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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.05.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-05-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980512023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898051202
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898051202
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-05
- Tag 1898-05-12
-
Monat
1898-05
-
Jahr
1898
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Allerdings ist strenge Depeschencensur angeordnet, aber die Kunde von einem solchen Ereianiß läßt sich schwerlich tagelang unterdrücken, sie müßte ja ohnedies brieflich bereits in der Landeshauptstadt sein und wäre auch sonst, etwa von Gibraltar oder Lissabon auö, in alle Welt verbreitet worden. Zwar hat die spanische Negierung die Nachricht nicht dementirt, allein falls dieselbe von ihr selber herrührst wird sie dies natürlich nicht thun und hat auch im klebrigen kein Interesse daran, der Irre führung der Amerikaner zu steuern. Daß diese selbst die Nachricht noch nicht als völlig sicher hinnehmen, zeigt das Washingtoner Telegramm der New Dorker „Tribuna", das mit dem Konditionalsätze be ginnt: „Wenn die Rückkehr . . . unzweifelhaft be stätigt wird ..." Unsere gestern schon angedeutelen Zweifel sind also noch nicht beseitigt, ja sie sind durch diese Erwägungen nur noch bestärkt worden, und wir vermögen nicht ohne Weiteres in den Chorus der Blätter einzustiminen, die schon von der schmachvollen Capitulation Spaniens reden. Es scheint doch, daß cs sich um eine be rechnete Falschmeldung der spanischen Regierung oder um eine Verwechselung bandelt. Man erinnert sich, raß die Spanier außer dem Cap Verde-Geschwader noch eine kleine Reserve-Flotte besitzen, die in Cadiz unter dem Befehl des Admirals Camara in Bildung begriffen ist. Außerdem wurde aus Lissabon gemeldet, daß eine aus neun Schiffen bestehende Escadre gestern das 21 Meilen von der portugiesischen Hauptstadt südlich gelegene Cap Espichel mit südlichem Curse passirt habe. ES existirt also »och ein drittes spa nisches Geschwader, das am 10. Mai in Cadiz eingetroffen sein und zu einer Verwechselung Anlaß gegeben haben kann. Möglich auch, das; die nach den Canarischcn Inseln dirigirten Schiffe aus irgend welchem Grunde umgekehrt sind. Wir enthalten uns daher aller Combinationen über die Bestimmung des angeblich „nach Cadiz zurückgckehrten Cap Verde-Geschwaders" — sogar die Ansicht ist ausgesprochen worden, daö Geschwader habe (auf hoher See!) Befehl erhalten, über Cadiz nach den Philippinen zu dampfen (wo es in etwa sechs Wochen erst anlangeu könnte!) — ebenso wie über die beschleunigten Invasionspläne bezüglich CubaS und Portoricos, über welche die Meldungen entsprechend der hochgradigen Nervosität, welche sich der Amerikaner wegen der Ungewißheit über die spanische Flotte be mächtigt hat, von Tag zu Tag wechseln. In Washington, New Jork und Len übrigen atlantischen Küstenplätzen, wo man befürchtet, daß spanische Schiffe plötzlich ihre Visitenkarte abgeben könnten, wächst die Unruhe um so mehr, als mau auch jetzt noch nicht weiß, wo sich daS amerikanische Geschwader befindet. Es ist verschwunden. Fünf Schiffe, sagt man, hätten die Richtung nach Osten genommen, wahrscheinlich um den Spaniern entgegenzufahren. Die Vermuthungen, die man daran geknüpft hatte, daß vor einigen Tagen von Cuba her Kanonendonner gehört worden war, haben sich nicht bestätigt. Es war nicht der Zusammenstoß der beiden Flotten, sondern, wie gemeldet, die Beschießung zweier amerikanischer Kriegsschiffe, die dem Fort Santa Clara bei Havannah zu nahe gekommen waren und mit gehörigem Denkzettel das Weite suchen mußten. ' . " Nach dieser Probe wird sich die Landung in Cuba oder Portorico nicht allzu leicht aussühren lassen. General