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Dl» „Wei-tritz. Zeitung" «scheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. 2K Pfg., zweimonatlich 84 Pfg., «inmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 10 Pfg. — All« Postan stalten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be stellungen an. UWritz -JeitW. Amtsblatt Inserate, welche be, der bedeutenden Auflage des Blatte« eine sehr «trk- sqm« Verbreitung finden, werden mit 10 Pfg. die Spaltenzeile oder deren Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirte Inserate mit entsprechen dem Ausschlag. — Einge sandt, im redaktionellen Lheile, die Spaltenzeile 20 Pfg. für die Königliche Krnishauptmannschaft Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein Verantwortlicher Redacteur: Carl Jehnk in Dippoldiswalde. Nr. 60. Politische Wochenschau. Deutsches Reich. Auf Moskau sind gegenwärtig die Blicke der gesammten civilisirten Welt gerichtet, wo der Czar Alexander HI. nebst seiner erhabenen Ge mahlin am Dienstag seinen feierlichen Einzug unter Glockengeläuts und Kanonendonner und dem brausen den Jubelruf einer nach Hunderttausenden zählenden Menge gehalten hat. Nach den vorliegenden telegra phischen Berichten ist der Einzug ohne jeden störenden Zwischenfall verlaufen, und dies berechtigt zu der An nahme, daß auch der übrige Theil der Krönungsfeier lichkeiten sich ohne besondere Störungen programm mäßig abwickeln werde. Am Sonntag wird der Czar sich und der Czarewna in der Uspensky-Kathedrale die Krone aufs Haupt setzen, und erst von diesem großen Momente an wird Alexander III. dem russischen Volke als sein wahrhaftiger Herrscher erscheinen, da nach den traditionellen Anschauungen des russischen Volkes erst die Krönung den Czaren als wahren Herrscher er scheinen läßt. Auf die Krönung folgt noch eine ganze Reihe glänzender Festlichkeiten, die sich bis gegen Mitte Juni erstrecken, so daß sich das Interesse der politischen wie nicht politischen Welt noch für die nächsten Wochen auf Moskau konzentriren wird. — Der deutsche Reichs tag ist am Dienstag in den letzten Abschnitt seiner gegenwärtigen Session eingetreten, da die Regierung jetzt von einer nochmaligen Vertagung des Parlaments Abstand genommen hat. Es sind noch hochwichtige Entscheidungen zu treffen, die sich auf das Kranken kaffengesetz, die Novelle zur Gewerbeordnung und den Etat 1884/85 beziehen, und die Vorstände der ver schiedenen Reichstagsfraktionen haben daher ihre Par teigenossen zu möglichst zahlreichem Erscheinen aufge fordert. Vorerst haben die Abgeordneten diesem Ver langen nur sehr ungenügend entsprochen. Der erste Gegenstand der Tagesordnung für diese Sitzung war die Interpellation des Abg. Johannsen (Däne) ivegen der Wiederaufnahme dänischer Optanten in den preu ßischen Staatsverband, deren Beantwortung aber der Vertreter der Reichsregierung, preuß. Finanzminister Scholz, ablehnte. Als der Abg. Johannsen das Wort zur Begründung seiner Interpellation nahm, entfernten sich die anwesenden Bundesrathsmitglieder, und auch nach ihrer Rückkehr betheiligten sie sich nicht an der Besprechung der Interpellation. Im Laufe derselben bezeichnete Abg. Richter-Hagen die Form der Ableh nung noch vor erfolgter Begründung als „schroff", und Abg. Windthorst erklärte sie für „ungewöhnlich"; übereinstimmend verwahrten sich beide Redner dagegen, daß dieser Vorgang als Präjudiz für künftige Fälle ausgebeutet werden solle. Von Seiten der konserva tiven Fraktionen bemerkte hierbei Herr von Kardorff, daß nach seiner Ansicht die Angelegenheit eine spezifisch Preußische sei und deshalb nicht vor das Forum des Reichstages gehöre. Schließlich wurde dieser Gegen stand verlassen und trat das Haus in die dritte Lesung des Krankenkaffengesetzes ein. Namens der Regierung erklärte Finanzminister Scholz, daß der Gesetzentwurf sür die preußische Regierung unannehmbar sei, wenn der Reichstag die Ausdehnung des Gesetzes auf die land- und forstwirthschaftlichen Arbeiter in dritter Lesung aufrecht erhalte. — Ueber die kirchenpolitische Situation sind in letzter Zeit verschiedene