wer bei uns hierzu, wenn nicht anders, doch aus seiner Kinderzeit, wo man dem Volke näher steht, noch einige Fähigkeit behalten hat, der wird sich erinnern, wandte Erklärung ähnlicher Rainen bei uns, ;. B. von Goldberg in Schlesien, für eine tiefe Wirkung auf die Phantasie in der ganzen Umgegend weit nnv breit ansubt. Die schönste poetische Erzählung von fremd her macht nie einen Eindrucks der sich mit jenem vergleiche^ läßt, und kann nie so stark bcschäfiigen. Es liegt dies wohl zum Theil darin, daß der gemeine Mann vorzüglich (cS gilt dies zwar überall, wird aber in unserer Erziehung vielfach da gegen gesündigt) etwas recht Nahes, recht unmittelbar sinnlich vor feiner Seele Dastehendes braucht, um ferne Vorstellungen lebendig daran auszubilden; es liegt aber auch in etwas Höherem. Jenes angeführte Beispiel erweckt in ihm den Gedanken, daß seine Heimat also einst anders aussah, che sie von Menschen bebaut ward, und erweckt diesen Gedanke» gewaltig. Es bringt ibn zum Nachdenken über die Erde, ihre Bestimmung und über die Geschichte dcS Menschengeschlechts. Es reißt ihn aus seinem gewöhnlichen ein schläfernden Leben heraus, eben so wie die Erzählungen von Spuk, von Berggeistern nnd Nircn, die für ihn die Ahnung einer geistigen Welt austhun. Sic sind ihm ein Mittel, durch welches er für Poesie, für die Geschichte des Menschen, ja sogar Religion, diese drei höchsten Gegenstände, mit denen der Geist sich beschäftigen kann, empfänglich wird, raß sic für ibn nun durch Vergleich etwas LcbcndigcS werrcu, während sic sonst bci seinem drückenden Nachgchcn einer thierischcn Lebenserhaltung ihm etwas sehr Mattes bleiben. Und möchte man nicht fast sagen, daß vor dein Ehristenthum diese Troldc, HauS- männlcin und Zetten eben so gut, wie die kleinen Götzcn der Zndier, die eigentlichen Götter Nir ras gemeine Volk waren? Odin langte ja kaum sür sie. I» die Walhalla kamen nur die Helden und Kricaer, die im Kampfe gefallen waren. Gewiß steck, ein solcher uraeschichtlicher Werth i„ diesen durch so viele Generationen bis auf unsere Zeit mündlich fortgccrbtcn Traditionen. Zem wird sich dies ireckich rasch ändern. Das ganze Volk fängt an zu lesen, nur wenn dasselbe ansprechenden Bücher noch wenig in keine ^äude gebrach» sind, so wird dics doch bald geschehen, und die vielfachen Geschichten, die es hören wird, werden jene einfachen Volkssagen, welche cS sich bisher allein zu erzähle» wußte, mcistcus verdrängen. Da aber das neue Fremde nic so lebendig bci ihm werden kann, als cs jcne waren, so ist dics nicht gut, und es ist die höchste Zeit, daß sie überall gesammelt und in ein Volksbuch gebracht werden. Run läßt sich zwar in cincm nur irgend weiteren Kreise kein ganzes Buch aus lauter solchen Sagen zusammentragen, welche vermöge ihrer naheliegenden Oertlichklil eine gleiche Wirkung auf jeden Ein zelnen in dem VolkStheil, für den sie bestimmt sind, haben könnten; wenn man aber nur nicht weiter geht, als wie jedeSmal ein Dialekt gesprochen wird, so wird ein Jeder doch nur die seiner Denkweise verwandten finden, und nicht bloß diese würden die große Zahl der ihm völlig heimatlichen ihn richtiger anfzufassen befähigen, sondern alsdann auch die poctischcn allgemeineren Deutschen Sagen.") Eine Ueberschrcitung dcr natürlichen Gränzc Les Dialektes wäre aber doch da zu machen, wo verschiedene Stämme bereits eine Jahrhun derte lange gemeinsame Geschichte durchgcmacht haben, wie überhaupt der Volksglaube über