Wedler hat dieser Tage die Meinung geäußert, daß es überflüssig sei, die spanische Flotte der Gefahr einer Seeschlacht^ auszusetzen. Man solle sie zum Schutze der Küsten Spaniens in Len Heimathsgewässern znrückbehalten und Cuba allein die Abwehr eines amerikanischen Angriffes überlassen, wozu es vollständig im Stande sei. Thatsächlich hätte Spanien eine größere Flotte nach den Antillen schicken können, aber es durfte seine eigenen Küsten nicht entblößen, da schon ganz im Anfang des Krieges verlautete, die Amerikaner hätten die Absicht, spanische Küstenstädte zu beschießen und die Canarischcn Inseln zu nehmen. Sonst ist noch zu melden, daß nach einem Telegramm des „Reuter'schen BureauS" aus Gibraltar dort und in dem benachbarten Algericas nichts von der Explosion eines spanischen Torpedobootzerstörers bei Gibraltar be kannt ist. Die Sensationsmeldung des Londoner „Globe" war also Wohl eine englische Ente. Von den Philippinen liegen zwei Madrider Meldungen des „Berl. Tgbl." vor. Die eine besagt, die Aufständischen hätten in der Umgebung von Manila Frauen und Kinder niedergemetzelt, und die andere, in Shanghai verlaute, der spanische Admiral Montojo sei in Manila mit seinen beiden Söhnen ermordet worden. Wir warten die Bestätigung dieser Nachrichten ab. lieber die angebliche Stellung Deutschlands zu der Zukunft der Philippinen wird von spanischer Seite in ter „Intern. Corr." folgende Version verbreitet: Zn den spanischen NegicrungSkreisen legt man dem Interesse, welches Deutschland an der Entwickelung der Dinge aus de» Philippinen nimmt, eine große Bedeutung bei, und man ist der Ansicht, daß die Zurückhaltung, welche man englischer seits dem amerikanischen Anerbieten gegenüber bisher an den Tag legte, hauptsächlich der Stellungnahme Deutschlands zu verdanken sei. Man will in Madrid davon Mittbeilung erhalten haben, daß in der Unterredung, welche Lord Salisbury am 3. Mai in London mit dem deutschen Botschafter hatte, dieser daraus hingewiesen habe, daß bei einer Aendcrung der Regierungsform auf den Inseln Deutschland genöthigt fein würde, sich selbst gewisse Bürg schaften zum Schutze der Interessen der deutschen Staatsangehörigen zu schaffen. Man habe von deutscher Seite besonders die Möglichkeit ins Auge gefaßt, daß England zum Schutze seiner Angehörigen und seiner Schutzbefohlenen sich genöthigt sehen würde, eine entsprechende Abtheilung britischer Marinesoldaten in Manila zu landen, in welchem Falle Deutschland veranlaßt sein würde, daö Gleiche zu thun. Lord Salisbury soll nach spanischer Auffassung riesen Standpunct Deutschlands für berechtigt erklärt haben; doch bezeichnete er die Voraussetzung der gleichartigen britischen Absichten als unzutreffend, weshalb er vorschlug, diese Frage bis nach Entscheidung des Kampfes vor Manila offen zu lassen. Jedenfalls dürfte durch dieses Dazwischentreten die Aus führung der zwischen den Vereinigten Staaten und England getroffenen Vereinbarungen bezüglich der Besitzergreifung der Philippinen wesentlich erschwere worden sein. Unmittelbar vor Schluß der Redaction geht unS folgende Meldung zu: * Loudon, 11. Mat. Telegramme aus Washington stimmen darin überein, datz die Stell nng der Cap Berdcschen Flotte nicht bekannt sei. — Wie die „Times" aus New -)ork melden, werden in Washington Zweifel darüber ausgcsprochcu, ob die Cap Bcrdeschc Flotte thatsächlich «ach Cadi; zuriickgckehrt sei, obwohl die in London veröffentlichte Liste Namen von Schiffen enthält, von denen man weis;, daß sie ;n dem genannten (Geschwader gehören. Durch diese Meldungen werden unsere oben aus gesprochenen Zweifel au Richtigkeit der Nachricht von der Rückkehr der spanischen Flotte bestätigt. politische Tagesschau. * Leipzig, l2. Mai. Der Wunsch, den wir gestern den Inspiratoren des „Reichsanzeigers" nahe legten, daß sie nämttch die zum