widerspre chende Gerüchte in Umlauf gewesen, namentlich darüber, ob die Curie die letzte preußische Note vom 5. Mai beantwortet habe oder nicht. Jetzt wird nun aus Rom in positiver Form gemeldet, daß diese Antwort am Mon tag dem preußischen Gesandten im Vatikan, Herrn v. Schlözer, übergeben worden sei, doch ist über ihren Inhalt noch nichts Näheres bekannt. Gleichzeitig ist jetzt auch der Wortlaut der erwähnten preußischen Note veröffentlicht worden, die im Allgemeinen die Geneigt heit der Regierung ausspricht, den Wünschen der rö mischen Curie entgegenzukommen, aber als Vorbe dingung an der Erfüllung der gesetzlichen Anzeigepflicht Sonnabend, den 26. Mai 1883. festhält. Gerade hierzu will sich jedoch der Vatikan nicht verstehen, und so dürfte wohl auch seine Ant wort den Intentionen der preußischen Regierung nur wenig entsprechen. —- Dem Präsidenten des Reichs tages in Leipzig, I)r. Simson, ist anläßlich seines 50- jährigen Amtsjubiläums vom Kaiser der Rothe Adler- Orden I. Klaffe und vom König vom Sachsen das Groß kreuz vom Albrechtsorden und vom Grobherzog von Baden das Großkreuz des Zähringer Löwenordens verliehen worden. Oesterreich-Ungar». Das Czechenthum hat der Negierung des Grafen Taaffe ein neues wichtiges Zu- geständniß abgerungen. Durch ein kaiserliches Patent wird der Landtag des Königreichs Böhmen für auf gelöst erklärt und der neugewählte Landtag auf den 5. Juli d. I. einberufen. Mit dieser Maßregel ist den Czechen ein längst gehegter Herzenswunsch in Er füllung gegangen, da sie hoffen, durch die bevorste henden Neuwahlen in der Prager Landstube die Majo rität zu erlangen, welche Hoffnung bei dem von cze- chischer Seite in jeder Hinsicht ausgeübten TerroriSnius nicht unberechtigt erscheint. Die böhmischen „Natio nalen" werden ohne Zweifel ihr Uebergewicht dann zu dem Versuche benutzen, die böhmische Wahlordnung zu ihren Gunsten für alle Zeiten umzugestalten; aber in diesem Bestreben werden sie voraussichtlich auf schwer zu besiegende Hindernisse stoßen. Zu einer Umänderung des böhmischen Landtages müssen zwei Drittel seiner Mitglieder ihre Zustimmung geben und mindestens drei Viertel bei der betreffenden Abstim mung anwesend sein. Der böhmische Landtag zählt nun 242 Mitglieder, und hierzu werden die Deutschen selbst unter den ungünstigsten Verhältnissen immer mehr als ein Viertel, also über 61 Mitglieder stellen, die dann bloß die Sitzung zu verlassen brauchen, um die Ab änderung der Wahlordnung zu Hintertreiben. Italien. Die große Debatte in der italienischen Deputirtenkammer über die Politik des Kabinets De- pretis hat in letzterer zu einer Krisis geführt. Der Justizminister und der Bautenminister erklärten, daß sie der Haltung ihrer Kollegen während der jüngsten par lamentarischen Debatten nicht zustimmen könnten, und deshalb beim König das Entlaffungsgesuch des Ge- sammtkabinets einreichten. Wie Depretis in der De putirtenkammer mittheille, ist dasselbe von König Hum bert genehmigt und Depretis mit der Bildung des neuen Kabinets beauftragt worden. Bis dahin bleiben die Minister auf ihren Posten, während die Kammern bis zuni 30. d. M. vertagt worden sind. Rumänien. Die neugewählten rumänischen Kammern sind am Dienstag vom König Karl mit einer Thronrede eröffnet worden. Die Rede konsta- tirt die Erfolge der innern und äußern Politik der Negierung und giebt der Hoffnung Ausdruck, daß Europa die Rechte Rumäniens als unabhängiger Staat nicht antasten werde. Schließlich kündigt die Thron rede einen Gesetzentwurf über die Abänderung des Wahlrechtes an. Zur Kaiserkrönung in Rußland. Am 20. Mai ist der Czaar Alexander in Beglei tung seiner Gemahlin und der kaiserlichen Kinder glücklich in der Krönungsstadt Moskau angekommen, von der Bevölkerung begeistert empfangen woroen und bereitet sich in dieser Woche nebst der kaiserlichen Fa milie auf den feierlichen Krönungsakt vor, der am 27. Mai an ihm und seiner Gemahlin in der Kathe drale des Kreml vollzogen werden soll. Ist nun schon diese russische Kaiserkrönung mit ihrem religiös-mysti schen Charakter, der ei» mehrtägiges Fasten und Beten