diese und jcne große geschichtliche Begebenheit mit hinein gehört; — nur mnß der kreis nicht größer werden, als daß das vor Augen Stehende oder doch vielfach im Leben Erwähnte immer überwiegend bleibt. Die reiche Mannigfaltigkeit wird sich nicht überall darbicte» wic in Dänemark, mit seinem halb Land- u,w halb See-Volk«, das schon von jeher seine alten Sagen so in Ebre» gehalten hat; aber wollte nur Jemand einmal recht hübsch gestellte Aufforderungen mit richtigen Mustern aller Art in den kleinen Lokalblättern einer Landschaft, welche dcr Bürger und Landmann liest, ergehe» lassen, so würde man erstaunen, wie Vieles, und dar unter Schönes, sich durch eine Menge Liebhaber mit leichter Mühe zusammcnfinden würde. Treue nnd Einfachheit ist dabei die Haupt sache: Ausschmückung kann nur in. dcr Form, nicht im Sinne und in Zusätzen stattfindcn. Schade, daß die Uebersctzungen^ die ich hier geben will, schon dadurch keine vollkommene Beispiele scpn können, weil die Redeweise dcS Dänischem gemeine» Volkes beim Ucbertragen i»s Hochdeutsche aufgcgebcn werde» muß und sic damit ihr haupt sächlichstes Geprägc verlieren. Dennoch glaube ich, daß bci der Verwandtschaft dcr nordische» Nativ» mit der Deutschen, — nament lich mit vcr Süddeutschen, waS man schon in der Anlage zu Gcsang und Poesie, in Aehnlichkeit vieler Nedcnsarten, den GesichtSzügcn und vielem Anderen scheu kann, wovon die Ursache zu erklären vier zu weit führen würdc, — daß sie auch unserem Volke eine ergötz lichere Lektüre scpn dürften, als gar manches Andere. Was vom Volk kommt, spricht das Volk an. Die fremdländischen Benennungen muß man schon zum Theil beibehalten. Sie sind ja halb verständlich; Trolv braucht unter Anderen dcr Dichtcr Prctzcl. Auch lasse» sic sich »icht immer ge»au wicdcrgcbc»; Trolv z. B- ist nicht bloß Berg geist, sondern er wohnt anch oft im platte» Ackcrfeldc; Nisse nicht bloß HauSgcisi, sonder» überhaupt an irgend einen Gegenstand ge- bundrn, an ein Schiff, ja an ei» Pferd. Sowohl nm die Abweichung von unserem Volksgcist, als die häusigc Ucbcrcinstimmung mit dem selben zu zeigen, will ich von allen welche aussuchcn. Den Beginn mag eine vcr frühesten geschichtliche» Mythe» machen, die trotz dem aber bisher sicb im Volke selbst erhält und die Entstehung dcr Däni- schcn Jnscl Seeland und dcS Mälarsces in Schwede» erzählt, also die beiden uranfänglichcn Hauptwohuplätze, waS sic auch immer gc blicbc» sind. Gefion. Gplfc regierte die Lande, welche jetzt Schweden heißen. Von ihm wird erzählt, daß er cincm umhcrzichcndcn Weibe zum Lohn sür ihre lustigcn Licdcr ein Stück Ackerland i» scincm Reiche gab, so groß, daß vier Ochsen an cincm Tage unk cincr Nacht cs umpflügcn konnten. Sclbiges Weib war vom Geschlechte dcr Äsen und hicß Gefion. Sic »ahm Ochsen auS Jothunhcim, welche sic dort mit cincm Ricsen erzeugt hatlc, und spannte sic vor re» Pflug. Da ging die Pflugschaar so tief in die Erde, daß das Stück Land hcransgcdobcn wurde. Die Ochsen zogen cs inS Mccr hinaus nnd blicbc» damit in cincm Sunde stchc», wo Gefion eS fest machte und Seeland nannte. Aber dort, wo das Land hcrausgepflügt war, wurde ci» Sce, an dem man noch bis aus diesen Tag die Gestalt davon erkennt. Hicrans folge zuerst dcr tapfere Däncnhelv, Holgcr DanSkc, vcr gleichsam als nationales Sinnbilv verehrt wird. Aber sonderbar ist es, daß kies hier weder eine historische Person, ja nicht einmal eine ') Za überhaupt alle« Lesen über fremde Gegenstände-