Zwecke des WählcrfangcS von verschiedenen Seiten auS- gestreuten Falschmeldungen als solche kennzeichnen und in erster Linie die von dem Reichstugsabgeordneten Müller- Fulda in die Welt gesetzte und von den socialdemokratischen und den ultramonlaneu Blättern eifrigst für ihre Zwecke auSgebeutete Meldung von einem in Vorbereitung be griffenen Gesetzentwürfe, betreffend die Abänderung des verfassungsmäßigen R e i ch S t a g s w ahlrechts, in dem amtlichen Organe bündig dementiren möchten, ist rasch erfüllt worden. Die Meldung wird im „Reichs anzeiger" mit solcher Bestimmtheit ihrem ganzen Umfange nach als erfunden bezeichnet, daß sie weder den ultra montanen, noch den sociaidemokratischen und den demokratischen Agitatoren als Agitationsmittel mehr dienen kann. Hoffentlich sorgen nun auch dieselben Kreise dafür, daß die Meldung, die Uebungen des BeurlaubtcnstandeS oder derLandwehr» leute würden in einzelnen ArmeecorpS-Bezirken in die Zeit der ReichstagSwahlcn oder der Stichwahlen gelegt werden, amtlich in daS Bereich der Fabel verwiesen wird. Die „Nat.-lib. Corr." erklärt zwar heute auf Grund bester Informationen, der prenßische Kriegsminister habe an alle ArmeecorpS die Weisung ergeben lassen, die Uebungen in der Weise anzu ordnen, daß der Termin der NcichStagSwahlen frei bleibe; aber daS ist eben keine amtliche Berichtigung deS auS- gestrcutcn Agitationsgerüchtes. Recht erfreulich ist eS übrigens, daß auch Herr Eugen Richter sich ^veranlaßt sieht, ausklärend in die Wahlbewegunz einzugreifen. Fraglich ist es freilich, ob diejenigen Organe seiner Partei, die gerade in der letzten Zeit nicht müde wurden, ihre Leser mit der Fabel der „Mauserung" der Social demokratie aufs Glatteis zu führen, dem FractionSdictator für seine Klarstellung dankbar sein werden. Er schreibt nämlich, ergrimmt darüber, daß in den kürzlich abgehaltenen socialdemokratischen Wahlversammlungen der sechs Berliner Wahlkreise „ein Sack Unwahrheiten" über die freisinnige Volkspartei auSgeschüttet wurde, in feiner „Freisinnigen Zeitung": „Von dem eigentlichen Programm der Socialdemokratie, von demjenigen, waS sie von allen bürgerlichen Parteien unter« scheidet, schweigt man sich vollständig auS. Nur Abgeordneter Singer hat in seiner Rede in dankenswerther Weise den nach« folgenden Satz eingeflochten: „Die Socialdemokratie unterscheidet sich von allen anderen Parteien dadurch, daß sie die bürgerliche Gesellschaft als solche bekämpft. WaS wir in ihr erreichen, betrachten wir nur als eine Abschlagszahlung, als eine Wegzehrung auf unserem Vormärsche zur Beseitigung der bestehenden Gesellschaft über« Haupt."" Au dieses Cstat der „Freisinnigen Zeitung" werden wir die freisinnigen Blätter erinnern, wenn sie wieder ihr Ratten fängerlied von der „Mauserung" der Socialdemokratie an stimmen. Wie der Telegraph bereits gemeldet hat, ist der neu ernannte Erzbischof von Freiburg vr. Komp, der auf der Reise von Fulda nach seinem neuen Bischofssitze begriffen war, in Main; von einem Schlaganfalle betroffen wordcu und bald darauf gestorben. CS hieß, er habe den ver mehrten PflichtenkreiS in Freiburg nicht gern übernommen und eS habe deS ausdrücklichen Wunsches deS Papstes bedurft, ihn zur Uebernahme zu bestimmen. Da« war glaublich, denn der fast 70jährige Mann wußte, daß seine Aufgabe als Ober hirt der oberrheinischen Kirchenprovinz eine sehr schwere sein würde.besonderS in dem durch erbitterte Parteikämpfe zersplitter ten Großherzogthum Baden. Waren doch seiner Ernennung lanzdauernde Verhandlungen zwischen Rom und Karlsruhe und heftige Fehden im Domcapitel vorauSgegangen, in den: der streitbare ErzbisthumSverweser vr. Knecht die meisten Anhänger hatte. Dieser und der bekannte Pfarrer Wacker, der Führer der ultramontanen Partei in Baden, waren von der Wabl des damaligen Bischofs von Fulda wenig erbau:, fanden