des Czaren und aller rechtgläubigen Nüssen die rechte Weihe geben muß, dann aber auch mit ihrem alle ge wöhnlichen Begriffe überstrahlenden Schaugepränge, welches weit in alle Welt hinaus den Glanz und die Hoheit des russischen Kaiserreichs verkünden soll, ein 48. Jahrgang. ganz eigenartiger Akt, so gewinnt derselbe doch noch eine ganz besondere russische und politische Bedeutung, weil er gerade in Moskau stattsindet. Denn wenn auch Peter der Große für sein erneutes Ruffenreich Moskau nicht mehr zur Hauptstadt haben Mochte und deshalb Petersburg gründete, so ist doch für das heutige Rußland und seine tonangebenden Kreise Moskau mehr denn je die wahre Hauptstadt geworden. Dort hat sich das unverfälschte, orthodoxe Ruffenthum eine Hochburg errichtet, welche in geistiger, politischer und religiöser Beziehung das Vorbild ganz Rußlands ist, in Moskau verjüngte sich das von einem Peter I. und einer Katharina II. mit Füßen getretene Altruffenthum und ist dort allmählig zu jener Macht emporgewachsen, daß kein russischer Kaiser im Kneg und Frieden, im Handeln und Planen die Stimme jenes orthodoxen Ruffenthums unerhört lassen darf, wenn er sich nicht in einen tödtlichen Gegensatz zu derjenigen Partei seines Landes setzen will, die allein noch als die na tionale und heilbringende gilt. Und betritt der Westeuropäer den Boden Moskaus, so wird er auch mit stillem Grauen und Bewundern gewahr, daß er das russische Nationalheiligthum, eine Stätte ihm bisher ganz unbekannten und fremdartigen Wirkens und Bedeutens, betreten hat. Schwer läßt sich mit Worten der Eindruck schildern, den dieses Moskau und zumal zur Krönungszeit auf den west europäischen Fremdling macht. Was Jerusalem für Juden und Christen, was Rom für die römischen Ka tholiken, was Mekka für die Araber in religiöser Be ziehung, was Paris für die Franzosen und London für die Engländer in politischer und geistiger Beziehung ist, dies zusammen ist in religiöser und politischer Be ziehung Moskau für die Ruffen. Dunkel wie der Ursprung Rußlands ist auch derjenige Moskaus. Mon golen, Chinesen, Tartaren und Moskoviter, aus denen die Russen als Mischlinge, halb mongoliscken, halb kaukasischen Ursprungs hervorgegangen zu sein scheinen, werden auch als die Gründer des uralten, von dem Volke als heilig verehrten Moskau genannt. Trotz vieler Bauten der Neuzeit macht Moskau noch immer einen durchaus halbasiatischen Eindruck, Paläste und Kirchen, wohl gegen Täusend an der Zahl, bilden die Stadt Moskau und zerstreut liegen die Häuser der übrigen Einwohner dazwischen, ebenso die Waaren- magazine, Hotels u. s. w. Der Kreml, der uralte Czaren- und Fürstensitz Moskaus, bildet einen ganzen Stadttheil für sich und ist für Moskau das, was das alte Rom mar. Fast jeder Stein des Kreml ist ein historisches Denkmal der Größe und des Wachsthums Rußlands und in diesem seltsamen Riesenbau gipfeln sich alle patriotischen Erinnerungen der Russen. Durch die mit Zinnen und Thürmen geschmückten Mauern des Kreml führen 5 Thore, darunter das berühmte Erlöserthor in das Innere, welches zahlreiche Kirchen, Paläste und Staatsgebäude enthält, von denen zumal die Kirchen wahre Wunder der Baukunst sind. In einer der Kirchen des Kreml, in der Kathedrale Mariä Himmelfahrt, findet auch nächsten Sonntag die Krö nung Alexander III. statt. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde. Die Tage der Ausstellung rücken näher und näher und die Ausstellungssektion wird in kurzer Zeit ihre Arbeiten beginnen; die An meldungen aus Dippoldiswalde haben sich recht er freulich vermehrt und nur der amtshauptmannschast- liche Bezirk, das Weißeritz- und Müglitzthal, sowie das oberere Gebirge haben bis jetzt nur wenige eingesendet. Wir wollen aber nicht unterlassen, noch in der letzten Minute nochmals darauf hinzuweisen, daß die Aus stellung ein getreues Bild der industriellen, gewerblichen und landwirthschaftlichen Thätigkeit des Bezirkes geben soll und daß nur durch eine allseitig beschickte Aus stellung ein völlig abgeschlossenes Bild geboten wird Ist dies aber geschehen, dann zeigen wir allen Be- 8