sich aber in das Unvermeidliche. So wurde zum Empfange deS neuen Oberhirten und zu seiner feierlichen Jnthronisation,die heute erfolgen sollte, überall in der Erzdiöces: gerüstet, als die Nachricht von dem plötzlichen Tode dieGemüther erschütterte. Die badische Regierung und daS Freiburger Dom capitel stehen nun wieder vor den alten Schwierigkeiten; der Streit wird von Neuem beginnen und der „Löwe von Zähringen" (Wacker) wird anss Neue mit allen Mitteln einer scrupellosen Agitation darauf hin arbeiten, daß der unerwartet Ver storbene einen Mann wie vr. Knecht zum Nachfolger erhalte. Der plötzliche Tod deS in sein Amt noch gar nicht emgeführten Erzbischofs ist um so beklagenSwerther, als seine Kirchen provinz mit den BiSthümern Limburg, Fulda, Rottenburg und Mainz nicht nur badische« Land, sondern auch Theilc von Preußen, Württemberg, Heffen und Sachsen-Weimar umfaßt und so durch die neuen Wahlkämpfe auch diese Gebiete in Mitleidenschaft gezogen werden. Seit einiger Zeit hat man in Schweden angefangen, sich über die Fortschritte der römisch-katholischen Propa ganda zu beuuruhigen, und die Regierung, die von den evangelischen Predigern auf die Gefahr aufmerksam gemacht worden ist, hat sich veranlaßt gesehen, dem Reichstag einen Gesetzentwurf zu unterbreiten, nach dem die katholischen Priester in Schweden künftighin wirksamer als bisher con- trolirt werden sollen. Die Regierungsvorlage enthält u. A. folgende Bestimmung: „Versucht ein solcher (katholischer) Priester, wenn cr einen Ehebund zu schließen hat, die eine Ehehälfte zu zwingen oder zu überreden, mit der andern Ehe hälfte eine Uebereinkunft zu treffen bezüglich der Erziehung ihrer zu erwartenden Kinder in einer fremden Glaubenslehre, oder taust er Kinder, die nach dem geltenden Gesei; nicht in einer fremden Glaubenslehre erzogen werden dürfen, wird er mit Gefängniß bis zu 6 Monaten oder mit einer Geldbuße bis lOOO Kronen bestraft." Ueber diesen Ge setzentwurf wurde letzter Tage in der Ersten Kammer des Reichstags verhandelt und verschiedene Mitglieder derselben richteten dabei sehr heftige Ausfälle gegen die katholische Kirche. Nur wenige und sehr schüchterne Stimmen erhoben sich zu Gunsten der katholischen Priesterschaft. Einer der Frrrrlletsn. Die Herrin von Echtersloh. 14) Roman von Toni Krüger. Nachdruck virbotrn. Die Comteß hatte geendet und saß noch ein Weilchen stumm nachsinnend da. Als sie sich dann umblickte, sah sie sich allein. Wie seltsam! Wo war Joachim geblieben? Hatte er ihr nicht zugehört? Aber sie hatte doch am Schluffe des Liedes seinen tiefen Athemzug gehört! Warum war er so schnell verschwunden?! Sie schüttelte sinnend das Köpfchen und, so gering der Anlaß war, mußte sie doch noch lange darüber nachdenken. Bei Tische äußerte der Rittmeister von Halden, daß er sich entschlossen habe, seinen Besuch in Echtersloh noch einen Tag länger auszudehnen. „O, das ist ja herrlich!" rief Margot, in die Hände klatschend, „dann müssen wir den morgenden Tag als den letzten Deines Hierseins gebührend feiern. Rathet, was wir unternehmen können!" Nach einigem Ueberlegen wurde schließlich auf Vorschlag des Barons ein Ausflug nach dem Wasserfall mit Picknick im Walde beschlossen. „Das ist eine herrliche Idee von Dir, Achim; ich will Minna beauftragen, daß sie uns dazu etwas recht Schönes vorbereitet!" rief Margot fröhlich. „Ich denke", schlug der Graf vor, „Mama und der Onkel Rittmeister fahren und wir Drei begeben uns zu Pferde nach dem Wasserfall." „O nein, das denke ich mir anders!" bestimmte Margot, „wir wollen es uns recht gemllihlich und bequem machen. Ich will im Walde die Wirthin vorstellen und Euch bedienen. Im Reitkleide mit der langen Schleppe kann ich mich nicht bewegen. Wir nehmen den großen Landauer. Tante und Onkelchen sitzen als Respectspersonen im Fond, Herbert und ich als die artigen Kleinen im Rücksitz. Achim ist so freundlich zu kutschiren, und neben ihm findet auf dem Weintorbe Curt noch Platz. Was meint Ihr zu meinem Vorschläge?" „Brillant! Du hast eine bewunderungswürdige Gabe, zu arrangiren!" bekehrte sich der Lieutenant schnell zu ihrer Idee. Ihm lag daran, sich nach dem unangenehmen Vorfall am Scheibenstand doppelt liebenswürdig zu zeigen. Auch die Anderen erklärten sich mit dem Plan einverstanden, und man hoffte nun nur noch auf gutes Wetter. Am anderen Morgen strahlte der Himmel in wolkenloser Bläue, und Alle machten sich in heiterster Laune zur Partie nach dem Wasserfall bereit. Margot war zuerst fertig und leitete selbst voller Lust die Verpackung des Imbisses im Landauer. Die Fahrt war, vom herrlichsten Herbstwetter begünstigt, eine recht genußreiche. Der Weg führte bald durch prächtigen Laubwald, bald über duftige Wiesenflächen und durch saubere, zwischen grünen Matten und Obstgärten gelegene Dörfer. Die Buchenwaldungen hatten bereits einen Thcil ihrer Blätter abgeworfen, zeigten aber noch die satteste Laubfärbung. Die Berberitze ließ ihre rothen Früchte im leichten Herbst winde schaukeln, und der Schlehdorn bot vergebens seine tief blauen, herben Beeren dem Vorüberkommenden an. Die Wiesen leuchteten im mattvioletten Schimmer der Herbstzeitlose und Pilze in großer Mannigfaltigkeit bedeckten den Waldboden. Allmählich wurde das Gelände bergiger; der Weg folgte auf wärts einer Schlucht mit felsigen Rändern, aus der ein wasser reicher Bach der Niederung zueilte. Nach einstllndiger Fahrt war der Wasserfall erreicht, den der von einem fast senkrechten Felsblock stürzende Bach bildete. Etwas weiter abwärts sammelten sich die krystallklaren Wellen in einem kleinen, runden Becken und verloren sich dann in ruhigerem Lauf zwischen grünen Ufern im Walde, in dem hier dunkle Tannen vorherrschten. Zwischen diesem Wasserbecken und dem Wasserfall bot eine Erweiterung des Flußthales einen malerisch schönen Platz, der namentlich durch prächtige Farrenkräuter geschmückt war. Hier — angesichts des munteren Baches, der im Hellen Sonnenlicht ein herrliches Schauspiel gewährte, wurde Halt ge macht und durch Margot das Waldfrühstück servirt. Herbert stellte sich an, den Sect im Bache zu kühlen und bequeme Sitze am Waldrande zu bedecken, während sic selbst auf dem Rasen davor ein Tischtuch ausbreitcte und mit geschickter Hand die zierlichen Schüsseln arrangirte. Herbert war unermüdlich, ihr gefällig zu sein; sein Werk ging aber nur langsam von Statten, da er das in ihrer Schaffensfreude reizende Mädchen nicht einen Moment aus den Augen ließ und in seiner Bewunderung die eigene Aufgabe vergaß. Margot verwirrten seine Blicke, und ablenkend trieb sie ihn zur Eile an. Die Stimmung der kleinen Gesellschaft war eine überaus fröhliche, selbst Tante Excellenz war srohbewegt und glücklich über die Eroberung ihres Goldsohncs, die sic nicht mehr be zweifelte. Nach beendetem Mahle sorgte Margot auch für Curt mütter lich, packte dann mit Herbert's Hilfe Alles wieder zusammen und schlug mit allgemeiner Zustimmung eine Waldpromenade vor. Sie nahm den Weg thalaufwärts am Rande des Baches, und der Graf wich nicht von ihrer Seite, während die Tante mit dem Rittmeister folgte und der Baron sich noch um die Pferde kümmerte und dadurch etwas zuriickblieb. Der Graf bot seiner Cousine den Arm und schlug ein schnelleres Tempo ein, so daß sie durch die Windungen des Pfades bald den Blicken der Anderen entzogen waren. „Sieh nur die schönen Vergißmeinnicht", rief Margot und beugte sich weit über den Rand des Baches, sie zu pflücken. „Halte mich, daß ich nicht ins Wasser falle!" Damit streckte sie eine Hand rückwärts, Herbert entgegen. Er ergriff sie schnell und ließ sich verführen, ihre kleine Hand und ihren schönen Arm mit Küssen zu bedecken. Als sie darauf ungestüm ihm ihre Hand entzog und, ausweichend, allerdings in Gefahr war, das Gleichgewicht zu verlieren, umfaßte er ihre schlanke Taille, zog sie an sich und versuchte mit unverkennbarer Leidenschaft, das herrliche Mädchen zu umarmen. Ein Schrei entfuhr ihren Lippen, mit Aufbietung aller Kräfte befreite sie sich aus seiner Umschlingung, und mit vor gestreckten Armen und flammenden Augen rief sie empört: „Rühre mich nicht an, — Du hast kein Recht dazu!" In demselben Augenblick raschelte es im Gebüsch; Ben brach mit mächtigen Sätzen durch das Dickicht und stellte sich drohend und laut bellend zwischen seine Herrin und ihren Begleiter. „Ben, mein lieber Ben!" rief Margot, wie von einem Banne erlöst. Sie schlang den Arm um den Nacken des großen Thieres und wandte sich mit ihm zur Umkehr. Der Graf war regungslos und keines Wortes mächtig stehen geblieben. Als aber Margot sich abwandte, ging ein Beben durch seinen Körper und leidenschaftlich stieß er die Worte hervor: „O, verzeihe, Margot, vergiß da- Geschehene und laß uns Freunde bleiben." Man hörte die Stimmen der Näherkommenden, und Margot kehrte, sich bezwingend, zum Rande deS BacheS zurück, pflückte einige Vergißmeinnicht und reichte sie dem bald darauf neben ihr stehenden Onkel Philipp. Sie bemühte sich, eine unbefangene Miene zu zeigen. Niemand hatte denn auch eine Ahnung von dem Borgefallenen, nur einmal schien es ihr, als wenn Joachim sie mit prüfendem Blick betrachtete, und erröthrnd schlug sie die Augen nieder. Die Gräfin erklärte, daß sie müde sei, und gab das Zeichen zum Aufbruch. Die Rückfahrt verlief nicht so vergnügt als der Hinweg; die Gräfin lehnte mit halbgeschlossenen Augen in den weichen Kissen; Herbert hüllte sich in undurchdringliche Dampfwolken: Margot folgte, scheinbar intercssirt, der ruhigen Unterhaltung des Onkels, und der Baron lenkte seine ganze Aufmerksamkeit auf die Pferde. „Bitte, halte hier einmal", rief ihm die Comteß zu, „ich möchte einen kleinen Abstecher ins Forsthaus macken. Fahrt nur immer heim, ich komme dann zu Fuß nach." Sie winkte mit der kleinen Hand einen Abschiedsgruß, pfiff Ben und verschwand hinter den buntgefärbten Büschen. Als der Wagen vor dem Schlosse hielt, trat sofort der alle Friedrich an den Schlag heran und überreichte dem jungen Grafen eine Depesche, die vor einer halben Stunde angekommen war. Herbert sprang aus dem Wagen, erbrach mit hastiger Hand das Telegramm und überflog es mit schnellem Blick. „Ich muß noch heute abreisen", sagte er dann zu den Um stehenden, „wir haben einen neuen Regimentscommandeur er halten, und da der Adjutant zum Rittmeister befördert ist, bin ich zu dessen Nachfolger ernannt." „Ich gratulire!" sagte der Rittmeister und schüttelte ihm kräftig die Hand, während die Gräfin in Klagen ausbrach, datz ihr Sohn so plötzlich abreisen wolle. „Verlieren wir nicht nutzlos die Zeit, Mama", redete Herbert ihr zu, „in einer Stunde geht mein Zug, ich muß also in 30 Minuten das Schloß verlassen. Ich gehe meine Sachen packen. Dich, Vetter, bitte ick, einen Wagen anspannen zu lassen." Der Baron nickte zustimmend: „Fred fährt Dich im Dogcart in kaum zwanzig Minuten zum Bahnhofe." „Ich erwarte Dich noch für einige Minuten in meinem Zimmer, Herbert!" rief die Gräfin. „Ich werde kommen", und eilig sprang der Graf die Treppe hinauf. Nachdem er seine Sachen ungeordnet in den Koffer ge worfen, begab er sich schweren Herzens zu seiner Mutter. Ec war entschlossen, ihre Hoffnungen noch nicht zu zerstören. Die Gräfin empfing ihn sehr verstimmt. „Nein, wie fatal!" rief sie unmuthig. „Alles war im schönsten Gange, ich sah Dich von Tag zu Tage in Margot's Gunst Fortschritte machen, und nun willst Du kurz vor der Entscheidung dos Feld räumen! Oder habt Ihr Euch etwa ausgesprochen?" .
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